Amtsgericht Wiesbaden
Az: 91 C 2932/12
Urteil vom 03.02.2014
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 334,22 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.01.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird nach § 313 a ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 334,22 EUR aus dem Verkehrsunfallereignis vom 23.12.2011 der durch den Fahrer mit dem Fahrzeug, das bei der Beklagten zum Unfallzeitpunkt haftpflichtversichert war, unstreitig allein verursacht und verschuldet wurde. Die Haftung der Beklagten ist unstreitig, sodass diese nach den §§ 7 StVG, 249 ff. BGB, 115 PflVG verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis entstandenen Schäden zu erstatten.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann vom Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB auch den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten durfte.
Dies bedeutet, dass der Geschädigte von mehreren, auf dem örtlichen Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis verlangen kann (BGH Versicherungsrecht 208, 699, 1706 m.w.N.). Zur Bestimmung dieses „Normaltarifs“ ist dem Tatrichter gemäß § 287 ZPO freigestellt, diesen auf der Grundlage von geeigneten Listen und Tabellen zu schätzen (BGH vom 02.02.2010, Az. VI ZR 7/09). Das Gericht schätzt den ortsüblichen Normaltarif im vorliegenden Fall unter Aufgabe der bisherigen Rechtssprechung gemäß § 287 ZPO anhand des arithmetischen Mittels der sich aus dem Schwackemietpreisspiegel für das Jahr 2011 sowie dem Mietpreisspiegel des Fraunhoferinstituts für das Jahr 2011 im maßgeblichen Postleitzahlengebiet ergebenden Normaltarife.
Der bisher für die Schätzung nach § 287 herangezogene Mietpreisspiegel von Schwacke konnte im vorliegenden Fall nicht als maßgebend angesehen werden, da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts festgestellt werden konnte, dass die für das maßgebliche Postleitzahlengebiet sich aus dem Schwacke-Mietpreisspiegel ergebenden Mietpreise nicht den ortsüblichen und angemessenen Mietpreisen im Sinne des Normaltarifes entsprechen. Das hierzu durch den Sachverständigen B. eingeholte Sachverständigengutachten kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass im Rahmen einer Befragung der örtlichen Mietwagenunternehmung die Mietwagenpreise deutlich unterhalb deren sich aus dem Schwacke-Mietpreisspiegel ergebenden Mittelwerten liegen. Die Differenzen sind so erheblich, dass auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die telefonische Befragung, die vom Sachverständigen B. zu Ermittlung des Mietpreises vorgenommen wurden, nicht zwangsläufig die Gewähr bieten, dass dieser Mietpreis zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich hätte erzielt werden können. Es kann insoweit dahinstehen, ob die telefonische Befragung durch den Sachverständigen mit den von ihm angegebenen Eckwerten geeignet ist, den Normaltarif zum Unfallzeitpunkt positiv festzustellen. Jedenfalls sind die Feststellungen des Sachverständigen in seinem Sachverständigengutachten geeignet, die sich aus dem Schwacke-Mietpreisspiegel ergebenden Preise bezüglich des konkreten Schadenfalles derart in Frage zu stellen, dass eine Schätzung allein auf deren Grundlage für das Gericht nicht in Betracht gezogen werden konnte. So hat der Sachverständige bei seiner Befragung kein einziges Mietwagenunternehmen angetroffen, dass Preise annähernd in der Höhe verlangt hätte, wie sie dem Kläger im Rahmen des streitgegenständlichen Unfallereignisses in Rechnung gestellt wurden. Insoweit scheint es dem Gericht unmaßgeblich, ob hier eine feste Mietwagendauer, freie Kilometer sowie die Frage der Vollkaskoversicherung im Einzelnen diskutiert wurden. Selbst unter Berücksichtigung lediglich des Grundtarifes sind die vom Sachverständigen B. festgestellten Preise mit denen des Schwacke-Mietpreisspiegels nicht in Einklang zu bringen. Hinzu kommt, dass der Sachverständige lediglich die Preise zum jetzigen Zeitpunkt feststellen konnte. Anhaltspunkte dafür, dass die Preise zum Unfallzeitpunkt Ende Dezember 2011 erheblich höher gewesen sein mussten, sind für das Gericht nicht ersichtlich.
Allerdings bestehen seitens des Gerichts auch nicht unerhebliche Vorbehalte gegenüber den sich aus der Fraunhoferliste ergebenden Mietwagenkosten. Es wird insoweit auf die in Literatur und Rechtssprechung umfassend diskutierten Bedenken bezüglich der Erhebungsmethoden und der Einordnung der durch das Fraunhoferinstitut ermittelten Werte Bezug genommen. Auch die Fraunhoferliste bietet für das Gericht angesichts dieser umfassenden Kritik keine Gewähr dafür, dass sie den ortsüblichen Normaltarif tatsächlich abbildet und daher als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO geeignet ist.
Das Gericht schließt sich daher zur Bestimmung des ortsüblichen Normaltarifs im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO der zuletzt durch das OLG Köln in der Entscheidung vom 01.08.2013, (zitiert nach juris, Az.: I-15u9/12) vertretenen Auffassung an und nimmt die Schätzung auf der Grundlage des arithmetischen Mittels der Schwacke-Liste und der Fraunhoferliste vor. Das Gericht geht insoweit davon aus, dass das arithmetische Mittel dieser beiden Listen am ehesten geeignet ist, den ortsüblichen Normaltarif verlässlich und entsprechend der tatsächlichen Preise zum Anmietzeitpunkt abzubilden. Der Bundesgerichtshof sieht beide Listen als geeignete Schätzgrundlagen nach § 287 ZPO an. Im Hinblick auf die gegenüber beiden Listen bestehenden konkreten und abstrakten Bedenken erscheint die Bildung des Mittelwertes von beiden jeweils durch Erhebungen ermittelten Listen als am ehesten geeignet, sich dem tatsächlichen Normaltarif zum Unfallzeitpunkt anzunähern.
Das Gericht hat die konkrete Berechnung anhand der vom OLG Köln in der Entscheidung vom 01.08.2013 näher dargelegten Parameter vorgenommen. Danach ergibt sich für das Postleitzahlengebiet am Anmietort des Fahrzeuges zum Anmietzeitpunkt nach der für das Jahr 2011 geltenden Schwacke-Liste für eine Reparaturdauer von 10 Tagen im arithmetischen Mittel ein Grundmietpreis in Höhe von 1.136,83 EUR. Dieser wird abweichend von der Berechnung durch die Klägerseite auf der Grundlage des für eine Woche maßgeblichen Tarifs für 10 Tage berechnet. Abgezogen hiervon hat das Gericht unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs auf der Grundlage des Vortrags der Klägerseite 10 %, sodass sich ein Grundpreis nach der Schwacke-Liste in Höhe von 1.023,15 EUR ergibt. Dem gegenüber ergibt sich nach der Liste des Fraunhoferinstitut für Jahr 2011 für das maßgebliche Postleitzahlengebiet für die Klasse 5 ein Mietpreis von 364,77 EUR, der sich aus der zehntätigen Berechnung auf der Grundlage des Wochentarifes von 255,34 EUR ergibt. Auch hiervon sind 10 % abzuziehen, sodass sich nach dem Fraunhoferinstitut der Grundpreis auf 328,94 EUR beläuft.
Zuzurechnen sind auf der Grundlage der Rechtssprechung des OLG Köln, der sich das Gericht im vollen Umfang anschließt, die tatsächlich für den Kläger im konkreten Fall angefallenen Zusatzkosten. Diese Leistungen wie Winterreifen, Haftungsreduzierung und Zustellung mit Abholung des Ersatzfahrzeuges sind dem arithmetischen Mittel aus den Tabellen aus Fraunhofer und Schwacke zuzuschlagen, da diese Leistungen in den Grundtarifen bei den Erhebungen nicht enthalten sind. Im Rahmen einer Schätzung sind insoweit, da in der Fraunhofer Liste entsprechende Angaben nicht vorhanden sind, die Werte nach der Schwacke-Liste heranzuziehen. Soweit allerdings, wie im vorliegenden Fall, sich aus dem konkreten Mietvertrag die tatsächlichen Kosten für die betreffenden Nebenleistungen ergeben und diese niedriger sind als die sich aus der Schwacke-Liste ergebenden Werte, sind die tatsächlich angefallenen Kosten maßgeblich. Das Gericht schließt sich auch insoweit der Auffassung des OLG Köln in der Entscheidung vom 01.08.2013 an. Die im Einzelnen abgerechneten Nebenleistungen unterfallen nicht den Kriterien, die zur Bildung des Normaltarifes führten und diesen mitbestimmen. Vielmehr handelt es sich um gesondert in Rechnung gestellte Leistungen, die auch für den Fall, dass sie tatsächlich in Anspruch genommen werden, abgerechnet werden. Es besteht daher keine Veranlassung abstrakte Kosten zu berechnen, wenn die tatsächlich dem Geschädigten in diesem Fall angefallenen Kosten festgestellt werden können und diese unterhalb der Schätzgrundlage liegen. In diesem Fall besteht kein Raum für eine Schätzung der tatsächlich angefallenen Kosten. Diese können vielmehr konkret beziffert werden.
Dem Kläger waren daher vorliegend die Kosten für die Haftungsbefreiung in Höhe von 181,09 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer zu erstatten, da dieser Betrag unter dem sich aus dem Schwackemietpreisspiegel ergebenden Betrag für eine Haftungsbefreiung bei der Schadensklasse 5, der im arithmetischen Mittel mit 235,50 EUR angegeben ist, liegt. Der Geschädigte hat einen Anspruch auf Erstattung der durch den Vollkaskoschutz mit Haftungsreduzierung entstandenen Zusatzkosten, da dem Geschädigten nicht zugemutet werden kann, dass erhöhte wirtschaftliche Risiko einer Vollkaskoversicherung mit Selbstbeteiligung im Rahmen der Schadensabwicklung zu tragen. Auch die Zustell- und Abholkosten sind entsprechend der Berechnung in der den Kläger gestellten Mietwagenkostenrechnung mit jeweils 19,33 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer erstattungsfähig. Hieraus ergeben sich Nebenkosten in Höhe von 261,50 EUR, die den jeweiligen Grundpreisen hinzuzurechnen sind. Mithin ergibt sich auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels ein Mietwagen-Normaltarif in Höhe von 1.284,65 EUR, während sich nach der Fraunhoferliste ein Betrag in Höhe von 589,79 EUR ergibt. Das arithmetische Mittel beider Beträge liegt bei 937,22 EUR. Von diesem Betrag sind die durch die Beklagte bereits beglichenen 603,00 EUR abzuziehen, sodass sich für den Kläger ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 334,22 EUR ergibt. Insoweit ist die Klage begründet. Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger dagegen aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, sodass die Klage insoweit als unbegründet abzuweisen war.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.