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Schimmel in Mietwohnung – Mieterverursachung

Landgericht Frankfurt/Main

Az: 17 S 89/11

Urteil vom 07.02.2012


Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Homburg v.d.H. vom 14.09.2011 (Geschäfts-Nr.: 2 C 240/10 (23)) abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.700,60 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 155,60 seit dem 06.05.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 355,60 seit dem 05.06.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 355,60 vom 04.07.2009 bis 14.07.2009, sowie weiteren Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 114,30 seit dem 15.07.2009, sowie weiteren Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 355,60 seit dem 05.08.2009 bis 27.08.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 242,26 seit dem 04.09.2009, zuzüglich weiteren Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 5,60 seit dem 04.10.2009, 05.11.2009 sowie 04.12.2009 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz aus € 816,04 seit dem 20.11.2009 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf € 1.881,73.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung rückständiger Miete und auf die Erstattung von Gutachterkosten in Höhe von insgesamt € 1.700,60 in Anspruch. Wegen der Berechnung der Klageforderung wird auf die Aufstellung im Schriftsatz vom 27.07.2010 (Bl. 104-105 der Akte) verwiesen. Der Beklagte meint, die Miete sei wegen Schimmelpilzbefalls wie einbehalten gemindert. Außerdem habe er berechtigterweise die Kosten für das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen J. in Höhe von € 631,06 von der Miete einbehalten können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 177-179 der Akte) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen teilweise stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei wegen des Schimmels zur Minderung der Miete in Höhe von 10%, das heißt € 59,69 monatlich, seit März 2009 berechtigt. Der Beklagte sei allerdings nicht berechtigt gewesen, die Kosten des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens von der Miete abzuziehen, da die Klägerin nicht mit der Mängelbeseitigung in Verzug gewesen sei und damit die Voraussetzungen des § 536a BGB nicht vorgelegen hätten. Auch die Klägerin könne nicht Erstattung der Kosten des von ihr beauftragten Gutachtens verlangen, weil eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht ersichtlich sei.

Gegen das ihr am 20.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.10.2011 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung am 12.12.2011 begründet.

In ihrer Berufungsbegründung vertritt sie die Auffassung, der Schimmel sei allein auf das Nutzerverhalten des Beklagten und seiner Familie zurückzuführen. Dies ergebe sich daraus, dass der Schimmel erst 2 ½ Jahre nach Mietbeginn entstanden und nach Behebung im Juni 2009 wieder aufgetreten sei. Weder bei den Vornutzern der Wohnung noch in anderen Wohnungen des Hauses habe es Schimmel gegeben. Das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten habe überdies eindeutig ergeben, dass Ursache des Schimmels das mieterseitige Verhalten mit nicht ausreichender Lüftung sei. Die Wohnung entspreche den zur Zeitpunkt des Baujahres 1954 maßgeblichen DIN-Vorschriften. Eine Lüftung 3-4 mal täglich sei zumutbar, zumal der Sachverständige eine so häufige Lüftung nur vorübergehend verlange.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des am 14.09.2011 verkündeten und am 20.09.2011 zugestellten Urteils des Amtsgerichts Bad Homburg zu Aktenzeichen 2 C 240/10 (23) der Klage vollumfänglich stattzugeben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, die Klägerin wäre dazu verpflichtet, im Bereich der Kältebrücke eine Wärmedämmung vorzunehmen, weil die Baualtersklasse aus dem Jahre 1954 nicht mehr heutigen Anforderungen entspreche. Damit würde auch das vom Sachverständigen verlangte Lüften 3-4 mal täglich überflüssig. Das von der Klägerin in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen …. sei unsubstantiiert und damit nicht verwertbar gewesen.

Mit Beschluss vom 20.12.2011 hat die Kammer den Rechtsstreit nach § 526 Abs. 1 ZPO der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die mit Schriftsatz vom 09.01.2012 eingelegte Anschlussberufung hat der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft und in der gesetzlichen Form und innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt und innerhalb der verlängerten Frist begründet worden (§§ 522 Abs. 1 S. 1, 511, 517, 519, 520 ZPO).

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung der ausstehenden Mieten gemäß § 535 Abs. 2 BGB in voller Höhe von € 884,56 verlangen. Zwar ist die streitgegenständliche Wohnung wegen des Schimmels mangelhaft. Eine Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB ist jedoch gemäß § 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB deswegen ausgeschlossen, weil der Beklagte den Schimmel durch mangelndes Lüften selbst verursacht hat.

Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen …. vom 26.05.2011. Dort kommt der Sachverständige unter Ziffer 4.7 „Schadensursache“ ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass das Schadensbild „seine Ursache in der Dampfdiffusion und nicht durch von außen eindringende Feuchte“ hat. Diese Dampfdiffusion wird nach den Feststellungen des Sachverständigen „durch das mieterseitige Verhalten mit nicht ausreichender Lüftung gefördert“ und kann durch eine Stoßlüftung 3 bis 4 mal täglich verhindert werden. Auch in der Zusammenfassung unter Ziffer 5 heißt es, dass das Schadensbild nicht von durch von außen eindringendes Wasser hervorgerufen wurde, sondern durch Dampfdiffusion und dass „die in der Wohnung aufgetretene Feuchtigkeit und Schimmelbefall [in erster Linie] auf das Nutzungsverhalten des Beklagten und seiner Familie und nicht auf die vorhandene Bausubstanz zurückzuführen“ ist.

Die Verantwortlichkeit des Beklagten für den Mangel ist auch nicht etwa deswegen ausgeschlossen, weil eine normale Nutzung der Wohnung bei üblichem Wohnverhalten ohne Schimmelbildung nicht möglich wäre. Nach den Ausführungen des Sachverständigen kann die Schimmelbildung durch eine Stoßlüftung 3 bis 4 mal täglich verhindert werden, wobei die Stoßlüftung in dieser Häufigkeit durchgeführt werden soll, „bis eine deutliche Reduzierung der relativen Luftfeuchtigkeit in der Wohnung eingetreten ist „ (Ziffer 4.5, Seite 12 des Gutachtens). Anders als das Amtsgericht hält die Einzelrichterin das Stoßlüften 3 bis 4 mal täglich auch für einen berufstätigen Mieter nicht für unzumutbar (so auch OLG Frankfurt am Main, NZM 2001, 39, juris-Rdn. 5). So kann morgens vor Verlassen des Hauses 1 bis 2 mal gelüftet werden, dann am Nachmittag nach Rückkehr von der Arbeit und am Abend.

Schließlich ist der Beklagte für den Schimmel verantwortlich, obwohl die Bausubstanz nach den Feststellungen des Sachverständigen nur den Mindestanforderungen des Baujahres des Hauses 1954, nicht aber den heutigen Anforderungen entspricht und der Einbau einer Wärmedämmung im Bereich der Kältebrücken die turnusmäßige Stoßlüftung überflüssig machen würde. Fehlt es an Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache, schuldet der Vermieter eine Beschaffenheit, die sich für den vereinbarten Nutzungszweck – hier die Nutzung als Wohnung – eignet und die der Mieter nach der Art der Mietsache erwarten kann. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen. Gibt es zu bestimmten Anforderungen an den Wohnstandard technische Normen, so ist (jedenfalls) deren Einhaltung vom Vermieter geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (BGH NJW 2010, 3088, juris-Rdn. 13). Nach den von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen entspricht die Bausubstanz der DIN 4108 in der Ausgabe vom Mai 1960 und den anerkannten Regeln der Bautechnik zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes. Auch die bestehenden Kältebrücken entsprechen dem damaligen Stand der Technik.

Welche Miete in welcher Höhe für welchen Zeitraum verlangt wird, hat die Klägerin durch die Auflistung im Schriftsatz vom 27.07.2010 (Bl. 104f. der Akte) hinreichend bestimmt dargelegt.

Die Klägerin kann von dem Beklagten gemäß § 280 Abs. 1 BGB auch die Kosten für das von ihr eingeholte Gutachten des Sachverständigen F. in Höhe von € 816,04 verlangen. Gutachterkosten sind erstattungsfähig, wenn sie aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn es wie hier um die Prüfung und gegebenenfalls Abgrenzung von Schadensursachen geht (vgl. Langenberg in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage 2011, § 538 Rdn. 329, 331). Der Einwand des Beklagten, das Gutachten des Sachverständigen F. sei mangels Substanz nicht verwertbar, überzeugt nicht. Trotz des Vorbehalts weiterer Messungen kommt er zu vergleichbaren Ergebnissen wie der vom Amtsgericht bestellte Gutachter: Eine Durchfeuchtung der Außenwände von außen könne als Schadensursache grundsätzlich ausgeschlossen werden; die vermuteten Wärmebrücken seien für das Baujahr des Gebäudes „normal“; ein falsches Nutzerverhalten werde vermutet.

Der Zinsanspruch für die ausstehenden Mieten ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 Abs. 2 des Dauernutzungsvertrages. Soweit die Klägerin wegen der Erstattung der Gutachterkosten Zinsen auf den Betrag von € 816,04 seit dem 23.09.2009 verlangt, ist der Zinsanspruch gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB erst ab Zustellung des Mahnbescheids am 20.11.2009 begründet. Eine Mahnung zur Begründung eines früheren Zinsanspruchs ist nicht vorgetragen.

Anders als vom Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.02.2012 beantragt, war der Rechtsstreit nicht gemäß § 526 Abs. 2 ZPO der Kammer zu einer Entscheidung über die Übernahme vorzulegen. Die in § 526 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO genannten Voraussetzungen liegen nicht vor. Die pauschale Behauptung des Beklagtenvertreters, die von der Einzelrichterin im Termin geäußerte Rechtsauffassung entspreche nicht der Rechtsprechung der Kammer, genügt nicht, um eine wesentliche Änderung der Prozesslage zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts für die Berufungsinstanz beruht auf §§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 GKG und berücksichtigt die Berufung mit € 1.250,67 (= € 1.700,60 – 449,93) und die Anschlussberufung mit € 631,06.

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