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Schlüsseldienst – untersagte Verhaltensweisen

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

Az.: 6 W 218/01

Verkündet am 04.01.2002

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main – Az.: 2/6 O 376/01


In dem Eilverfahren hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 04.01.2002 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.10.2001 nach teilweiser Abhilfe durch Beschluss vom 09.11.2001 teilweise abgeändert.

Den Antragsgegnern wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, bezüglich der Antragsgegnerin zu 1) zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, weiter untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

– bei telefonischen Anfragen den voraussichtlichen Gesamtpreis einer Schlüsseldienstleistung unzutreffend anzugeben wie im Falle S. wo als voraussichtlicher Preis 150 DM genannt, jedoch 359 DM in Rechnung gestellt wurden;

– für die Erbringung von Schlüsseldienstleistungen Preise zu berechnen, die 100% oder mehr über dem noch angemessenen Preis liegen wie in den Fällen T. (Anlage K 17 der Antragsschrift) und F. (Anlage K 18 der Antragsschrift); nach der Erbringung von Schlüsseldienstleistungen den Kunden durch Manipulation des Türschlosses auszusperren, falls dieser sich weigert, die in Rechnung gestellten Kosten sofort und vollständig zu bezahlen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegner zu 2/3 zu tragen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin zu 4/10 und die Antragsgegner zu 6/10 zu tragen.

Beschwerdewert: 13.805 Euro (= 27.000 DM)

Gründe:

l.

Die Antragsgegnerin zu 1) firmiert unter „A. Schlüsseldienst GmbH“. Der Antragsgegner

zu 2) ist der Geschäftsführer der Antragsgegnerin zu 1).

Die Antragsgegnerin zu 1) wirbt in den regionalen Branchenverzeichnissen zahlreicher Gemeinden, unter anderem im Rhein-Main-Gebiet, für ihren Schlüsseldienst. Sie unterhält neben ihrem Firmensitz in B. S. keine weiteren Niederlassungen. Die Türöffnungen werden von Subunternehmern durchgeführt. Die Antragsgegnerin zu 1) hat allerdings nicht in jedem Ort, in dessen Branchenverzeichnis sie für ihre Dienstleistungen wirbt, einen Subunternehmer, was dazu führt, dass für Schlüsselöffnungen in den Orten, in denen kein Subunternehmer der Antragsgegnerin zu 1) ansässig ist, erhöhte Anfahrtskosten anfallen.

In der Vergangenheit gingen über diverse von der Antragsgegnerin zu 1) eingesetzte Subunternehmer Beschwerden bei der Antragstellerin ein, die sich gegen die Preisbemessung der Subunternehmer richteten und gegen die Art und Weise, wie sie gegenüber den Kunden auf einer sofortigen Zahlung der überhöhten Rechnungen in bar bestanden.

Gegen mehrere Subunternehmer der Antragsgegnerin zu 1) sind beziehungsweise waren Gerichtsprozesse anhängig, in denen die geforderten Preise auf ihre Angemessen-heit hin überprüft und von den jeweils beauftragten Sachverständigen als zum Teil um mehr als 100% überteuert begutachtet wurden. Das gilt für die Subunternehmer M. (An-lagekonvolut K 11), Th. (Anlagenkonvolut K12) und T. (Anlagenkonvolut K 17). Im Fall T. kam der Gutachter zu dem Ergebnis, dass anstelle der in Rechnung gestellten 1.019,64

DM bei ordnungsgemäßer Türöffnung nur rd. 260 DM hätten in Rechnung gestellt werden dürfen.

Im Fall des Subunternehmers F. kam ein von der Antragstellerin beauftragter Sachverständiger zu dem Ergebnis, anstelle der zunächst in Rechnung gestellten 2.877,96 DM sei lediglich ein Betrag von maximal 1. 172,22 DM angemessen.

Am 15.08.2001 wählte Frau S. eine Rufnummer, unter der die Antragsgegnerin zu 1) für ihren Schlüsseldienst wirbt, weil der „Schnapper“ ihrer Tür sich nicht mehr be-wegen ließ. Ihr wurde gesagt, man werde jemanden schicken; sie müsse mit einem Preis von etwa 150 DM rechnen. Eine Stunde später kam ein Monteur. Er meinte, es handele sich um eine schwierige Öffnung, die 359 DM kosten würde und ließ sich einen entsprechenden Auftrag von Frau S. unterzeichnen. Nach der Öffnung, die nach Angaben von Frau S. (eidesstattliche Versicherung vom 24.09.2001, Anlage K 8) etwa eine Minute dauerte, bestand der Monteur auf sofortige Bezahlung. Nachdem Frau S. dies ablehnte“ schlug er die Tür wieder zu, so dass Frau S. ausgesperrt war.

Am 28.08.2001 bestellte Frau Tu. telefonisch bei der Antragsgegnerin zu 1) einen Schlüsseldienst zum Öffnen ihrer Wohnungstür. Ihr wurde eine Rechnung über 694,84 DM gestellt und es wurde auf Barzahlung bestanden. Der Monteur sagte ihr, ohne Geld würde er nicht weggehen, und veranlasste sie, ihren Mann von seiner Arbeitsstätte zu holen, damit dieser die Rechnung sofort begleicht.

Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegnern im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft, bzgl. der Antragsgegnerin zu, 1) zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu untersagen,

1.) in Werbe-Medien, insbesondere in Branchenverzeichnissen, Zeitungen und anderen öffentlichen Mitteilungen Eintragungen ihres Unternehmens (Schlüsseldienst) unter dem Ortsnamen einer Gemeinde zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass an diesem Ort eine eigene Filiale/Niederlassung/Betriebsstätte nicht betrieben wird und/oder ohne in der Werbung darauf hinzuweisen, dass die Durchführung der Aufträge nicht durch das eigene Unternehmen, sondern durch Subunternehmer erfolgt;

hilfsweise

in Werbe-Medien, insbesondere in Branchenverzeichnissen, Zeitungen und anderen öffentlichen Mitteilungen Eintragungen ihres Unternehmens (Schlüsseldienst)unter dem Ortsnamen einer Gemeinde zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass an diesem Ort eine eigene Filiale/Niederlassung/Betriebsstätte nicht betrieben wird und/oder ohne in

der Werbung darauf hinzuweisen, dass die Durchführung der Aufträge nicht durch das eigene Unternehmen, sondern durch Subunternehmer erfolgt, wenn der Subunternehmer in dieser Gemeinde bzw. diesem Ort keine eigene Filiale/Niederlassung/Betriebsstätte hat, wie in den Fällen S., Anlage K 8, und Tu., Anlage K 9 und im Falle N., Anlage K 12;

2.) bei telefonischen Anfragen den voraussichtlichen Preis der Waren und/oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit den Dienstleistungen eines Schlüsseldienstes einschließlich aller Steuern und sonstiger Preisbestandteile sowie ggf. zusätzlich anfallender Kosten insbesondere Fahrtkosten unzutreffend anzugeben; hilfsweise

bei telefonischen Anfragen den voraussichtlichen Preis der Waren und/oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit den Dienstleistungen eines Schlüsseldienstes einschließlich aller Steuern und sonstiger Preisbestandteile sowie ggf. zusätzlich anfallender Kosten , insbesondere Fahrtkosten unzutreffend anzugeben, insbesondere wie im Falle S. – Anlage K 8 – einen voraussichtlichen Preis von 150,00 DM anzugeben, wenn der Endpreis sich auf 359,00 DM beläuft:

3.) für die Erbringung von Schlüsseldienstleistungen Preise zu berechnen, die 100% oder mehr über dem ortsüblichen Preis (Marktpreis) liegen oder aber, sofern die verlangten Preise unter 100 % aber über dem ortsüblichen Preis liegen, insbesondere – wenn Arbeiten doppelt berechnet werden, z. B. neben der Türöffnungspauschale Arbeitsstunden nach Zeit, wie aus der Anlage K 16 ersichtlich – überhöhte nicht ortsübliche Anfahrtskosten in Rechnung gestellt werden oder – zu hohe, nicht ortsübliche Materialkosten berechnet werden, den Kunden nicht über den ortsüblichen Preis aufzuklären;

hilfsweise

für die Erbringung von Schlüsseldienstleistungen Preise zu berechnen, die 100% oder mehr über dem ortsüblichen Preis (Marktpreis) liegen, wie in den Fällen Sw./T., Amtsgericht Darmstadt Az. 305 C 27/01 und /oder wie im Fall der Einbruchsschadensrechnung E. Mobiler Schlüsseldienst Sv. F. vom 28.01.2001, Anlage K 17;

4.) im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen eines Schlüsseldienstes bei Weigerung des Kunden, den Preis sofort und/oder in voller Höhe zu zahlen, den Kunden durch Austausch des Schlosses

auszusperren bzw. auszuschließen, wie aus der Anlage K 8 (eidesstattliche Erklärung S.) ersichtlich.

Die Antragsgegnerin hat in diesem Eilverfahren nicht Stellung genommen, sich vorprozessual jedoch damit verteidigt, sie unterhalte nur die Service-Telefonnummer und leite die Aufträge an selbständig arbeitende Unternehmer weiter, die ihre Leistung in eigener Verantwortung erbrächten und abrechneten.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zunächst zurückgewiesen und der hiergegen gerichteten Beschwerde der Antragstellerin nur insoweit abgeholfen, als es dem Hilfsantrag zu 1.) mit der Maßgabe entsprochen hat, anstelle „und/oder“ nur „und“ zu formulieren.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Der Antrag zu 1) kann mit dem Hauptantrag keinen Erfolg haben. Die Antragsgegner sind zu den dort – kumulativ – geforderten Hinweisen nicht verpflichtet, weil der Kunde nicht schon dann in relevanter Weise getäuscht wird, wenn er nicht weiß, dass die Antragsgegnerin zu 1) in der betreffenden Gemeinde keine eigene Niederlassung unterhält, oder nicht weiß, dass die Durchführung des Auftrages durch einen Subunternehmer erfolgt. Nur dann, wenn keine dieser beiden Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Kunde getäuscht, nämlich über die Länge des Anfahrtsweges und den damit verbundenen Zeit- und Kostenaufwand. Nicht wichtig ist für den Kunden, ob die Türöffnung von der Antragsgegnerin zu 2) oder einem von ihr eingesetzten selbständigen Unternehmen durchgeführt wird, da es sich, anders als etwa im Bankgeschäft, nicht um eine Dienstleistung handelt, bei der das Vertrauen des Kunden in die leistende Person von Bedeutung ist.

Der Antrag zu 2) hat in dem zuerkannten Umfang Erfolg. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, geht der Hauptantrag zu weit, weil nicht jede Abweichung des tatsächlichen Preises von dem Preis, den die Antragsgegnerin zu 1) ihren Kunden als den voraussichtlichen nennt, einen Wettbewerbsverstoß begründet. Allerdings ist es irreführend im Sinne von § 3 UWG, wenn einem Kunden ein voraussichtlicher Preis von 150 DM genannt wird und später 359 DM verlangt werden. Denn der Kunde erwartet in diesem Fall einen Preis, der jedenfalls in der Größenordnung von 150 DM legt. Dies gilt zumindest, wenn – wie hier – die Behebung eines bestimmten Defektes an einem Türschloß in Rede steht und seitens der Antragsgegner kein Hinweis darauf erfolgt, dass die Kosten auch wesentlich höher sein können, falls sich die Reparatur als unerwartet schwierig erweist.

Auch der Antrag zu 3) ist teilweise begründet. Zu unbestimmt ist jedoch die Formulierung „ortsüblicher Preis“, da sich aus der von der Antragstellerin vorgelegten BSD-Umfrage (Anlage K 21 a, Bl. 225 ff. d. A.) ergibt, dass die Spanne der geforderten Preise groß ist. Ein bestimmter ortsüblicher Preis existiert also nicht. Bestimmbar ist hingegen der Preis, der für eine Türöffnung noch angemessen ist. Hierzu haben Sachverständige in den Fällen der Monteure T., M., Th. und F. Gutachten erstellt, die zu dem Ergebnis gelangen, dass die geforderten Preise teilweise mehr als 100% über einer noch angemessenen Vergütung liegen.

Ein Rechtsgeschäft, aufgrund dessen für Schlüsseldienstleistungen Preise geschuldet werden, die mehr als 100% über einer noch angemessenen Vergütung liegen, ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Zwar begründet ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung allein noch nicht die Sittenwidrigkeit; es müssen weitere Umstände hinzutreten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung. Die ist jedoch zu vermuten, wenn der Wert der Leistung den der Gegenleistung um mehr als 100% übersteigt, so dass eine weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen grundsätzlich entbehrlich ist (Palandt-Heinrichs, BGB 60. Aufl., § 138 Rn. 34 a). Die Fälle der Monteure T. und F. bieten keine Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Vermutung eines Handelns in verwerflicher Gesinnung zu widerlegen. Dementsprechend wurde T. vom Amtsgericht Darmstadt zur Rückzahlung des eine angemessene Vergütung übersteigenden Betrages verurteilt.

Indem diese Monteure wucherähnliche Rechtsgeschäfte gemäß § 138 Abs. 1 BGB tätigten, begingen sie zugleich einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch. Ein Verstoß gegen das Wucherverbot begründet zugleich die Wettbewerbswidrigkeit, da es sich jedenfalls insoweit bei § 138 BGB um eine wertbezogene Norm im Sinne des Wettbewerbsrechts handelt (Köhler-Piper, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 2. Aufl., § 1 Rn. 628).

Die Antragsgegner sind passiviegitimiert. Sie sind für die Handlungen der Monteure gemäß, § 13 Abs. 4 UWG verantwortlich. Beauftragter im Sinne dieser Vorschrift ist jede Person, deren Arbeitsergebnis auch dem Betrieb, hier also der Antragsgegnerin zu 1), zugute kommt und auf deren Handeln dessen Leitung, hier also der Antragsgegner zu 2), einen bestimmenden Einfluß ausübt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 13 Rn. 66). Die Antragsgegnerin zu 1) bedient sich zur Durchführung der von ihr im eigenen Namen akquirierten Aufträge diverser Subunternehmer. Deren Tätigkeit kommt der Antragsgegnerin zu 1) schon deshalb zugute, weil sie, die Verträge erfüllen, die die Antragsgegnerin zu 1) telefonisch mit den Kunden abschließt. Entgegen ihrem vorprozessualen Vorbringen beschränkt sich die Tätigkeit der Antragsgegnerin zu 1) keineswegs auf die Vermittlung von Unternehmen, die die Schlüsseldienstleistungen erbringen. In den Fällen, in denen sich die Kunden nicht bewegen lassen, den von den Monteuren verlangten Preis sofort zu bezahlen, schickt die Antragsgegnerin zu 1) die Rechnung auf eigenem Geschäftspapier, was der Fall S. (Anlage K 8 der Antragsschrift) belegt. Folglich werden die Monteure zwar als rechtlich selbständige Unternehmen, aber im wirtschaftlichen Interesse und auf Veranlassung der Antragsgegner tätig, woraus sich zugleich deren bestimmender Einfluß auf ihre Subunternehmer ergibt.

Unbegründet ist der Antrag zu 3), soweit die Antragstellerin den Antragsgegnern Aufklärungspflichten auferlegen will für den Fall, dass der verlangte Preis nicht 100% über dem noch angemessenen Preis liegt. Eine Pflicht, den Kunden über den ortsüblichen Preis oder den noch, angemessenen Preis aufzuklären, existiert nicht, auch nicht unter den von der Antragstellerin formulierten Voraussetzungen, weshalb die unterbliebene Aufklärung keinen Wettbewerbsverstoß begründen kann.

Begründet ist schließlich der Antrag zu 4). Hinsichtlich der Passivlegitimation gilt das zum Antrag zu 3) Ausgeführte. Der Verfügungsanspruch folgt aus § 1 UWG. Danach ist es wettbewerbswidrig, den Kunden zu nötigen, um ihn zur Durchführung eines Rechtsgeschäfts zu bewegen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Senat ist davon ausgegangen, dass jeder der vier Anträge einen Wert von 3.834,69 Euro (= 7.500 DM) hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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