Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 4 D 25/18 – Beschluss vom 06.08.2018
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 2. Februar 2018 – 5 K 2758/17 – aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht, damit dieses erneut über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe entscheiden kann.
I.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe in dem mit der Beschwerde angefochtenen Beschluss abgelehnt, weil die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe. Diese sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden sei. Zwar habe der Kläger innerhalb dieser Frist eine Klageschrift per Telefax übersandt. Diese sei aber nicht unterzeichnet, so dass es an dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung fehle. Umstände, die unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Schriftlichkeitserfordernisses eine Ausnahme vom Grundsatz der eigenhändigen Namensunterschrift begründen könnten, seien nicht erkennbar. Die Tatsache, dass der maschinenschriftliche Schriftsatz den Briefkopf des Klägers trage und sich unter dem Text eine maschinenschriftliche Wiedergabe seines Namens finde, genüge ebenso wenig wie der Umstand, dass sich anstelle der Unterschrift des Klägers der Zusatz „als Vorabsendung auch ohne Unterschrift rechtskräftig“ am Ende des Schriftsatzes befinde. Eine mit einer Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen zum Inverkehrbringen des Schriftstücks sei nicht gegeben. Es liege auch kein Fall vor, in welchem aufgrund der technischen Besonderheiten eine Abbildung der Unterschrift nicht möglich gewesen sei. In der Verwaltungsakte befinde sich ein vom Kläger per Telefax an den Beklagten übermitteltes Schreiben mit Unterschrift, so dass der Kläger grundsätzlich in der Lage gewesen sei, seine per Telefax übermittelten Schreiben mit einer Unterschrift zu versehen. Die Schriftform habe auch wegen des Ablaufs der Klagefrist nicht mehr durch die Übersendung des urschriftlichen, unterzeichneten Schreibens nachgeholt werden können; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht.
Der angefochtene Beschluss ist dem Kläger am 2. Februar 2018 durch persönliche Übergabe einer Abschrift bekanntgegeben worden.
Der Kläger hat mit einem an das Oberverwaltungsgericht gerichteten Schreiben vom 14. Februar 2018, das dort am selben Tag per Telefax eingegangen ist, Beschwerde eingelegt und vorgetragen, dass seine Schreiben „alle zu 100% digital erstellt und versandt“ würden. Hierfür nutze er eine „Clout (englische Schreibweise Cloud)“ und übertrage diese nach Fertigstellung direkt aus der „Clout“ heraus, ohne einen Ausdruck zu erstellen oder dieses Schreiben in der Hand zu halten. Die rein analoge (Papierform) Übersendung eines Ausdrucks erfolge mit der Post. Das per Telefax eingegangene Schreiben vom 14. Februar 2018 enthält keine Unterschrift, sondern nach der maschinenschriftlichen Nennung von Vor- und Familiennamen des Klägers u. a. den Zusatz „(Als Vorab Schreiben auch ohne Unterschrift gültig.)“. Am 21. Februar 2018 ist ein vom Kläger eigenhändig unterzeichnetes Schreiben vom 14. Februar 2018 auf dem Postweg eingegangen.
Das Oberverwaltungsgericht hat dem Verwaltungsgericht am 15. Februar 2018 mitgeteilt, dass der Kläger Beschwerde gegen die Nichtbewilligung von Prozesskostenhilfe eingelegt habe, den Schriftsatz des Klägers vom 14. Februar 2018 per Telefax übersandt und um Entscheidung nach § 148 VwGO sowie die Übersendung der Akten gebeten. Ob das Verwaltungsgericht eine Entscheidung nach § 148 Abs. 1 VwGO getroffen hat, ergibt sich aus der dem Senat vorgelegten Verfahrensakte nicht.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Verwaltungsgericht die abschließende Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe zu übertragen, weil dieses sich bisher weder mit der Bedürftigkeit des Klägers noch mit den Erfolgsaussichten der Klage in der Sache befasst hat (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 6. November 2013 – 3 D 55/13 -, juris Rn. 8 m. w. N.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14. Juli 2003, NVwZ-RR 2004, 230).
Das Verwaltungsgericht hat eine Entscheidung nach § 148 Abs. 1 VwGO nicht getroffen, obwohl es um eine solche mit der Anforderung der Akten durch das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich gebeten worden war. Die Entscheidung, dass der Beschwerde nicht abgeholfen wird, bedarf zwar keiner besonderen Form, sie ist aber zumindest in den Akten zu vermerken (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23. November 1962, NJW 1963, 554; Happ, in: Eyermann, § 148 VwGO, Rn. 8 [14. Aufl. 2014]; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, § 148 VwGO, Rn. 8 [Stand: Juni 2017]). Das ist vorliegend nicht der Fall. Ob allein in der Übersendung der Akten an das Oberverwaltungsgericht eine konkludente Entscheidung über die Nichtabhilfe gesehen werden kann (so W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, § 148 Rn. 4 [24. Aufl. 2018]), bedarf hier keiner Entscheidung. Die Beschwerdebegründung setzt sich zwar mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei kein Fall gegeben, in welchem aufgrund technischer Besonderheiten eine Abbildung der Unterschrift nicht möglich sei, substantiiert auseinander. Das Verwaltungsgericht hatte im Klageverfahren aber bereits darauf hingewiesen, dass es sich „augenscheinlich“ bei der vom Kläger per Fax versandten Klageschrift nicht um ein „Computerfax“ handle, und der Kläger hatte hierzu – wenn auch mit weniger technischen Details als in der Beschwerdeschrift – mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 Stellung genommen, so dass es sich jedenfalls nicht um vollständig neues Vorbringen gehandelt hat. Eine Nachholung der Entscheidung nach § 148 Abs. 1 VwGO durch das Verwaltungsgericht kommt vorliegend aber jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil der Beschluss des Verwaltungsgerichts rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben ist, so dass über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erneut entschieden werden muss.
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass die am 14. Februar 2018 per Telefax bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangene Beschwerdeschrift keine eigenhändige Unterschrift des Klägers erkennen lässt. Die Beschwerde ist gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwar bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerdefrist ist gemäß § 147 Abs. 2 VwGO auch dann gewahrt, wenn die Beschwerde – wie hier – innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
Das Schreiben des Klägers vom 14. Februar 2018 ist am selben Tag per Telefax und damit innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO bei dem Beschwerdegericht eingegangen. Der wirksamen Einlegung der Beschwerde durch dieses, keine eigenhändige Unterschrift des Klägers tragende Schreiben steht auch nicht das Erfordernis der Schriftlichkeit entgegen. Der Senat geht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe des Bundes davon aus, dass Verfahrensvorschriften nicht Selbstzweck sind Die Schriftlichkeit soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschl. v. 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 -, juris Rn. 10). Die Rechtsprechung verlangt zur Sicherstellung dieser prozessrechtlichen Anforderungen zwar grundsätzlich eine eigenhändige Unterschriftsleistung, hat aber hiervon bereits in erheblichem Umfang Ausnahmen zugelassen, wenn es aufgrund des gewählten Übermittlungswegs technisch nicht möglich war, den Schriftsatz eigenhändig zu unterzeichnen. Der Gemeinsame Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes hat für das sog. „Computerfax“ bereits entschieden, dass bei der Übermittlung von Schriftsätzen, die elektronisch erstellt und versandt werden, ohne dass ein körperliches Originalschriftstück vorhanden ist, eine eigenhändige Unterschrift nicht erforderlich ist, sondern der alleinige Zweck der Schriftform, die Rechtssicherheit und die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, auch in einem solchen Fall gewahrt werden kann. Für die eindeutige Bestimmung der Person des Erklärenden reicht danach in der Regel aus, wenn seine Unterschrift gescannt oder der Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (Beschl. v. 5. April 2000 a. a. O., Rn. 16).
Das ist vorliegend der Fall. Das Schreiben des Klägers, mit dem er Beschwerde gegen den dort bezeichneten Beschluss des Verwaltungsgerichts einlegt, endet mit einer maschinenschriftlichen Nennung des Vor- und Familiennamens des Klägers sowie dem Zusatz, dass dieses als „Vorab Schreiben auch ohne Unterschrift gültig“ sei. Der Kläger hat damit deutlich gemacht, dass er dieses Schriftstück „vorab“ und damit zur Fristwahrung auf einem Weg übermittelt hat, der eine eigenhändige Unterschrift nicht ermöglicht. Zweifel an dem Willen des Klägers, dieses Schreiben dem Beschwerdegericht zuzuleiten, bestehen offensichtlich nicht.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht darauf gestützt, dass die Klage nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden und daher unzulässig sei. Das innerhalb der noch offenen Frist per Telefax bei dem Verwaltungsgericht eingegangene Schreiben ist auch dann als wirksame Klageerhebung zu werten, wenn dieses keine eigenhändige Unterschrift des Klägers erkennen lässt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sind die Anforderungen an die Schriftform erfüllt, weil dem Schreiben der unmissverständliche Hinweis beigefügt war, dass dieses als „Vorabsendung“ auch ohne Unterschrift Geltung beanspruchte. Der Kläger, der ein eigenhändig unterschriebenes, gleichlautendes Schreiben auf dem Postweg nachgereicht hat, hat auch hinreichend deutlich dargelegt, dass er für die Klageerhebung einen Übermittlungsweg gewählt hat, der eine eigenhändige Unterschrift technisch nicht zulässt, weil der Versand per Telefax ohne vorherigen Ausdruck erfolgt ist (Computerfax). Soweit das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, dass der Kläger ausweislich eines bei den Verwaltungsakten befindlichen und per Telefax an den Beklagten übermittelten Schreibens, das eine eigenhändige Unterschrift erkennen lasse, grundsätzlich in der Lage sei, seine per Telefax übermittelten Schreiben mit einer Unterschrift zu versehen, kommt es hierauf nicht an. Abgesehen davon, dass sich in derselben Verwaltungsakte unzählige per Telefax übermittelte Schreiben des Klägers an den Beklagten befinden, die – wie Klage- und Beschwerdeschrift – keine eigenhändige Unterschrift erkennen lassen, ist es unerheblich, ob der Kläger, wenn er eine andere Übermittlungsart gewählt hätte (Ausdruck der Textdatei und Übermittlung des Ausdrucks per Telefax), die Klageschrift mit einer Unterschrift hätte versehen können, sondern ob dies im Hinblick auf die konkret vom Kläger gewählte Übermittlungsart (Computerfax) technisch möglich war. Dies ist erkennbar nicht der Fall. Der Senat vermag weder die Zweifel des Verwaltungsgerichts an der Urheberschaft des Klägers sowie seines Willens, die Klage mit dem per Computerfax übermittelten Schriftsatz zu erheben, nachzuvollziehen noch die im richterlichen Hinweis vom 23. November 2017 ohne jede Begründung geäußerte Rechtsauffassung, dass es sich bei der Vorabsendung der Klageschrift „augenscheinlich“ nicht um ein Computerfax handle. Anhaltspunkte dafür, dass es sich entgegen dem Vortrag des Klägers um eine herkömmliche Fernkopie handeln könnte, sind nicht ersichtlich.
Durfte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht im Hinblick auf die von ihm rechtsfehlerhaft angenommene Verfristung der Klage ablehnen, hat es erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) vorliegen. Im Hinblick auf die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag durch das Beschwerdegericht kommt dem Verwaltungsgericht ein Entscheidungsvorrang zu (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14. Juli 2003, NVwZ-RR 2004, 230 m. w. N.).
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden (§ 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).