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Scheibenfolien – Entfernung bei Kraftfahrzeugen

VG Göttingen

Az.: 1 A 322/07

Urteil vom 30.09.2009


Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen eine Anordnung des Beklagten, durch die ihm aufgegeben worden ist, getönte Folien von den Seitenscheiben seines Kraftfahrzeugs zu entfernen.

Am 30.08.2007 stellte ein Mitarbeiter des Ordnungsamts der Stadt A. fest, dass die vorderen Seitenscheiben des Kraftfahrzeugs des Klägers mit getönten Folien versehen worden waren. Mit Bescheid vom 19.09.2007 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger die Entfernung der Folien auf der Fahrer- und Beifahrerseitenscheibe sowie die Vorlage eines entsprechenden Nachweises an. Durch weiteren Bescheid vom 19.09.2007 setzte der Beklagte für die Aufforderung zur Mängelbeseitigung eine Gebühr in Höhe von 20,00 Euro fest. Die Bescheide wurden dem Kläger am 21.09.2007 zugestellt.

Am Montag, dem 22.10.2007, hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Er trägt vor, er sei im Besitz einer Bauartgenehmigung für die Scheibenfolien, so dass diese nicht vorschriftswidrig seien. Die Folien beeinträchtigten auch nicht die Sicht zu den Außenspiegeln. Sie seien bei Hauptuntersuchungen durch den TÜV niemals beanstandet worden und ebenso zu behandeln wie auf den Scheiben angebrachte Aufkleber oder Vignetten.

Der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 19.09.2007 und seinen Gebührenfestsetzungsbescheid desselben Datums aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er führt aus, die Anbringung getönter Folien an den vorderen Seitenscheiben sei nicht durch die Bauartgenehmigung gedeckt, da die Seitenscheiben für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung seien. Eine Tönung der vorderen Seitenscheiben beeinträchtige die Sicht zu den Außenspiegeln und sei daher sicherheitsrelevant.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Akten des Beklagten und der Stadt Kassel Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz VwGO).

Rechtsgrundlage für die Anordnung des Beklagten ist § 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV). Erweist sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig nach der Fahrzeug-Zulassungsverordnung oder der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), kann die Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter gemäß § 5 Abs. 1 FZV eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen. Besteht Anlass zu der Annahme, dass ein Fahrzeug nach den genannten Regelwerken nicht vorschriftsmäßig ist, so kann die Zulassungsbehörde nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FZV anordnen, dass ein von ihr bestimmter Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit vorgelegt wird. Dies ist auch möglich, wenn die Anordnung der Überprüfung dient, ob ein nach § 5 Abs. 1 FZV erwiesener Mangel inzwischen behoben ist (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage 2007, § 5 FZV Rn. 10).

Das Fahrzeug des Klägers erweist sich infolge der Anbringung getönter Folien an den vorderen Seitenscheiben als nicht vorschriftsmäßig i. S. d. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Nach § 40 Abs. 1 Satz 3 StVZO müssen Scheiben aus Sicherheitsglas, die für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung sind, klar, lichtdurchlässig und verzerrungsfrei sein. Sie müssen wie auch auf ihnen angebrachte Folien gemäß § 22a Abs. 1 Nr. 3 StVZO in einer amtlich genehmigten Bauart ausgeführt sein. Die Genehmigung der Bauart kann gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Prüfung und Genehmigung der Bauart von Fahrzeugteilen sowie deren Kennzeichnung (Fahrzeugteileverordnung – FzTV) für die Bauart eines Typs (Allgemeine Bauartgenehmigung – ABG -) oder eines einzelnen Fahrzeugteils (Bauartgenehmigung im Einzelfall – Einzelgenehmigung -) erteilt werden. Der Kläger hat die von ihm verwendeten Scheibenfolien nicht im Wege einer Einzelgenehmigung genehmigen lassen, sondern ist im Besitz einer für sie durch das Kraftfahrt-Bundesamt erteilten Allgemeinen Bauartgenehmigung. In einer solchen Bauartgenehmigung werden gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FzTV der genehmigte Typ, das zugeteilte Prüfzeichen sowie Nebenbestimmungen und ggf. Ausnahmen festgelegt. Eine Einschränkung der Bauartgenehmigung durch Nebenbestimmungen kommt gemäß § 22a Abs. 1a i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 2 StVZO insbesondere in Betracht, sofern die Fahrzeugteile nur bei einer bestimmten Art des Ein- oder Anbaus verwendet werden dürfen.

Eine derartige Einschränkung enthält die für die vom Kläger verwendeten Scheibenfolien erteilte Allgemeine Bauartgenehmigung, in der ausgeführt wird:

„Die Folien … dürfen zum nachträglichen Aufbringen an der Innenseite von Fahrzeugscheiben, die für die Sicht des Fahrzeugführers nicht von Bedeutung sind, feilgeboten werden“.

Mit dieser Vorgabe wird § 40 Abs. 1 Satz 3 StVZO Rechnung getragen.

Die für die vom Kläger verwendeten Folien erteilte Allgemeine Bauartgenehmigung umfasst die Anbringung der Folien auf den vorderen Seitenscheiben nicht, denn bei diesen handelt es sich um Fahrzeugscheiben, die für die Sicht des Fahrzeugführers von besonderer Bedeutung sind. Hierzu gehören neben der Frontscheibe und – soweit ein rechter Außenspiegel nicht vorhanden ist – der Heckscheibe des Fahrzeugs auch die Seitenscheiben, die sich – bezogen auf den Führer eines Kraftfahrzeugs – innerhalb eines 180°-Bereichs befinden und für die Sicht zu den Außenspiegeln des Fahrzeugs freizuhalten sind. Weil die die Folien des Klägers betreffende Allgemeine Bauartgenehmigung mit der genannten Einschränkung versehen ist, gestattet sie die Anbringung der Folien an den vorderen Seitenscheiben nicht. Für die Folien besteht somit keine Allgemeine Bauartgenehmigung, die die Anbringung an diesen Scheiben gestattet. Das Fahrzeug erweist sich damit als nicht vorschriftsmäßig i. S. v. § 5 Abs. 1 FZV, so dass der Beklagte die Beseitigung der Folien anordnen und einen entsprechenden Nachweis hierüber verlangen durfte.

Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Klägers, getönte Scheibenfolien seien ebenso zu behandeln wie auf den Scheiben angebrachte Aufkleber oder Vignetten, die nicht zu beanstanden seien, sofern sie die Sicht des Fahrzeugführers nicht behinderten. Im Fall kleinflächiger Aufkleber/Vignetten, die keiner Bauartgenehmigungspflicht unterliegen, ist für die Frage des Fortbestehens der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs bzw. der Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 69a Abs. 3 Nr. 7a StVZO im Einzelfall darauf abzustellen, in welchem Bereich der Scheibe und in welcher Häufung sie angebracht sind und ob trotz der Aufkleber das gemäß § 35b Abs. 2 StVZO für den Fahrzeugführer vorgeschriebene ausreichende Sichtfeld unter allen Betriebs- und Witterungsbedingungen gewährleistet ist. Demgegenüber hat der Gesetzgeber es für notwendig gehalten, Scheibenfolien dem Erfordernis einer Bauartgenehmigungspflicht zu unterziehen. Hiermit hat er dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lichtdurchlässigkeit der Scheiben mit der ganzflächigen Aufbringung derartiger Folien im Regelfall eingeschränkt wird, und die Beantwortung der Frage, ob eine solche Beeinträchtigung noch mit §§ 35b Abs. 2, 40 Abs. 1 Satz 3 StVZO vereinbar ist, dem Kraftfahrtbundesamt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FzTV) bzw. der Zulassungsbehörde (§ 11 ff. FzTV) übertragen. Mit der die Folien des Klägers betreffenden Bauartgenehmigung ist diese Frage dahingehend beantwortet worden, dass die Folien die Lichtdurchlässigkeit so stark beeinträchtigen, dass von ihrer Aufbringung auf Scheiben, die für die Sicht des Fahrzeugführers von Bedeutung sind, abzusehen ist.

Dem Kläger kommt auch nicht zugute, dass die Folien nach seinem Vortrag bei TÜV-Hauptuntersuchungen nicht beanstandet worden sind. Der bloße Umstand, dass die Rechtswidrigkeit der konkreten Verwendung der Folien vom TÜV-Prüfer übersehen worden ist, ersetzt weder eine Allgemeine Bauartgenehmigung noch eine Einzelgenehmigung.

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Trotz der Formulierung in § 5 FZV ist der Zulassungsbehörde kein Entschließungsermessen eingeräumt; im Fall des Vorliegens von Fahrzeugmängeln hat sie vielmehr Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu ergreifen (Hentschel, a.a.O., Rn. 4). Soweit die Behörde zwischen verschiedenen Maßnahmen auswählen kann, hat sie mit der Anordnung der Mängelbeseitigung vorliegend das für den Kläger mildeste Mittel ausgewählt.

Von der vom Kläger angeregten Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, ob bzw. inwieweit die an seinem Fahrzeug angebrachten Folien die Sicht beeinträchtigen, sieht das Gericht ab. Auf diese Frage kommt es nicht an, denn streitentscheidend ist allein, dass die konkrete Verwendung der Folien von der Bauartgenehmigung nicht gedeckt ist.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger angefochtene Kostenfestsetzung ist § 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) i. V. m Nr. 254 der Anlage zu § 1 GebOSt. Nach Nr. 254 der Anlage ist für „sonstige Anordnungen“ nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und somit auch für die Anordnung des Beklagten vom 19.09.2007 ein Gebührenrahmen von 14,30 Euro bis 286,00 Euro vorgesehen. Vorliegend hat der Kläger die Höhe der erhobenen Gebühr nicht gerügt. Das Gericht hat insoweit keine rechtlichen Bedenken, denn der Beklagte ist mit dem Betrag von 20,00 Euro an der Untergrenze des Gebührenrahmens geblieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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