Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Hundebiss: Rechtliche Aspekte zu Schmerzensgeld und Tierhalterhaftung
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche grundsätzlichen Ansprüche habe ich nach einem Hundebiss?
- Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes bei Hundebissen ermittelt?
- Was bedeutet Gefährdungshaftung bei Hundebissen?
- Welche Rolle spielt die Tierhaftpflichtversicherung bei Hundebissverletzungen?
- Wann liegt ein Mitverschulden des Geschädigten bei einem Hundebiss vor?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Wiesbaden
- Datum: 28.04.2022
- Aktenzeichen: 2 S 10/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Haftungsrecht, Tierhalterhaftung
Beteiligte Parteien:
- Klägerin: Die Klägerin ist die Schwester des Beklagten. Sie macht Ansprüche geltend wegen eines Hundebisses durch den Hund des Beklagten.
- Beklagter: Der Beklagte ist der Schwager der Klägerin und der Halter des Hundes, der die Klägerin gebissen hat.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Am 31.07.2019 wurde die Klägerin von dem Hund „Rico“ des Beklagten in das Gesicht gebissen, während sie in der Wohnung ihrer Mutter zu Besuch war. Die Klägerin und der Hund kannten sich von vorherigen Besuchen. Die Bisswunden führten zu medizinischen Behandlungen und zahntechnischen Reparaturen.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Klägerin ein Mitverschulden trifft, das ihren Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld mindern würde.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Der Beklagte wurde verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 1.839,59 € nebst Zinsen, errechnete Zinsen in Höhe von 30,34 €, und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 557,03 € zu zahlen. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.500,00 € wurde der Klägerin zuerkannt.
- Begründung: Das Gericht sah kein Mitverschulden der Klägerin, da sie sich einem ihr bekannten Hund zuwandte und keine unmäßige Gefahr herbeiführte. Die typische Tiergefahr hatte sich verwirklicht, ohne dass der Klägerin eine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden konnte.
- Folgen: Der Beklagte muss den festgelegten Betrag zahlen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und die Revision wurde nicht zugelassen. Die Klägerin erhält Schmerzensgeld und Ersatz der materiellen Schäden. Das Urteil präzisiert die Anforderungen an das Mitverschulden bei Hundebissen.
Hundebiss: Rechtliche Aspekte zu Schmerzensgeld und Tierhalterhaftung
Ein Hundebiss kann nicht nur körperliche Verletzungen, sondern auch erhebliche emotionale und finanzielle Folgen für die betroffenen Personen mit sich bringen. In der rechtlichen Einordnung spielen dabei verschiedene Aspekte eine Rolle, wie etwa die Tierhalterhaftung und die Sorgfaltspflicht des Hundehalters. Oft stellt sich die Frage nach der Höhe des Schmerzensgeldes und ob ein Mitverschulden des Opfers vorliegt, etwa durch eine sorgfaltswidrige Annäherung an den Hund.
Wer in solch einem Fall Schadensersatz und Schmerzensgeld beantragt, muss die rechtlichen Rahmenbedingungen und Ansprüche genau kennen. Die Berechnung von Schmerzensgeld sowie die Behandlungskosten sind entscheidende Faktoren, die für die Entschädigung herangezogen werden. Um ein besseres Verständnis für diese komplexen rechtlichen Zusammenhänge zu erhalten, betrachten wir anschließend einen konkreten Fall, der relevante Aspekte zu Schmerzensgeld und Mitverschulden beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Folgen eines Hundebisses: Landgericht Wiesbaden spricht Geschädigter 4.500 Euro Schmerzensgeld zu

Ein Mischlingshund biss einer Frau während eines Besuchs bei ihrer Mutter ins Gesicht. Das Landgericht Wiesbaden hat der Geschädigten nun ein Schmerzensgeld von 4.500 Euro sowie materielle Schäden in Höhe von 1.189,59 Euro zugesprochen.
Schwere Verletzungen durch plötzlichen Biss ohne Vorwarnung
Der Vorfall ereignete sich am 31. Juli 2019, als die Klägerin ihre Mutter besuchte. Der Hund „Rico“ gehörte ihrem Schwager und hielt sich wegen dessen Abwesenheit in der Wohnung auf. Als sich die Frau zu dem neben ihr stehenden und ihr aus früheren Besuchen bekannten Hund hinunterbeugte, biss dieser ihr ohne vorherige Warnung ins Gesicht. Die Bisswunden mussten chirurgisch versorgt werden. Durch den Biss verschob sich der Kiefer der Geschädigten, zudem brachen drei Keramikkronen ab. Die zahnmedizinische Behandlung erforderte neun Termine und beinhaltete die Exzision eines blutreichen ausgedehnten Geschwulstes.
Gericht verneint Mitverschulden der Geschädigten
Das Landgericht Wiesbaden hob in seiner Berufungsentscheidung das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts teilweise auf. Anders als die Vorinstanz sah das Landgericht kein Mitverschulden bei der Geschädigten. Bei einem bekannten Hund ohne bisherige Auffälligkeiten dürfe eine Person davon ausgehen, dass dieser nicht sofort und ohne Vorwarnung zubeißt, sondern zunächst durch Knurren eine Warnung gibt. Das Hinunterbeugen zu einem vertrauten Tier stelle keine Sorgfaltspflichtverletzung dar.
Schmerzensgeldbemessung durch das Gericht
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das Gericht besonders die nach wie vor sichtbare und schmerzempfindliche Narbe im Bereich des Jochbeins auf der rechten Wange. Da es sich um einen Fall der Gefährdungshaftung nach § 833 BGB handelte, stand die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes im Vordergrund. Das Gericht orientierte sich dabei auch an vergleichbaren Fällen aus der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte zu Hundebissverletzungen.
Materielle Schäden und Versicherungsleistungen
Die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beklagten hatte bereits Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.573,20 Euro geleistet. Das Gericht sprach der Klägerin zusätzlich die verbliebenen Eigenbeteiligungskosten der zahnärztlichen Behandlung sowie Fahrtkosten zu Ärzten und Heilbehandlungen zu. Nach Abzug der Versicherungsleistungen muss der Beklagte noch einen Betrag von 1.839,59 Euro nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 557,03 Euro zahlen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass bei Hundebissen sowohl der Tierhalter als auch das Opfer Verantwortung tragen können. Sich außerhalb des Sichtfeldes eines Hundes über diesen zu beugen, kann als Mitverschulden gewertet werden, da dies als bedrohlich empfunden werden kann. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes werden sowohl die Schwere der Verletzungen als auch ein mögliches Mitverschulden berücksichtigt. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Tierhalterhaftung keine absolute Haftung ist und durch Mitverschulden gemindert werden kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie von einem Hund gebissen wurden, haben Sie grundsätzlich Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Allerdings müssen Sie bei der Interaktion mit Hunden besondere Vorsicht walten lassen. Vermeiden Sie es, sich außerhalb des Sichtfeldes eines Hundes über diesen zu beugen, da dies als bedrohliche Geste interpretiert werden kann und zu einer Minderung Ihrer Ansprüche führen könnte. Bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche ist es wichtig, dass Sie alle medizinischen Behandlungen und Kosten sorgfältig dokumentieren. Die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Hundehalters wird in der Regel einen Großteil der Kosten übernehmen, kann aber bei einem Mitverschulden Ihrerseits die Zahlungen entsprechend kürzen.
Gerechte Entschädigung nach einem Hundebiss?
Hundebisse können zu schweren Verletzungen und langwierigen Folgen führen. Auch wenn die Tierhalterhaftung grundsätzlich greift, ist die Rechtslage nicht immer eindeutig. Ein erfahrener Rechtsbeistand kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadensersatz optimal durchzusetzen und mögliche Einwände wegen Mitverschuldens zu entkräften. Wir unterstützen Sie dabei, die notwendigen Beweise zu sichern und Ihre Rechte effektiv wahrzunehmen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche grundsätzlichen Ansprüche habe ich nach einem Hundebiss?
Wenn Sie durch einen Hundebiss verletzt wurden, können Sie verschiedene Ansprüche geltend machen. Diese ergeben sich aus der sogenannten Tierhalterhaftung gemäß § 833 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Hundehalter haftet dabei grundsätzlich für alle Schäden, die durch das Tier verursacht wurden – unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft. Im Folgenden werden die wichtigsten Anspruchsgrundlagen erläutert:
Schadensersatz für materielle Schäden
Materielle Schäden sind finanzielle Verluste, die Ihnen durch den Hundebiss entstanden sind. Dazu gehören unter anderem:
- Medizinische Kosten: Alle Ausgaben für die Behandlung der Verletzungen, wie Arztbesuche, Medikamente, Verbandsmaterial oder Therapien.
- Verdienstausfall: Wenn Sie aufgrund der Verletzung arbeitsunfähig sind und dadurch Einkommensverluste erleiden.
- Sachschäden: Beschädigte Kleidung, Brillen oder andere persönliche Gegenstände können ebenfalls ersetzt werden.
Diese Ansprüche richten sich nach den allgemeinen Vorschriften des Schadensersatzrechts (§§ 249 ff. BGB).
Schmerzensgeld für immaterielle Schäden
Neben den materiellen Schäden haben Sie auch Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 253 Abs. 2 BGB. Dieses dient dem Ausgleich für immaterielle Schäden wie:
- Körperliche Schmerzen: Die durch den Biss verursachten physischen Schmerzen.
- Psychische Beeinträchtigungen: Etwa Angstzustände oder Traumata infolge des Vorfalls.
- Dauerhafte Folgen: Narbenbildung oder andere bleibende Beeinträchtigungen.
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Schwere der Verletzungen und den individuellen Umständen ab. Beispielsweise kann bei kleineren Bissverletzungen ein Betrag von 500 bis 1.500 Euro angemessen sein, während bei schweren Verletzungen mit bleibenden Schäden Summen von mehreren Tausend Euro möglich sind.
Mitverschulden des Geschädigten
Ihre Ansprüche können gemindert werden, wenn Sie ein Mitverschulden trifft (§ 254 BGB). Ein solches liegt vor, wenn Sie sich sorgfaltswidrig verhalten haben, etwa durch:
- Provozierendes Verhalten gegenüber dem Hund.
- Unvorsichtige Annäherung an das Tier ohne Zustimmung des Halters.
In solchen Fällen wird eine Haftungsquote gebildet, die Ihre Ansprüche entsprechend reduziert.
Handlungsempfehlungen
Um Ihre Ansprüche erfolgreich geltend zu machen, sollten Sie folgende Schritte beachten:
- Beweissicherung: Dokumentieren Sie den Vorfall (Fotos der Verletzungen, Zeugenaussagen).
- Ärztliche Atteste: Lassen Sie Ihre Verletzungen unverzüglich ärztlich dokumentieren.
- Kontaktaufnahme mit dem Hundehalter: Fordern Sie Schadensersatz und Schmerzensgeld schriftlich ein.
- Prüfung einer Hundehalter-Haftpflichtversicherung: Oft übernimmt diese die Regulierung der Ansprüche.
Die rechtliche Grundlage Ihrer Ansprüche bildet insbesondere § 833 Satz 1 BGB (Gefährdungshaftung), ergänzt durch § 253 Abs. 2 BGB für immaterielle Schäden.
Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes bei Hundebissen ermittelt?
Die Höhe des Schmerzensgeldes bei Hundebissen wird individuell für jeden Einzelfall ermittelt. Dabei berücksichtigen Gerichte verschiedene Faktoren:
Schwere der Verletzung
Je gravierender die Verletzung, desto höher fällt in der Regel das Schmerzensgeld aus. Leichte Bisswunden mit oberflächlichen Kratzern führen oft zu Beträgen zwischen 100 und 400 Euro. Bei tieferen Wunden mit Narbenbildung können es bereits 1.000 bis 5.000 Euro sein. Schwere Verletzungen mit bleibenden Schäden können Schmerzensgelder von über 10.000 Euro nach sich ziehen.
Folgeschäden und Heilungsverlauf
Dauerhafte Beeinträchtigungen wie Bewegungseinschränkungen, Taubheitsgefühle oder sichtbare Narben erhöhen das Schmerzensgeld deutlich. Auch die Dauer der Heilung spielt eine Rolle. Wenn Sie beispielsweise mehrere Wochen arbeitsunfähig sind oder einen Krankenhausaufenthalt benötigen, wirkt sich das auf die Höhe aus.
Psychische Folgen
Entwickeln Sie nach dem Hundebiss eine Angststörung oder andere psychische Beeinträchtigungen, fließt dies ebenfalls in die Bemessung ein. Eine diagnostizierte Hundephobie kann das Schmerzensgeld erheblich erhöhen.
Lokalisation der Verletzung
Die Stelle des Bisses beeinflusst die Höhe des Schmerzensgeldes. Verletzungen im Gesicht oder an anderen sichtbaren Körperstellen werden in der Regel höher bewertet als Bisse an weniger exponierten Stellen. Ein Biss ins Gesicht mit Nasenverletzung kann beispielsweise zu einem Schmerzensgeld von 5.000 Euro führen.
Mitverschulden des Geschädigten
Haben Sie sich dem Hund gegenüber sorgfaltswidrig verhalten, kann dies zu einer Minderung des Schmerzensgeldes führen. Allerdings hat das Landgericht Frankenthal entschieden, dass das bloße Streicheln oder Umarmen eines bekannten Hundes kein Mitverschulden begründet. Wenn Sie jedoch trotz Warnung einen fressenden Hund streicheln, könnte dies als Mitverschulden gewertet werden.
Zur Orientierung verwenden Gerichte oft Schmerzensgeldtabellen, die frühere Urteile in ähnlichen Fällen auflisten. Diese dienen als Anhaltspunkt, sind aber nicht bindend. Jeder Fall wird individuell bewertet, wobei alle genannten Faktoren berücksichtigt werden.
Was bedeutet Gefährdungshaftung bei Hundebissen?
Die Gefährdungshaftung bei Hundebissen ist eine verschuldensunabhängige Haftung des Hundehalters für Schäden, die sein Tier verursacht. Sie basiert auf § 833 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und bedeutet, dass der Hundehalter grundsätzlich für alle Schäden aufkommen muss, die sein Hund anrichtet – unabhängig davon, ob ihn selbst ein Verschulden trifft.
Grundprinzip der Gefährdungshaftung
Wenn Sie einen Hund halten, haften Sie nach diesem Prinzip allein aufgrund der Tatsache, dass von Ihrem Tier eine potenzielle Gefahr ausgeht. Es spielt keine Rolle, ob Sie alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben oder der Vorfall unvorhersehbar war. Die Idee dahinter ist, dass derjenige, der die Vorteile des Tierhaltens genießt, auch die damit verbundenen Risiken tragen soll.
Auswirkungen auf die Anspruchsdurchsetzung
Für Geschädigte bedeutet die Gefährdungshaftung eine erleichterte Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Sie müssen dem Hundehalter kein Fehlverhalten nachweisen, sondern lediglich belegen, dass der Schaden durch den betreffenden Hund verursacht wurde. Dies kann die Geltendmachung von Schmerzensgeld und anderen Schadensersatzansprüchen erheblich vereinfachen.
Grenzen der Gefährdungshaftung
Trotz der strengen Haftung gibt es Situationen, in denen die Ansprüche des Geschädigten gemindert werden können. Wenn Sie sich einem Hund sorgfaltswidrig nähern und gebissen werden, kann dies als Mitverschulden gewertet werden. Stellen Sie sich vor, Sie ignorieren deutliche Warnhinweise oder provozieren den Hund absichtlich – in solchen Fällen kann Ihr Schadensersatzanspruch reduziert werden oder sogar ganz entfallen.
Bedeutung für Hundehalter
Als Hundehalter sollten Sie sich der weitreichenden Haftung bewusst sein. Es empfiehlt sich, eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abzuschließen, um sich vor den finanziellen Folgen möglicher Schäden zu schützen. Diese Versicherung übernimmt in der Regel die Kosten für Schäden, die Ihr Hund verursacht, einschließlich Schmerzensgeld bei Hundebissen.
Welche Rolle spielt die Tierhaftpflichtversicherung bei Hundebissverletzungen?
Die Tierhaftpflichtversicherung übernimmt eine zentrale Rolle bei der Regulierung von Schäden durch Hundebisse. Sie tritt an die Stelle des Hundehalters und begleicht berechtigte Ansprüche des Geschädigten. Dies umfasst sowohl Schadensersatz als auch Schmerzensgeld.
Funktion der Versicherung
Die Tierhaftpflichtversicherung schützt den Hundehalter vor finanziellen Folgen, die durch seinen Hund verursacht werden. Wenn Ihr Hund jemanden beißt, prüft die Versicherung zunächst den Sachverhalt und die Haftungsfrage. Bei eindeutiger Haftung des Hundehalters übernimmt sie die Zahlung an den Geschädigten. Dies kann erhebliche Summen umfassen, insbesondere wenn neben dem Schmerzensgeld auch Behandlungskosten oder Verdienstausfälle geltend gemacht werden.
Regulierungsprozess
Wenn Sie als Hundehalter in einen Vorfall verwickelt sind, sollten Sie umgehend Ihre Versicherung informieren. Diese wird dann:
- Den Sachverhalt prüfen
- Mit dem Geschädigten oder dessen Anwalt kommunizieren
- Berechtigte Ansprüche regulieren
- Unberechtigte Forderungen abwehren
Die Versicherung handelt dabei in Ihrem Namen und Interesse. Sie sollten alle Kommunikation mit dem Geschädigten über die Versicherung laufen lassen, um Ihre rechtliche Position nicht zu gefährden.
Mögliche Probleme bei der Schadensabwicklung
Trotz des Versicherungsschutzes können Schwierigkeiten auftreten:
- Deckungshöhe: Übersteigen die Ansprüche die vereinbarte Versicherungssumme, müssen Sie als Hundehalter den Differenzbetrag selbst tragen.
- Selbstbeteiligung: Einige Verträge sehen eine Selbstbeteiligung vor, die Sie im Schadensfall zu leisten haben.
- Obliegenheitsverletzungen: Wenn Sie Ihren vertraglichen Pflichten nicht nachkommen, etwa durch verspätete Meldung des Vorfalls, kann die Versicherung die Leistung kürzen oder verweigern.
Mitverschulden und Schadenshöhe
Die Höhe des Schmerzensgeldes bei einem Hundebiss kann durch ein Mitverschulden des Geschädigten gemindert werden. Wenn sich jemand einem Hund sorgfaltswidrig nähert, etwa durch Provokation oder Missachtung von Warnhinweisen, kann dies zu einer Reduzierung der Schmerzensgeldzahlung führen. Die Versicherung wird in solchen Fällen argumentieren, dass der Geschädigte teilweise selbst für den Schaden verantwortlich ist.
Stellen Sie sich vor, ein Passant ignoriert ein „Vorsicht bissiger Hund“-Schild und streckt seine Hand durch den Zaun. Wird er gebissen, könnte die Versicherung argumentieren, dass er durch sein Verhalten zum Schaden beigetragen hat. Dies könnte die Schmerzensgeldzahlung erheblich reduzieren.
Die Tierhaftpflichtversicherung spielt somit eine entscheidende Rolle beim finanziellen Schutz des Hundehalters und bei der Sicherstellung, dass Geschädigte eine angemessene Entschädigung erhalten. Sie navigiert durch den oft komplexen Prozess der Schadensregulierung und berücksichtigt dabei alle relevanten rechtlichen und faktischen Aspekte des Vorfalls.
Wann liegt ein Mitverschulden des Geschädigten bei einem Hundebiss vor?
Ein Mitverschulden des Geschädigten bei einem Hundebiss liegt vor, wenn dieser durch sein eigenes Verhalten zur Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens beigetragen hat. Dies wird nach § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bewertet. Hier sind einige typische Situationen, in denen ein Mitverschulden angenommen werden kann:
Provokation des Hundes
Wenn Sie den Hund absichtlich reizen oder ärgern, kann dies als erhebliches Mitverschulden gewertet werden. Stellen Sie sich vor, Sie werfen Steine nach einem Hund oder versuchen, ihm Futter wegzunehmen, obwohl der Hundehalter Sie gewarnt hat.
Missachtung von Warnhinweisen
Ignorieren Sie deutliche Warnschilder oder Hinweise des Hundehalters, spricht dies für ein Mitverschulden. Zum Beispiel, wenn ein Schild „Vorsicht, bissiger Hund“ an einem Grundstück angebracht ist und Sie dennoch das Grundstück betreten.
Eingreifen in Hundestreitigkeiten
Versuchen Sie, kämpfende Hunde zu trennen, gehen Sie ein erhöhtes Risiko ein. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einem Fall sogar ein Mitverschulden von 80% angenommen, wenn jemand aktiv in das Gerangel der Hunde eingreift.
Unvorsichtiger Umgang mit fremden Hunden
Streicheln Sie einen unbekannten Hund ohne Erlaubnis, kann dies als Mitverschulden ausgelegt werden. Wenn Sie beispielsweise einen Hund streicheln, der gerade am Fressen ist, obwohl der Hundehalter Sie gewarnt hat, könnte dies als fahrlässiges Verhalten gewertet werden.
Auswirkungen auf den Schadensersatzanspruch
Je nach Schwere des Mitverschuldens kann Ihr Anspruch auf Schadensersatz erheblich gemindert werden. In extremen Fällen kann er sogar vollständig entfallen. Wenn Sie beispielsweise einen Hund provozieren trotz deutlicher Warnungen des Besitzers, müssten Sie möglicherweise den gesamten Schaden selbst tragen.
Beweislast und Einzelfallbetrachtung
Die Beweislast für ein Mitverschulden liegt beim Hundehalter. Er muss nachweisen, dass Sie sich fahrlässig oder vorsätzlich verhalten haben. Gerichte bewerten jeden Fall individuell und berücksichtigen alle Umstände. Wenn Sie beispielsweise einen Ihnen bekannten, bisher friedlichen Hund streicheln und dieser Sie überraschend beißt, wird in der Regel kein Mitverschulden angenommen.
Rechtliche Grundlagen
Die Tierhalterhaftung ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt und zielt darauf ab, dass der Tierhalter für sein Tier verantwortlich ist, da Tiere ein unberechenbares Verhalten zeigen können. Im Fall eines Hundebisses bedeutet dies, dass der Halter des Hundes für die entstandenen Verletzungen und Schäden haften kann, auch wenn der Vorfall unabsichtlich geschehen ist.
Beispiel
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einer Feier und der Hundehalter hat die Gäste darauf hingewiesen, dass der Hund nicht gestreichelt werden soll. Trotz dieser Warnung streicheln Sie den Hund, und dieser beißt Sie. In diesem Fall könnte das Gericht ein Mitverschulden von 30% annehmen, da Sie die Warnung ignoriert haben.
Handlungsschritte
- Dokumentation: Dokumentieren Sie den Vorfall, die Verletzungen und alle relevanten Umstände.
- Zeugen: Sammeln Sie Zeugenaussagen, die Ihre Version der Ereignisse stützen.
- Rechtsberatung: Informieren Sie sich über Ihre Rechte und Pflichten, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Diese Erläuterung zeigt, dass ein Mitverschulden des Geschädigten bei einem Hundebiss nicht nur theoretisch möglich ist, sondern auch in der Praxis häufig vorkommt. Es ist wichtig, sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein und vorsichtig mit Hunden umzugehen, um solche Situationen zu vermeiden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Tierhalterhaftung
Die gesetzliche Verpflichtung des Tierhalters, für Schäden aufzukommen, die sein Tier verursacht. Gemäß § 833 BGB haftet der Tierhalter verschuldensunabhängig, das heißt auch wenn ihn persönlich keine Schuld trifft. Diese strenge Haftung gilt, weil von Tieren besondere Gefahren ausgehen können. Bei Haustieren wie Hunden muss der Halter für alle Schäden einstehen, die das Tier durch typisch tierisches Verhalten verursacht. Beispiel: Ein Hund beißt einen Passanten – der Halter muss den Schaden ersetzen, auch wenn der Hund zuvor nie aggressiv war.
Gefährdungshaftung
Eine Form der Haftung, bei der jemand auch ohne eigenes Verschulden für Schäden haftet, die durch eine gefährliche Sache oder Tätigkeit entstehen. Sie ist in § 833 BGB für Tierhalter geregelt. Der Grund liegt darin, dass bestimmte Gefahrenquellen (wie Tiere) auch bei größter Sorgfalt nie vollständig beherrschbar sind. Der Halter profitiert von seinem Tier und muss daher auch die Risiken tragen. Ein klassisches Beispiel ist der Hundebiss ohne Vorwarnung bei einem zuvor friedlichen Tier.
Schmerzensgeld
Ein finanzieller Ausgleich für erlittene immaterielle Schäden wie körperliche und seelische Schmerzen, geregelt in § 253 BGB. Die Höhe richtet sich nach Art, Schwere und Dauer der Verletzungen sowie nach bleibenden Folgen wie Narben. Auch psychische Belastungen werden berücksichtigt. Bei der Bemessung orientieren sich Gerichte an vergleichbaren Fällen. Beispiel: Bei einem Hundebiss ins Gesicht mit bleibender Narbe wird häufig ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen als bei einem Biss in den Arm.
Mitverschulden
Eine rechtliche Bewertung nach § 254 BGB, bei der geprüft wird, ob das Opfer selbst zu seinem Schaden beigetragen hat. Dies kann die Höhe des Schadensersatzes mindern. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Geschädigten gegen die eigene Sorgfaltspflicht verstößt. Bei Hundebissen wird oft geprüft, ob sich das Opfer dem Tier in unangemessener Weise genähert hat. Beispiel: Wer einen fremden, knurrenden Hund streicheln will, kann ein Mitverschulden tragen.
Ausgleichsfunktion
Ein rechtliches Prinzip bei der Schadensersatzbemessung, wonach der Geschädigte wirtschaftlich so gestellt werden soll, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Dies ist in §§ 249 ff. BGB verankert. Bei Schmerzensgeld bedeutet dies, dass die erlittenen immateriellen Nachteile angemessen kompensiert werden sollen. Die Höhe orientiert sich dabei an der Schwere der Beeinträchtigung und vergleichbaren Fällen der Rechtsprechung.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 833 BGB (Tierhalterhaftung): Dieser Paragraph regelt die Haftung des Tierhalters für Schäden, die sein Tier verursacht. Grundsätzlich haftet der Halter verschuldensunabhängig, d.h. auch wenn ihn kein Verschulden trifft. Im vorliegenden Fall haftet der Beklagte für die durch seinen Hund verursachten Verletzungen der Klägerin, unabhängig davon, ob er den Biss hätte verhindern können. Die Tierhalterhaftung ist eine Gefährdungshaftung, die den Schutz von Personen, die durch Tiere geschädigt werden, gewährleisten soll.
- § 253 BGB (Schmerzensgeld): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Schmerzensgeld bei einer Körperverletzung. Schmerzensgeld ist eine Geldentschädigung für erlittene körperliche und seelische Schmerzen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin durch den Hundebiss körperliche und möglicherweise auch seelische Beeinträchtigungen erlitten. Das Gericht hat ihr daher ein Schmerzensgeld zugesprochen, um diese Beeinträchtigungen finanziell auszugleichen. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach der Schwere der Verletzung, den entstandenen Schmerzen und den Folgen für die Klägerin.
- § 249 BGB (Schadensersatz): Dieser Paragraph regelt den Anspruch auf Schadensersatz. Der Schadensersatz soll den Geschädigten so stellen, als wäre der Schaden nicht eingetreten. Im vorliegenden Fall umfasst der Schadensersatz die materiellen Schäden der Klägerin, wie z.B. die Kosten für die zahnärztliche Behandlung und die Fahrtkosten zu den Ärzten. Der Schadensersatzanspruch umfasst alle durch den Hundebiss entstandenen Kosten und Vermögenseinbußen.
- § 362 BGB (Erfüllung): Dieser Paragraph regelt das Erlöschen einer Schuld durch Erfüllung. Eine Schuld erlischt, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung erbringt. Im vorliegenden Fall hatte die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beklagten bereits einen Teil der Schäden der Klägerin beglichen. Das Gericht hat geprüft, ob die Zahlungen der Versicherung ausreichten, um die Ansprüche der Klägerin vollständig zu erfüllen.
- § 254 BGB (Mitverschulden): Dieser Paragraph regelt die Haftung bei Mitverschulden des Geschädigten. Verursacht der Geschädigte den Schaden mit, so verringert sich sein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Im vorliegenden Fall prüfte das Gericht, ob die Klägerin durch ihr Verhalten zum Hundebiss beigetragen hat. Das Landgericht verneinte ein Mitverschulden der Klägerin, da sie bei einem bekannten Hund ohne Auffälligkeiten davon ausgehen durfte, dass dieser nicht ohne Vorwarnung zubeißt.
Das vorliegende Urteil
LG Wiesbaden – Az.: 2 S 10/21 – Urteil vom 28.04.2022
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