Zusammenfassung:
Handelt es sich bei einer Arbeitstagung von Schwerbehindertenvertrauenspersonen, für welche eine Dienstbefreiung erteilt wurde, um eine dienstliche Tätigkeit? Mit dieser Frage hatte sich das Verwaltungsgericht Hannover anlässlich eines Unfalls zu beschäftigen, bei welchem eine Schwerbehindertenvertrauensperson eine Zerrung des linken Sprunggelenks erlitten hatte.
Verwaltungsgericht Hannover
Az: 13 A 2218/15
Urteil vom 16.06.2015
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer „Zerrung im linken Sprunggelenk“ als Dienstunfall.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen der Deutschen Bahn AG zugewiesenen Beamten des Bundeseisenbahnvermögens. Sein dienstlicher Wohnsitz liegt in 49459 Lembruch.
Der Kläger ist Schwerbehindertenvertrauensperson iSd. §§ 94 ff. SGB IX. Auf Einladung der „Gesamtschwerbehindertenvertrauensperson“ für die DB Netz AG nahm der Kläger in der Zeit vom 11.11.2014 bis 13.11.2014 an einer Arbeitstagung der Schwerbehindertenvertrauenspersonen (SVP) in Berlin teil. Der Dienstherr gewährte dem Kläger zur Teilnahme an dieser Veranstaltung gem. § 96 Abs. 4 SGB IX Dienstbefreiung.
Am 13.11.2014 knickte der Kläger gegen 8:45 Uhr beim Betreten des Tagungsraumes mit dem linken Fuß um. Am 24.11.2014 (Eingang bei der Beklagten) zeigte der Kläger dieses Ereignis an. Er gab dabei an, eine Zerrung des linken Sprunggelenks erlitten zu haben.
Mit Bescheid vom 08.12.2014 versagte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 13.11.2014 als Dienstunfall, sicherte jedoch gleichzeitig zu, Unfallfürsorge in entsprechender Anwendung der beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften zu gewähren.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er sehe die Ansicht der Beklagten, die Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter sei nicht Dienst im Sinn des Beamtenversorgungsgesetzes, als Benachteiligung von Schwerbehinderten an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2015, zugestellt am 23.03.2015, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 20.04.2015 Klage erhoben.
Er trägt vor: er habe ein rechtliches Interesse an der Anerkennung eines Dienstunfalles, weil möglicherweise weitere Ansprüche wie Unfallausgleich oder Unfallruhegehalt davon abhingen. Die Veranstaltung in Berlin sei eine dienstliche Veranstaltung im Sinn des § 31 Abs. 1 BeamtVG gewesen. Alles andere wäre ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 SGB IX.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.12.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 18.03.2015 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, das erlittene Schadensereignis am 13.11.2014 als Dienstunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Arbeitstagung sei kein Dienst gewesen. Im Übrigen gewähre sie in entsprechender Anwendung des § 11 BPersvG dem Kläger Unfallfürsorge analog den Vorschriften des BeamtVG.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung und mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter und nach § 101 Abs. 2 VwGO weiterhin ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist bereits unzulässig.
Dem Kläger steht kein Rechtsschutzinteresse für seine Klage zur Seite. Die Beklagte hat mehrfach – sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Klageverfahren – zugesichert, dem Kläger Unfallfürsorge in entsprechender Anwendung der Vorschriften des §§ 30ff. BeamtVG zu gewähren. Eine förmliche Anerkennung des Ereignisses als Dienstunfall würde die Rechtsposition des Klägers nicht verbessern, zumal Folgeschäden angesichts der Art der Verletzung ohnehin nicht zu erwarten sind.
Die Klage ist zudem – selbstständig tragend – auch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Zerrung des linken Sprunggelenks als Dienstunfall.
Ein ärztliches Attest über die erlittene Verletzung hat der Kläger nicht vorgelegt. Auch in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindet sich keine ärztliche Stellungnahme mit der vorgetragenen Diagnose. Das Gericht hat davon abgesehen, eventuell vorhandene ärztliche Dokumente von den Beteiligten noch anzufordern. Denn selbst wenn zugunsten des Klägers hier von einer am 13.11.2014 erlittenen Zerrung des linken Sprunggelenkes ausgegangen wird, hat der Kläger keinen Anspruch, diesen Unfall als Dienstunfall anerkannt zu bekommen.
Nach § 31 Abs. 1 BeamtVG muss ein Dienstunfall in Ausübung des Dienstes eingetreten sein. Das war hier nicht der Fall. Die Arbeitstagung der SVP war keine dienstliche Veranstaltung iSd § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger für die Teilnahme an dieser Veranstaltung unstreitig „Dienstbefreiung“ erhalten hat, sich mithin gerade nicht im Dienst befand.
Als Vertrauensperson der Schwerbehinderten ist der Kläger nicht dienstlich als Beamter der Bundesrepublik Deutschland tätig, sondern nach § 96 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich in einem Ehrenamt. Von einer Diskriminierung Schwerbehinderten oder gar einer Benachteiligung als SVP kann keine Rede sein. Vielmehr hat die Beklagte durch die analoge Anwendung des § 11 BPersvG und der §§ 30ff. BeamtVG dem Kläger Unfallschutz auch während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Schwerbehindertenvertreter gewährt und damit gerade jede denkbare Benachteiligung vermieden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.