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Scheinplanung: Baubehörde muss Scheinplanung nicht akzeptieren

 Verwaltungsgericht Koblenz

Az.: 7 K 1002/06.KO

Urteil vom 24.05.2007 


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Baugenehmigung hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2007 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung.

Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flur 26, Flurstück-Nr. 188, in O. Die Parzelle liegt im Geltungsbereich des am 6. November 1997 öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplanes „Auf F.“. Der Bebauungsplan wurde in der Folgezeit mit Wirkung vom 25. Januar 2001, 6. Januar 2005 und vom 31. März 2005 dreimal geändert. Er enthält – von den Änderungen unberührt geblieben – u. a. Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse, zur Firsthöhe (maximal 9 m, gemessen ab Oberkante des Erdgeschoss-Fußbodens) und zu den Traufhöhen.

Der Beklagte erteilte unter dem 24. Mai 2004 (Az.: 366/04) dem Kläger im vereinfachten Verfahren gemäß § 66 Abs. 1 LBauO die Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf der Parzelle 188. Die genehmigten Pläne weisen eine Firsthöhe von ca. 8,34 m ab Erdgeschoss-Fußboden aus. In der Folgezeit stellte der Beklagte eine abweichende Bauausführung fest und ordnete mit Bescheid vom 23. November 2004 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Baueinstellung an. Zur Begründung wurde auf fünf Abweichungen von der Baugenehmigung sowie den Festsetzungen des Bebauungsplanes „Auf F.“ hingewiesen. U. a. betrage die tatsächliche Firsthöhe 9,70 m und überschreite damit die genehmigte Firsthöhe um 1,36 m. Das hiergegen beim Verwaltungsgericht angestrengte Eilverfahren hatte lediglich insoweit Erfolg, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baueinstellungsverfügung hinsichtlich des Untergeschosses und des Kellergeschosses des Bauvorhabens wiederhergestellt wurde (Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 30. März 2005 - 1 B 10232/05.OVG – und Beschluss des VG Koblenz vom 31. Januar 2005 - 7 L 18/05.KO –).

Mit Antrag vom 30. Januar 2006 begehrte der Kläger die Erteilung der Baugenehmigung für eine geänderte Bauausführung. Wesentliches Merkmal dieser Änderung ist eine Erhöhung des Erdgeschoss-Fußbodens um ca. 70 cm im Westen (bergseitig) des Gebäudes bis zum Bereich des Firstes. Hierdurch beträgt die lichte Höhe nur noch 2,05 m und es ist in dem ursprünglich für die Küche vorgesehenen Bereich eine Waschküche vorgesehen.

Mit Bescheid vom 7. März 2006 (Az.: 106/06) lehnte der Beklagte die Erteilung der beantragten Baugenehmigung ab und führte zur Begründung aus, dass die zulässige maximale Firsthöhe von 9 m um ca. 0,70 m überschritten werde. Ferner sei im Bereich des Dachgeschosses die straßenseitige Baugrenze mit einer Gebäudeecke überschritten. Der Kläger machte mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch im Wesentlichen geltend, dass die festgelegte Firsthöhe keinerlei Auswirkungen auf die tatsächliche Gebäudestellung und Höhe habe; denn als Bezugspunkt sei der veränderbare Erdgeschoss-Fußboden, nicht aber ein außenstehender Fixpunkt genommen worden. Die Firsthöhenfestsetzung habe keine städtebauliche Bedeutung im vorliegenden Plan, so dass eine Befreiung städtebaulich vertretbar sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006 (W 06/092), dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 15. Mai 2006, wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass der Kreisrechtsausschuss aufgrund seiner fehlenden Verwerfungskompetenz die - nicht offensichtlich funktions- bzw. bedeutungslose – Firsthöhen-Festsetzung anzuwenden habe. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 BauGB seien nicht gegeben und im Übrigen werde auf die Erwägungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen.

Der Kläger hat am 14. Juni 2006 Klage erhoben. Er hält einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung bereits deshalb für gegeben, weil die Firsthöhe von 9 m aufgrund des geänderten Bauantrages eingehalten werde. Die Prüfung der Zulassung einer geringfügigen Abweichung nach § 18 Abs. 2 BauNVO sei unterblieben. Ungeachtet dessen erweise sich die Festsetzung der Firsthöhe als unwirksam. Als unterer Bezugspunkt für die Festsetzung der Höhe einer baulichen Anlage dürfe nicht die Oberkante des Erdgeschoss-Fußbodens gewählt werden. Ferner sei diese Festsetzung abwägungswidrig, da sie aus städtebaulichen Gründen keine Bedeutung habe; der mit der Festsetzung erstrebte Zweck könne nicht erreicht werden. Sofern die Bestimmung der Firsthöhe sich als eine gestalterische Festsetzung erweise, fehle es an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 88 LBauO. Der Bebauungsplan sei auch ansonsten in verschiedener Hinsicht fehlerhaft. Das gelte beispielsweise für eine nicht ausreichende landespflegerische Abwägung, eine unzureichende äußere sowie innere Erschließung oder das Offenlassen der Frage, wie die Firsthöhe zu ermitteln sei, wenn der Erdgeschoss-Fußboden aus versetzten Ebenen bestehe. Bei Annahme einer Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplanes sei das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 7. März 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 (W 06/092) den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung nach dem Stand der mündlichen Verhandlung vor dem Kreisrechtsausschuss zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er ist dem Vorbringen des Klägers unter Darlegung seiner Rechtsansicht im Einzelnen entgegengetreten.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Sie trägt vor, dass die Festlegung der Firsthöhe städtebaulich bedeutsam sei und eine wirksame Höhenbegrenzung erreiche, wenn diese auch nicht in jeder Fallgestaltung greife. Sie hält auch im Übrigen den Bebauungsplan für wirksam.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze dieses Verfahrens sowie der Verfahren 7 K 1001/06.KO und 7 K 1003/06.KO, die Gerichtsakte 7 L 18/05.KO sowie 8 Hefte Verwaltungsakten nebst dem Bebauungsplan „Auf F.“ (3 Ordner und 2 Heftungen); diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Versagungsbescheid des Beklagten vom 7. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Beklagte hat die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu Recht abgelehnt, da der Kläger keinen Anspruch hierauf hat.

Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 LBauO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Hier steht Baurecht entgegen, wobei es nicht darauf ankommt, ob man den Bebauungsplan „Auf F.“ für wirksam oder unwirksam hält. Eine abschließende Erörterung und Entscheidung der Frage seiner Wirksamkeit kann daher unterbleiben.

Geht man von der Wirksamkeit des Bebauungsplanes aus, so muss das zur Genehmigung gestellte Vorhaben die Regelung unter Ziffer 2 der textlichen Festsetzungen (Maß der baulichen Nutzung, § 9 Abs. 1 Ziffer 1 BauGB) einhalten, wonach die Firsthöhe maximal 9 m betragen darf, gemessen ab Oberkante des Erdgeschoss-Fußbodens. Diese Höhe wird hier nicht eingehalten.

Die teilweise Erhöhung des Erdgeschoss-Fußbodens ist für die Bestimmung der Firsthöhe bedeutungslos, weil es sich insoweit um eine reine Scheinplanung handelt, welcher kein objektiv sinnvoller Zweck innewohnt außer demjenigen, die im Bebauungsplan festgesetzte Firsthöhe von 9 m zu umgehen. Der Bauherr bestimmt in seinem Bauantrag zwar grundsätzlich den Inhalt des Bauvorhabens. Das bedeutet indes keine vollständige Bindung der Baubehörde an eine vom Antragsteller angegebene Zweckbestimmung oder die Bezeichnung einzelner Teile des Bauvorhabens. Die Bauaufsichtsbehörde hat nach § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO u. a. bei der Errichtung von baulichen Anlagen darüber zu wachen, dass die baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Diese Aufgabe umfasst auch das Verhindern einer Umgehung geltenden Baurechts. Hiernach ist ein zur Genehmigung gestelltes Vorhaben auch dahingehend zu beurteilen, ob es mit Blick auf das Gesamtnutzungskonzept des Hauses bei gebotener objektiver Betrachtung eine sinnvolle Funktion zu erfüllen vermag oder ob es entscheidend auf die Umgehung gesetzlicher Vorschriften ankommt. Wesentliches Kriterium für diese Beurteilung ist bei Fußbodenerhöhungen die Frage, ob es für die Überdimensionierung der Fußbodenkonstruktion einen sachlichen Grund gibt. Grundsätzlich wird bei der Bestimmung der Fußbodenoberkante als maßgeblichem unteren Bezugspunkt ein üblicher Bodenaufbau über der Rohdecke, bestehend aus Dämmschicht, Estrich und Belag zugrunde gelegt. Höhere Fußbodenaufbauten führen nur dann zu einer maßgeblichen Verlagerung der Fußbodenoberkante, wenn ein sachlich begründeter Sonderfall gegeben ist. Dies kann der Fall sein bei einem aufgrund besonderer technischer Anforderungen notwendigen Installationskanälen. Ansonsten kann die Bauaufsichtsbehörde eine einheitliche, fiktive Fußbodenhöhe von bis zu 15 cm zugrunde legen.

Diese in der Literatur für die Ermittlung der Vollgeschoss-Höhe vertretene Ansicht (siehe Jeromin, Kommentar zur LBauO, 2005, § 2 Rdnr. 68 und Simon/Busse, Kommentar zur BayBauO, Loseblattsammlung, Stand: November 2004, Art. 2 Rdnr. 1324) ist nach Ansicht der Kammer in gleicher Weise auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden, in der bei der Berechnung der Firsthöhe eines Gebäudes die im Bebauungsplan als unterer Bezugspunkt festgelegte Fußbodenoberkante durch eine Ausgestaltung von Fußbodenteilflächen als Podest umgangen werden soll. Ein anderer Grund, der bei objektiver Betrachtung mit Blick auf die Nutzung des Vorhabens des Klägers als Wohnhaus für seine Familie in Betracht käme, ist nicht ersichtlich. Durch die teilweise künstliche Erhöhung des eigentlichen Erdgeschoss-Fußbodens besitzt eine Teilfläche des Erdgeschosses nur noch eine Raumhöhe von 2,05 m. Damit wird dem Erdgeschoss als einer zentralen Etage des Wohngebäudes zum Wohnen nutzbare Fläche genommen, die nicht in das Nutzungskonzept des Hauses passt. Bei objektiver Betrachtung wird ein Bauherr keine Erhöhung des Erdgeschoss-Fußbodens vornehmen, wenn er dadurch wertvolle Wohnfläche verliert und sich zudem die Notwendigkeit des Einbaus weiterer Treppenstufen ergibt. Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 30. November 2005 an das Finanzministerium auch auf die Größe seiner Familie (5 Personen) hingewiesen. In Anbetracht dessen wäre es besonders unverständlich, einem Wohngebäude im Erdgeschoss Teil-Wohnflächen zu entziehen und dort u. a. eine Waschküche einzurichten.

Das Vorhaben des Klägers erweist sich auch nicht nach § 18 Abs. 2 BauNVO als zulässig. Nach dieser Vorschrift können geringfügige Abweichungen zugelassen werden, wenn die Höhe baulicher Anlagen als zwingend festgesetzt ist. Hier liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Norm nicht vor. Denn der Bebauungsplan „Auf F.“ setzt die Firsthöhe nicht als zwingend im Sinne des § 16 Abs. 4 Satz 2 BauNVO fest. Im Gegensatz zu Satz 1 der Vorschrift geht es hier nicht um die Festsetzung eines Höchstmaßes u. a. der Höhe baulicher Anlagen, sondern um eine diesbezügliche zwingende Regelung des Inhalts, dass die so festgesetzte Höhe weder über- noch unterschritten werden darf (siehe Fickert/Fieseler, BauNVO, Kommentar, 10. Aufl. 2002, § 16 Rdnr. 52). Eine derartige Festsetzung liegt hier nicht vor. Vielmehr setzt der Bebauungsplan „Auf F.“ zur Firsthöhe fest, dass diese „maximal 9,00 m“ betragen darf. Damit sind Unterschreitungen zulässig, was der Annahme einer zwingenden Festsetzung im Sinne der §§ 18 Abs. 2, 16 Abs. 4 Satz 2 BauNVO entgegensteht. Im Übrigen erscheint eine Überschreitung der Firsthöhe von 9 m um 70 cm auch nicht mehr als geringfügig. Hierbei sind die Auswirkungen der Abweichung auf die mit der (zwingenden) Festsetzung der Höhe verfolgten Ziele und Zwecke der Planung zu berücksichtigen. Ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan „Auf F.“ (Seite 13) soll durch die Firsthöhenbestimmung auf die Gesamthöhe der Baukörper im Plangebiet gestalterisch Einfluss genommen werden. Eine Abweichung um rund 8 % steht diesem von der Planung verfolgten Zweck entgegen.

Auch die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift kann von den Festsetzungen des Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und 1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder 2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder 3. die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hier scheitert eine Befreiung bereits daran, dass mit ihr ein Grundzug der Bebauungsplanung berührt würde.

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Die Grundzüge der Planung bildet die den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugrunde liegende und in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption. Es scheiden Abweichungen von solchen Festsetzungen aus, welche die Grundkonzeption des Bebauungsplanes berühren, also vor allem den Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung und auch nach dem Maß der baulichen Nutzung sowie den Festsetzungen zur Baudichte, d. h. der Bauweise oder überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Loseblattsammlung Stand: September 2004, § 31 Rdnr. 36). Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Die Befreiung kann nicht als Vehikel dafür herhalten, die von der Gemeinde getroffene planerische Regelung beiseite zu schieben und eine defizitäre oder sonst fehlerhafte Planung im Nachhinein zu korrigieren. Sie darf - jedenfalls von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind – nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (zum Vorstehenden siehe: BVerwG, Beschluss vom 5. März 1999 - 4 B 5/99 –, NVwZ 1999, 1110 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen bedürfte das Abweichen von der bestehenden Planungskonzeption einer Änderung des Bebauungsplanes und es verbietet sich deshalb eine Befreiung. Aus dem Bebauungsplan und seiner Begründung ergibt sich ein Zusammenwirken von verschiedenen Festsetzungen, das ein planerisches Grundkonzept erkennen lässt. Die Beigeladene hat das Neubaugebiet in einem Gemeindeteil ausgewiesen, der durch eine sensible Hanglage gekennzeichnet ist und in dem die Bebauung deshalb einen erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstellt (siehe Seiten 14 und 30 der Begründung zum Bebauungsplan). Hier soll die Entstehung zu mächtiger Baukörper verhindert werden. Zur Erreichung dieses Zieles dient u. a. eine Kombination von Festsetzungen, welche die Zahl der Vollgeschosse, die berg- und talseitigen Traufhöhen sowie die maximale Firsthöhe betreffen. Durch eine Befreiung von der Firsthöhe würde mit einer Änderung des Maßes der Nutzung ein wesentliches Element der planerischen Grundkonzeption angetastet. Ein derartiger Einschnitt in das Planungskonzept kann nicht durch eine Befreiung eingeleitet werden. Hierbei geht die Kammer davon aus, dass der planerischen Festsetzung der maximalen Firsthöhe auch tatsächliche Bedeutung zukommt. Auch wenn diese sich nicht in allen Fällen auszuwirken vermag, zeigen der Fall des Klägers oder die im Schriftsatz der Beigeladenen vom 10. Oktober 2006 genannten Beispiele die praktische Bedeutsamkeit der Festsetzung.

Ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung besteht auch dann nicht, wenn der Bebauungsplan für unwirksam erachtet wird. In diesem Falle beurteilt sich das Vorhaben entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht nach § 34 BauGB, sondern als Außenbereichsvorhaben nach § 35 BauGB und ist planungsrechtlich unzulässig.

Außenbereich sind diejenigen Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Abs. 1, Abs. 2 BauGB noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile gemäß § 34 BauGB liegen. Wenn von der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes ausgegangen wird, kommt es lediglich darauf an, ob das Grundstück des Klägers noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB liegt. Für den Bebauungszusammenhang ist maßgebend, ob eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung besteht, die trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. Ein Bebauungszusammenhang endet in der Regel mit dem „letzten Haus“.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegt das Grundstück des Klägers im Außenbereich. Die Parzelle 188 liegt in einer Entfernung von ca. 60 m von der nächsten Bebauung, die sich im Süden und im Osten anschließt. Nach Westen sowie Norden hin findet sich keinerlei Bebauung. Die Voraussetzung einer Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil sich auf der Parzelle 188 das vom Kläger entgegen der ursprünglichen Baugenehmigung errichtete Wohnhaus befindet. Dieses ist aus Rechtsgründen nicht geeignet, den notwendigen Bebauungszusammenhang darzustellen. Denn der Beklagte hat durch den Erlass der Beseitigungsverfügung vom 5. Dezember 2005 (siehe hierzu das Gerichtsverfahren 7 K 1003/06.KO) deutlich gemacht, dass er sich nicht mit dem Vorhandensein dieses Gebäudes abfindet und es im derzeitigen Zustand dulden wird (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom14. September 1992 – 4 C 50/90 –, NVwZ 1993, 985; Urteil vom 6. November 1968 - IV C 31.66 -, BVerwGE 31, 22).

Das nach § 35 BauGB zu beurteilende Vorhaben erweist sich als unzulässig. Es handelt sich um kein nach Absatz 1 der Vorschrift privilegiertes, sondern um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB. Solche Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Hier sind öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Das gilt – ohne dass auf sonstige Belange einzugehen wäre – für den öffentlichen Belang nach Nr. 5 der Vorschrift. Das Vorhaben des Klägers beeinträchtigt nämlich die natürliche Eigenart der Landschaft. Alle Vorhaben, die nicht einer privilegierten Nutzung des Außenbereichs dienen, beeinträchtigen regelmäßig die natürliche Eigenart der Landschaft. Die Außenbereichslandschaft ist für die naturgegebene Bodennutzung und als Erholungsfläche für die Allgemeinheit bestimmt und soll grundsätzlich von allen nicht unmittelbar ihrem Wesen und ihrer Funktion entsprechenden Baulichkeiten freigehalten werden (siehe Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 35 Rdnrn. 96 f. m.w.N.). Zu einer derart wesensfremden Bebauung gehört auch ein Wohnhaus im Außenbereich.

Bei dieser Rechtslage kann offen bleiben, ob und inwieweit die vom Kläger gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplanes „Auf F.“ vorgetragenen Bedenken heute noch geltend gemacht werden können und, davon abgesehen, in der Sache zu überzeugen vermögen.

Zu Gunsten des Klägers kann auch keine bloße Teilnichtigkeit des Bebauungsplanes „Auf F.“ hinsichtlich der Festsetzung einer maximalen Firsthöhe von 9 m angenommen werden. Selbst wenn lediglich diese Festsetzung unwirksam wäre, führte dies zur Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplanes.

Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht die Kammer davon aus, dass Mängel, die einem Bebauungsplan anhaften, dann nicht zur Gesamtnichtigkeit führen, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 1997 – 4 NB 30/96 –, NVwZ 1997, 896; Beschluss vom 6. April 1993 – 4 NB 43/92 –; NVwZ 1994, 272; siehe ferner: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2002 – 8 A 10036/02.OVG –). Ungeachtet des Vorliegens einer objektiven Teilbarkeit des Bebauungsplanes kann jedenfalls eine subjektive Teilbarkeit ausgeschlossen werden. Aus der Begründung zum Bebauungsplan lässt sich entnehmen, dass die Beigeladene den Plan nicht in einer eingeschränkten Version ohne Firsthöhenbegrenzung beschlossen hätte. Aus der Begründung unter 3.3 (Bebauung) wird deutlich, dass ein wesentliches Merkmal der Planungskonzeption die Verhinderung zu mächtiger Baukörper darstellt. Dies wird durch aufeinander abgestimmte Maßfestsetzungen erreicht, nämlich die Begrenzung der Anzahl der Vollgeschosse, eine tal- sowie bergseitige Traufhöhenbegrenzung und schließlich die Bestimmung einer maximalen Firsthöhe von 9 m. Die drei Festsetzungen sind in ihrer Kumulation besonders geeignet, der Entstehung überdimensionierter Baukörper entgegenzuwirken und den erheblichen Eingriff in das Landschaftsbild abzumildern. Angesichts der sensiblen Hanglage kommt jeder der drei Maßbeschränkungen eine besondere Bedeutung zu. Daher kann nach dem im Planungsverfahren der Beigeladenen zum Ausdruck gekommenen Willen nicht angenommen werden, dass der Bebauungsplan „Auf F.“ auch ohne die Festsetzung einer Firsthöhenbegrenzung beschlossen worden wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Kläger ist nicht mit den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese keinen Antrag gestellt und sich somit nicht dem Risiko einer eigenen Kostenpflicht gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 9.1.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden.

 

 

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