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Schmerzensgeldanspruch eines gestürzten Passanten

AG Köln – Az.: 116 C 550/17 – Urteil vom 04.09.2018

Die Beklagten zu 2. und 3. werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin EUR 274,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus seit dem 26.01.2017 zu zahlen.

Die Beklagten zu 2. und 3. werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von EUR 750,00 zu zahlen.

Die Beklagten zu 2. und 3. werden verurteilt, als Gesamtschuldner die Klägerin von ihren vorgerichtlichen Anwaltskosten gegenüber den Rechtsanwälten S.& Kollegen in Höhe von EUR 201,71 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 80% und die Beklagten zu 2. und 3. gesamtschuldnerisch zu 20%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. tragen die Klägerin zu 70% und die Beklagte zu 2. zu 30%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3. tragen die Klägerin zu 70% und die Beklagte zu 3. zu 30%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Die Beklagte zu 2. ist Herausgeberin des „M.“, einer wöchentlich erscheinenden regionalen Zeitung. Die Beklagte zu 3. trägt diese Zeitung an alle Haushalte im Kölner Stadtgebiet aus. Zur Vereinfachung der Auslieferung bindet die Beklagte zu 2. mehrere Ausgaben des M. mit Paketbändern aus Plastik zu Bündeln zusammen. Da die Zulieferer regelmäßig keine Möglichkeit haben, diese Zeitungsbündel zwischenzulagern, legt die Beklagte zu 2. die Zeitungen an diversen Stellen im Stadtgebiet frei zugänglich auf öffentlichen Bürgersteigen ab. Eine dieser Ablageorte befand sich an einem Bürgersteig in der Z.straße (Ecke G.straße) in Köln-, wobei hier auch Werbezeitungen deponiert werden. Eine ordnungsbehördliche Sondernutzungserlaubnis für diese Nutzung der Verkehrsfläche besteht nicht.

Die Klägerin ist ausgebildete Übungsleiterin für Nordic-Walking. Sie läuft seit mehreren Jahren mit einer Nordic-Walking-Gruppe durch die Flora. Dabei passiert sie u.a. die Z.straße.

Am Morgen des 29.09.2016 war die Klägerin erneut u.a. auf dem Bürgersteig der Z.straße mit Nordic-Walking-Stöcken unterwegs. Hier lagen wieder Zeitungsstapel, die von Passanten geöffnet worden waren; Verpackungsbänder wurden beiseite geworfen.

Die Klägerin stürzte.

Die Klägerin, zum Zeitpunkt des Sturzes 74 Jahre alt, begehrt aufgrund des Sturzes von den Beklagten Schadensersatz für eine kaputte Brille, Schmerzensgeld und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.01.2017 hatte die Klägerin die Versicherung der Beklagten vorgerichtlich zu Zahlung bis zum 25.01.2017 aufgefordert.

Die Klägerin behauptet, sie sei auf der Z.straße auf Höhe der Zeitungsstapel gestürzt, da sie sich mit den Füßen in einem auf dem Bürgersteig befindlichen Paketband verheddert habe. Dieses Paketband stamme von einem Zeitungsbündel des M.. Dies bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagten hätten eine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Die Klägerin behauptet, sie habe sich diverse Verletzungen zugezogen; wg. der Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bl. 4 und 5 und die Atteste Anlagen K5, K6 und K7 verwiesen. Ferner behauptet die Klägerin, dass ihre Brille bei dem Sturz irreparabel beschädigt worden sei. Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld von EUR 2.500,00 für angemessen.

Die Klägerin hat zunächst auch die Beklagte zu 1. verklagt, die Klage aber mit Schriftsatz vom 23.02.2018 insoweit zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie EUR 940,15 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2017 zu zahlen.

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens EUR 2.500,00 Euro betragen soll, zu zahlen.

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihr ihre vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von EUR 413,64 zu ersetzen, hilfsweise sie von ihren vorgerichtlichen Anwaltskosten gegenüber freizustellen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, die Paketbänder könnten auch von anderen Zeitungen/Prospekten stammen, die an der Z.straße abgelegt würden. Sie machen darüber hinaus ein Mitverschulden der Klägerin geltend.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H.. Ferner hat das Gericht die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 10.07.2018 (Bl. 82 ff. d. A.).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Schmerzensgeldanspruch eines gestürzten Passanten
(Symbolfoto: Von Astrid Gast/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 2. und 3. gemäß § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von EUR 274,35 und gemäß §§ 823, 253 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von EUR 750,00. Ferner steht der Klägerin gemäß §§ 823, 249 BGB ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 201,71 zu. Die Beklagten zu 2. und 3. haften als Gesamtschuldner.

Die Klägerin ist auf der Z.straße gestürzt, weil sie sich in einem Paketband verfangen hat, das von dem „M.“ stammt. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest:

Die Klägerin hat im Rahmen ihrer Parteianhörung geschildert, dass sie mit ihren Nordic-Walking durch die Z.straße gelaufen sei. An der Ecke Z.straße/G.straße hätten dann die Zeitungsbündel vom M. gelegen. Sie habe sich hier auf dem Bürgersteig mit dem Fuß in rumliegenden Paketbändern verfangen, die sie aufgrund von Laub nicht gesehen habe. Der M. habe zum Teil verpackt und unverpackt danebengelegen. Die Paketbänder seien dieselben wie bei diesen Zeitungsstapeln gewesen.

Das Gericht hält die Schilderung der Klägerin für überzeugend. Die Klägerin hat das Geschehen anschaulich und ohne Strukturbrüche geschildert. Sie hat Fotos zur Akte gereicht, die die Zeitungsstapel des M. – zum Teil geöffnet – sowie auf dem Boden liegende Paketbänder zeigen. Nach der Aussage der Klägerin stammen die Fotos vom selben Tag, nachdem sei beim Arzt gewesen sei. Wie sich aus den vorgelegten Attesten ergibt, hat die Klägerin bereits ihrer Ärztin berichtet, dass sie über einen Zeitungsband gestolpert sei (vgl. Anlage K5). Dass die Klägerin für ihre Ärztin, für ihre Freundin H. (dazu sogleich) und gegenüber dem Gericht eine Geschichte konstruiert, hält das Gericht für fernliegend.

Die Aussage der Klägerin wird von der Aussage der Zeugin H. gestützt, die zwei Häuser von der Unfallstelle entfernt wohnt. Die Zeugin hat den Sturz zwar nicht mit eigenen Augen gesehen. Die Zeugin hat jedoch geschildert, dass sie die Klägerin kurz vorher noch verabschiedet habe, weil sie selber an diesem Tag nicht mit zum Nordic-Walking gehen wollte. Zehn Minuten später sei die Klägerin dann zurückgekommen, am ganzen Körper zitternd, die kaputte Brille in der Hand, und habe gesagt, dass sie sich verheddert habe. Auf ihr Anraten sei die Klägerin zum Arzt gegangen. Die Aussage der Zeugin war ebenfalls glaubhaft. Die Zeugin hat anschaulich und mit Anteilnahme geschildert, wie die Klägerin „wie ein Häufchen Elend“ vor ihr gestanden habe.

Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es sich um ein Paketband des M. gehandelt hat, über das die Klägerin gestolpert ist. So sieht man auf den von der Klägerin eingereichten Fotos graue Paketbänder auf der Straße liegen (vgl. Anlage K1). Auf den weiteren Lichtbildern der Klägerin sieht man zahlreiche Zeitungsbündel, die mit den gleichen grauen Paketbändern zusammen gehalten werden, und bei denen es sich offensichtlich um Stapel des M. handelt; dies ergibt sich ergänzend aus dem als Anlage K11 eingereichten Foto, dem man entnehmen kann, dass die Pakete der Beklagten mit einem Zettel „Standardpaket“ gekennzeichnet sind, was man auch auf den Lichtbildern der Anlage K1 erkennen kann. Die Klägerin hat hierzu ergänzend bekundet, dass der M. mit solchen Paketbändern zusammengebunden werde. Die Beklagten hatten zunächst noch behauptet, dass ihre Verpackungsbänder weiß seien; später haben sie aber eingeräumt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass zum streitigen Zeitpunkt noch ein Restbestand dunkler Bänder verwendet worden sei. Soweit die Beklagten behaupten, es könne sich auch um Paketbänder anderer Druckerzeugnisse gehandelt haben, hält das Gericht dies für eine nur theoretische Möglichkeit: Man sieht zwar auch vereinzelte Packen mit Werbeprospekten („N.“, „F.“); diese sind aber mit weißen Paketbändern zusammen gehalten. Angesichts dieser dokumentierten Situation hätten die Beklagten konkreter darlegen müssen, von welchen anderen Druckerzeugnissen die Paketbänder stammen könnten. Soweit die Beklagten auf die Werbezeitung „D.“ hinweisen, mag sein, dass diese auch in der Z.straße deponiert werden. Es ist aber von den Beklagten nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass und wo diese Werbezeitung zum konkreten Zeitpunkt des Vorfalls lagerten. Auf den von der Klägerin kurz nach dem Sturz aufgenommenen Lichtbildern sind diese Prospekte jedenfalls nicht zu sehen. Vor diesem Hintergrund wäre näherer Vortrag der Beklagten erforderlich gewesen.

Die Beklagten zu 2. und 3. haften für die Folgen aus dem Sturz, da sie eine Verkehrssicherungspflicht verletzt haben. Sie haben es nämlich pflichtwidrig unterlassen, die im öffentlichen Verkehrsraum abgelegten Zeitungen vor dem unbefugten Zugriff zu sichern.

Wer eine in seinem Verantwortungsbereich liegende Gefahrenquelle gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, ist dazu verpflichtet, Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen. Den Verantwortlichen trifft die Pflicht, alle zumutbaren und erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Schädigungen Dritter möglichst zu vermeiden. Zwar muss ein Verkehrssicherungspflichtiger nicht gegen alle denkbaren, entfernt möglichen Schadensereignisse Vorkehrungen treffen. Er ist aber dazu verpflichtet, die Vorkehrungen zu treffen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung einer Gefahr für Dritte zumutbar und erforderlich sind. Erforderlich ist eine Maßnahme, die ein umsichtiger und verständiger, in einem vernünftigen Rahmen vorsichtiger Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises für notwendig und ausreichend halten darf, um unbeteiligte Dritte vor Gefahren zu schützen (vgl. zu alledem z. B. BGH in MDR 2007, 463 f.). Hierunter können auch solche Gefahren fallen, die erst durch ein vorsätzliches Eingreifen eines Dritten entstehen (vgl. BGH in MDR 1990, 611 f. für einen Eigentümer und Vermieter).

Nach diesen Grundsätzen waren die Beklagten zu 2. und 3. für die zwischengelagerten Zeitungen verkehrssicherungspflichtig und haben diese Pflicht verletzt:

Die Beklagten zu 2. und 3. haben die Zeitungen frei zugänglich und ohne eine Sondernutzungserlaubnis auf einem Bürgersteig im öffentlichen Verkehrsraum abgelegt. Hierdurch haben sie eine Gefahrenquelle geschaffen, die darin besteht, dass Passanten über Zeitungen, Zeitungsteile oder Verpackungsbänder fallen können. Denn werden Gegenstände – gleich welcher Art – im öffentlichen Verkehrsraum gelagert, besteht immer die Gefahr, dass Rechtsgüter unbeteiligter Dritter verletzt oder gefährdet werden könnten. Diese Gefahr hat sich hier durch den Sturz der Klägerin realisiert. Fußgänger haben zwar mit kleineren Unebenheiten und typischen Gefahrenquellen auf einem Fußgängerweg zu rechnen. Ein vernünftiger Benutzer eines Bürgersteigs darf aber erwarten, dass auf einem Bürgersteig keine Hindernisse durch gelagerte Ware oder deren Verpackung geschaffen werden.

Den Beklagten ist auch bekannt, dass gerade ihre Verpackungsbänder eine Stolperfalle sein können: So haben die Beklagten eingeräumt, dass es in der Vergangenheit Fälle gegeben hat, in denen Passanten über Paketbänder gestolpert sind, die von ihren Zustellen nicht ausreichend entsorgt worden sind. Aus diesem Grund würden die Beklagten ihre Zusteller regelmäßig darauf hinweisen, Bänder ordnungsgemäß zu entsorgen. Unstreitig liegt ein Fehlverhalten von Mitarbeitern der Beklagten hier zwar nicht vor; vielmehr gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass unbefugte Dritte Verpackungsbänder achtlos zur Seite geworfen haben, ggf. nachdem sie sich ein Zeitungsexemplar gegriffen haben. Die Beklagten hätten aber auch gegen eine solche Gefahr Vorkehrungen treffen müssen. Die eigenmächtige Entnahme frei zugänglicher Zeitungen ist nämlich ein nicht ganz fernliegender Eingriff, mit dem die Beklagten hätten rechnen können und müssen. Ob sie positive Kenntnis davon hatten, kann dahinstehen. Die Beklagten mussten jedenfalls damit rechnen, dass es Passanten gibt, die sich an den Zeitungen zu schaffen machen. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es in einer Großstadt immer auch Personen gibt, die von unbeaufsichtigten Objekten im öffentlichen Raum angezogen werden (vgl. LG Mannheim in NJW-RR 1997, 921 f. zur Lagerung von Sperrmüll) und Müll nicht ordentlich wegwerfen. Dies betrifft auch und insbesondere Druckerzeugnisse und Anzeigeblätter; und zwar erst recht, wenn diese – wie hier – ohnehin kostenlos verteilt werden, da ein potentielles Unrechtsbewusstsein hinsichtlich der Entnahme von Zeitungen herabgesetzt ist.

Die Beklagten zu 2. und 3. haben gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen, da sie keine ausreichenden Vorkehrungen dagegen getroffen haben, dass Dritte die Packungen öffnen und sich eine Zeitung nehmen. Den Beklagten wäre dies aber möglich und zumutbar gewesen, so durch den Einsatz verschließbarer Lagerboxen oder die Lagerung der Zeitungen in einem Ladenlokal o.ä.

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Die Klägerin muss sich allerdings ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen:

Fußgänger müssen auf öffentlichen Wegen auf Gefahrenstellen achten und ihnen nach Möglichkeit ausweichen (vgl. Palandt/Grüneberg, 78. Aufl., § 254 Rn. 26). Benutzt man Bürgersteige als Sportfläche (z.B. durch Inline Skates), erhöht man die Gefahr, eine Stolperfalle zu übersehen und muss sich daher ein Mitverschulden vorwerfen lassen. Dies gilt auch für Nordic-Walking-Stöcke: Zwar erhöhen sie – anderes als Fahrräder oder Inline Skates – die Geschwindigkeit nicht oder jedenfalls nicht erheblich. Ihr Einsatz erfordert allerdings ein erhöhtes Maß an Konzentration und Koordination, weswegen man Hindernisse auf dem Bürgersteig ggf. nicht so gut wahrnimmt. Daneben erhöhen die Stöcke nicht nur die Gefahr, irgendwo hängen zu bleiben, sondern auch die Gefahr, zu stürzen und sich zu verletzen. Denn die Stöcke wirken wie eine mechanische, unbewegliche Verlängerung des Armes, was im Falle eines Sturzes das Auffangen oder Festhalten erschwert. Dass die Klägerin eine erfahrene Nordic-Walkerin ist, ändert hieran nichts. Im Gegenteil: Gerade als erfahrene Walkerin hätte sie besonders vorsichtig sein müssen, und zwar gerade an dieser Stelle. Aus ihrer eigenen Schilderung und der Aussage der Zeugin H. ergibt sich nämlich, dass der Klägerin die Lagerung des M. an dieser Stelle bekannt ist. Der Zeugin H. war auch die Gefahr bekannt, sich zu verheddern. Das Gericht geht davon aus, dass auch die Klägerin, die jede Woche mit ihrer Nordic-Walking-Gruppe an der Stelle vorbeigeht, gewarnt war. Sie hätte daher besonders darauf achten müssen, dass keine Zeitungen oder Verpackungsbänder rumliegen.

Das Gericht bewertet das Mitverschulden der Klägerin mit einer Quote von 70%.

Zu den einzelnen Ansprüchen:

Die Klägerin hat zunächst einen Anspruch in Höhe von EUR 274,35 wegen ihrer kaputten Brille. Die Beklagte muss der Klägerin den Schaden ersetzen, der durch den Kauf einer neuen Brille entstanden ist. Es bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin eine neue Brille kaufen musste. Sie hat glaubhaft geschildert, dass die Gläser verkratzt waren und das Gestell gebrochen war. Das Gericht hält es für fernliegend, dass man hier noch etwas hätte reparieren können. Eine sachverständige Untersuchung ist insoweit jetzt nicht mehr möglich. Der Einwand der Beklagten, die beschädigte Brille sei ohnehin unbrauchbar geworden, greift nicht durch: Die Stärke der neuen Brille weicht nur unwesentlich von der Stärke der beschädigten Brille ab. Im Übrigen hat die Klägerin einen Abzug „Neu für alt“ in Höhe von 35% bei den Brillengläsern berücksichtigt (vgl. sogleich), was ausreichend erscheint.

Zur Höhe: Die Klägerin begehrt den Ersatz der neuen Brillenfassung in Höhe von EUR 335,00 und den Ersatz der Gläser in Höhe von insgesamt EUR 605,15. Auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 30.01.2018 hat die Klägerin dies konkretisiert: Die EUR 335,00 sind der Preis für die neue Brillenfassung gemäß Anlage K4. Die EUR 605,15 sollen 65% der Gläserkosten von EUR 891,00 sein. Soweit die Klägerin für die Brillenfassung den Netto-Preis geltend macht, ist das Gericht hieran gebunden (§ 308 ZPO). Soweit die Klägerin von den Gläserkosten EUR 891,00 geltend macht, ist das Gericht hieran ebenfalls gebunden (§ 308 ZPO). Allerdings sind 65% von EUR 891,00 nur EUR 579,15, so dass die Klägerin letztlich EUR 335,00 + EUR 579,15 = EUR 914,50 begehrt. Dieser Betrag stünde der Klägerin ohne ihr Mitverschulden auch zu. Allerdings war der Anspruch entsprechend des Mitverschuldens um 70% zu kürzen.

Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von EUR 750,00 zu.

Die Bemessung des Schmerzensgelds beruht auf einer Gesamtbetrachtung. Es steht für das Gericht nach der Parteianhörung und den vorgelegten Attesten fest, dass die Klägerin neben diversen oberflächlichen Verletzungen (Hämatome an der Stirn und an der Brust, Platzwunde am Knie) einen Bruch der linken Kniescheibe erlitten hat. Diese Verletzung musste länger behandelt werden und beeinträchtigt die Klägerin bei stärkerer Belastung auch noch heute. Zudem musste die Klägerin nach dem Unfall eine Orthese tragen, ging fünf Wochen auf Krücken und konnte ein halbes Jahr kein Nordic-Walking ausüben. Ferner wurde eine posttraumatische Knorpelschädigung diagnostiziert. Anspruchsmindernd wirkte sich auch hier das 70%ige Mitverschulden der Klägerin aus; ferner, dass den Beklagten nur fahrlässiges Handeln vorzuwerfen ist.

Die Klägerin hat ferner einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 201,71. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war erforderlich und zweckmäßig. Der Erstattungsanspruch bemisst sich nach dem Gegenstandswert, wobei dieser der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht, vorliegend als EUR 1.024,35.

Zinsen stehen der Klägerin zu gemäß §§ 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: EUR 3.440,15

 

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