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Rücktritt aus PKW-Kaufvertrag wegen Schiefziehen des Wagens

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 2-02 O 470/05

Urteil vom 19.07.2006


In dem Rechtsstreit hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 07.06.06 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 18.814,50 € zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs X Cabriolet (xxx).

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin hatte von der Beklagten mit Vertrag vom 2.2.04 (Anlage B1 Bl. 45ff d.A.) ein gebrauchtes Kfz X Cabriolet (Erstzulassung: 30.5.03) zum Preis von 33.300.- € erworben und am 20.2.04 übernommen (Anlage B2 Bl. 48). Anlässlich eines Werkstattaufenthalts am 6.5.04 beanstandete sie gegenüber der Beklagten u.a., dass das Fahrzeug nach rechts aus der Spur laufe (vgl. Abholerausweis Anlage K3 Bl. 56 d.A.). Im April 2005 stellte die Klägerin ihr Fahrzeug beim X-zentrum Göttingen vor und erklärte, das Fahrzeug ziehe stark nach rechts und verlangte, diese Fehlermeldung an den Hersteller weiterzuleiten. Die Werkstatt teilte dem Werk mit, sie habe festgestellt, dass der Wagen der Fahrbahnneigung und Spurrinnen sehr stark nachfahre; bei unebenen Fahrbahnen sei das Fahrzeug unzumutbar instabil. Ein Vergleichsfahrzeug weise genau die gleichen und ihre Vorführwagen teilweise gleiche Symptome auf. Das Herstellerwerk antwortete mit Schreiben vom 18.4.05: eine technische Lösung für das Schiefziehen des Fahrzeugs könne man nicht anbieten, dies entspreche dem Stand der Technik. Mit am 10.5.05 bei Gericht eingegangenem Antrag leitete die Klägerin ein selbständiges Beweisverfahren ein.

Die Klägerin lässt unter Bezugnahme auf das eingeholte Gutachten vortragen, dass sie den Kaufvertrag wandeln wolle und behauptet, dass der Wagen extrem nach rechts ziehe. Sie habe den PKW in der Vergangenheit gleichwohl nutzen müssen, da die Beklagte nicht bereit gewesen sei, den Kaufvertrag rückgängig zu machen und sie finanziell nicht in der Lage sei, sich ein anderes Fahrzeug anzuschaffen. Mitte April 2005 habe die Beklagte ihr durch ihren Verkaufsberater B mitteilen lassen, dass man für die Beanstandung keine technische Lösung unterbreiten könne.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie € 33.300.00 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs X Cabriolet Fahrgestellnummer xxx.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie stellt nicht in Abrede, dass der Sachverständige zutreffend festgestellt hat, dass das Fahrzeug ohne Betätigung der Lenkung nach rechts zieht, vertritt aber die Auffassung, dass das Fahrzeug (theoretisch) in technisch einwandfreiem Zustand sei. Die Untersuchung habe ergeben, dass kein individueller Mangel vorliege; so liege die Einstellung der Achsen innerhalb der zulässigen Toleranzen, die Stoßdämpfer seien funktionstüchtig. Die Behauptung der Klägerin, dass das Fahrzeug extrem nach rechts ziehe sei unrichtig und erfolge offensichtlich aufs Geradewohl und ins Blaue hinein. Es weise keinen Sicherheitsmangel auf und sei uneingeschränkt verkehrssicher. Entsprechend den Ausführungen des Herstellers entspreche das Fahrzeug dem Stand der Technik. Das Schiefziehen sei eine serientypische Erscheinung und damit kein Sachmangel.

Im Übrigen erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Sie verweist darauf, dass sie die Verjährung von Ansprüchen wegen Sachmängel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ein Jahr beschränkt habe und Verjährung damit bereits am 21.2.05 eingetreten sei. Nach dem Werkstattaufenhalt vom 6./7.5.04 habe die Klägerin gegenüber der Beklagten keine Mängel mehr gerügt. Diese Regelung über die Gewährleistung sei von der länger laufenden Herstellergarantie und der ebenfalls abgeschlossenen Reparaturkostenversicherung zu unterscheiden.

Jedenfalls müsse die Klägerin sich eine Nutzungsentschädigung für die von ihr zurückgelegte Fahrstrecke anrechnen lassen. Die Beklagte hält einen Betrag in Höhe von 0,67 % des Kaufpreises je gefahrener 1000 km für angemessen und rechnet hilfsweise mit einem Betrag von € 19.075,91 auf.

Es ist im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens (LG Frankfurt a/M 2-2 OH 2/05) Beweis erhoben worden durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Bezüglich des Ergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen B (Fa. D) vom 22.11.05 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet. Die Klägerin kann Rückzahlung eines Teils des Kaufpreises verlangen, da sie berechtigt ist, wegen eines Mangels vom Vertrag zurückzutreten (§§ 437, 434, 323 BGB).

Es kann nicht ernsthaft angezweifelt werden, dass ein Schiefziehen des Wagens schon von Übergabe an als Sachmangel zu bewerten ist. Er zieht bei unterschiedlichen Fahrzuständen auf unterschiedlichen Fahrbahnoberflächen ohne Einfluss der Lenkung jeweils nach rechts.

Ein Pkw ist ein technisches Produkt, dessen Beschaffenheit nach dem heutigen Stand der Technik vergleichbarer Fahrzeuge zu messen ist. Maßstab ist dabei der Entwicklungsstand der gesamten Automobilindustrie und nicht derjenige des Fahrzeugherstellers. Dies gilt auch beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs, bei dem ein Käufer erwarten darf, dass es frei von Konstruktions- und Fabrikationsfehlern ist. Es geht hier nicht um Verschleißschäden oder Alterungserscheinungen. Der Käufer eines modernen Gebrauchtfahrzeugs darf davon ausgehen, dass dieses so konstruiert ist, dass es auf ebener Fahrbahn ohne Lenkhilfe geradeaus fährt. Eine hiervon abweichende Vereinbarung der Sollbeschaffenheit haben die Parteien des Rechtsstreits jedenfalls nicht getroffen. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der beanstandete Zustand kein Mangel sei, weil es sich um eine serientypische Erscheinung handele und das Herstellerwerk nicht in der Lage sei, der Beklagten konkrete Anweisungen zur Beseitigung des Zustandes zu unterbreiten. Das als Beleg für ihre Ansicht zitierte Handbuch (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl. 2005 Rn 241) bestätigt diese mitnichten. Dort heißt es unter Bezugnahme auf Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte: „ … Als verfehlt erweist sich die vereinzelt vertretene Ansicht, ein Sachmangel sei nicht anzunehmen, wenn alle Fahrzeuge der Serie damit behaftet seien.

Dadurch wird der Begriff des Sachmangels in unzulässiger Weise relativiert und im Endeffekt die Sachmängelhaftung für alle einer ganzen Serie anhaftenden Konstruktion-/Systemmängel ausgeschaltet. Dies ist mit dem geltenden Sachmängelrecht nicht zu vereinbaren…“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der in dem Wandlungsbegehren der Klägerin liegende Rücktritt vom Kaufvertrag ist nicht wegen Verjährung des Anspruchs auf Nacherfüllung unwirksam (§§ 438 IV, 218 BGB). Die Klägerin hat es zwar versäumt, die in Ziffer VI 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf ein Jahr verkürzte Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Sachmängel vor Ablauf zu hemmen.

Dies ist aber unschädlich, weil die Klausel sich nur auf die Verjährung von Rechten bezieht, die unmittelbare Folge eines Sachmangels sind, aber nicht auf solche, die sich wie hier erst aus einer Rücktrittserklärung ergeben. Ziffer VI 1 der AGB spricht nur von Ansprüchen wegen Sachmängeln. Diese Rechtsbegriffe sind entsprechend ihrer juristischen Fachbedeutung zu verstehen. Bei Sachmangel bestehende Ansprüche (§ 194 BGB), nämlich Nacherfüllung oder Schadensersatz, sind in § 437 Nr. 1 und 3 BGB geregelt (vgl. § 438 BGB). Die Klägerin macht diese aber nicht geltend, sondern will die Rechtslage durch eine Rücktrittserklärung gestalten. Anders als Ansprüche unterliegen diese Gestaltungsrechte aber nicht der Verjährung und werden deswegen nicht von der von der Beklagten verwendeten Klausel erfasst. Ein Rücktritt wegen nicht vertragsgemäß erbrachter Leistungen ist zwar unwirksam, wenn der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist (§§ 438 IV, 218 BGB), eine dieser gesetzlichen Vorschrift entsprechende Regelung enthalten die Geschäftsbedingungen jedoch nicht. Eine die Ziffer VI 1 ausdehnende Auslegung dahingehend, dass die Klausel nicht entsprechend der gesetzlichen Definition gemeint ist, sondern dass auch Ansprüche aufgrund von Gestaltungsrechten darunter fallen sollen, kommt nicht in Betracht. Denn im Zweifel ist zu Lasten des Verwenders die kundenfreundlichste Auslegung zu wählen (§ 305c BGB).

Selbst wenn man die Klausel im Sinne der Beklagten dahingehend auslegen müsste, dass mit Ablauf der Verjährungsfrist für Ansprüche wegen Sachmängel auch eine Rücktritterklärung nicht mehr wirksam sein soll, könnte die Beklagte daraus keine Einrede herleiten. Die Klausel ist dann jedenfalls als überraschende Klausel unwirksam. Sie ist zwar als solche nicht ungewöhnlich; in dem Formular über die Bestellung des Fahrzeugs vom 02.02.04 wurde aber handschriftlich der Zusatz: „Werksgarantie bis 30.05.05, Kundin hat Rücktrittsrecht bis zur Besichtigung und Probefahrt am 04.02.04″ hinzugefügt. Damit wird beim durchschnittlichen Kunden der Eindruck erweckt, die Verjährungsfrist laufe erst am 30.05.05 ab und könne – wie hier geschehen – durch den am 10.05.05 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Durchführung eines Beweisverfahrens gehemmt werden. Ohne die hier fehlende Erläuterung versteht er nicht, dass damit nur das Herstellerwerk über die Beklagte versprechen lässt, bis zu diesem Datum Reparaturen zu bezahlen und dass dies nichts mit Gewährleistung aus dem Kaufvertrag mit der Beklagten zu tun hat. Es gilt deswegen die gesetzliche Frist für einen Rücktritt von 2 Jahren.

Der Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises ist jedoch durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten teilweise erloschen. Die Klägerin ist gem. § 346 BGB verpflichtet, den Wert der gezogenen Nutzungen zu ersetzen. Dieser wird nach der linearen Wertminderung entsprechend der Fahrleistung geschätzt. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ein Vergütungssatz von 0,67 % des Anschaffungspreises pro angefangener 1000 km nicht angemessen. Dieser früher von der Rechtsprechung häufig angesetzte Wert ist überholt. Er beruht auf der Annahme, dass die Gesamtfahrleistung 150.000 km beträgt. Inzwischen wird von vergleichbaren Fahrzeugen aber eine Laufleistung von ca. 200.000 km erwartet (Reinking/Eggert Rn 466). Dies ergibt dann einen Satz von 0,5 %. Wegen des Mangels des Fahrzeugs ist nicht der von der Klägerin gezahlte Kaufpreis, sondern der um den Mangel geminderte Wert zugrunde zulegen. Unter Zugrundelegung der Tatsche, dass das Fahrzeug auch unabhängig von der Beschaffenheit der Fahrbahnoberfläche ohne Lenkeinfluss nach rechts zieht und dieser Zustand nicht behebbar ist, erscheint eine Minderung des Kaufpreises um ¼ angemessen. Ein höherer Abzug ist nicht angebracht, da der Sachverständige nicht bestätigt hat, dass dieser Zustand die Verkehrssicherheit erheblich beeinträchtigt. Das Gericht schätzt, dass der Wegstreckenzähler im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine Gesamtfahrleistung von 130000 km anzeigte. Die Beklagte hat vorgetragen, dass eine von ihr durchgeführte Computerabfrage ergeben habe, dass dieser Wert kürzlich von einer anderen Werkstatt eingegeben worden sei. Aus dem Vergleich des Zählerstandes bei Übernahme des Fahrzeugs und bei Untersuchung durch den Sachverständigen ergibt sich, dass die durchschnittliche monatliche Fahrleistung 4.134 km betrug. Da der Umfang der Nutzung nach der Untersuchung unverändert geblieben ist, kann angenommen werden, dass sie danach ca. 37.200 km und insgesamt somit ca. 115.500 km zurückgelegt hat. Der Wert der Nutzungsentschädigung beträgt somit 14.485,50 €.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 I, 709 ZPO.

 

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