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Schenkungssteuer – Festsetzungsfrist

FG Münster

Az: 3 K 2941/04 Erb

Urteil vom 19.01.2006


Der Bescheid über die Aussetzung der Schenkungsteuer vom 22.12.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 04.05.2004 werden aufgehoben. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

G r ü n d e:

Die Parteien streiten, ob die Schenkungsteuerfestsetzungen für Vorgänge aus den Jahren 1994 und 1995 durch Bescheid vom 22.12.2003 gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AG) ausgesetzt werden durften oder ob insoweit die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war.

Der Kläger (KI.) war in den Jahren 1994 und 1995 zu jeweils 50 % neben seinem Bruder an der x Fenster und Türen GmbH und an der x Bauelemente GmbH beteiligt. Die Eltern des KI. waren Gesellschafter der X GmbH, der Vater zu 75 % und die Mutter zu 25 %. Die X GmbH erstattete Personalkosten an die x Fenster und Türen GmbH (1994: 415.231,84 DM und 1995: 393.551,18 DM) und an die X Bauelemente GmbH (1994: 925.736,98 DM und 1995: 805.448,59 DM). Im Rahmen einer Betriebsprüfung des Finanzamts (FA) für Großbetriebsprüfung (GroßBp.) A-Stadt bei der X GmbH gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass die Personalkostenerstattungen teilweise als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Vater des KI. zu behandeln seien. Außerdem vertrat sie die Auffassung, dass in Höhe der verdeckten Gewinnausschüttungen jeweils zur Hälfte Schenkungen an den KI. und dessen Bruder gegeben seien. Ihre Mitteilung über den Sachverhalt ging am 11.12.1997 beim Beklagten (Bekl.) ein. Zu den Einzelheiten wird auf die Mitteilung in den Steuerakten Bezug genommen. Am 28.12.1998 ging eine weitere Mitteilung der Betriebsprüferin beim Bekl. ein, wonach dem Vater des KI. weitere Beträge als verdeckte Gewinnausschüttungen zugerechnet wurden, die er wiederum dem KI. schenkweise überlassen habe. Zu den Einzelheiten wird auf die Mitteilung vom 22.12.1998 in den Steuerakten Bezug genommen.

Bereits nach Eingang der ersten Mitteilung forderte der Bekl. den KI. Anfang 1998 zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung auf, die dieser am 14.05.1999 beim Bekl. einreichte. Darin machte er Angaben zu der Übertragung von Anteilen an der X GmbH und an derY KG It. notariellem Vertrag vom 16.12.1996 und vertrat im weiteren die Auffassung, Schenkungen aufgrund von verdeckten Gewinnausschüttungen lägen nicht vor. Zu den Einzelheiten wird auf die Schenkungsteuererklärung in den Steuerakten Bezug genommen.

Durch Bescheid vom 22.12.2003 (StNr. XXX/9253/7304) setzte der Bekl. die Schenkungsteuer gemäß § 165 Abs. 1 AO für die Vorgänge aus den Jahren 1994 und 1995 in vollem Umfang aus. Zu den Einzelheiten wird auf den Aussetzungsbescheid in den Steuerakten Bezug genommen. Hiergegen wandte sich der KI. mit seinem Einspruch vom 21.01.2004. Er vertrat die Auffassung, etwaige Steueransprüche seien bereits verjährt.

Durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 04.05.2004 verwarf der Bekl. den Einspruch als unzulässig. Er vertrat die Auffassung, durch den Aussetzungsbescheid vom 22.12.2003 sei noch keine Schenkungsteuer festgesetzt worden und eine Beschwer deshalb nicht gegeben. Auch sei entgegen der Auffassung des KI. Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten, da der Bekl. vom Schenkungsvorgang in 1997 Kenntnis erlangt und daraufhin zur weiteren Sachverhaltsermittlung entsprechende Steuererklärungen angefordert habe. Deshalb habe die Festsetzungsfrist nach Abgabe der Steuererklärung in 1999 erst mit Ablauf des 31.12.1999 begonnen und mit Ablauf des 31.12.2003 geendet.

Mit seiner Klage vom 03.06.2004 verfolgt der KI. sein Begehren auf Aufhebung des Aussetzungsbescheides weiter. Unter Hinweis auf § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO hält er an seiner Auffassung fest, dass der Steueranspruch bei Erlass des Aussetzungsbescheides bereits verjährt gewesen sei.

Der KI. beantragt,
den Bescheid über die Aussetzung der Schenkungsteuer gemäß § 165 Abs. 1 AO für 1994 und 1995 und die EE ersatzlos aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der EE dargelegten Auffassung fest.

Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die Klage ist zulässig.

Der KI. macht geltend, durch den angefochtenen Aussetzungsbescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Auch wenn es durch diesen Bescheid noch nicht zu einer Steuerfestsetzung kommt, bleibt diese aufgrund der Regelung des § 171 Abs. 8 AO auch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist möglich. Insoweit ist der KI. durch den Aussetzungsbescheid beschwert.

Die Klage ist auch begründet.

Bei Erlass des Aussetzungsbescheides am 22.12.2003 war die Festsetzungsfrist sowohl für den Zeitraum 1994 als auch für den Zeitraum 1995 bereits abgelaufen. Die Festsetzungsfrist beträgt gern. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie beginnt gern. § 170 Abs. 1 regelmäßig mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist. Die Schenkungsteuer entsteht gern. § 9 Abs. 1 Nr. 2 Erbschaftsteuergesetz mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Die von der Bp festgestellten Zuwendungen waren in 1994 bzw. 1995 ausgeführt, so daß die regelmäßige Festsetzungsfrist für die Vorgänge aus dem Jahr 1994 mit Ablauf des 31.12.1994 begann und mit Ablauf des 31.12.1998 endete. Für die Vorgänge des Jahres 1995 begann die Festsetzungsfrist dementsprechend mit Ablauf des 31.12.1995 und endete mit Ablauf des 31.12.1999.

Da der KI. hier vor Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist in 1998 aufgefordert worden war, eine Steuererklärung abzugeben, war der Beginn der Festsetzungsfrist für beide Zeiträume gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO bis zum Ablauf des Kalenderjahres aufgeschoben, in dem Steuererklärung eingereicht wurde, spätestens jedoch bis zum Ablauf des 3. Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung folgte. Die Festsetzungsfrist begann danach für die Vorgänge aus dem Jahr 1994 mit Ablauf des 31.12.1997 und endete mit Ablauf des 31.12.2001; die Festsetzungsfrist für die Vorgänge aus dem Jahr 1995 begann mit Ablauf des 31.12.1998 und endete mit Ablauf des 31.12.2002. Damit war zum Zeitpunkt des Erlasses des Aussetzungsbescheides die regelmäßige Festsetzungsfrist abgelaufen.

Die Festsetzungsfrist war auch nicht in ihrem Ablauf gem. § 171 Abs. 4 AO gehemmt. Eine Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift tritt ein, wenn vor dem Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen wird. Die Festsetzungsfrist läuft für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Der Fristablauf wird gehemmt, soweit der tatsächliche Umfang der Prüfung den durch die Prüfungsanordnung vorgegebenen Umfang deckt. Achtet der Prüfer aus Anlass der Prüfung lediglich auf bestimmte Vorgänge, die nicht in der Prüfungsanordnung genannt sind, und nimmt er darüber Hinweise in seinen Prüfungsbericht auf, handelt es sich insoweit nicht um Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung, die zu einer Fristhemmung führen würden. Die Ablaufhemmung erstreckt sich auch nur auf Steuerschulden des in der Prüfungsanordnung genannten Adressaten. Zu einer Ablaufhemmung gegenüber Dritten kommt es durch die Außenprüfung nicht. Auf die Kommentierungen bei Tipke/Kruse Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung Kommentar, § 171 AO, Rdz. 52 und 56 m.w.N. zur Rechtsprechung wird hingewiesen.

Die Feststellungen der GroßBp zu den schenkungsteuerpflichtigen Sachverhalten führen danach nicht zu einer Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist. Schenkungsteuerliche Sachverhalte waren schon in der Prüfungsanordnung nicht erfaßt. Es handelt sich insoweit also lediglich um Vorgänge, auf die die Prüferin geachtet und über die sie Kontrollmitteilungen zum Zweck der Aufnahme weiterer Ermittlungen durch den Bekl. gefertigt hat.

Die Festsetzungsfrist war auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO gewahrt. Entgegen der in der Einspruchsentscheidung (EE) geäußerten Auffassung des Bekl. löst die Kenntniserlangung der Finanzbehörde von der Schenkung nicht wiederum die Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO aus. Nach der Rechtsprechung des BFH löst nur die positive Kenntnis der Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung den Beginn der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 zweite Alternative AO aus; nicht ausreichend ist die Kenntnis von Umständen, die erst aufgrund weiterer Ermittlungen eine Prüfung der Frage ermöglichen, ob ein schenkungsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt (BFH-Urteil vom 28.05.1998 II R 54/95, BStBI. II 1998, 647). § 170 Abs. 5 Nr. 2 begründet einen selbständigen Tatbestand der Anlaufhemmung, der gleichwertig neben dem Tatbestand der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO steht (vgl. Urteil FG Düsseldorf vom 07.07.2004, 4 K 5727/01 Erb, EFG 2005,91 mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01, BStBI. II 2003, 502). Dabei knüpfen die Regelungen für den Beginn der Festsetzungsfrist an unterschiedlichen Punkten an. Während bei § 170 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 AO der Zeitpunkt der Steuerentstehung maßgeblich ist ohne dass es auf eine Kenntnis der Finanzbehörde ankommt, löst gem. § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO nur die Kenntnis der zuständigen Finanzbehörde den Lauf der Festsetzungsfrist aus.

Der Senat schießt sich dabei der Auffassung des FG Düsseldorf (a.a.O.) an, dass es der Zweck der Regelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO, die Finanzbehörde vor der Verjährung des Steueranspruchs zu schützen, bevor diese überhaupt Kenntnis von der vollzogenen Schenkung erlangt hat, nicht gebietet, die Verjährungsfrist um weitere drei Jahre zu verlängern. Denn indem § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO auf die Kenntnis der zuständigen Finanzbehörde abstellt, ist für den Beginn der Festsetzungsfrist ein Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Finanzbehörde ohne weitere Ermittlungen prüfen kann, ob ein schenkungsteuerlich relevanter Vorgang gegeben ist, um dann unmittelbar eine Steuer festzusetzen. Demgegenüber trägt die Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO dem Umstand Rechnung, dass sich die Finanzbehörde die Kenntnis über die für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Umstände erst verschaffen muss.

Auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 zweite Alternative AO war die Festsetzungsfrist am 22.12.2003 bereits abgelaufen. Denn aufgrund der Mitteilungen des GroßBp Finanzamts in 1997 und 1998 war der Bekl. ohne weitere Sachverhaltsermittlungen in die Lage versetzt, den schenkungsteuerlich relevanten Sachverhalt zu überprüfen und eine Schenkungsteuer festzusetzen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

Die Revision wird unter Hiwweis auf das bereits beim BFH anhängige Revisionsverfahren II R 55/05 zugelassen.

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