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Schmerzensgeld wegen Quarantäne nach Rückreise aus Risikogebiet

LG Frankfurt – Az.: 2-04 O 165/21 – Urteil vom 12.12.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Schmerzensgeld wegen Quarantäne nach Rückreise aus Risikogebiet
(Symbolfoto: Ranta Images/Shutterstock.com)

Die Kläger beanspruchen von dem beklagten Land jeweils die Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer von ihnen behaupteten Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit ihrer mehrtägigen Absonderung infolge der Corona-Pandemie nach ihrer Einreise aus Griechenland.

Das beklagte Land erließ am 26.11.2020 eine Corona-Quarantäneverordnung. § 1 dieser Verordnung regelte:

(1) Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg aus dem Ausland in das Land Hessen einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten zehn Tagen vor der Einreise in einem zum Zeitpunkt der Einreise als Risikogebiet im Sinne des § 2 Nr. 17 des Infektionsschutzgesetzes mit einem erhöhten Risiko für eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus eingestuften Gebiet (Risikogebiet) aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die Haupt- oder Nebenwohnung oder in eine andere Absonderung ermöglichende Unterkunft zu begeben und sich

1. … oder

2. im Übrigen für einen Zeitraum von zehn Tagen

nach der Einreise ständig dort abzusondern; dies gilt auch für Personen, die zunächst in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. Den zur Absonderung verpflichteten Personen ist es in diesem Zeitraum nicht gestattet, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht ihrem Hausstand angehören.

Nach § 3 Abs. 4 dieser Verordnung konnte die zehntägige Absonderung vorzeitig für Testungen ausgesetzt werden.

Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung endete die Absonderung frühestens ab dem fünften Tag nach der Einreise, wenn eine Person über ein ärztliches Zeugnis oder Testergebnis hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus auf Papier oder in einem elektronischen Dokument in deutscher, englischer oder französischer Sprache verfügte und sie dieses innerhalb von zehn Tagen nach der Einreise dem zuständigen Gesundheitsamt auf Verlangen unverzüglich vorlegte.

Wegen Einzelheiten zur Verordnung, Stand 08.03.2021, wird auf Seite 7 bis 17 der Klageschrift, Blatt 9 bis 20 der Akte verwiesen.

Die Kläger ließen am 03.03.2021 jeweils einen PCR-Test durchführen, der bei ihnen jeweils negativ ausfiel.

Sie reisten am 09.03.2021 mittels Flug von Heraklion über Athen nach Frankfurt am Main ein. Ihre Hauptwohnung hatten sie in Nordrhein-Westfalen. In ihrer Einreisekarte gaben sie an, während ihrer Auslandsreise keinen Kontakt zu mit an SARS-Cov-2 infizierten Personen gehabt zu haben.

Nach ihrer Einreise in Deutschland ließen die Kläger am 09.03.2021 jeweils einen (weiteren) PCR-Test bei sich auf das SARS-CoV-2-Virus durchführen. Diese Tests fielen negativ aus. Den negativen PCR-Test trugen sie in ihre Einreisekarte ein.

Infolge der Verordnung des beklagten Landes war die Klägerin fünf Tage, der Kläger zehn Tage in Quarantäne. Ihnen war untersagt, ihre Wohnung zu verlassen und Besuch von Personen zu empfangen, die nicht ihrem Hausstand angehörten. Sie unterlagen einer Beobachtung durch die Verwaltung.

Die Klägerin ließen am sechsten Tag nach ihrer Rückkehr einen Antigen-Schnelltest auf SARS-CoV-2-Virus durchführen, der bei ihr negativ ausfiel. Am 14.03.2021 wurde die Klägerin vorzeitig aus der Absonderung entlassen.

Der Kläger ließ sich nicht erneut testen und verblieb in der Absonderung.

Die Kläger behaupten, sie haben in Frankfurt am Main eine Zweitwohnung. In dieser haben sie sich nach ihrer Einreise während ihrer Quarantäne aufgehalten.

Die Kläger sind der Ansicht, das beklagte Land habe amtspflichtwidrig gehandelt: Amtspflichtwidrig habe das beklagte Land keine ärztliche Untersuchung für die Feststellung eines konkreten Infektionsgeschehens angeordnet, keine Tatsachenaufklärung betrieben, keinen Negativbeweis gegen ein vermutetes Infektionsgeschehen vor Ablauf von fünf Tagen nach Reiserückkehr zugelassen.

Ferner habe es amtspflichtwidrig Einreisende aus dem Ausland mit Ansteckungsverdächtigen gleichgesetzt, obgleich bei den Klägern ein negativer PCR-Test vorgelegen habe, ein Ansteckungsverdacht habe nicht bestanden.

Schließlich habe es amtspflichtwidrig keine mildere Maßnahme als die Absonderung gewählt.

Amtspflichtwidrig sei unter anderem in Art. 2 und 3 GG und § 239 StGB, Art. 21 EUV eingegriffen worden. Wegen Einzelheiten wird auf Seite 33 bis 40 der Klageschrift, Blatt 30 bis 42 der Akte und Seite 2 bis 3 des Schriftsatzes vom 07.12.2021 verwiesen.

Auch habe keine taugliche Ermächtigungsgrundlage oder deren Tatbestandsvoraussetzungen vorgelegen. Wegen Einzelheiten wird auf Seite 28 bis 33 der Klageschrift, Blatt 30 bis 35 der Akte verwiesen.

Amtspflichtwidrig organisiere das beklagte Land die sieben Tages Inzidenz. Wegen Einzelheiten wird auf Seite 26 bis 27 der Klageschrift, Blatt 28 bis 29 der Akte, sowie wegen Einzelheiten zum PCR-Test auf Seite 18 bis 26, Blatt 20 bis 28 der Akte verwiesen, sowie auf Seite 23 bis 24 der Replikschrift, Blatt 164 bis 165 der Akte verwiesen.

Das beklagte Land habe jedenfalls fahrlässig gehandelt.

Die Kläger behaupten ferner, ihnen seien immaterielle Schäden entstanden. Sie seien während der Zeit der Quarantäne in sozialen Kontakten eingeschränkt gewesen. Sie hätten an Frustration, Ängsten, Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen, emotionaler Erschöpfung, Depression, Reizbarkeit, Existenzängsten, vereinsamter Situation gelitten. Sie haben nicht passende Ware nicht wieder zurückschicken und in die Natur nicht gehen und diese nicht genießen können. Dadurch seien Vitamin-D Defizite entstanden. Auch seien sportliche Betätigungen nicht möglich gewesen, wodurch ihr Immunsystem zusammen mit dem Bewegungsmangel geschwächt worden sei. Zudem hätten sie sich in der Apotheke kein Schmerzmittel selbst holen können. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf Seite 5 bis 6 der Klageschrift, Blatt 7 bis 8 der Akte, und auf Seite 28 bis 37 der Replikschrift, Blatt 168 bis 178 der Akte verwiesen.

Die Kläger beantragen, die Beklagtenpartei zu verurteilen, an die Klagepartei zu 1) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 1.250,00 Euro, an die Klagepartei zu 2) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 2.500,00 Euro, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land bestreitet mit Nichtwissen, dass die Kläger eine Zweitwohnung in Frankfurt am Main haben und dort ihre Quarantäne verbracht haben. Ansprüche der Kläger seien jedenfalls nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Kläger haben gegen das beklagte Land kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld aus § 839 BGB i.V.m Art. 34 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB.

Es fehlt bereits an der dafür erforderlichen Amtspflichtverletzung.

Eine Amtspflichtverletzung scheidet aus, weil die Corona-Quarantäneverordnung des beklagten Landes vom 26.11.2020 auf einer gesetzmäßigen Ermächtigungsgrundlage beruht, die Voraussetzungen für ihren Erlass vorlagen und keine Ermessensfehler ersichtlich sind, die Maßnahmen sind insbesondere verhältnismäßig.

Gem. den §§ 28 Abs. 1, 30 und 32 IfSG sind die zuständigen Behörden befugt, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor übertragbaren Krankheiten zu treffen. Insbesondere kann die zuständige Behörde gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG bzw. § 28 Abs. 1 IfSG anordnen, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise – hierzu gehört die eigene Wohnung – abgesondert werden.

Die Landesregierung des beklagten Landes war als zuständige Behörde für den Erlass der streitgegenständlichen Verordnung zuständig.

Die Kläger wurden zurecht als „Ansteckungsverdächtige“ im Sinne der §§ 28 Abs. 1, 30 und § 2 Nr. 7 IfSG eingestuft. Es bestand bei ihnen der Verdacht, dass sie sich bei einer anderen Person mit Covid-19 angesteckt haben könnten.

Ansteckungsverdächtig nach den §§ 30, 28 und 2 Nr. 7 IfSG ist eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Feststellung eines Ansteckungsverdachts nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist. Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme „geradezu aufdrängt“. Erforderlich und ausreichend ist somit, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil (BVerwG, NJW 2012, Seite 2823 Rn. 31, beck-online; Gabriel in BeckOK-Infektionsschutzrecht, § 2 IfSG, Rn. 37). Dabei sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, a.a.O., Rn. 32; Gabriel a.a.O.). Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontaktes im Einzelfall genügen kann.

Die Einstufung der aus Griechenland Einreisenden als „Ansteckungsverdächtige“ im März 2021 war zulässig, weil sie aus einem internationalen Risikogebiet eingereist sind. Zudem saßen die Einreisenden bei der Rückreise von Athen nach Frankfurt mit mehreren Personen, die ebenfalls aus dem Risikogebiet rückreisten, im Flugzeug eng zusammen, so dass auch insoweit die Gefahr bestand, Krankheitserreger aufgenommen und nach Deutschland mitgebracht zu haben.

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Dass es sich bei einer Person um einen ansteckungsverdächtigen Menschen im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG handelt, kann sich bereits daraus ergeben, dass sie unmittelbar aus einem Land eingereist ist, das laut Einschätzung des Robert-Koch-Instituts zu den internationalen Risikogebieten gehört (OVG Schleswig, Beschluss vom 07.04.2020, Az.: 3 MB 13/20, BeckRS 2020, 5835, Rn. 7). Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Person, die aus einem als Risikogebiet qualifizierten Staat in das Land Hessen einreist, (jedenfalls) als ansteckungsverdächtig i. S. v. § 2 Nr. 7 IfSG angesehen wird und damit Adressat der Absonderungsverpflichtung sein kann (OVG Münster Beschl. v. 13.7.2020 – 13 B 968/20.NE, BeckRS 2020, 17887 Rn. 14, beck-online; OVG Schleswig, Beschluss vom 07.04.2020, Az.: 3 MB 13/20, BeckRS 2020, 5835, Rn. 7).

Soweit die Kläger meinen, sie haben mit dem negativen PCR-Test vom 09.03.2021 bei der Einreise nachgewiesen, nicht ansteckungsverdächtig zu sein, verkennen sie, dass es sich dabei nur um eine Momentaufnahme handelt, die wegen der Inkubationszeit keine Aussage über während und kurz vor Beginn des Fluges aufgenommene Erreger trifft. Der Test schließt damit eine Erregeraufnahme nicht aus.

Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das beklagte Land keine weiteren Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes vorgenommen hat.

Handelt die zuständige Behörde durch Rechtsverordnung, darf für die Bejahung des nach dem Tatbestand zumindest erforderlichen Ansteckungsverdacht dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Gesetzgeber in § 32 IfSG den Erlass von Rechtsverordnungen und damit von abstrakt-generellen Regeln vorgesehen hat. Eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Ermittlungstätigkeit kann vom Verordnungsgeber in diesen Fällen nicht erwartet werden (OVG NRW, BeckRS 2020, 17887, Rn. 19; OVG NdS, BeckRS 2020, 8099, Rn. 20).

Entgegen der Ansicht der Kläger ist das Virus SARS-CoV-2 ein Krankheitserreger im Sinne von § 2 Nr. 1 IfSG, der zur Lungenkrankheit COVID-19, einer übertragbaren Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG führen kann und rechtfertigt daher grundsätzlich die Anordnung einer Quarantäne als Schutzmaßnahme. Dies gilt schon vor dem Hintergrund, dass das RKI dessen Einschätzung der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat, ausdrücklich Quarantäneanordnung bei Verdacht auf SARS-CoV-2 Viren empfiehlt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.06.2020, Az.: 13 MN 195/20, BeckRS 2020, 11641; LG Köln, Urteil vom 26.10.2021, Az.: 5 O 117/21, BeckRS 2021, 36053, Rn. 20).

Das beklagte Land hat in nicht zu beanstandender Weise von seinem Ermessen Gebrauch gemacht. Ermessenfehler sind nicht ersichtlich. Die vom beklagten Land ergriffene Maßnahme ist insbesondere verhältnismäßig.

Unter Berücksichtigung der von einer Ansteckungsverdächtigen ausgehenden potentielle Infektionsgefahr ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit angemessen (vgl. VGH Kassel Beschl. v. 20.8.2021 – 8 B 1727/21, BeckRS 2021, 29109 Rn. 14, beck-online).

Bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles treten die grundrechtlich geschützten Interessen der Kläger vor einer Beschränkung ihrer Freizügigkeit und freien Reisetätigkeit hinter die Interessen auf Infektionsschutz und damit Schutz von Leben und Gesundheit zurück.

Insoweit überwiegt das auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gestützte öffentliche Interesse am Schutz von Leib und Leben der Bevölkerung vor der weiteren Ausbreitung der hochansteckenden Viruskrankheit und insbesondere am Schutz der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens in Deutschland, des in medizinischen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen tätigen Personals vor einer akuten Überlastung sowie der weitgehenden Offenhaltung von Schulen und Geschäften. Nicht erforderlich ist, dass bereits eine Überlastung eingetreten ist, wie die Kläger irrtümlich annehmen. Die Gewährleistung der trotz der herrschenden Corona-Pandemie bestmöglichen Krankenversorgung stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, für dessen Schutz der Staat von Verfassungswegen auch im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG zu sorgen hat (VGH Kassel Beschl. v. 12.11.2020 – 8 B 2765/20, BeckRS 2020, 32408 Rn. 38 m. w. N.).

Zudem sind die von den Klägern vorgetragenen Tatsachen ungeeignet, eine Unzumutbarkeit der Absonderung anzunehmen. Ihnen war bereits vor Reisebeginn bekannt, dass sie sich nach Wiedereinreise aus einem internationalen Risikogebiet in Absonderung zu begeben haben. Sie haben aufgrund der Entwicklung der Pandemie seit Februar 2020 damit rechnen müssen, dass die Wiedereinreise möglicherweise nicht wie geplant stattfinden kann und waren daher auch aus diesem Grund gehalten, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass sie nach der Wiedereinreise ungehindert ihren Alltag fortsetzen können. Ihre eigene Versorgung konnten die Kläger trotz Absonderung sicherstellen, zumal eine Vielzahl von Supermärkten und Gaststätten einen Lieferservice anbieten.

Hieran würde auch die Tatsache nichts ändern, wenn die Kläger möglicherweise selbst kein erhöhtes Risiko einer schweren Erkrankung aufweisen. Bei der Quarantäne geht es vorwiegend darum, Infektionsketten zu unterbrechen und so mögliche Erkrankungen einer unüberschaubaren Anzahl weiterer Personen zu verhindern.

Dem Interesse der Kläger, sich der Absonderung nicht unterziehen zu müssen, stehen die Interessen der Allgemeinheit an einem möglichst wirksamen Schutz von Leib und Leben und dem öffentlichen Gesundheitssystem gegenüber, die die Interessen der Kläger überwiegen. Nachdem sich die Situation über den Sommer 2020 entspannt hatte, war seit dem Herbst 2020 ein drastisches Ansteigen der Infektionen zu verzeichnen. Das Robert-Koch -Institut führt in seiner Risikobewertung Stand 12.11.2020 aus: „Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit und in angrenzenden Ländern Europas nimmt die Anzahl der Fälle rasant zu. Seit Ende August (KW 35) werden wieder vermehrt Übertragungen in Deutschland beobachtet… Die Belastung des Gesundheitssystems hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den hauptsächlich betroffenen Bevölkerungsgruppen, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (z.B. Isolierung, Quarantäne, physische Distanzierung) ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands bereits angespannt und kann sehr schnell weiter zunehmen, so dass das öffentliche Gesundheitswesen, aber auch die Einrichtungen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung örtlich stark belastet werden.“ (VGH Kassel Beschl. v. 12.11.2020 – 8 B 2765/20, BeckRS 2020, 32408 Rn. 38-42, beck-online).

Zu berücksichtigen ist auch, dass die Eingriffsintensität im Übrigen maßgeblich durch die nach der Corona-Verordnung vorgesehene „Freitestungsmöglichkeit“ gemindert wird (OVG Lüneburg Beschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 396/20, BeckRS 2020, 28748 Rn. 17, beck-online) und eine häusliche Quarantäne vorgesehen und zulässig ist, mithin ein deutlich milderes Mittel als eine Quarantäne in einem Krankenhaus oder in einer Isolationsstation in einer Psychiatrie (Johann/Gabriel in Eckart/Winkelmüller, BeckOK-IfSG, § 30 Rn. 20.1).

Die von den Klägern als milder erachteten allgemeinen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen (Abstandsgebot, Hygieneregeln, Mund-Nasen-Bedeckung, Lüften, Flächendesinfektion, Nutzung der Corona-Warn-App) geben keinen Anlass, die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung in Zweifel zu ziehen. Sie sind in Bezug auf das spezifische Risiko von Vireneinträgen durch Einreise und Rückkehr aus ausländischen Risikogebieten, dem die Corona-Verordnung entgegengewirkt werden soll, entweder nicht gleichermaßen wirksam oder belasten Dritte oder die Allgemeinheit in stärkerer Weise (OVG Lüneburg Beschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 396/20, BeckRS 2020, 28748 Rn. 16, beck-online).

Weiterhin ist aber auch die Entscheidung des beklagten Landes, die gesamten aus einem internationalen Risikogebet Einreisenden als Ansteckungsverdächtig einzuordnen nicht zu beanstanden.

Entgegen der Ansicht der Kläger ist es nicht per se unrechtmäßig ganze Gruppen in Quarantäne zu senden, wenn eine unübersichtliche Kontaktsituation und Pandemiesituation gegeben ist. Die Richtlinien des RKI sehen es ausdrücklich vor, dass eine Einstufung von Gruppen als „enger Kontakt“ aufgrund eines Innenraumkontakts möglich ist. Auch wenn in den Richtlinien des RKI beispielhaft nur Schulklassen genannt sind, lässt sich dies nach dem Sinn und Zweck der Empfehlung nachvollziehbarerweise auf Flugzeuginsassen übertragen. Mehr noch als bei Schulklassen lassen sich bei Flugreisen Regeln zum Abstandhalten nicht einhalten. Zudem ist es in diesen Fällen praktisch nicht möglich, im Nachhinein zu ermitteln, wer mit wem für wie lange Kontakt hatte. In dieser Lage ist es zulässig und aus Gründen des effektiven Infektionsschutzes sogar notwendig, einzelne, klare umgrenzte Gruppen zeitweise zu isolieren.

Auch eine zehntägige Quarantäne nach Einreise, mit der Möglichkeit diese durch vorherige Tests abzukürzen, ist nicht zu beanstanden. Nach den Empfehlungen des RKI ist grundsätzlich eine 14-tägige Quarantäne vorzusehen. Dies erklärt sich mit der Inkubationszeit der Krankheit von maximal 14 Tagen. Maßgeblich für den Beginn der Quarantäne ist der letzte Kontakt zwischen Index- und Kontaktperson. Da die Kläger am 09.03.20 das letzte Mal zusammen in mit anderen aus dem damaligen internationalen Risikogebiet Griechenland kamen, ist eine fünf bzw. zehntägige Dauer der Quarantäne nicht zu beanstanden.

Die Absonderungspflicht begründet auch keinen Verstoß gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV.

Dieser verleiht jedem Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht kann von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit – u.a. aus Gründen des Gesundheitsschutzes – beschränkt werden. Eine solche Beschränkung stellen die Vorschriften der CoronaEinreiseV – insbesondere die Regelungen, die eine Absonderungspflicht begründen – dar. Bei der Prüfung der Unionsrechtmäßigkeit der Beschränkungen ist die „Empfehlung des Rates für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie“ (https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-11689-2020-REV-1/de/pdf) zu berücksichtigen. Diese Empfehlung, die der unionsweiten Koordinierung der Maßnahmen der Pandemiebekämpfung dient, soll gleichzeitig die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit gewährleisten (Erwägungsgrund Nr. 9). Eine solche Empfehlung ist zwar für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich (Art. 288 Abs. 5 AEUV), die innerstaatlichen Gerichte sind aber verpflichtet, bei der Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen, Empfehlungen des Europäischen Rates heranzuziehen. In Erwägungsgrund 9 wird ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage des Schutzes der öffentlichen Gesundheit Maßnahmen zur Beschränkung des freien Personenverkehrs ergreifen können und dass gemäß Art. 168 Abs. 7 AEUV die Mitgliedstaaten die Verantwortung u.a. für die Festlegung der einzelstaatlichen Gesundheitspolitik tragen, weshalb diese von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sein kann. Die Regelung der CoronaEinreiseV stehen mit dieser Empfehlung des Rates in Einklang. Mit dieser Vorschrift wird die Einreise gerade nicht unmöglich gemacht, sondern nur unter den Vorbehalt der Absonderung gestellt (VGH Kassel, Beschl. v. 20.8.2021 – 8 B 1727/21, BeckRS 2021, 29109 Rn. 17 m.w.N., beck-online).

Die Coronaverordnung des beklagten Landes verletzt die Kläger auch nicht in ihrem Grundrecht nach Art. 3 GG.

Der Verordnungsgeber ist bei der Regelung der CoronaEinreiseV ersichtlich von den Empfehlungen des RKI ausgegangen, das gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen ist, was die Entwicklung und Durchführung epidemiologischer und laborgestützter Analysen sowie Forschung zu Ursache, Diagnostik und Prävention übertragbarer Krankheiten einschließt. Soweit der Antragsteller auf abweichende (wissenschaftliche) Erkenntnisse abstellt, ändert dies zunächst nichts an der Verbindlichkeit der Vorgaben des RKI, zumal dieses nach § 4 Abs. 1 Sätze 3 ff. IfSG mit anderen Behörden und Instituten zusammenarbeitet, die Empfehlungen des RKI mithin jedenfalls nicht willkürlich sind. Dass sich die Einschätzungen des RKI im Laufe der andauernden Pandemie ändern, ist weiteren wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Entwicklung des Krankheitserregers geschuldet. Im Hinblick auf die Ausnahmeregelung bezüglich der Anmelde- und Absonderungspflicht ist einen Verstoß gegen höherrangiges Recht ebenfalls nicht zu erkennen. Das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, ist nicht verletzt (VGH Kassel, Beschl. v. 20.8.2021 – 8 B 1727/21, BeckRS 2021, 29109 Rn. 16, beck-online).

In der Anordnung der Quarantäne liegt auch kein Verstoß gegen den Richtervorbehalt im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG. Die häusliche Absonderung gemäß § 30 Abs. 1 IfSG setzt die „Freiwilligkeit“ des Betroffenen voraus und begründet deshalb mangels physischer Zwangswirkungen keinen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Bewegungsfreiheit (Vgl. dazu BT-Drs. 14/2530, S. 75; OVG Münster Beschluss vom 13.7.2020 – 13 B 968/20.NE, BeckRS 2020, 17887 Rn. 11, beck-online; VGH Kassel Beschl. v. 20.8.2021 – 8 B 1727/21, BeckRS 2021, 29109 Rn. 12 bis 13, beck-online; LG Köln, a.a.O.).

Unabhängig davon liegt auch keine die Kläger schützende Amtspflichtverletzung vor.

Verordnungen fehlt aufgrund ihres generell-abstrakten Charakters typischerweise die Drittbezogenheit.

Die streitbefangene Rechtsverordnung unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 839 BGB und einer diesbezüglichen Ersatzpflicht, weil sie zu den Klägern keinen konkreten Drittbezug hat, sondern die Kläger insoweit nur als Teil der Allgemeinheit von einer Regelung betroffen sind, die sich an die Allgemeinheit richtet und nicht der Regelung eines individuellen Einzelfalles dient (BGH, Urteil vom 11. März 1993, III ZR 30/92, Rdnr. 5; Kammergericht, Urteil vom 18. November 2014, 9 U 113/13, Rdnr. 13; LG Berlin Urt. v. 13.10.2020 – 2 O 247/20, BeckRS 2020, 26417 Rn. 13, beck-online).

Amtspflichten der öffentlichen Amtsträger dienen in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Gemeinwesen. Soweit sich die Pflichten darin erschöpfen, diesem Allgemeininteresse zu dienen, und noch keine besonderen Beziehungen zwischen diesen Amtspflichten und bestimmten Personen oder Personengruppen in dem zuvor aufgezeigten Sinn bestehen, kommen sonach bei Verletzung dieser Pflichten Schadensersatzansprüche für Außenstehende nicht in Betracht. Um derartige Amtspflichten handelt es sich im Allgemeinen bei den Pflichten, die für die dafür Verantwortlichen im Rahmen der Gesetzgebungsaufgaben bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten durchweg generelle und abstrakte Regeln und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber – bei Tätigwerden und Untätigbleiben – in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Nur ausnahmsweise – etwa bei sog. Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen – kann etwas anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als „Dritte“ iSd § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können (BGH, NZM 2021, Seite 391, Rn. 12).

Etwas anderes gilt lediglich für den Fall sog. Maßnahme- oder Einzelfallgesetze, bei denen ausnahmsweise bereits im Gesetzestext auf die Belange konkret individualisierbarer Personen Bezug genommen wird. Für den Fall der coronabedingten Infektionsschutzverordnungen ließe sich zwar argumentieren, dass die Verordnungen für einen begrenzten Zeitraum, sachlich beschränkt auf Covid-19 und unter expliziter Aufzählung individualisierter Gruppen erlassen wurden. Tatsächlich erfolgt die individualisierte Nennung der Betroffenen jedoch für große Teile des Lebens. Der Sache nach sollen landesweite Infektionsschutzkonzepte erstellt werden, die einen Großteil der Bevölkerung betreffen und damit gerade nicht auf die Interessen abgrenzbarer Individuen Bezug nehmen (Klack/Müller/Riedner, JuS 2021, Seite 739 [741]; vgl. BGH, NZM 2021, 391 Rn. 14 f, beck-online).

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Maßnahme – wie die Kläger unter anderem meinen, aufgrund der Unzuverlässigkeit des PCR-Tests oder unzureichender Ermittlungen – nicht rechtmäßig wäre, würde es jedoch jedenfalls am nach § 839 Abs. 1 BGB erforderlichen Verschulden des beklagten Landes mangeln.

Das beklagte Land hat sich an die maßgeblichen und seinerzeit aktuellen Vorgaben des RKI gehalten. Da das RKI schon vom Gesetzgeber als besonders fachkundig eingestuft wird, kann man dem beklagten Land das Handeln nach den dort vorgelegten Empfehlungen nicht vorwerfen.

Darüber hinaus ist ein Anspruch nach § 839 Abs. 1 BGB auch gemäß § 839 Abs. 3 BGB -zumindest teilweise- ausgeschlossen, weil die Kläger keine Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben haben.

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für die Zahlung des von den Klägern begehrten Schmerzensgelds nach § 253 BGB nicht vor.

Ein solcher Anspruch kommt nur in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in ein Grundrecht handelt und die Beeinträchtigung des Betroffenen nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, ist auf Grund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und hängt insbesondere von der Bedeutung und der Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGH, NJW 2003, Seite 3693 [3697]; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 16.7.2019 – 8 U 59/18, BeckRS 2019, 17013 Rn. 78, beck-online).

Bei geringfügigen Eingriffen ohne wesentliche Beeinträchtigung der Lebensführung und ohne Dauerfolgen kann der Schmerzensgeldanspruch entfallen, § 287 ZPO (BGH, NJW 1992, Seite 1043 f.; Grüneberg in Grüneberg (vormals Palandt), 79. Auflage 2020, § 253 BGB Rn. 14), selbst sogar wenn der Geschädigte rechtswidrig inhaftiert wurde (OLG Koblenz, NJW 2000, Seite 963).

Das Überschreiten dieser Geringfügigkeitsschwelle ist bei § 253 BGB ein ungeschriebenes anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal mit der Folge, dass es nach den allgemeinen Beweisregeln von den Klägern als Anspruchsstellern darzulegen und zu beweisen ist (BeckOGK/Brand, 1.4.2021, § 253 BGB Rn. 110).

Dieser Darlegungslast haben die Kläger nicht Genüge getan.

Ein Überschreiten der Geringfügigkeitsschwelle ergibt sich zunächst nicht bereits aus dem Umstand, dass die Kläger mehrere Tage in ihrer persönlichen Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt waren. Eine feste zeitliche Grenze, ab der eine Freiheitseinschränkung als ausgleichspflichtig anzusehen wäre, gibt es nicht. Abzustellen ist vielmehr auf die konkrete Situation des Einzelfalls, bei der es insbesondere auch auf die Ausgestaltung und Intensität des Eingriffs sowie auf herabwürdigende Behandlungen und mögliche rufschädigende Wirkungen ankommt (BGH, a.a.O.; LG Hannover, Urteil vom 20.08.2021, Az.: 8 O 1/21, Rn. 18). Daher kann aus dem bloßen Überschreiten einer zeitlichen Grenze (vgl. etwa BGH, NJW 2003, Seite 3693 [3697]: Untersuchungshaft von über einem Monat; OLG Koblenz, Beschluss vom 07. März 2018 – 1 U 1025/17 -, juris: 13 Stunden in psychiatrischem Krankenhaus; LG Göttingen, Urteil vom 30. Januar 1990 – 2 O 322/89 -, NJW 1991, 236, beck-online: 2 Stunden mit 400 weiteren Personen in einem Polizeikessel), nicht abgeleitet werden, dass vorliegend allein wegen der mehrtätigen Dauer die Billigkeitsschwelle überschritten würde (LG Hannover, a.a.O.). Denn die konkrete Quarantäne der Kläger unterscheidet sich in gravierender Weise von den vorgenannten Fällen. Die Kläger mussten keine demütigenden Zwangsbehandlungen erdulden. Sie wurden nicht mit physischen Zwangsmitteln an einem fremden Ort festgehalten noch fixiert oder in einem Haftraum mit anderen eingesperrt, sondern konnten sich innerhalb ihrer eigenen Wohnung ohne Überwachung Dritter frei bewegen und ihren Tagesablauf in diesem Rahmen vollkommen frei bestimmen. Ferner wurde ihre Freiheitsbeschränkung auf einen Umstand gegründet, der – anders als bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder bei einer Festnahme als möglicher Straftäter – nicht geeignet war, ihr Ansehen und ihren Ruf in der Gesellschaft zu gefährden (LG Hannover, a.a.O.). Schließlich wird die vom Bundesgerichthof in einer Entscheidung angegebene Dauer von einem Monat Vollzug von Untersuchungshaft (BGH, NJW 2003, Seite 3693 [3697], bei den Klägern nicht einmal annährend erreicht.

Auch die von den Klägern vorgetragenen Beeinträchtigungen durch die Quarantäne sind nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch unter dem Aspekt des Ausgleichsgedankens zu begründen.

Die in der Klagschrift geschilderten Einschränkungen in der Lebensführung der Kläger sind, wie das beklagte Land in der Klageerwiderung zutreffend angemerkt hat, pauschal gehalten und stellen – wie der Kammer aus Parallelverfahren bekannt ist – offensichtlich Textbausteine der klägerischen Anwaltskanzlei ohne irgendeine Anpassung auf den konkreten Einzelfall dar. Die Kläger hatten insbesondere keine Existenzangst oder Angst vor Verlust ihres Arbeitsplatzes, weil der Kläger von der Möglichkeit sich „freizutesten“ und so vorzeitig aus der Quarantäne zu gelangen, um wieder arbeiten gehen zu können keinen Gebrauch gemacht hat.

Der Kläger hat durch sein eigenes Verhalten gezeigt, dass die mit der Quarantäne für ihn verbundenen Einschränkungen seiner Lebensführung kein nennenswertes Gewicht für ihn hatten. Denn er hat nach seinem eigenen Vortrag darauf verzichtet, sich nach fünf Tagen mit einem negativen PCR-Test aus der Quarantäne „freizutesten“. Hätte er die Einschränkungen durch die Quarantäne als belastend empfunden, so hätte – unabhängig von der Frage, ob die Kläger einen PCR-Test für valide halten – nichts nähergelegen, als die Quarantäne möglichst schnell zu beenden. Im Umkehrschluss folgt hieraus, dass die Quarantäne für den Kläger keine nennenswerte Beeinträchtigung seiner Lebensführung darstellte.

Die Kläger haben gegen das beklagte Land auch keinen Anspruch nach § 56 IfSG oder § 65 IfSG.

Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer auf Grund des IfSG als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 S. 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können (§ 56 Abs. 1 S. 2 IfSG).

Die Voraussetzungen der Vorschrift sind bei den Klägern nicht erfüllt. Denn sie begehren weder eine Entschädigung für Verdienstausfall, sondern Schmerzensgeld für die Zeit ihrer Absonderung, noch wurde ihnen ihre Erwerbstätigkeit untersagt.

Zudem richten sich die abstrakt-generellen Einreisemaßnahmen nicht gegen individuelle Personen.

Ferner liegen auch die Voraussetzungen von § 65 Abs. 1 Satz 1 IfSG nicht vor. Hiernach ist eine Entschädigung in Geld zu leisten, soweit auf Grund einer Maßnahme nach den § 16 und § 17 IfSG Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird; eine Entschädigung erhält jedoch nicht derjenige, dessen Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlingen als vermutlichen Überträgern solcher Krankheitserreger behaftet oder dessen verdächtig sind.

§ 65 IfSG enthält nur eine Entschädigung für Maßnahmen der Pandemieverhütung bei einer drohenden, nicht wie im Falle der Kläger bereits eingetretenen Pandemie.

Weiterhin liegen auch die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 IfSG nicht vor.

Eine solche Analogie setzt allgemein voraus, dass die Interessenlage des gesetzlich geregelten Falls vergleichbar mit dem zu entscheidenden Fall ist und das Fehlen einer passenden Rechtsnorm für den zu entscheidenden Fall auf einer planwidrigen Regelungslücke beruht. Diese Lücke muss sich aus dem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrundeliegenden Regelungsplan ergeben. Darüber hinaus muss der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Norm, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 – IX ZR 65/09 -, BGHZ 184, 101-116, Rn. 32; Urteil vom 04. Dezember 2014 – III ZR 61/14 -, Rn. 9, juris).

Gemessen an diesen Anforderungen liegt bereits eine planwidrige Regelungslücke nicht vor. Der Gesetzgeber hat bewusst die Entschädigungsansprüche punktuell geregelt. Es sollten nur einzelne Personen, gegen die konkrete Maßnahmen nach den §§ 30, 31 IfSG gerichtet werden, aus Billigkeitsgründen entschädigt werden (§ 56 IfSG). Einen generellen Entschädigungsanspruch für alle Maßnahmen nach den §§ 28 ff. IfSG sollte das Gesetz nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht enthalten (ausführlich und überzeugend hierzu LG Hannover, Urteil vom 09. Juli 2020 – 8 O 2/20, Rn. 40 ff., juris; LG Köln Urt. v. 15.12.2020 – 5 O 108/20, BeckRS 2020, 51042 Rn. 23, 24, beck-online; LG Heilbronn, Beschluss vom 29.04.2020 – 4 O 82/20, Rn. 25, juris; LG Berlin, Urteil vom 13.10.2020 – 2 O 247/20; Stöß/Putzer, NJW 2020, 1465, 1466; Schmitz/Neubert, NVwZ 2020, 666, 669; Cornils, https://verfassungsblog.de/corona-entschaedigungsrechtlich-betrachtet/; Lutz, IfSG vor § 56 Rn. 5).

Die Kläger haben gegen das beklagte Land auch keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld nach den Grundsätzen des enteignenden und/oder des enteignungsgleichen Eingriffs.

Der Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden und/oder des enteignungsgleichen Eingriffs scheitert daran, dass Schutzgut dieser Rechtsfigur die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ist (u.a. BGH, NVwZ 2020, Seite 90). Um die Beeinträchtigung des Eigentums geht es vorliegend aber nicht. Die Kläger reklamieren die Verletzung ihrer Fortbewegungsfreiheit. Das stellt gerade keine Eigentumsposition dar.

Ferner haben die Kläger gegen das beklagte Land auch keinen Anspruch nach § 64 Abs. 1 HSOG.

Nach § 64 Abs. 1 HSOG ist demjenigen ein angemessener Ausgleich zu gewähren, der infolge einer Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher einen Schaden erleidet. Hingegen gilt der Grundsatz, dass der polizeirechtlich Verantwortliche (Störer) keinen Ausgleichsanspruch hat, wenn er durch rechtmäßige Inanspruchnahme einen Schaden erleidet (Lisken/Denninger PolR-HdB, E. Das Handeln von Polizei- und Ordnungsbehörden zur Gefahrenabwehr (Graulich) Rn. 208, beck-online).

Die Kläger waren als Ansteckungsverdächtige nach § 2 Nr. 7 IfSG infektionsrechtliche Störer, sie waren damit nicht als Nichtstörer betroffen (Gerhardt, 5. Aufl. 2021, § 25 IfSG Rn. 14, 15 und § 28 Rn. 42; Kießling/Kießling, 2. Aufl. 2021, IfSG § 2 Rn. 18).

Die Kläger haben auch nach § 64 HSOG analog gegen das beklagte Land keinen Anspruch.

§ 64 Abs. 1 HSOG ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil für die Fälle pandemiebedingter Beeinträchtigungen das IfSG abschließend konzipiert ist und als spezielleres Recht den Rückgriff auf die allgemeinen polizeiordnungsrechtlichen Entschädigungsregeln sperrt (LG Hannover Urt. v. 9.7.2020 – 8 O 2/20, BeckRS 2020, 14033 Rn. 50 ff., beck-online; LG Stuttgart Urt. v. 5.11.2020 – 7 O 109/20, BeckRS 2020, 31215 Rn. 35, beck-online).

Sind die Voraussetzungen des spezialgesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 65 IfSG nicht erfüllt, so ist der Rückgriff auf die Entschädigungsregeln des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ausgeschlossen, soweit diese die Entschädigung des gezielt in Anspruch genommenen Nichtstörers betreffen. Dies folgt aus der Spezialität des besonderen Gefahrenabwehrrechts und des dort getroffenen Interessenausgleichs und gilt auch, soweit spezialgesetzliche Entschädigungstatbestände – wie insbes. § 65 Abs. 1 S. 1 IfSG hinsichtlich der Bekämpfungsmaßnahmen – hinter den Bestimmungen des allg. Polizei- und Ordnungsrechts zurückbleiben (Kümper in Kießling, Infektionsschutzgesetz, IfSG § 65 Rn. 16; LG Heilbronn, NVwZ 2020, Seite 975 (976) Rn. 20-22, beck-online; LG Hannover a.a.O ; vgl. BGHZ 136, 172 = NJW 1998, Seite 544).

Zudem liegt gegenüber den Klägern keine individuelle Maßnahme im Sinne des § 64 HSOG vor. Bei der streitgegenständlichen Einreisequarantäne aufgrund der CoronaVO handelt es sich um eine sogenannte „Jedermann-Maßnahme“, mithin nicht um die Inanspruchnahme eines Nichtstörers (LG Stuttgart Urt. v. 5.11.2020 – 7 O 109/20, BeckRS 2020, 31215 Rn. 36, beck-online; LG Heilbronn, NVwZ 2020, Seite 975 (976) Rn. 20-22, beck-online; Kümper in Kießling, Infektionsschutzgesetz, IfSG § 65 Rn. 16).

Zwar wird teilweise eine analoge Anwendung des § 64 Abs. 1 Satz 1 HSOG vorgeschlagen, weil dem Adressaten aufgrund besonderer Umstände ein Sonderopfer auferlegt werde und somit eine Abs. 1 S. 1 vergleichbare Regelungssituation vorläge. Dagegen spricht jedoch nicht nur, dass der Gesetzgeber die Adressateneigenschaft der jeweiligen Standardmaßnahme bewusst unter Ausschluss der allgemeinen Störervorschriften abschließend geregelt hat. Zudem ist vor allem zu berücksichtigen, dass die gegen jedermann zulässigen Maßnahmen den Klägern kein Sonderopfer auferlegen, sondern sich in ihnen ein allgemeines Lebensrisiko realisiert, das individuell unterschiedliche Folgen haben kann. Damit geht die Situation aber an dem für einen derartigen Anspruch leitenden Aufopferungsgedanken vorbei (BeckOK PolR Hessen/Stein, 20. Ed. 1.1.2021, § 64 HSOG Rn., 47).

Die Kläger haben schließlich gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld oder Entschädigung nach dem allgemeinen Aufopferungsanspruch bzw. aufopferungsgleichen Anspruch.

Allgemeine Aufopferungsansprüche nach §§ 74, 75 EALR setzen rechtmäßige oder rechtswidrige, hoheitliche, allgemeinwohlbezogene Eingriffe in nicht materielle Rechtsgüter voraus, die bei dem Betroffenen zu einem Sonderopfer führen, wobei auch beim Aufopferungsanspruch die Zahlung eines Schmerzensgeldes möglich ist (BGH, NJW 2017, Seite 3384 Rn. 16-17, beck-online; Rinze/Schwab, NJW 2020, Seite 1905 Rn. 52, beck-online).

Indes scheitert ein solcher Anspruch an den zu § 253 BGB vorgenannten Gründen, an der Geringfügigkeit des Eingriffs.

Ferner legen die gegen jedermann zulässigen Maßnahmen den Klägern kein Sonderopfer auf. Es hat sich stattdessen ein allgemeines Lebensrisiko realisiert, das individuell unterschiedliche Folgen haben kann. Damit geht die Situation aber an dem für einen derartigen Anspruch leitenden Aufopferungsgedanken vorbei; eine für die Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der Situation ist nicht gegeben (BeckOK PolR Hessen/Stein, 20. Ed. 1.1.2021, HSOG § 64 Rn., 47).

Zudem verdrängen die §§ 56 ff. IfSG den streng subsidiären Aufopferungsanspruch (Klauck/Müller/Riedner, JuS 2021, Seite 739, beck-online; Schwintowski, NJOZ 2020, Seite 1473, beck-online).

Die Kläger haben gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen, weil sich das beklagte Land nicht in Zahlungsverzug befindet, denn die Kläger haben aus den vorgenannten Gründen gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld.

Die Kosten des Rechtsstreites sind den Kläger aufzuerlegen, weil ihre Klage abgewiesen worden ist, § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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