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Schweißarbeiten – Anscheinsbeweis für Ursächlichkeit eines Brandes?

OLG Frankfurt

Az: 19 U 120/05

Urteil vom 05.04.2006


Gründe:

I.
Die Klägerin ist die Brandversicherung der Firma A-GmbH. Diese betreibt in O1 eine Papiersortieranlage, in welcher es am Abend des …08.2000 zu einem Brand kam. Die Klägerin zahlte an die A-GmbH auf den Gebäudeschaden 781.994,07 EUR sowie wegen des Schadens an der vernichteten Papiersortieranlage und der kaufmännischen Betriebseinrichtung 960.090,08 EUR. Wegen dieser Leistungen verlangt sie von der Beklagten Schadensersatz.

Die Beklagte war von der Firma A-GmbH mit der Durchführung umfassender Aus- und Umbauarbeiten in der Papiersortieranlage beauftragt. Am …08.2000 führten mehrere Mitarbeiter der Beklagten bis …:30 Uhr Schweiß-, Schleif- und Trennarbeiten im Bereich Stahlbau vom Ballistik-Separator oben (Arbeitsbereich 3 der Skizze Bl. 209 d.A.) durch. Eine Brandwache stellten die Mitarbeiter der Beklagten beim Verlassen der Halle nicht auf. Jedenfalls bis zum späten Nachmittag des …08.2000 erledigte auch der Mitarbeiter der Firma A-GmbH B Schweiß-, Schleif- und Trennarbeiten in der Halle an der abmontierten Ballenrutsche. Um ..:51 Uhr meldete der Brandmelder in der Halle den Ausbruch eines Brandes. Die um …:14 Uhr eintreffende Feuerwehr konnte das Entstehen eines erheblichen Brandschadens nicht mehr verhindern. Die Papiersortieranlage zeigte im oberen Bereich umfassende thermische Einwirkungen und Verfärbungen. Die drei Sortierbunker waren massiv thermisch geschädigt, die Förderbänder waren verbrannt, die Bleche verformt; oberhalb der Sortierbunker war die Sortieranlage einschließlich Elektrik und Einhausung vollständig ausgebrannt; die beiden mittleren Förderbänder oberhalb der Ballenpresse waren massiv geschädigt.

Die Klägerin hat behauptet, als Brandauslöser kämen nur die Arbeiten der Beklagten im Arbeitsbereich 3 in Betracht. Heiße Partikel, die im Bereich der Sortierkabine im Südwest-Eck zu Boden gefallen seien, hätten dort einen Schwel- bzw. Glimmbrand ausgelöst, der nach einigen Stunden zum Vollbrand geführt habe. Das ergebe sich aus dem Bericht des Sachverständigen S1 vom 23.07.2002 (Bl. 18 ff. d.A.), dessen tatsächliche Feststellungen und Schlussfolgerungen richtig seien. In diesem Bericht geht der Sachverständige S1 davon aus, dass der Brand in oder nahe der Südwest-Ecke der Sortierkabine seinen Ausgang genommen habe, weil hier die Brandspuren bzw. thermischen Einwirkungen am ausgeprägtesten seien (Bl. 19 oben). Da der Arbeitsbereich 1, in welchem der Mitarbeiter der A-GmbH B tätig war, horizontal ca. 10 m vom Brandausbruchsort entfernt sei und ca. 4 m tiefer liege, Herr B die Flexarbeiten auch in die andere Richtung ausgeführt habe, könnten dessen Arbeiten als Brandursache ausgeschlossen werden. Hingegen liege der Arbeitsbereich 3 „Ballistik-Separator oben“ direkt neben der Brandausbruchsstelle, d.h. vertikal auf gleicher Höhe und horizontal etwa 2 – 3 m entfernt. Deshalb müssten die Arbeiten der Beklagten für die Entstehung des Brandes ursächlich sein. Der von der Kriminalpolizei erwogenen Entstehung des Brandes durch eine Zigarettenkippe könne nicht gefolgt werden.

Die Beklagte habe keine Brandschutzmaßnahmen entsprechend den Vorschriften der Berufsgenossenschaft nach VBG 15 getroffen. Deshalb bestehe eine Vermutung für die Verursachung des Brandes durch die Beklagte. Der Mitarbeiter der A-GmbH B habe seine Arbeiten um …:30 Uhr beendet. Er habe an der demontierten und 10 m von der Sortieranlage entfernt auf einem Holzbock gelagerten Ballenrutsche so gearbeitet, dass Funken nicht in Richtung der Papiersortieranlage hätten fliegen können.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.742.083,75 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 11.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte und ihr Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben bestritten, dass der Brand durch Arbeiten der Beklagten verursacht worden sei. Neben einer Verursachung des Brandes durch die Mitarbeiter der Beklagten käme eine Verursachung durch die Arbeiten des Mitarbeiters der Firma A-GmbH, der Firma C, eine weggeworfene Zigarettenkippe oder auch durch einen Defekt an Schaltschränken oder elektrischen Leitungen in Betracht.

Insbesondere durch die Arbeiten des Mitarbeiters der Firma A-GmbH habe der Brand verursacht worden sein können. Denn die Ballenrutsche, an welcher Herr B Schweiß-, Trenn- und Flexarbeiten ausgeführt habe, habe sich in unmittelbarer Nähe zur Sortieranlage (allenfalls 5 m entfernt) befunden; bei dessen Arbeiten sei Funkenflug auch in Richtung der Sortieranlage entstanden. Herr B habe eine Schweißnaht über 4 Seiten der Ballenrutsche gelegt. Deshalb habe er notwendigerweise die Flexarbeiten so ausführen müssen, dass Funken auch in Richtung der Sortieranlage flogen, wo später das Feuer ausgebrochen sei. Herr B sei mit diesen Arbeiten bis …:00 Uhr beschäftigt gewesen.

Die Mitarbeiter der Beklagten hätten in ihrem Arbeitsbereich zwei Feuerwehrschläuche angeschlossen und mit diesen nach Beendigung der Arbeiten die Arbeitsbereiche unter Wasser gesetzt und kontrolliert. Schon deshalb sei eine Verursachung des Brandes durch Arbeiten der Beklagten ausgeschlossen. Die Arbeiten der Beklagten könnten auch deshalb nicht ursächlich für den Brand sein, weil dieser erst kurz vor …:00 Uhr und somit etwa 5 Stunden nach Beendigung der Arbeiten durch die Beklagten entstanden sei.

Zur Aufstellung einer Brandwache sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen. In der für die von ihrer Seite aus zu treffenden Brandschutzmaßnahmen maßgeblichen schriftlichen Schweißerlaubnis vom 14.08.2000 (Bl. 52 d.A.) finde sich nämlich keine Anweisung, eine Brandwache zu stellen. Auch sei nach Abschluss aller Arbeiten regelmäßig ein Mitarbeiter der Firma A-GmbH in der Halle geblieben, um Kontrollen durchzuführen. So sei es auch am Abend des …08.2000 gewesen. Da Herr D von der A-GmbH (unstreitig) am Abend des …08.2000 zwischen …:30 Uhr und 22:00 Uhr Kontrollen ausführte, ohne Hinweise auf einen Brand erkennen zu können, hätte auch eine Brandwache der Beklagten, die spätestens um 22:00 Uhr hätte abgezogen werden können, den Ausbruch des Brandes nicht verhindert. Demgemäss fehle es an einem Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehlen einer Brandwache der Beklagten und dem Brandschaden. Da sich die Beklagte darauf habe verlassen können, dass die A-GmbH eine Brandwache stellt, treffe die A-GmbH jedenfalls ein Mitverschulden von mindestens 50 %.

Der Streithelfer der Beklagten hat zusätzlich behauptet, dass am Brandtag Schweißarbeiten auch noch von den Firmen E, F und C ausgeführt worden seien, die ebenfalls als Schadensursache in Betracht kämen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn S1 als Zeuge sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen S2 vom 12.08.2004 (Bl. 202 ff.) und 21.12.2004 (Bl. 275 ff.) sowie auf dessen mündliche Erläuterungen im Termin vom 20.04.2005 (Bl. 326 ff.) sowie auf das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen S1 (Bl. 329 – 330 d.A.) Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage durch am 13.05.2005 verkündetes Urteil abgewiesen (Bl. 232 – 238 d.A.). Die Klägerin hat gegen das ihr am 23.05.2005 zugestellte Urteil am 13.06.2005 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 25.08.2005 am 08.08.2005 begründet (Bl. 348, 355 d.A.).

Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin, dass die Feststellung des Landgerichts, dass andere Brandursachen als die Arbeiten der Beklagten in Betracht kämen, unzutreffend sei. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft, weil sie sich nicht mit den vom Kläger vorgelegten Privatgutachten des sachverständigen Zeugen S1 auseinander setze. Das Landgericht habe auch nicht kritisch gewürdigt, dass der Sachverständige S2 mangels tatsächlicher Feststellungen nur theoretische Mutmaßungen habe anstellen können, der sachverständige Zeuge S1 hingegen den Brandort am … und …08.2000 genau inspiziert habe. Ferner habe das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung nicht berücksichtigt, dass der Sachverständige S2 nur für die Gebiete Starkstromtechnik und -maschinen sowie Brandentstehungsursachen (Elektrizität) qualifiziert sei, gleichwohl aber Mutmaßungen über alternative Brandursachen angestellt habe, für die er nicht qualifiziert sei. Die Angaben des Sachverständigen S2 bei seiner Anhörung im Termin am 29.04.2005 seien unzutreffend. Das ergebe sich aus der schriftlichen Stellungnahme des sachverständigen Zeugen B vom 21.07.2005 (Bl. 360 ff.), wonach andere Brandursachen als die Arbeiten der Beklagten ausschieden. Fehlerhaft habe das Landgericht schließlich auch nicht den von der Klägerin angetretenen Beweis erhoben, dass nach den Verhältnissen, die der sachverständige Zeuge S1 bei der Besichtigung des Brandortes habe feststellen können, allein die Heißarbeiten der Beklagten als Brandursache in Betracht kämen, dass die von S1 angegebenen tatsächlichen Verhältnisse am Brandort zutreffend seien (Beweis: Zeugnis S1), und dass die Flexarbeiten des Herrn B nicht als Brandursache in Betracht kämen (Beweis: Zeugnis B). Die Beklagte habe nicht nur die Pflicht zur Stellung einer Brandwache während mindestens 6 Stunden nach Arbeitsende, sondern zahlreiche weitere Pflichten zur Vermeidung einer Brandgefahr wie im Schriftsatz vom 13.12.2005 dargelegt verletzt.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte gemäß dem Antrag aus der Klageschrift zu verurteilen.

Die Beklagte und ihr Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Sie machen geltend, dass die erstmals mit der Berufung erhobene Rüge, dass der Sachverständige S2 nicht hinreichend qualifiziert sei, unzulässig sei. Auch könne die neue Stellungnahme des sachverständigen Zeugen S1 vom 21.07.2005 nicht mehr berücksichtigt werden; diese enthalte neue Tatsachen, die zu bestreiten seien (insbesondere dass Schaltschränke nur auf der Rückseite der Sortieranlage gestanden hätten und dort ein Brand nicht stattgefunden habe). Der Sachverständige S2 sei für die Beantwortung aller entscheidungserheblichen Fragen hinreichend qualifiziert. Das Landgericht habe sich bei seiner Beweiswürdigung mit den Stellungnahmen S1 auch ausreichend auseinandergesetzt, da diese schließlich Teil der Klagebegründung gewesen seien und zum Gutachten S2 geführt hätten. Soweit S1 als Zeuge zu Tatsachen benannt worden sei, sei er vernommen worden. Die Vernehmung des Zeugen B sei entbehrlich gewesen, weil das Landgericht zu Gunsten der Klägerin unterstellt habe, dass dieser bei seinen Arbeiten umsichtig vorgegangen sei.

Der Senat hat die Akten des Rechtsstreits 2/12 O 106/03 Landgericht Frankfurt (19 U 247/03 Oberlandesgericht Frankfurt) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht sowie ergänzend Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen S2. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.03.2006 (Bl. 445 – 447 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein auf sie gemäß § 67 VVG übergegangener vertraglicher oder deliktischer Schadensersatzanspruch der Firma A-GmbH wegen des Brandschadens vom …08.2000 nicht zu. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Brand auf den von der Beklagten ausgeführten Heißarbeiten beruht.

Bei der Feststellung der Ursache für den Brand am …08.2000 greift ein Anscheinsbeweis zu Gunsten der Klägerin nicht ein. Für den ursächlichen Zusammenhang der Schweißarbeiten der Beklagten für den Ausbruch des Brandes spricht der Beweis des ersten Anscheins, wenn eine der Brandverhütung dienende Unfallverhütungsvorschrift verletzt worden und der Brand in einem engen Zusammenhang mit den Schweißarbeiten entstanden ist (BGH VersR 1991, 460 – 462; NJW-RR 1993, 1117,1118; VersR 1984, 63, 64; VersR 1974, 750, 751). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Allerdings hat die Beklagte nach Abschluss der Arbeiten am …08.2000 eine Brandwache nicht gestellt. Damit hat sie gegen Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft verstoßen. Diese konkretisieren den jeweiligen Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik; sie können zur Ausfüllung der Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und stellen im allgemeinen brauchbare Maßstäbe für die zu fordernde Sorgfalt dar (BGH NJW-RR 1991, 1240, 1241). Gemäß § 30 Abschnitt 6 der BGV D1 – Unfallverhütungsvorschrift für Schweißen, Schneiden und verwandte Verfahren – hat der Unternehmer „dafür zu sorgen, dass auch im Anschluss an die vorgenannten Schweißarbeiten der brandgefährdete Bereich und seine Umgebung wiederholt kontrolliert werden“. In den Durchführungsanweisungen zur Unfallverhütungsvorschrift heißt es hierzu: „Die Vorschrift ist z.B. erfüllt, wenn sofort nach Beendigung der Schweißarbeiten für die folgenden Stunden eine regelmäßige Kontrolle der Arbeitsstelle und ihrer Umgebung auf Glimmnester, verdächtige Erwärmung und Rauchentwicklung erfolgt“. Eine entsprechende Verpflichtung sieht die „BGI 560 Arbeitssicherheit durch vorbeugenden Brandschutz“ vor. Danach war die Beklagte sowohl nach der vertraglich zu beachtenden Sorgfalt als auch nach ihren deliktischen Verkehrssicherungspflichten verpflichtet, in den Stunden nach Abschluss der Arbeiten am …08.2000 eine Brandwache zu stellen. Diese Verpflichtung wurde von der Beklagten verletzt. Der Umstand, dass die ihr erteilte Schweißerlaubnis nicht ausdrücklich eine Brandwache vorsah, entlastet die Beklagte nicht. In der schriftlichen Erlaubnis vom 14.08.2000 heißt es ganz allgemein, dass die Beklagte „die vorbeugenden Brandschutzmaßnahmen einzuhalten (z.B. Eimer Wasser, Feuerlöscher bereitstellen, Gefahrenbereich besonders absperren und ausflaggen)“ hat. Danach hatte die Beklagte neben den beispielhaft aufgezählten Maßnahmen auch im übrigen den erforderlichen vorbeugenden Brandschutz sicherzustellen. Die tatsächliche Handhabung, dass die A-GmbH nach Arbeitsschluss in der Halle Kontrollgänge durch einen ihrer Mitarbeiter vornehmen ließ, mindert die Anforderungen an die von der Beklagten zu beachtende Sorgfalt bei der Vermeidung von Brandgefahren nicht. Eine ausdrückliche Absprache mit der A-GmbH, dass die Brandwache von jener zu stellen sei, behauptet die Beklagte selbst nicht.

Die fehlende Brandwache ist vorliegend jedoch für die Brandentstehung nicht ursächlich geworden. Eine von der Beklagten gestellte Brandwache hätte die Brandentstehung oder einen der Brandentstehung voran gehenden Glimm- oder Schwelbrand nicht wahrnehmen können. Dieser Umstand ergibt sich maßgeblich daraus, dass die Beklagte eine Brandwache nach Beendigung der Arbeiten um …:30 Uhr für die Dauer von nicht mehr als 3 1/2 Stunden, also bis …:00 Uhr, hätte stellen müssen, der Brandmelder jedoch erst nahezu 2 Stunden später den Ausbruch eines Brandes meldete.

Den Zeitraum, für den nach Abschluss der Arbeiten eine Brandwache zu stellen war, hat der Sachverständige S2 überzeugend mit 3 1/2 Stunden angegeben. Der Sachverständige hat seine Zeitangabe nachvollziehbar mit der Größe, Konstruktionsweise und Einrichtung der Halle begründet und die Forderung einer Kontrollzeit von 6 Stunden als Richtwert, wie sie in der Fachliteratur von Weikert/Röbenack erhoben wird, ausdrücklich als zu undifferenziert abgelehnt. Der Sachverständige S2 hat seine Zeitangabe für die Brandwache ergänzend und nachvollziehbar ferner damit begründet, dass es sich bei Brandsausbrüchen, die später als 3 1/2 Stunden nach Arbeitsende erfolgen, um statistische Ausreißer handele. Diese Aussage steht nicht in erkennbarem Widerspruch zu der von der Klägerin vorgelegten Tabelle über die Zeit bis zum Brandausbruch nach Abschluss von Schweiß-, Schneid- und verwandten Arbeiten aus der Veröffentlichung von Weikert/Röbenack. Danach soll im Bereich Industrie, Bauwesen und Gesundheitswesen die Zeit bis zum Brandausbruch bei 77 % bis zu 2 Stunden und bei weiteren 21 % von mehr als 2 bis zu 6 Stunden betragen. Bei dieser Tabelle handelt es sich um eine Zusammenfassung von verschiedenen Bereichen ohne Rücksicht auf deren Bauweise, Konstruktion und Ausstattung. Der Senat folgt deshalb den Angaben des Sachverständigen S2, der zur Erläuterung seiner Auffassung darauf hingewiesen hat, dass es hier um Schweißarbeiten in einer „besenreinen“ Stahlkonstruktionshalle ging, in der sogenannte I-Melder als Brandmelder eingebaut waren.

Gegen die Sachkunde des Sachverständigen S2 bestehen keine Bedenken. Der Sachverständige ist von der Industrie- und Handelskammer Frankfurt/Main als öffentlich vereidigter Sachverständiger für die Sachgebiete „Starkstromtechnik und -maschinen, Brandentstehungsursachen (Elektrizität)“ bestellt worden und hat durch jahrelange Tätigkeit als Sachverständiger bei der Ermittlung von Brandursachen auch außerhalb des Bereichs Starkstromtechnik und Elektrizität umfangreiche Erfahrungen und Kenntnisse erworben, dies nicht zuletzt in der G GmbH (G), auf deren Untersuchungsbericht die Klage bezug nimmt. Für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens besteht deshalb kein Anlass.

Danach ist davon auszugehen, dass sich die Verpflichtung der Beklagten zur Stellung einer Brandwache auf die Zeit von 3 1/2 Stunden, somit auf die Zeit bis 21:00 Uhr beschränkte. Die Annahme, dass eine Brandwache bis 21:00 Uhr einen Glimm- oder Schwelbrand wahrgenommen hätte, liegt deshalb fern, weil der auf Rauchentwicklung reagierende I-Melder als Brandmelder einer menschlichen Brandwache weit überlegen ist, wie der Sachverständige ausführte, dieser Brandmelder aber erst um ..:51 Uhr Alarm schlug. Gegen die Wahrnehmung eines Glimm- oder Schwelbrandes durch eine Brandwache bis …:00 Uhr spricht ferner die Tatsache, dass Herr D – ein Mitarbeiter der A-GmbH – gegen …:30 Uhr einen Kontrollgang in der Halle unternahm, ohne einen Glimm- oder Schwelbrand festzustellen. Hätte aber die von der Beklagten zu stellende Brandwache einen Glimm- oder Schwelbrand nicht bemerkt, wurde die Verletzung der Verpflichtung zur Stellung der Brandwache für den später eingetretenen Brandschaden nicht ursächlich.

Nichts anderes gilt für die von der Klägerin behaupteten Verstöße der Beklagten gegen Unfallverhütungsvorschriften hinsichtlich der erforderlichen Maßnahmen vor Beginn und während der Schweißarbeiten. Da es zu dem Brand nicht während der Schweißarbeiten, sondern erst später als 5 Stunden nach deren Abschluss kam, ist nicht ersichtlich, dass der – hier unterstellten – Missachtung von Sorgfaltspflichten vor und während der Schweißarbeiten neben der Verpflichtung zur Stellung einer Brandwache eine gefahrerhöhende und damit selbständige Bedeutung zukommt. Das gilt insbesondere für das Erfassen der Gefährdungszone vor Beginn der Schweißarbeiten und die Kontrolle der Schweißgefährdungszone auf Brandnester unmittelbar nach Abschluss der Arbeiten. Danach beruht das Brandereignis vom …08.2000 nicht auf der Verletzung einer der Brandverhütung dienenden Unfallverhütungsvorschrift durch die Beklagte. Schon deshalb greift der Anscheinsbeweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Schweißarbeiten der Beklagten und dem Ausbruch des Brandes nicht ein.

Die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises liegen auch deshalb nicht vor, weil es an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Schweiß-, Schneid- und Trennarbeiten einerseits und dem Entstehen des (Voll-) Brandes andererseits fehlt. Der Sachverständige S2 hat zwar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass um …:30 Uhr abgeschlossene Schweißarbeiten zu einem Glimm- oder Schwelbrand geführt haben, und dass sich daraus der kurz vor …:00 Uhr gemeldete Brand entwickelt hat. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Hergangs hat er aber als außerordentlich gering bezeichnet. Nach Angaben des Sachverständigen müsste es sich bei einem länger als 3 bis 3 1/2 Stunden nach Arbeitsende erkennbaren Schwelbrand um einen statistischen Ausreißer handeln. Ein Anscheinsbeweis setzt jedoch einen regelmäßig wiederkehrenden Vorgang voraus, für den eine Verkettung von Ursache und Wirkung typisch ist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Verkettung bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist. Sie muss aber so häufig vorkommen, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH VersR 1991, 460, 462). Davon kann jedoch nicht die Rede sein, wenn die Wahrscheinlichkeit für eine Brandverursachung wegen des großen zeitlichen Abstandes der Schweißarbeiten bis zum Ausbruch des Brandes als außerordentlich gering anzusehen ist.

Ein Anscheinsbeweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Schweißarbeiten der Beklagten und dem Ausbruch des Brandes greift zugunsten der Klägerin selbst dann nicht ein, wenn man dessen Voraussetzungen – für sich betrachtet – bejaht; denn die Beklagte hat Umstände dargelegt und bewiesen, dass die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Kausalverlaufs besteht. Diese ernsthaft in Betracht zu ziehende Möglichkeit besteht in der Verursachung des Brandes durch die Schweiß-, Schleif- und Trennarbeiten, die der Mitarbeiter der Firma A-GmbH B am …08.2000 bis jedenfalls …:30 Uhr in der Halle an der abmontierten Ballenrutsche ausführte. Da die ernsthafte Möglichkeit einer Brandverursachung durch den Mitarbeiter der Firma A-GmbH als Hilfsüberlegung nur dann relevant ist, wenn man einen Anscheinsbeweis für die Ursächlichkeit der Arbeiten der Beklagten und somit auch einen engen zeitlichen Zusammenhang deren Arbeiten mit der Brandentstehung voraussetzt, muss dementsprechend auch ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Arbeiten des Mitarbeiters der A-GmbH, die nach Behauptung der Klägerin um …:30 Uhr beendet wurden, und der Brandentstehung bejaht werden. Jedenfalls ist mit Rücksicht auf den Zeitraum zwischen der Beendigung dieser Arbeiten und dem Brandausbruch die ernsthafte Möglichkeit einer Brandverursachung durch die Arbeiten des Mitarbeiters der Firma A-GmbH zu bejahen. Auch hinsichtlich des räumlichen Zusammenhanges zwischen dem Ort, an welchem der Mitarbeiter der A-GmbH B Schweiß-, Schneid- und Schleifarbeiten ausführte, und dem Ort des Brandausbruchs ist die ernsthafte Möglichkeit einer Brandverursachung durch die Arbeiten der Firma A-GmbH zu bejahen. Der (Voll-) Brand entstand in dem Hallenbereich, in welchem sich die Papiersortieranlage befand. Der Arbeitsbereich des Mitarbeiters der A-GmbH B befand sich hiervon allenfalls 10 m entfernt. Der Gefahrenbereich, der sich aus der Spritzweite von Schweißperlen ergibt, beträgt nach Angaben des Sachverständigen S2 10 m. Dieser Gefahrenbereich reduzierte sich nicht dadurch, dass Herr B, wie die Klägerin behauptet, darauf bedacht war, so zu arbeiten, dass bei seinen Schweiß- und Flexarbeiten die Partikel in Richtung Wand bzw. Nordwest-Eck und nicht in Richtung Sortieranlage geflogen sind. Denn nach den überzeugenden Angaben des Sachverständigen S2 hätte nur eine – hier nicht zur Anwendung gekommene – Prallwand zuverlässig verhindern können, dass heiße Partikel in Richtung Papiersortieranlage geflogen sind. Eine Vernehmung des Herrn B als Zeuge über seine Arbeitsweise war deshalb entbehrlich. Wie der Sachverständige S2 weiter ausführte, konnte sich durch in der Halle unstreitig vorhandenen Staub und Papierreste eine Zündkette von den Schweißperlen bzw. Funken bilden, die zu dem späteren Brandausbruch führte. Der Sachverständige bejahte ferner die Möglichkeit, dass sich eine Zündkette vom Bodenbereich der Halle bis zur 4 m höher gelegenen Sortierkabine fortsetzte. Gegen diese Annahme bestehen auch nicht deshalb durchgreifende Bedenken, weil nach der Stellungnahme des sachkundigen Mitarbeiters der G GmbH Dr. S1 ein Brandtrichter oder eine zündschnurartige Brandspur hätte feststellbar sein müssen, wenn es eine derartige Zündkette gegeben hätte. Nach den plausiblen Angaben des Sachverständigen S2 kann ein Brandtrichter oder eine zündschnurartige Brandspur nicht erwartet werden, wenn die Zündkette etwa durch Staub und Papierreste entstanden ist, zumal auch die durchgeführten Löscharbeiten im nachhinein die Feststellung von Spuren einer Zündkette nicht ohne weiteres erwarten lassen. Gerade wegen der Möglichkeit einer Zünd- oder Brandkette kann die Stellungnahme des Dr. S1 nicht überzeugen, dass nur das Innere des Sortierbereichs der Papiersortieranlage (oben) als Brandherd in Frage komme. Zwar hat der Sachverständige S2 die Schweißarbeiten der Beklagten im oberen Bereich der Papiersortieranlage als die wahrscheinlichste Ursache für den Brand, und eine Brandverursachung durch Schweißarbeiten der A-GmbH über ein Glimmnest vom Boden der Halle, von wo aus der Brand in die Ebene der Sortierkabine gelangte, demgegenüber als nicht wahrscheinlich bezeichnet. Gleichwohl hielt der Sachverständige eine Brandverursachung durch die Schweißarbeiten der A-GmbH für eine ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit. Danach ist ein Anscheinsbeweis für eine Brandverursachung durch Arbeiten der Beklagten, selbst wenn man seine Voraussetzungen bejaht, entkräftet. Der Umstand, dass eine Brandverursachung durch Arbeiten der Beklagten wahrscheinlicher ist als durch Arbeiten der A-GmbH, rechtfertigt die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht (BGH VersR 1991, 460).

Ohne die Erleichterungen des Anscheinsbeweises ist der Klägerin der Beweis einer Brandverursachung durch die Beklagte nicht gelungen. Denn wegen der bereits dargelegten ernsthaft in Betracht zu ziehenden Möglichkeit einer Brandverursachung durch die A-GmbH verbleiben Zweifel an einer Verursachung durch die Beklagte, mag diese auch überwiegend wahrscheinlich sein.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Das gilt gemäß § 101 ZPO auch für die Kosten der Streithilfe einschließlich der insoweit im ersten Rechtszug entstandenen Kosten, die in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts nicht angesprochen werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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