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Ehescheidung – Prozeßkostenhilfe für 1. Instanz (Besonderheiten bei kroatischen Staatsbürgern)

Oberlandesgericht Stuttgart

Az.: 17 WF 88/2001

Beschluß vom 21.03.2001

Vorinstanz: AG Rottweil – Az.: 4 F 32/2001


In der Familiensache wegen Ehescheidung hier: Prozeßkostenhilfe für die Antragstellerin in I. Instanz hat der 17. Zivilsenat – Familiensenat – des Oberlandesgerichts Stuttgart beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Rottweil vom 21.02.2001 (4 F 32/01) abgeändert und der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe für die Scheidungssache im ersten Rechtszug bewilligt. Ihr wird RA X beigeordnet. Die Antragstellerin hat keine Raten auf die Prozeßkosten zu bezahlen.

GRÜNDE

Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde der Ehefrau gegen den Beschluß des Familiengerichts über die Versagung von Prozeßkostenhilfe ist begründet. Die Scheidung der Ehe der Parteien, beide kroatische Staatsangehörige, kann nicht davon abhängig gemacht werden, daß vor der zuständigen kroatischen Behörde ein Versöhnungsversuch durchgeführt wurde.

1 .

Es bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob die Scheidung, wenn sie in Kroatien beantragt würde, im vorliegenden Fall überhaupt von der vorherigen Durchführung eines Vermittlungsverfahrens abhängig wäre. Denn die Parteien haben keine gemeinsamen minderjährigen Kinder. Das minderjährige Kind der Antragstellerin stammt nicht von dem Antragsgegner. Für die Auffassung des Familiengerichts in dem angefochtenen Beschluß spricht zwar der bei Bergmann/Ferid wiedergegebene Wortlaut des Art. 44 Abs. 1 des kroatischen Familiengesetzes vom 16.12.1998. Danach sind Ehegatten, die minderjährige eigene oder an Kindes Statt angenommene Kinder oder Kinder, über die sie die elterliche Fürsorge nach ihrer Volljährigkeit ausüben, haben, verpflichtet, beim Zentrum für Sozialfürsorge vor der Einleitung des Scheidungsverfahrens einen Antrag auf Vermittlung zu stellen. Der Wortlaut läßt deshalb grundsätzlich auch die Anwendung der Vorschrift auf leibliche Kinder eines Ehegatten zu, die nicht zugleich gemeinsame Kinder der Eheleute sind.

Eine umfassende Betrachtung des Regelungsabschnitts im Gesamtzusammenhang legt aber die Annahme nahe, daß der ausländische Gesetzestext mißverständlich übersetzt ist. Denn in allen anderen Vorschriften, die sich auf das Vermittlungsverfahren beziehen, ist in der bei Bergmann/Ferid wiedergegebenen Übersetzung von minderjährigen gemeinsamen Kindern die Rede (vgl. Art. 45 Abs. 1 u. 2, Art. 49 Abs. 1 des Familiengesetzes vom 16.12.1998). Auch die Aufgaben der Vermittlungsbehörde sprechen eher dafür, ihre Einschaltung nur in den Fällen vorzuschreiben, in denen es sich um gemeinsame minderjährige Kinder handelt. Zuständig für das Vermittlungsverfahren ist das Zentrum für Sozialfürsorge. Dieses hat sich insbesondere im Interesse der genannten Kinder um eine Versöhnung der Eheleute zu bemühen. Gelingt dies nicht, hat das Zentrum für Sozialfürsorge nach Art. 49 Abs. 1 des Familiengesetzes eine Vereinbarung der Eitern über den Aufenthalt des Kindes, über den persönlichen Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind und über den Kindesunterhalt zu vermitteln oder nach Art. 49 Abs. 2 notfalls sogar über den Aufenthalt des Kindes und über den persönlichen Umgang mit dem anderen Elternteil zu entscheiden. Die Vorschriften zielen damit nach ihrem Regelungsgehalt auf solche Kinder, über die die Eltern nach Art. 98 Abs. 1 des Familiengesetzes die elterliche Sorge gleichberechtigt, gemeinsam und einvernehmlich ausüben. Nur bei ihnen hat das Zentrum für Sozialfürsorge im Falle der Trennung der Eltern über den Aufenthalt des Kindes und über den Umgang mit dem anderen Elternteil zu entscheiden (Art. 99 Abs. 1).

Für eine mißverständliche Übersetzung des ausländischen Gesetzestextes spricht im übrigen ein dem Senat in einem anderen Verfahren vorgelegtes Scheidungsurteil eines kroatischen Familiengerichts vom 26.01.2000 (Gemeindegericht in X vom 26.01.2000, Nr. P.125/98 – 21). Dort ist zur Begründung der Ehescheidung nach der dem Senat vorliegenden deutschen Übersetzung ausgeführt, die Ehebeziehungen der Parteien seien schwer und dauerhaft zerrüttet. Die Parteien hätten übereinstimmend erklärt, sie hätten keine gemeinsamen oder adoptiv-minderjährigen Kinder oder Kinder mit Elternrecht-Verlängerung.

2.

Für die Entscheidung der Beschwerde kann die Beantwortung dieser Frage aber aus anderen Gründen dahinstehen. Denn der nach kroatischem Recht notwendige Sühneversuch wäre ohnedies ohne Einfluß auf die Zulässigkeit des Scheidungsverfahrens vor einem deutschen Gericht. Die Zulässigkeit des Verfahrens vor deutschen Gerichten bestimmt sich nach der lex fori, also nach deutschem Recht. Die nach ausländischen Rechtsverordnungen einem Scheidungsverfahren vorgeschalteten Sühneversuche sind in der Regel dem Verfahrensrecht zuzuordnen und nicht materiell-rechtliche Scheidungsvoraussetzungen (OLG Frankfurt a. M., FamRZ 2001/293 f.). Das gilt aus nachfolgenden Gründen auch für das im kroatischen Recht vorgesehene Vermittlungsverfahren:

Wenn, wie im vorliegenden Fall, beide Ehegatten und das im Haushalt der Eheleute lebende Kind eines Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, sind die deutschen Gerichte für die Ehescheidung zuständig (§ 606 a Abs. 1 Nr. 2 ZPO, ab 01.03.2001 Art. 2 Abs. 1 a der EG-Verordnung Nr. 1347/2000 vom 29.05.2000). Diese Zuständigkeit liefe ins Leere, wenn ein Vermittlungsverfahren durchzuführen wäre, weil dann deutsche Gerichte eine Scheidung solcher Ehen gar nicht aussprechen könnten. Im Inland gibt es nämlich keine für ein solches Vermittlungsverfahren zuständige Behörde, die nach Aufgabenstellung und Befugnis dem Zentrum für Sozialfürsorge in Kroatien entspräche. In Deutschland lebende kroatische Ehegatten müßten deshalb zumindest wegen des vorgeschalteten Vermittlungsverfahrens die Behörden ihres Heimatstaates in Anspruch nehmen. Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob es in Kroatien für solche Fallgestaltungen überhaupt ein zuständiges Zentrum für Sozialfürsorge gibt.

Denn für das Vermittlungsverfahren ist nach Art. 45 Abs. 1 des Familiengesetzes vom 16.12.1998 das Zentrum für Sozialfürsorge zuständig, in dessen Gebiet die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten oder in dessen Gebiet der Ehegatte mit dem minderjährigen Kind lebt. Diese Regelung der Zuständigkeit ist auf Inlandsfälle zugeschnitten. Die dem Zentrum für Sozialfürsorge nach kroatischem Recht zugewiesene Aufgabe, notfalls über den Aufenthalt des minderjährigen Kindes und über seinen Umgang mit dem anderen Elternteil zu entscheiden (Art. 49 Abs. 2 Familiengesetz), kollidiert zudem mit Art. 1 des Haager Minderjährigen-Schutzabkommens vom 05.10.1961. Danach sind für Schutzmaßnahmen zugunsten von in Deutschland lebenden Kindern die deutschen Gerichte zuständig. All dies spricht ebenfalls dafür, dem Versöhnungsversuch nur verfahrensrechtliche Bedeutung beizumessen.

3.

Auch im Hinblick auf die übrigen Voraussetzungen des kroatischen Scheidungsrechts besteht für den beabsichtigten Scheidungsantrag hinreichende Erfolgsaussicht. Deshalb war der Antragstellerin Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ratenzahlung liegen nicht vor.

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