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Schlüsseldienst: Sittenwidrigkeit des Vertrages bei Preisüberschreitung von 100% gegenüber der angemessenen Vergütung

AG Ludwigsburg, Az.: 10 C 2730/10, Urteil vom 30.03.2012

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 273,14 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.06.2010 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 46,41 EUR zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 31 % und der Beklagte 69 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 393,00 € festgesetzt.

Tatbestand

entfällt gem. § 313 a ZPO

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gem. § 812 BGB nur ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 273,14 EUR gegen den Beklagten zu, da der zwischen den Parteien geschlossene Werkvertrag zur Öffnung der verschlossenen Haustüre zwar gem. § 138 BGB nichtig ist, dem Beklagten aber über § 812 BGB der übliche Werklohn in Höhe von 245,26 EUR zusteht.

Ein Rechtsgeschäft, aufgrund dessen für Schlüsseldienstleistungen Preise geschuldet werden, die mehr als 100 % über einer noch angemessenen Vergütung liegen, ist gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig (OLG Frankfurt NJWRR 2002, 471 ff).

Schlüsseldienst: Sittenwidrigkeit des Vertrages bei Preisüberschreitung von 100% gegenüber der angemessenen Vergütung
Symbolfoto: ungvar/Bigstock

Bei einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht nach der Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung, die in der Regel eine weitere Prüfung subjektiver Voraussetzungen entbehrlich macht und die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründet (BGH NJW 2001, 1127 ff).

Ein auffälliges Mißverhältnis liegt vor, wenn der Wert der Leistung den der Gegenleistung um rund 100 % übersteigt (BGH WM 08, 967 RZ 31). Eine weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen sittenwidrigen Verhaltens ist daher entbehrlich (OLG Frankfurt a.a.O.).

Es sind vorliegend auch keine Anhaltspunkte erkennbar, die geeignet wären, die Vermutung eines Handels in verwerfliche Gesinnung zu widerlegen.

Wucher im Sinn des § 138 Abs. 2 BGB liegt dann vor, wenn ein Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, welches auffällig ist. Neben dem objektiven Tatbestand ist subjektiv die Voraussetzung, dass der Wucherer die beim anderen Teil bestehende Schwächesituation, Zwangslage, Unerfahrenheit, mangelndes Urteilsvermögen oder erhebliche Willensschwäche ausgebeutet hat.

Auch im Sinn des § 138 Abs. 2 BGB liegt ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dann vor, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt. Die Grenze des Doppelten hat der BGH auch bezüglich § 138 Abs. 2 BGB für entscheidend angesehen (Palandt-Ellenberger § 138 RZ 67).

Nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Sachverständigen … wäre für das Öffnen der Wohnungstüre unter Berücksichtigung eines Notdienstzuschlages, der vom Beklagten aufgewandten Öffnungszeit und Fahrtzeit sowie der angefallenen Fahrtkilometer ein Höchstbetrag von 245,26 EUR brutto angemessen gewesen.

Der Sachverständige blieb auch bei seiner Anhörung im Beweisaufnahmetermin vom 19.03.2012 vor dem Amtsgericht bei dieser Preisfestlegung, wobei er sämtliche Einwendungen des Beklagten berücksichtigte.

Das Gericht folgt in vollem Umfang den Ausführungen des Sachverständigen.

Der Sachverständige hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, um welche Art von Tür es sich gehandelt hat, die der Beklagte öffnen musste, wieviel Zeit er dafür benötigte und welcher Aufwand und welche Kenntnisse diesbezüglich erforderlich waren.

Der Sachverständige gab in seiner Anhörung anlässlich des Termins vom 19.03.2012 mehrfach an, dass es sich bei der zu öffnenden Doppelfalztüre um eine einfache Standardaußentüre handelt, deren Öffnung im nichtverriegelten Zustand keinerlei Spezialkenntnisse erforderlich macht. Die Öffnung kann mittels einer Plastikkarte oder eines Hakens vorgenommen werden.

Nach den Angaben des Sachverständigen sind alle Außentüren Doppelfalztüren. Auch eventuelle Beschädigungen am Türgummi erschwerten die Öffnung der Türe keinesfalls.

Der im vorliegenden Verfahren zunächst beauftragte Sachverständige … führte in seinem Gutachten vom 07.03.2011, das er zu einer Zeit erstellte, als er noch nicht wegen Befangenheit abgelehnt war, aus, dass vorliegend der übliche Preis für die Öffnung einer Tür im Raum Ludwigsburg im März 2010 bei ca. 100-120 EUR brutto Pauschalpreis lag, wobei sämtliche Leistungen, wie Vorhaltungen, Rüstzeiten, An- u. Abfahrt enthalten sind.

Auch das vom Beklagten mit Schriftsatz vom 08.03.2012 vorgelegte Gutachten des TÜV Rheinlandes kommt zum Ergebnis, dass das Öffnen einer Doppelfalztür als Notöffnung im Raum Ludwigsburg im Preissegment von 120 EUR bis 200 EUR brutto liegt.

Dieses Gutachten wurde vom Sachverständigen … des TÜV Rheinland am 25.05.2011 erstellt.

Beide Gutachten, d.h. das des Sachverständigen … und das des TÜV Rheinland werden der vorliegenden Entscheidung nicht zugrunde gelegt, dienen aber bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der Plausibilität des vom Sachverständigen … berechneten üblichen Werklohnes im Bereich Ludwigsburg als Vergleichsgrundlage.

Daraus folgt, dass der ortsübliche angemessene Werklohn im konkreten Fall bei höchstens 245,26 EUR hätte liegen dürfen.

Nachdem der Beklagte tatsächlich 518,40 EUR berechnet hat, liegt eine Überschreitung des angemessenen Preises um 111 % vor.

Damit ist die für § 138 BGB vom BGH vorgegebene Grenze des Doppelten eindeutig überschritten.

Es liegt mithin ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor, welches zum einen im Hinblick auf § 138 Abs. 1 BGB die Sittenwidrigkeit begründet, einschließlich der tatsächlichen Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung.

Zum anderen ist auch im Sinn des Wuchertatbestandes des § 138 Abs. 2 BGB der objektive Tatbestand des auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung erfüllt. Auch die subjektive Voraussetzung des Wuchertatbestands ist vorliegend gegeben, da eine Zwangslage für den Kläger vorlag. Eine Zwangslage ist dann gegeben, wenn wegen einer erheblichen Bedrängnis ein zwingender Bedarf nach einer Geld- oder Sachleistung besteht (Palandt-Ellenberger § 138 RZ 70). Dafür reicht auch eine momentane Kalamität aus, wie etwa ein Wasserrohrbruch oder Stromausfall am Sonntag (Palandt a.a.O.).

Vorliegend hatte sich der Kläger mit seiner Familie, insbesondere einem Kleinkind, Abends zwischen 20 und 22 Uhr aus der Wohnung ausgesperrt. Ein Zutritt zu den Wohnräumen war wegen der zugefallenen Tür nicht mehr möglich. Insbesondere angesichts des Kleinkindes herrschte also für den Kläger eine Zwangslage vor. Diese war dem Beklagten bekannt.

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Damit ist vorliegend der Vertrag sowohl nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig (s. OLG Frankfurt, NJWRR 2002, 471) als auch wegen wucherischen Verhaltens nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig.

Die Rechtsfolge sowohl der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB, als auch die dies Wuchers nach § 138 Abs. 2 BGB ist die Nichtigkeit des Geschäftes (Palandt-Ellenberger § 138 RZ 19 u. 75).

Die Nichtigkeit erstreckt sich in der Regel auf das Rechtsgeschäft im Ganzen. Ist das Entgelt, wie vorliegend, sittenwidrig überhöht, ist das Rechtsgeschäft im Ganzen nichtig, eine Aufrechterhaltung mit der angemessenen Gegenleistung ist nicht möglich (Palandt a.a.O. RZ 19 m. Rechtsprechungsnachweis).

Auch im Fall des Wuchers ist eine Aufrechterhaltung des Rechtsgeschäftes mit der angemessenen Gegenleistung nach herrschender Meinung nicht möglich (Palandt a.a.O. RZ 75 mit Rechtsprechungsnachweis).

Damit stehen dem Beklagten vorliegend keine Werklohnansprüche in Höhe des vom Sachverständigen berechneten an sich angemessenen Betrages von 245,26 EUR zu, allerdings hat auch der Wucherer einen Anspruch aus § 812 BGB hinsichtlich dessen was der Bewucherte erlangt hat (Palandt § 138, 75). Erlangt hat der Kläger die Türöffnung, wofür er bei ordnungsgemäßer Abrechnung hätte höchstens 245,26 EUR bezahlen müssen. Auf diesen Betrag hat der Beklagte trotz Nichtigkeit des Vertrages einen Anspruch.

Daher war der Rückzahlungsanspruch des Klägers (518,90 EUR) um den Betrag der ortsüblichen Entlohnung (245,26 EUR) zu kürzen.

Der Anspruch auf Verzugszinsen und vorgerichtlich angefallene Anwaltskosten rechtfertigt sich als Verzugsschadensersatzanspruch nach § 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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