AG Dortmund – Az.: 425 C 7880/20 – Urteil vom 27.04.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.672,71 EUR (in Worten: zweitausendsechshundertzweiundsiebzig Euro und einundsiebzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Beklagte zu 57% und die Klägerin zu 43%. Außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben
Dieses Urteil ist zzgl. 110 % des jeweils beizutreibenden/zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 5863,18 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von Gewerberaummiete für den Monat April 2020, mithin auch für den Zeitraum des ersten sog. „Lockdowns“ wegen der Corona-Pandemie.
Mit Mietvertrag vom 1.1.1999 vermietete die Klägerin der Beklagten die im Erdgeschoss des Hauses gelegene Gewerbeeinheit, bestehend aus Verkaufsflächen, Nebenflächen und Lager. Die Grundmiete beträgt 3834,68 € zzgl. 85,- € für Betriebskosten. Zzgl. MWSt beträgt die Gesamtmiete 4.664,42 €. Diesen Betrag hat die Beklagte für April 2020 nicht gezahlt.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie ordnete die Stadt Dortmund – in Fortschreibung der Erlasse vom 15. und 17.03.2020 des Landes NRW zu weiteren kontaktreduzierenden Maßnahmen – mit einer am 17.03.2020 erlassenen Allgemeinverfügung die Schließung grundsätzlich sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels in der Zeit vom 18.03.2020 bis einschließlich 19.04.2020 an. In der Folge musste auch die streitgegenständliche Filiale der Beklagten in dem genannten Zeitraum geschlossen werden.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte auch für den Zeitraum der zwangsweisen Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts zur vollständigen Entrichtung der Miete für den Monat April 2020 verpflichtet sei, da die vermieteten Räumlichkeiten auch in dieser Zeit für den vertraglich vereinbarten Zweck nutzbar gewesen seien. Das Verwendungsrisiko trage die Beklagte.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.664,32 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 16.10.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass sie für die Zeit der Filialschließung nicht verpflichtet sei, die Miete für das streitgegenständliche Objekt zu leisten. Die Mietzahlungspflicht sei gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen, weil in der staatlichen Schließungsanordnung ein Mietmangel im Sinne dieser Vorschrift zu sehen sei. Jedenfalls sei von einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Gebrauchsüberlassung im Sinne von § 326 Abs. 1 BGB auszugehen, mit der Folge, dass sie, die Beklagte, von der Gegenleistung befreit sei. Zudem liege es – unter Heranziehung von § 134 BGB als Auslegungsregel – nahe, dass die wechselseitigen Hauptpflichten bei Fortbestand des Mietvertrages temporär „suspendiert“ gewesen seien. Letztlich sei zumindest der Mietvertrag auf Grundlage der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen.
Die Beklagte behauptet hierzu, dass sie im März 2020 im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang des Nettoumsatzes von 51,39 % und im April 2020 einen Rückgang von 34,06 % habe verzeichnen müssen. Der erhebliche Umsatzausfall und die damit verbundene Liquiditätslücke habe nicht durch verstärkten Onlinehandel kompensiert werden können. Dies liege im Wesentlichen daran, dass die von ihr angebotenen Produkte im Regelfall niedrigpreisig seien und sich ein Onlinekauf für den Kunden in Anbetracht der Verpackungs- und Versandkosten nur sehr eingeschränkt lohne. Die Umsatzrückgänge ließen sich auch nicht ansatzweise aufholen, zumal sich die Saisonware wie insbesondere die Osterware nicht mehr in den Geschäften verkaufen lasse. Zudem habe sie im Rahmen des zweiten „Lockdowns“ sämtliche Filialen in Deutschland beginnend ab dem 16.12.2020 erneut schließen müssen.
Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem angeblichen Rückzahlungsanspruch i. H. v. 1.643,73 EUR. Sie meint, dass ihr dieser Anspruch zustehe, weil sie – was unstreitig ist – für den Monat März 2020 die Miete entrichtet habe, obwohl sie die Filiale auch im März 2020 für 14 Tage habe schließen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Gericht überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
Durch Beschluss vom 16.03.2021 hat das Gericht mit ausdrücklicher Zustimmung beider Parteien angeordnet, dass im schriftlichen Verfahren entschieden werden soll. Gleichzeitig ist den Parteien eine dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechende Schriftsatzfrist bis zum 06.04.2021 gesetzt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur teilweise begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung restlicher Miete für April 2020 in Höhe von 2672,71 EUR gem. § 535 Abs. 2 BGB iVm dem Mietvertrag aus dem Jahr 1999 zu.
I.
Die Miete in Höhe von 4664,42 EUR ist nicht gem. § 536 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB gemindert. Die Mietsache ist weder mangelhaft noch liegt ein Rechtsmangel vor.
Gemäß § 536 Abs. 1 BGB ist die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder (erheblich) mindert, oder wenn ein solcher Mangel während der Mietzeit entsteht.
Öffentlich-rechtliche Nutzungs- und Betriebsverbote können nach der Rechtsprechung einen Sachmangel darstellen (BGHZ 68, 294, 296; WuM 1992, 313; NJW 1982, 2062, 2063; OLG Dresden ZMR 2020, 829 (Schließung Spielhalle wegen Lage in Nähe einer Schule). Dies gilt allerdings nur dann, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage der Mietsache beruhen und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben. Außerdem muss der Mieter durch die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Gebrauchshindernisse in seinem vertragsgemäßen Gebrauch auch tatsächlich eingeschränkt werden. Auf ein Verschulden des Vermieters am Mangel kommt es dabei ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob der Vermieter den Mangel beseitigen kann. Deshalb ist die Miete auch dann gemindert, wenn der Mangel infolge einer Naturkatastrophe (z.B. Überschwemmung) eingetreten ist (KG NZM 2008, 526; OLG Hamm NJWE-MietR 1996, 80; Walburg GE 2020, 423; Eisenschmid WuM 2002, 889, 890; aA: Häublein in: MünchKommBGB § 536 Rdn. 23). Voraussetzung hierfür ist aber nach bisheriger Rechtsprechung, dass sie ihre Ursache in der Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts haben (BGH NJW 1992, 3226, 3227; ZMR 1994, 253; NJW 1988, 2664; NJW 1980, 777, 778; Paschke NZM 2008, 265, 269; Walburg GE 2020, 423; Günter in: Guhling/Günter § 536 BGB Rdn. 177). Alle behördlichen Beschränkungen, die Gebrauchsbeeinträchtigung zur Folge haben, die ihre Ursprung im Risikobereich des Mieters haben, scheiden als Mangel aus (OLG Koblenz NZM 2002, 918: Begrenzung der Musiklautstärke zum Gesundheitsschutz; OLG Düsseldorf ZMR 1994, 402: Beschränkung der Öffnungszeiten); Günter in: Guhling/Günter § 536 BGB Rdn. 187: Änderung von Hygienevorschriften). Die Rechtsprechung schränkt die Gewährleistungspflicht des Vermieters außerdem bei Umständen, die der Vermieter nicht beherrschen kann, regelmäßig stark ein (OLG Düsseldorf DWW 1998,20: Beeinträchtigung des Zugangs zu gemieteten Ladenräumen durch Straßenbaumaßnahmen; LG Frankfurt/OLG Frankfurt WuM 1991,88: Verstopfung einer Abwasserleitung durch das vertragswidrige Einleiten ungeeigneter Stoffe durch einen anderen Mieter; OLG Düsseldorf DWW 1991,50: Beeinträchtigung eines Ladengeschäfts durch rechtmäßig parkende Fahrzeuge. Was zum allgemeinen Lebensrisiko gehört, ist kein Mangel (KG NZM 1998,437 Einbruch in Ladenräume; insoweit aA OLG Naumburg NZM 1998,438).
Durch gesetzgeberische Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen führen dann nicht zu einem Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, wenn sie in den Risikobereich des Mieters fallen, der das Verwendungsrisiko bezüglich des Mietobjektes trägt, wenn sie also ihre Ursache in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters haben. Das Verwendungsrisiko des Mieters ist zB dann nicht betroffen, wenn die infolge gesetzgeberischer Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar an die Lage des Mietobjektes anknüpft (OLG Dresden ZMR 2020, 829). Soweit die auf § 25 Abs. 2 GlüStV gestützte behördliche Untersagung des Betriebs mehrerer Spielhallen in einem Gebäude als Sachmangel der Mietsache angesehen wurde (OLG Hamm ZMR 2020, 739) beruhte dies auch darauf, dass der Betrieb von mehreren Spielhallen als einer von mehreren Zwecken im Mietvertrag bestimmt war ist (ähnlich KG NJOZ 2014, 1688 ff.). Denn die Ursache des behördlichen Verbots liegt auch in diesem Fall in der Beschaffenheit oder der Lage des Mietobjekts. Darum geht es vorliegend aber nicht, weil die Lage der konkreten Filiale für die Schließungsanordnung aufgrund der Landesverordnung unerheblich ist. Ähnlich hat das LG Hamburg (ZMR 2016, 702) für die durch Gesetz angeordnete Reduzierung von Spielgeräten und weiteren Beschränkungen bei Spielhallen entschieden (Walburg GE 2020, 423).
Der vorliegenden Situation am Ähnlichsten ist wahrscheinlich die Entscheidung des XII. Senats des BGH zu den Auswirkungen der Nichtraucherschutzgesetzes auf den Betrieb gastronomischer Betriebe (BGH NJW 2011, 3151). Damals wurde ohne Übergangsvorschriften das Rauchen in Gasstätten völlig verboten. Der Senat hat diesen neuen Zustand und die hierdurch eingetretenen Einnahmeausfälle als nicht auf der Mietsache beruhend angesehen und einen Mangel deshalb verneint. Betroffen sei allein das Verwendungsrisiko, also die Chance mit der Mietsache Gewinne erwirtschaften zu können.
Die im März/April 2020 verfügten Nutzungs- und Betriebsbeschränkungen beruhten nicht auf dem baulichen Zustand der Mietsache. Es wurden keinerlei Grenzwerte überschritten. Es ging damals wie heute unabhängig vom konkreten Betrieb darum, Menschenansammlungen zu unterbinden, um das Infektionsrisiko zu verringern und das Ansteigen der Infektionszahlen zu verlangsamen, um das Gesundheitssystem funktionstüchtig zu halten. Das hat alles mit der Mietsache nichts zu tun. Zwar kann auch der Mieter nichts für die Schließung seines Geschäfts, jedoch wird ihm aufgrund der gesetzlichen Wertung dies Risiko im Bereich des Gewährleistungsrechts in Deutschland (anders in Österreich in § 1141 ABGB) grundsätzlich überbürdet. Abweichende Vereinbarungen zu „höherer Gewalt“ oder Naturkatastrophen sind aber möglich und kommen vereinzelt auch vor (Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021: Force-Majeure-Klauseln). Im vorliegenden Fall haben die Parteien aber keine solche Regelung getroffen.
Deshalb liegt nach herrschender Meinung bei dem hier strittigen Sachverhalt kein Mangel der Mietsache vor (OLG Frankfurt Urt. v. 19.3.2021 – 2 U 143/20; OLG Karlsruhe NZM 2021, 224; OLG München NZM 2021, 226; OLG Dresden NZM 2021, 231; LG Frankfurt/M GE 2020, 1495; LG Heidelberg GE 2020, 1184; LG Mönchengladbach Urt. v. 2.11.2020 – 12 O 154/20; AG Oberhausen, Urt. v. 6.10.2020 – 37 C 863/20; LG Wiesbaden, Urt. v. 5.11.2020 – 9 O 852/20; LG Dortmund Urt. v. 23.2.2021 – 12 O 359/20; Both in Zehelein,COVID-19 – Mieten in Zeiten von Corona, § 3 Rdn. 30; Streyl in COVID-19 – Rechtsfragen zur Corona-Krise, § 3 Rdn. 72; Leo NZM 2021, 249 (257); Walburg GE 2020, 423, 424; offengelassen von OLG Nürnberg GE 2020, 1625).
II.
Die Beklagte kann dem Mietanspruch der Klägerin auch nicht erfolgreich entgegenhalten, dass die Gebrauchsüberlassung infolge der Schließungsanordnung durch die Klägerin unmöglich (§ 275 BGB) geworden sei, mit der Folge, dass sie, die Beklagte, gemäß § 326 Abs. 1 BGB ebenfalls von ihrer Leistungspflicht befreit sei (OLG Frankfurt Urt. v. 19.3.2021 – 2 U 143/20; OLG Karlsruhe NZM 2021, 224 Rdn. 16; OLG München NZM 2021, 226 Rdn. 6; Streyl in COVID-19 – Rechtsfragen zur Corona-Krise, § 3 Rdn. 71; Leo NZM 2021, 249 (257); aA Schmidt-Kessel/Möllnitz NJW 2020, 1103, 1105 für „endgültige Unmöglichkeit“). Dies gilt z.B. in den Fällen, in denen der vertraglich festgelegte Verwendungszweck aufgrund öffentlich-rechtlicher Gebrauchshindernisse objektiv unmöglich wird (Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl. § 536 Rdn. 176). Hierzu zählen auch die landesgesetzliche Nutzungs- und Betriebsverbote. Die Vorschrift des § 326 Abs. 1 BGB ist aber nur bis zum Zeitpunkt der Überlassung der Mietsache an den Mieter anwendbar und wird hiernach von den Vorschriften des besonderen Gewährleistungsrechts verdrängt (Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl., § 535 BGB, Rdn. 748; Streyl, NZM 2020, 817).
III.
Der Vertrag ist aber gem. § 313 Abs. 1 BGB anzupassen Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und wenn die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, und soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In der augenblicklichen Situation treffen die ursprünglichen Annahmen der Mietvertragsparteien, die sie dem Vertragsschluss zugrundgelegt haben, nicht mehr zu, sie „stimmen mit der Realität nicht mehr überein“ (BeckOGK/Martens, 1.12.2019, § 313 BGB Rdn 18). Die Pandemie hat im Tatsächlichen große Auswirkungen auf die Durchführung von Verträgen und war auch nicht vorhersehbar (Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021).
Welche Auswirkungen die pandemiebedingten Beschränkungen auf Mietverträge haben, gehört zurzeit zu den am intensivsten diskutierten Fragen des Mietrechts. Generell abgelehnt haben eine Anwendung des § 313 BGB das AG Düsseldorf (Urt. v. 10.11.2020 – 45 C 245/20) und das AG Köln (Urt. v. 4.11.2020 – 206 C 76/20; neuerdings auch Leo NZM 2021, 249 (257)). Andere Gerichte haben zwar die Anwendung des Rechtsinstituts grds. bejaht, aber die Messlatte sehr hoch gelegt. Die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie könne erst dann zu einem Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB führen, wenn es aufgrund dessen für den Gewerberaummieter zu existentiell bedeutsamen Folgen kommt (LG Frankfurt/M GE 2020, 1495; LG Wiesbaden, Urt. v. 5.11.2020 – 9 O 852/20). Zumindest für die ersten beiden Monate – wie hier – der infolge der COVID-19-Pandemie bedingten Schließung von Gewerberäumen sei eine Mietanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht vorzunehmen (OLG Zweibrücken ZInsO 2020, 2609 = BB 2020, 2450). Demgegenüber haben das LG Mönchengladbach (Urt. v. 2.11.2020 – 12 O 154/20) und das LG Dortmund (Urt. v. 23.2.2021 – 12 O 359/20) eine Halbierung der Miete für angemessen erachtet (Leo/Götz NZM 2020, 402, 406: „keine falsche Lösung“; so auch Selk GE 2020, 585, 590; Sittner NJW 2020, 1169, 1172; Weidt/Schiewek NJOZ 2020, 481, 484, noch weitergehend: Ekkenga/Schirrmacher NZM 2020, 410, 415).
Auch die Oberlandesgerichte sind sich nicht einig. Das OLG Karlsruhe (NZM 2021, 224 Rdn. 18) hat eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB für April 2020 abgelehnt, wohingegen das OLG München (NZM 2021, 226 Rdn. 10 die Vertragsanpassung in einem zur Berufungsrücknahme führende Hinweisbeschluss „grundsätzlich für möglich hält“. Ähnlich hat das OLG Frankfurt (Urt. v. 19.3.2021 – 2 U 143/20) entschieden. Das OLG Dresden (Hinweisbeschluss NZM 2021, 231 und Urteil v. 24.2.2021 – 5 U 1782/20) hat ebenfalls eine Störung der (großen) Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 1 BGB des Mietvertrages angenommen, wodurch eine Anpassung des Vertrages dahingehend zu erfolgen habe, dass die Kaltmiete für die Dauer der angeordneten Schließung auf die Hälfte reduziert werde. Eine Reduzierung der Kaltmiete um 50% sei gerechtfertigt, weil keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen habe. Es sei daher im vorliegenden Fall angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen. Gegen die Entscheidung ist bereits Revision zum BGH eingelegt, so dass die grundsätzliche Frage dort demnächst entschieden wird.
Das erkennende Gericht folgt dieser letzten Auffassung im Grundsatz.
Nach § 313 As. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrages verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, soweit einem Teil unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (BGH NJW 2020, 331; WuM 2020, 155; BGHZ 47, 52; BGHZ 83, 224; BGHZ 89, 238; BGH, NJW 1984, 1747).
Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB werden durch die mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften im konkreten Fall auch nicht verdrängt (Leo NZM 2021, 249 (251)). Da die Gebrauchsbeeinträchtigungen durch die COVID-19 Pandemie und die in deren Folge erlassenen öffentlich-rechtlichen Gebrauchsbeschränkungen aber keinen Mangel der Mietsache iSd § 536 BGB darstellen, gibt es auch keine Sperrwirkung der mietrechtlichen Gewährleistungsregeln gegenüber dem Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 6. Aufl. § 535 BGB Rn. 755).
Auch Art 240 § 2 EGBGB stellt keine spezialgesetzliche Regelung dar, die den Rückgriff auf § 313 Abs. 1 BGB verbietet (OLG München NZM 2021, 226; Warmuth COVuR 2020, 16). Erkennbar wollte der Gesetzgeber für Mieter und Pächter nur einen Bestandsschutz. Weitergehende Regelungen hat er für Mietverhältnisse in der Eile des Gesetzgebungsverfahrens nicht treffen wollen. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/18110 S. 36) heißt es vielmehr, dass die Mieter „damit nach allgemeinen Grundsätzen zur Leistung verpflichtet bleiben und ggf. auch in Verzug geraten können.“ Zu den allgemeinen Grundsätzen gehört auch das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Gegen die Sperrwirkung spricht auch, dass zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Sondergesetze Ende März 2020 das genau Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigungen sowohl was die Zeitschiene wie auch was die konkrete Betroffenheit jeder Branche angeht, gar nicht absehbar war. Ob also die Geschäftsgrundlage eines Vertrages betroffen war, konnte damals weder generell noch konkret für das einzelne Mietverhältnis beurteilt werden. Deshalb sperren die Neuregelungen nicht die Anwendung allgemeiner Grundsätze.
Vielmehr hat der Gesetzgeber jetzt durch Art. 240 § 7 EGBGB sogar eine gesetzliche Vermutungsregel geschaffen. Danach wird vermutet, dass in den Fällen, in denen vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat (dazu Brinkmann/Thüsing NZM 2021, 8; Streyl in Zehelein, COVID-19 – Mieten in Zeiten von Corona, 2. Aufl., 2021, § 7 Rdn. 5a). Die Vorschrift gilt auch rückwirkend für den ersten Lockdown (LG München I BeckRS 2021, 453; LG München I BeckRS 2021, 1762; Streyl in Zehelein, COVID-19 – Mieten in Zeiten von Corona, 2. Aufl., 2021, § 7 Rdn. 5b; Blatt/Stobbe IMR 2021, 45). Soweit Klimesch (IMR 2021, 47; i.E. ebenso Jung BB 2021, 329) unter Berufung auf die Entscheidung des BVerfG (NJW 2014, 1581) auch in einem solchen „klarstellenden Gesetz“ darin eine unzulässige verfassungswidrige echte Rückwirkung sieht, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht. Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Das mag im Steuerrecht, auf das sich die BVerfG-Entscheidung bezog, nach Ende des Veranlagungszeitraums der Fall sein, im Mietrecht ist das aber nicht so. Der Mieter schuldet die Miete auch in Corona-Zeiten „nach den allgemeinen Grundsätzen“ (BT-Drs. 19/18110 S. 36). Die Miete kann als gemindert sein oder es kann ein Grund zur Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB vorliegen. Das kann auch noch nach dem jeweiligen Fälligkeitsmonat der Miete überprüft und geändert werden. Das ist im Steuerrecht wegen der periodengerechten Abrechnung nach Veranlagungszeiträumen gerade nicht der Fall. Es wird durch Art. 240 § 7 EGBGB gerade keine Norm geändert (so das Argument in BVerfG NJW 2014, 1581). § 313 BGB bleibt unverändert. Die Vermutungsregel ändert daran nichts. Die Regelung ist sicher gesetzestechnisch ein ungewöhnlicher Weg (so Streyl in Zehelein, COVID-19 – Mieten in Zeiten von Corona, 2. Aufl., 2021, § 7 Rdn. 5a) aber in dieser ungewöhnlichen Situation zulässig, um den Vertragspartnern, die nicht in der Lage waren „diese Außergewöhnlichkeit zu akzeptieren und sich Verhandlungslösungen zu öffnen“ (so Streyl in Zehelein, COVID-19 – Mieten in Zeiten von Corona, 2. Aufl., 2021, § 7 Rdn. 5a) deutlich die Notwendigkeit von Anpassungen vor Augen zu führen. Dem Gesetzgeber steht es frei, solche ungewöhnlichen Wege zu gehen (Streyl aaO).
Soweit vertreten wird (Leo NZM 2021, 249 (250), dass aufgrund der weitgehenden Hilfen für Gewerbetreibende im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie (Ersatz von 75% des Vorjahresumsatzes) in vielen Fällen ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausscheidet, kann offenbleiben, ob dies so generell richtig ist, da die Beklagte solche Überbrückungsgelder nicht bekommen hat. Nach Ansicht des Gerichts wären solche Leistungen erst bei der Berechnung eines eventuellen Anpassungsanspruchs zu berücksichtigen.
Betroffen ist hier die große Geschäftsgrundlage. Diese wird gebildet durch die bei Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen der Parteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser Vorstellung aufbaut (BGH WuM 2020, 155; NJW 2010, 1553 Rn.17). In vielen Fällen treffen augenblicklich die Annahmen der Mietvertragsparteien, die sie dem Vertragsschluss zugrundgelegt haben nicht mehr zu, sie „stimmen mit der Realität nicht mehr überein“ (BeckOKG/Martens, 1.12.2019, § 313 BGB Rdn. 18). Die Auswirkungen der Pandemie sind so groß, dass man sie durchaus als große Geschäftsgrundlage (Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021) bezeichnen kann (aA. BeckOKG/Bruns § 542 BGB Rdn. 58). Bundeskanzlerin Merkel hat in Ihrer Fernsehansprache am 18.3.2020 davon gesprochen, dass „seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg habe es keine Herausforderung an unser Land mehr gegeben, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt“. Die Pandemie hat im Tatsächlichen große Auswirkungen auf die Durchführung von Verträgen und war auch nicht vorhersehbar (Weller/Lieberknecht/Habrich NJW 2020, 1017, 1021).
Anders als bei den späteren Lockdowns, bei denen es regional, zeitlich und geschäftstypisch unterschiedliche Verbote gab, ist es gerichtsbekannt, dass die Geschäfte während des ersten Lockdowns vollständig schließen mussten. Einer Beweisaufnahme bedarf es nämlich dann nicht, wenn die zu beweisende Tatsache nicht beweisbedürftig ist, weil sie ist (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., vor § 284 Rdn. 10). Das ist bei den Schließungsanordnungen und den Folgen der Fall (OLG Nürnberg ZMR 2021, 172 Rdn. 10).
Die gemeinsame Geschäftsgrundlage war in der Zeit der zwangsweisen Schließung der Geschäftsräume gestört. Die Mieträume sollten als Ladenlokal mit Kundenkontakt genutzt werden.
Das Auftreten der Corona-Pandemie und die daraufhin ergangene Schließungsanordnung fallen nicht in den Risikobereich einer der Parteien. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage hat nur dann Konsequenzen, wenn der auch gemeinsame Irrtum keinen Umstand betrifft, der in die Risikosphäre einer Partei fällt (zuletzt BGH NJW 2020, 331 = NZM 2020, 54). Dabei kommt der Dauer der Schließung besondere Bedeutung zu. Das Risiko eines Betriebsstillstand von kurzer Dauer, z.B. Bombenentschärfung oder Unwetterkatastrophe, muss jedes Unternehmen allein tragen und dafür Vorkehrungen treffen müssen. Das gilt auch für pandemiebedingte Auflage für Geschäfte, wie die Personen/Quadratmeterregel und Hygienekonzepte (Leo NZM 2021, 249, (257). Dabei muss man nach Ansicht des Gerichts die Situation rückwirkend betrachten (ähnlich Häublein/Müller NZM 2020, 481). Wie die Zeit gezeigt hat, ist zu Beginn einer Lockdownphase gar nicht abschätzbar, wie lange diese dauern wird. Erforderlich ist in jedem Fall für jeden Einzelfall eine Abwägung aller Umstände.
Der BGH (NZM 2020, 54 = NJW 2020, 331 Rdn. 37) hat fast vorausschauend Ende 2019 zur Risikoverteilung in Extremfällen schon erste Hinweise gegeben. Danach haben vertragliche oder gesetzliche Risikozuweisungen bei der Anwendung des Grundsatzes des Wegfalls der Geschäftsgrundlage „in extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt, unberücksichtigt zu bleiben“. Ein extremerer Ausnahmezustand als der derzeitige ist für das Gericht mit Ausnahme Das sich jetzt verwirklichende Risiko einer weltweiten Pandemie und Überlastung des Gesundheitssystems geht weit über das übliche Verwendungsrisiko hinaus. Keine Vertragspartei hätte bei Vertragsverhandlungen akzeptiert, das Risiko hierfür zu übernehmen (LG Dortmund a.a.O.).
Deshalb hat nach Ansicht des erkennenden Gerichts in Übereinstimmung mit dem in Art. 240 § 7 EGBGB zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und dem Obiter dictum des XII. Senats des BGH eine Vertragsanpassung – auch schon für die betroffenen Zeiträume während des ersten Lockdowns – stattzufinden. Der Beklagten ist das Festhalten am unveränderten Vertrag für den Geltungszeitraum der ersten Schließungsanordnung nicht zuzumuten. Es hatte eine Vertragsanpassung stattzufinden.
Dabei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen. Pauschale Lösungen verbieten sich, weil die Fälle einfach viel zu unterschiedlich sind. Es ist auf den konkreten noch generierten Umsatz, eventuelle staatliche Unterstützungsleistungen und alternative Einnahmequellen abzustellen.
Vorliegend sind die noch erzielten Umsätze maßgeblich. Die Nettoumsätze in der hier zugrunde zu legenden Filiale haben sich wie folgt entwickelt:
2018
März 38.174,08 €
April44.295,86 €
2019
38.475,13 €
40.404,56 €
2020
19.710,87 €
21,736,12 €
Es ist nach Ansicht des Gerichts auf die konkrete Filiale abzustellen und nicht auf den Konzernumsatz, der im März 2020 um 49,8% und im April um 53,1 % verglichen mit dem durchschnittlichen Vorjahresumsatz gefallen ist. Der Unterschied ist insbesondere im April 2020 gravierend, weil er dort in der hier maßgeblichen Filiale nur um 34,06 % zurückgegangen ist. Staatliche Ersatzleistungen haben Unternehmen der Größenordnung der Beklagten keine erhalten. Die zusätzlichen online-Umsätze sind heruntergebrochen auf die ca. 2700 Filialen vernachlässigenswert.
Soweit deshalb in Literatur und Rechtsprechung vorgeschlagen bzw. entschieden wird, dass die Miete pauschal zu halbieren ist, wird dies den Besonderheiten des konkreten Falles nicht gerecht. Wären die Parteien bei Vertragsschluss von den verminderten Umsätzen ausgegangen, hätten sie eine verminderte Miete vereinbart, und zwar halben Umsatz auch die Hälfte der vereinbarten Miete. Dies kann aber bei der Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB Eins-zu-Eins umgesetzt werden. Im Fall der Vertragsanpassung geht es um eine Verteilung des Risikos. Insofern folgt das Gericht der Auffassung, dass dies Risiko hälftig auf Mieter und Vermieter zu verteilen ist. Die Auswirkungen sind dann anhand der konkreten Ausfälle auf Mieter und Vermieter hälftig zu verteilen (ähnlich wohl Häublein/Müller NZM 2020, 481). Dabei ist die Miete für den ganzen Monat April herabzusetzen da ja auch der maßgebliche Umsatz im ganzen Monat erzielt wurde. Einer zeitlichen Aufteilung bis zum 19.4.2020 bedarf es deshalb nicht. Auf diese Weise werden auch eventuelle Nachholeffekte angemessen ausgeglichen.
Das bedeutet, dass im April 2020 die Nettoumsätze in der konkreten Filiale wegen des Lockdowns um 34,06 % niedriger waren. Die Monatsmiete für April ist deshalb um 17% herabzusetzen, wobei nach Ansicht des Gerichts die gesamte Miete inklusive Betriebskosten und MwSt. zu berücksichtigen ist. Das BGB Mietrecht geht von der Bruttomiete aus.
Für April 2020 sind somit 3871,47 € (4664,42 – 17% von 4664,42) zu zahlen.
Dieser Anspruch ist teilweise erloschen durch die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung für die Überzahlung März 2020. Der Beklagten steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung von 1198,76 EUR gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, nachdem die Beklagte durch die Zahlung der regulären Miete für März 2020 den vorgenannten Betrag ohne Rechtsgrund an die Beklagte geleistet hat. Denn auch für die Zeit der zwangsweisen Schließung des Geschäfts im März 2020 hat die Beklagte – aus den bereits dargelegten Gründen – gemäß § 313 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Vertragsanpassung.
Aufgrund der Umsatzeinbuße für den ganzen März von 51,39% im März reduziert sich die Miete für März nach den oben beschriebenen Grundsätzen um 25,7%, so dass für März von der Beklagten zu zahlen waren 3465,66 EUR. Da die Beklagte 4664,42 EUR gezahlt hat, besteht ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 1.198,76 €.
Die Aufrechnung ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Erforderlich ist die positive Kenntnis der Rechtslage im Zeitpunkt der Leistung (BGHZ 155, 380, 389; 113, 62, 70; BGH NJW 1997, 2381, 2382). Zur Kenntnis der Nichtschuld genügt es nicht, dass dem Leistenden die Tatsachen bekannt sind, aus denen sich das Fehlen einer rechtlichen Verpflichtung ergibt; der Leistende muss vielmehr aus diesen Tatsachen nach der maßgeblichen Parallelwertung in der Laiensphäre (BGH NJW-RR 2014, 1133) auch eine im Ergebnis zutreffende rechtliche Schlussfolgerung gezogen haben. Diese Voraussetzungen lagen Anfang März 2020 – auch wenn die Pandemie damals schon langsam in Deutschland ankam – nicht vor. Mit einem Lockdown hat damals niemand gerechnet.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 S. 1, 286 Abs. 1 BGB. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 5.863,18 EUR festgesetzt. Bei der Berechnung des Streitwerts wurde gemäß § 45 Abs. 3 GKG die Hilfsaufrechnung der Beklagten insoweit erhöhend berücksichtigt, als eine Entscheidung hierüber ergangen ist, mithin i. H. v. 1.198,76 EUR.