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Schilfüberwuchs vom Nachbargrundstück – Beseitigungsanspruch

LG Osnabrück, Az.: 7 O 361/10, Urteil vom 21.05.2010

1. Die Beklagte wird verurteilt, die von ihrem Grundstück Schlossblick 6, B., Gemarkung B., Flur 12, Flurstück 520, an der nord-östlichen Grenze auf das Grundstück der Kläger, Schlossblick 6, B., Gemarkung B., Flur 12, Flurstück 517, hinüberwachsenden Schilfpflanzen nachhaltig zu entfernen und zwar durch Austausch des Oberbodens an den betroffenen Stellen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an der gesamten nord-östlichen Grundstücksgrenze des Flurstücks 520 im Grenzbereich zum Flurstück 517, eine entsprechende Wurzelschutzfolie einzubringen, die das weitere Wachstum der Schilfpflanzen auf das Grundstück der Kläger nachhaltig und dauerhaft verhindert.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 18.500,- Euro vorläufig vollstreckbar.

6. Der Streitwert wird auf bis zu 16.000,- Euro festgesetzt.

Tatbestand

Schilfüberwuchs vom Nachbargrundstück - Beseitigungsanspruch
Symbolfoto: Von BaMiN /Shutterstock.com

Die Kläger begehren von der Beklagten die Beseitigung von Schilfpflanzen einschließlich deren Rhizome, die aus einem benachbarten, im Eigentum der Beklagten stehenden Biotop auf das Grundstück der Kläger herüber wachsen.

Die Kläger erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 08.01.2008 das Grundstück Schlossblick 6 in B., Gemarkung B., Flur 12, Flurstück 517, Ziffer 11 des amtlichen Übersichtsplanes. An ihr Grundstück grenzt das Grundstück der Beklagten, Flurstück 520, welches im amtlichen Übersichtsplan und im Bebauungsplan als „Biotop“ ausgewiesen ist. Bei diesem Biotop handelt es sich um eine Senke, die überwiegend mit Schilfpflanzen (bot. „Phragmites australis“) bewachsen ist. Das Schilf verfügt über einen stark verzweigten unterirdischen Sprossteil (Rhizom), der zu einem ausgeprägten, flächigen Wachstum der Pflanzen führt; die Rhizomausläufer bilden das ganze Jahr über Knospen, aus denen neue Sprossen wachsen. Die Schilfpflanzen wurden nicht durch die Beklagte angepflanzt; vielmehr erfolgte die Ansiedlung auf natürliche Weise. 1993 wurde das Gebiet durch den Landkreis Osnabrück als „besonders geschütztes Biotop“ gemäß § 28a Niedersächsisches Naturschutzgesetz festgestellt.

Anfang April 2009 stellten die Kläger fest, dass sich Schilfpflanzen über das Grundstück der Beklagten hinaus auf ihr Grundstück ausgebreitet hatten und aus den von ihnen angelegten Beeten und der Rasenfläche wuchsen. Seitdem hat sich das Schilf weiter vermehrt. Zwischenzeitlich sind alle Beete der Kläger mit Schilfgras bewachsen; das Rhizomgeflecht befindet sich zudem unter der gesamten Rasenfläche, so dass auch auf dem Rasen immer wieder neue Sprossen wachsen, wodurch der Rasen zerstört wird. Die Kläger können ihren Garten aufgrund des Schilfbewuchses nur eingeschränkt nutzen; nach dem Mähen des Rasens verbleiben harte Stümpfe, so dass aufgrund des daraus resultierenden Verletzungsrisikos insbesondere die Kinder der Kläger den Rasen nicht gefahrlos benutzen können.

Die Kläger behaupten, dass das Eindringen der Rhizome auf ihr Grundstück nur durch den Einbau einer Wurzelschutzfolie entlang der Grundstücksgrenzen nachhaltig und dauerhaft verhindert werden könne. Um die bisher auf ihrem Grundstück durch das Schilfwachstum verursachten Schäden zu beseitigen, müsse der gesamte Oberboden ausgetauscht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das von den Klägern  als Anlage K 4 zur Akte gereichte Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. C. D., welches im Rahmen des zwischen den Parteien vor dem Landgericht Osnabrück geführten selbständigen Beweisverfahrens (2 OH 59/09) erstellt wurde, Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte wird verurteilt, die von ihrem Grundstück Schlossblick 6, B., Gemarkung B., Flur 12, Flurstück 520 an der nord-östlichen Grenze auf das Grundstück der Kläger, Schlossblick 6, B., Gemarkung B., Flur 12, Flurstück 517, hinüberwachsenden Schilfpflanzen nachhaltig zu entfernen und zwar durch Austausch des Oberbodens an den betroffenen Stellen;

2. die Beklagte wird verurteilt, an der gesamten nord-östlichen Grundstücksgrenze des Flurstücks 520, im Grenzbereich zum Flurstück 517, eine entsprechende Wurzelschutzfolie einzubringen, die das weitere Wachstum der Schilfpflanzen auf das Grundstück der Klägerin nachhaltig und dauerhaft verhindert;

3. die Beklagte wird verurteilt, außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 546,69 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, sie könne nicht als Störer i.S. des § 1004 BGB herangezogen werden, da das Biotop auf natürliche Weise entstanden sei, ohne dass die Beklagte hierfür eine Ursache gesetzt habe. Der Beklagten sei auch kein pflichtwidriges Unterlassen vorzuwerfen. Die Kläger seien zudem zu Duldung verpflichtet, da die Nutzung des Grundstücks als Biotop ortsüblich und die Beeinträchtigung nicht wesentlich sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 04.05.2010 sowie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.05.2010 macht die Beklagte zudem geltend, dass  die Durchführung der begehrten Beseitigungsmaßnahmen wirtschaftlich unzumutbar sei. Die Beseitigungskosten beliefen sich bereits für das Grundstück der Kläger auf ca. 16.000,- Euro; insgesamt seien die Grenzen des Biotops zu anderen Baugrundstücken mindestens 6-mal so lang. Auch handele es sich nicht um das einzige geschützte Biotop auf dem Gebiet der Beklagten. Mit Schriftsatz vom 17.05.2010 trägt sie außerdem vor, dass mit der Errichtung des Einfamilienhauses der Kläger möglicherweise Veränderungen im Erdreich einhergegangen seien.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die ergänzende Vernehmung des Sachverständigen C. D. sowie des Zeugen S. A.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.05.2010 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung der Beeinträchtigungen, die von den aus dem Biotop auf ihr Grundstück hinüber wachsenden Schilfpflanzen ausgehen, durch Einbau einer Wurzelschutzfolie sowie den Austausch des Oberbodens zu.

a. Die Beklagte ist als Störer i.S. des § 1004 Abs. 1 BGB für den von ihrem Grundstück ausgehenden Schilfbewuchs des klägerischen Grundstücks verantwortlich.

Die Beklagte ist als Eigentümerin des Grundstücks Zustandsstörerin i.S. des § 1004 Abs. 1 BGB. Ihre Verantwortlichkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Schilfwachstum auf einem natürlichen Vorgang beruht. Zwar reicht der bloße Umstand des Eigentums an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, in diesem Fall nicht aus, um die Störereigenschaft zu begründen; durch Naturereignisse ausgelöste Störungen können dem Eigentümer jedoch zugerechnet werden, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht. Diese Voraussetzung liegt bei Naturereignissen vor, wenn der Grundstückseigentümer sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634; Urt. v. 14.11.2003, V ZR 102/03, NJW 2004, 1037, 1039; Urt. v. 28.11.2003, V ZR 99/03, NJW 2004, 603, 604 jeweils m.w.N.). Maßgebend ist insoweit nicht ein rein naturwissenschaftlicher Kausalitätsbegriff; vielmehr ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Falles, vor allem den Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie der Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und der vorbeugenden Beherrschbarkeit der Störung, Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634; Urt. v. 14.11.2003, V ZR 102/03, NJW 2004, 1037, 1039).

Für das Eindringen von Wurzeln auf benachbarte Grundstücke enthält § 910 Satz 1 BGB für Bäume und Sträucher eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des im Fall einer Grenzüberschreitung bestehenden Konflikts dahingehend, dass der betroffene Nachbar berechtigt ist, die eingedrungenen Wurzeln abzuschneiden und zu behalten. Unter der Berücksichtigung des Normzwecks der Regelung folgt daraus zugleich die Störereigenschaft des Eigentümers i.S. des § 1004 Abs. 1 BGB. Denn dieser hat nach dem Willen des Gesetzgebers dafür Sorge zu tragen, dass die (Baum-) Wurzeln innerhalb seiner Grundstücksgrenzen bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2003, V ZR 99/03, NJW 2004, 603, 604; Urt. v. 12.12.2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1036; KG, Urt. v. 15.07.2008, NJW 2008, 3148; Roth in: Staudinger, BGB, Bearb. 2009, § 910 Rdnr. 4); grenzüberschreitende Wurzeln stellen grundsätzlich eine abwehrfähige Eigentumsbeeinträchtigung i.S. des § 1004 Abs. 1 BGB dar (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634).

Diese durch § 910 Satz 1 BGB für Baum- und Strauchwurzeln getroffene Regelung ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. § 910 Satz 1 BGB trifft keine abschließende Regelung für Bäume und Sträucher, sondern benennt diese lediglich beispielhaft. Auch die Wurzeln anderer Pflanzen, wie z.B. Hecken, Schlingpflanzen, Stauden und sogar Unkraut, fallen unter diese Regelung, da die von § 910 BGB gewährte Rechtsposition nach dem Willen des Gesetzgebers nicht von der botanischen Bezeichnung der Pflanze abhängig sein soll (vgl. dazu Motive Bd. III, S. 288). Eine unterschiedliche Regelung für die verschiedenen botanischen Kategorien lässt sich sachlich nicht rechtfertigen, da das Bedürfnis nach einer vereinfachten Lösung nachbarlicher Streitigkeiten nicht von der Art der Pflanze abhängt; die Interessenlage der Nachbarn ist beim Überwuchern der Wurzeln sonstiger Pflanzen nicht anders als bei einem Überwuchs von Baum- oder Strauchteilen (so zutreffend Lüke in: Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2005, Teil 2 Rdnr. 381; Schmid, NJW 1988, 29, 30). Mit der Regelung des § 910 BGB hat der Gesetzgeber eine spezialgesetzliche Regelung für eine bestimmte Form der natürlichen Auswirkungen einer Pflanze getroffen und im Interesse einer klaren und eindeutigen Regelung des aus dem Überwuchs resultierenden Konflikts die Verantwortlichkeit für Wurzeln als einen mit jeder Pflanze notwendigerweise zusammenhängenden Bestandteil dem Eigentümer der Pflanze zugewiesen. Diese Wertung trifft auf jede Art von Pflanze zu, ohne dass es insoweit darauf ankommt, ob es sich um einen Baum, einen Strauch oder sonstige Pflanzen handelt (für die entsprechende Anwendung des § 910 BGB auf andere Pflanzen vgl. ferner Säcker in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 910 Rdnr. 5; Bassenge in: Palandt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 910 Rdnr. 2; Lemke in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 3. Aufl. 2008, § 910 Rdnr. 14; Roth in: Staudinger, BGB, Bearb. 2009, § 910 Rdnr. 16). Bei den durch die auf dem Grundstück der Beklagten befindlichen Schilfpflanzen gebildeten Rhizome handelt es sich um unterirdische Organe der Schilfpflanze, die für das Wachstum und die Nährstoffversorgung der Pflanzen sorgen; sie bilden unter der Erde wachsende Sprossachsensysteme, von denen nach oben die sichtbaren Triebe ausgehen. (ausdrücklich für eine Anwendung des § 910 BGB auf Rhizome: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 04.06.1972, 1 W 31/71, AgrarR 1972, 431, 432; Säcker in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 910 Rdnr. 5; Roth in: Staudinger, BGB, Bearb. 2009, § 910 Rdnr. 16; Lüke in: Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2005, Teil 2 Rdnr. 381).

Die Störereigenschaft der Beklagten wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Biotop auf eine natürliche Ansiedlung der Schilfpflanzen zurückgeht und ohne Einwirkung der Beklagten entstanden ist. Im Anwendungsbereich des § 910 BGB ist es ohne Bedeutung, ob der Baum, der Strauch oder die Pflanze, von der die Immission ausgeht, auf natürlichem Wege angewachsen oder von dem Grundstückseigentümer angepflanzt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2003, V ZR 102/03, NJW 2004, 1037, 1039). Insoweit besteht in der Beherrschbarkeit durch den Grundstückseigentümer und der Belästigung des Nachbarn kein Unterschied (vgl. Schmid, NJW 1988, 29, 30). Auf das für den Fall zusätzlicher, neben die eigentliche Nutzung des Grundstücks tretender Störungen entwickelte Kriterium, ob der Eigentümer durch die Nutzung des Grundstücks eine konkrete Gefahrenquelle geschaffen hat, die sich später verwirklichte, oder ob es sich um ein zufälliges und zusätzliches Naturereignis handelt, dass alle Grundstückseigentümer als allgemeines Risiko trifft und zur natürlichen Eigenart jeder Art von Anpflanzung gehört (vgl. dazu BGH, Urt. v. 07.07.1995, V ZR 213/94, NJW 1995, 2633, 2634), kommt es aufgrund der in § 910 Satz 1 BGB getroffenen gesetzlichen Regelung nicht an.

b) Die Beklagte kann sich ferner nicht darauf berufen, dass die nunmehr erfolgte Ausbreitung der Schilfpflanzen für sie bei Ausweisung der Nachbargrundstücke als Bauland nicht erkennbar war. Die Beklagte hat für die Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks gemäß § 1004 Abs. 1 BGB allein aufgrund ihrer Störereigenschaft einzustehen, ohne dass es insoweit auf ein mögliches Verschulden ankommt.

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c) Der Beseitigungsanspruch der Kläger ist nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen; die Kläger sind nicht verpflichtet, die von dem Biotop der Beklagten ausgehenden Beeinträchtigungen zu dulden.

aa) Im Anwendungsbereich des § 910 BGB besteht eine Duldungspflicht gemäß § 910 Abs. 2 BGB nur dann, wenn durch den Überwuchs keine Beeinträchtigung des Grundstücks verursacht wird. Da die von den Klägern angelegten Beete sowie der Rasen durch die Schilfpflanzen zerstört werden und eine gefahrlose Nutzung des Rasen insbesondere für die Kinder der Kläger nicht möglich ist, liegt eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks vor.

bb) Auf die Frage, inwieweit die von dem Grundstück der Beklagten ausgehende Beeinträchtigung wesentlich i.S. von § 906 Abs. 1 BGB sowie i.S. von § 906 Abs. 2 BGB ortsüblich und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu beseitigen ist, kommt es vorliegend nicht an, da § 910 Abs. 2 BGB insoweit auch im Rahmen des Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB als lex specialis vorgeht (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2003, V ZR 99/03, NJW 2004, 603, 604; Lüke in: Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2005, Teil 2 Rdnr. 380; Säcker in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, § 910 Rdnr. 11).

Zudem hat die insoweit darlegungsbelastete Beklagte weder zur Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung noch zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der begehrten Beseitigungsmaßnahmen hinreichend substantiiert vorgetragen. Die bloße Behauptung, die Beeinträchtigung sei in Anbetracht der Gesamtumstände nicht als „wesentlich“ anzusehen, genügt den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag nicht. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, aus welchem Grund die Beseitigungskosten für sie unzumutbar sein sollen. Die durch den Sachverständigen geschätzten Kosten für die Beseitigung der Beeinträchtigung betragen für das klägerische Grundstück ca. 16.000,- Euro, nämlich ca. 3.000,- Euro für das Einbringen der Wurzelschutzfolie und ca. 13.000,- Euro für den Austausch des Oberbodens. Allein anhand der Höhe dieser Kosten ist für das Gericht, dem keinerlei weitere Informationen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beklagten vorliegen, eine Unzumutbarkeit der Beseitigung nicht erkennbar. Soweit die Beklagte geltend macht, die Unzumutbarkeit resultiere aus dem Umstand, dass weitere Baugrundstücke an das Grundstück der Beklagten grenzen und sich auf dem Gebiet der Beklagten zudem weitere Biotope befinden, fehlt bereits jeglicher Vortrag dazu, inwieweit diese Grundstücke ebenfalls konkret durch Schilfwachstum beeinträchtigt werden und in welchem Umfang dort Beseitigungsmaßnahmen erforderlich sein sollen. Die pauschale Behauptung, dass in Zukunft auch hinsichtlich weiterer, an Biotope der Beklagten angrenzende Grundstücke Beseitigungsmaßnahmen erforderlich werden könnten, genügt für die Darlegung einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit nicht. Zudem hat die Beklagte den Einwand der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Beseitigung erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2010, und damit nicht rechtzeitig i.S. der §§ 282 Abs. 2, 132, 296 Abs. 2 ZPO, erhoben.

cc) Schließlich ergibt sich eine Duldungspflicht der Kläger auch nicht aus § 28a des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes. Dies wäre nur der Fall, wenn die von den Klägern begehrten Beseitigungsmaßnahmen zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung des Biotops führen könnten (vgl. § 28a Abs. 2 NNatG) und eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 28a Abs. 5 NNatG von dem Verbot des § 28a Abs. 2 NNatG nicht erlangt werden könnte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 20.11.1992, V ZR 82/91, NJW 1993, 152 ff.). Die Beklagte hat jedoch bereits nicht dargelegt, dass die von den Klägern begehrten Beseitigungsmaßnahmen eine Zerstörung oder Beeinträchtigung des Biotops bewirken können. Dass der von den Klägern begehrte Austausch des Oberbodens auf ihrem Grundstück Auswirkungen auf das Biotop haben könnte, wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Auch die an der Grundstücksgrenze einzubringende Wurzelschutzfolie führt nach der überzeugenden Darstellung des Sachverständigen Dipl.-Ing. D., denen das Gericht folgt, nicht zu einer Beeinträchtigung des Biotops. Soweit die Beklagte – ebenfalls erstmalig in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2010 – behauptet, der Wasserzulauf für das Biotop könnte durch das Einbringen der Wurzelschutzfolie gefährdet werden, handelt es sich um eine bloße Vermutung ins Blaue hinein; derzeit bestehen keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Biotops durch die Wurzelschutzfolie. Auch sofern die Beklagte geltend macht, dass der Bestand des Biotops möglicherweise durch das Einbringen einer Wurzelschutzfolie an den Grenzen aller entlang seiner Fläche ausgewiesenen Baugrundstücke gefährdet würde, handelt es sich um eine bloße Vermutung ins Blaue hinein. Die Beklagte hat bereits nichts dazu vorgetragen, in welchem Umfang die an das Biotop angrenzenden weiteren Grundstücke durch das Schilfwachstum betroffen sind und inwieweit eine vollständige Umschließung des Biotops mit Wurzelschutzfolie überhaupt erforderlich werden könnte. Zudem liegen bisher keine näheren Erkenntnisse über den Wasserzu- und -abfluss des Biotops vor.

d) Die Haftung der Beklagten wird auch nicht aufgrund einer überwiegenden Mitverursachung durch die Kläger ausgeschlossen oder beschränkt.

Soweit sich die Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.05.2010 darauf beruft, dass die Ausbreitung der Schilfpflanzen möglicherweise auf Veränderungen im Erdreich anlässlich der Errichtung des Einfamilienhauses der Kläger zurückzuführen sei, kann dieser Vortrag nicht mehr berücksichtigt werden, da er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte (vgl. § 296a ZPO). Zudem handelt es sich auch insoweit wiederum um eine bloße Vermutung der Beklagten, die nicht geeignet ist, eine Einwendung gegen den klägerischen Anspruch hinreichend schlüssig zu begründen.

Ein Mitverursachungsbeitrag der Kläger kann auch nicht aus dem Umstand abgeleitet werden, dass das Biotop – wie der Zeuge A. glaubhaft bekundet hat – bereits seit mindestens 20 Jahren besteht und die entsprechende Fläche auch im Bebauungsplan als Biotop ausgewiesen ist. Dass eine Ausbreitung der Schilfpflanzen über das Biotop hinaus auf das Grundstück der Kläger für diese allein aufgrund der Existenz der Schilfpflanzen bereits vor Erwerb des Grundstücks erkennbar war, lässt sich allein aus dem Bestand des Biotops nicht ableiten. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge A. bekundete, dass vor der Umwandlung der das Biotop umgebenden Ackerflächen in Bauland im Rahmen des damals üblichen Pflügens nicht zu erkennen war, dass sich das Schilf derartig ausbreitete bzw. ausbreiten würde.

e) Die Kläger können die Beseitigung der von den Schilfpflanzen ausgehenden Beeinträchtigung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen. Die Beklagte schuldet nicht nur die isolierte Beseitigung der störenden Rhizome durch Einbringung der Wurzelschutzfolie und Entfernung des auf dem Grundstück der Kläger befindlichen Rhizomgeflechts, sondern auch die anschließende Wiederherstellung des Gartenbodens, da die Beseitigungspflicht auch diejenige Eigentumsbeeinträchtigung umfasst, die zwangsläufig durch das Beseitigen der Störung eintritt (vgl. BGH, Urt. v. 28.11.2003, V ZR 99/03, NJW 2004, 603, 604).

Vorliegend war die Beklagte zudem zu den von den Klägern konkret begehrten Maßnahmen zu verurteilen. Zwar kann der Störer regelmäßig zwischen verschiedenen zur Abhilfe geeigneten Maßnahmen wählen, da seine Rechte nicht weitergehend eingeschränkt werden sollen, als dies der Schutz des Berechtigten vor Beeinträchtigungen seines Eigentums erfordert. Folgerichtig steht aber einer Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme dann nichts im Wege, wenn nur sie den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet oder wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können. In dieser Lage fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse des Störers, zwischen verschiedenen Abhilfemaßnahmen wählen zu können. Das Beharren auf einer solchen nur formalen Position ohne materiellen Gehalt lässt die Rechtsordnung nicht zu (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2003, V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1037). Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. D., denen das Gericht folgt, besteht zu den von den Klägern begehrten Beseitigungsmaßnahmen keine Alternative. Ein Eindringen neuer Rhizome kann ausschließlich durch das Einbringen einer Wurzelschutzfolie verhindert werden. Die Beseitigung der bereits vorhandenen Rhizome kann unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich erfolgten weiteren Wachstums der Schilfpflanzen nur durch einen vollständigen Austausch des Oberbodens auf dem Grundstück der Kläger erreicht werden. Da sich nach Einschätzung des Sachverständigen zwischenzeitlich große Rhizomgeflechte gebildet haben, kommt ein Ausgraben der einzelnen Rhizome nicht mehr in Betracht.

2. Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht. Die Kläger können die Erstattung nicht als Kosten der Rechtsdurchsetzung aufgrund eines ihnen gegen die Beklagte zustehenden Schadensersatzanspruchs verlangen. Die Beklagte haftet den Kläger nicht aufgrund einer schuldhaften Schadensverursachung, sondern verschuldensunabhängig als Zustandsstörerin gemäß § 1004 Abs. 1 BGB. Die Kläger haben auch nicht dargelegt, dass sich die Beklagte bereits bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der Beseitigung der Schilfpflanzen in Verzug gemäß § 286 BGB befunden hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 ZPO.

 

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