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Schwimmteich des Nachbarn – Unterlassungsanspruch

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

Az: 2 ZB 09.1406

Beschluss vom 11.08.2009


I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger haben gesamtverbindlich die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre aussergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Das Zulassungsvorbringen führt weder zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Streitsache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der mit Baugenehmigung vom 4. Oktober 2007 (u.a.) genehmigte „Natursee, Schwimmfläche ca. 150 m² mit Folienabdichtung“ (siehe genehmigter Freiflächengestaltungsplan Pl.Nr. 2007-58022), für den die Beklagte mit Nachgangsbescheid vom 18. Juli 2008 gemäß § 31 Abs. 1 BauGB eine Ausnahme von § 3 Abs. 6 der Bebauungsplansatzung wegen Anordnung eines Naturteiches in der festgesetzten privaten Grünfläche erteilt hat, die Kläger nicht in ihren Nachbarrechten verletzt.

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis richtig angenommen, dass es sich bei der Festsetzung „private Grünflächen“ im Bebauungsplan um keine Festsetzung der Art der baulichen Nutzung, sondern um eine sonstige Festsetzung handelt.

Der Umstand, dass in § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Art und Maß der baulichen Nutzung ausdrücklich genannt werden und sich die Art der baulichen Nutzung für Baugebiete aus dem Ersten Abschnitt der BauNVO (§§ 1 – 15 BauNVO) ergibt, schließt es zwar nicht aus, im Bebauungsplan die Art der baulichen Nutzung auch durch anderweitige Flächenfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB zu bestimmen (vgl. BVerwG v. 13.7.1989 Az. 4 B 140.88, juris Rz. 11 = NVwZ 1990, 459; v. 23.12.1997 Az. 4 BN 23/97, juris Rz. 7 = NVwZ-RR 1998, 538 jeweils zur Festsetzung einer Fläche für den Gemeinbedarf gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, RdNr. 16 zu § 30 BauGB und Rdnr. 20 zu § 9 BauGB). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte indes mit der Festsetzung „private Grünflächen“ nicht die Art der Nutzung festgesetzt, sondern lediglich in Form einer Regelung über die sonstige Nutzung die Festsetzungen des Bebauungsplans über Art und Maß der baulichen Nutzung sowie über die überbaubaren Grundstücksflächen ergänzt (vgl. Söfker a.a.O. RdNr. 122).

Dieser planerische Wille ergibt sich mit hinreichender Klarheit aus dem Satzungstext und der Erläuterung der zeichnerischen Festsetzungen in der Planlegende, aber auch aus der Bebauungsplanbegründung. Der Satzungstext regelt in § 2 „Art der Nutzung“ lediglich die (Un-)Zulässigkeit der in einem reinen Wohngebiet (§ 3 BauNVO) ausnahmsweise zulässigen Nutzungen; Festsetzungen zu den privaten Grünflächen finden sich hingegen – neben anderen grünordnerischen Festsetzungen – in § 3 „Nutzungsmaß, überbaubare Grundstücksflächen“ (vgl. § 3 Abs. 6 des Satzungstextes) und in § 7 „Grünordnung“ (vgl. § 7 Abs. 8 und 10 des Satzungstextes). Die Planlegende erläutert unter „Art der baulichen Nutzung“ nur das Planzeichen „WR“ für Reine Wohngebiete (vgl. § 3 BauNVO), das Planzeichen für „private Grünflächen“ findet sich hingegen neben sonstigen grünordnerischen Festsetzungen, wie z.B. Erhaltungs- und Pflanzgeboten, unter der gesondert aufgeführten Festsetzung „Grünordnung“. Aus den Ausführungen in der Bebauungsplanbegründung zur Grünordnung (vgl. Nr. 2.4 Grünplanerische Bestandsaufnahme und Bewertung; Nr. 3.2. Ziele der Grünordnung; Nr. 4.2 Art der Nutzung; Nr. 4.9 Grünplanerisches Konzept) geht hervor, dass die Festsetzung der rückwärtigen Teilbereiche der Grundstücke FlNrn 394, 394/1, 395, 396, 396/2, 397 und 398 als private Grünflächen zum einen den Erhalt des Trittsteinbiotops M-323 „Gehölzbestand und Baumreihe an der Waldhornstraße“ (auf den Grundstücken FlNrn. 397 und 398), insbesondere aber den Erhalt der dort bestehenden großen Zier- und Nutzgärten der Einfamilienhäuser mit ihrem hohen Anteil an Obst- und Ziergehölzen bezweckt (vgl. Nr. 2.4 der Bebauungsplanbegründung). Eine erwerbsgärtnerische Nutzung sowie eine weitere Parzellierung der privaten Grünflächen, die diesem Bereich den Charakter einer hier planerisch unerwünschten Kleingartenanlage geben würde, sollten verhindert werden (vgl. § 3 Abs. 6 und § 7 Abs. 8 des Satzungstextes; Nr. 4.9 der Bebauungsplanbegründung). Damit hat die Festsetzung – wie auch § 3 Abs. 6 Satz 2 des Satzungstextes deutlich macht – letztlich im Wesentlichen die Funktion, diese Flächen als unbebaute Frei- bzw. Gartenflächen für die Bauflächen zu erhalten (zur Zulässigkeit einer Festsetzung „private Grünflächen – Hausgärten“ vgl. BVerwG v. 17.6.1994 Az. 8 C 22.92, juris). Angesichts dieser Festsetzungen und Ausführungen vermag die – in der Tat missverständliche – Erwähnung der privaten Grünflächen in der mit „Art der Nutzung“ überschriebenen Nr. 4.2. der Bebauungsplanbegründung dieser grünordnerischen Festsetzung nicht den Rechtscharakter einer Festsetzung der Art der baulichen Nutzung zu vermitteln.

2. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht weiter angenommen, dass die Festsetzung „private Grünflächen“ im konkreten Fall allein eine städtebauliche Funktion hat und nicht dem Schutz von Nachbarinteressen dient. Der Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 18. Juli 2006 Az. W 4 K 06.7 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Nach der planerischen Zielsetzung der Beklagten haben die festgesetzten Grünflächen nicht die Funktion, Baugebiete unterschiedlicher Nutzung und Immissionsempfindlichkeit voneinander räumlich zu trennen (so der vom Verwaltungsgericht zu beurteilende Sachverhalt), sondern eine bestehende städtebauliche Situation – nämlich die Kleinmaßstäblichkeit des vorhandenen Siedlungscharakters mit teilweise großen Zier- und Nutzgärten – zu erhalten.

Die Kläger können in Bezug auf die Grünflächenfestsetzung auf dem Grundstück der Beigeladenen auch keinen sog. Gebietserhaltungsanspruch geltend machen. Dieser im Wesentlichen durch Baugebietsfestsetzungen bewirkte bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und insoweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung durch die Festsetzung eines Baugebiets öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG v. 18.12.2007 Az. 4 B 55/07, juris = BayVBl 2008, 765). Auch wenn man die Kläger mit dem Verwaltungsgericht als Grundstücksnachbarn der Beigeladenen ansieht, sind sie doch hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten ihres Grundstücks durch die Festsetzungen des Bebauungsplans mit den Beigeladenen insoweit nicht zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft“ (BVerwG a.a.O, Rz. 5) verbunden. Denn ihr Grundstück ist nicht mit einer Grünflächenfestsetzung belastet.

3. Auch aus der von der Beklagten mit Nachgangsbescheid vom 18. Juli 2008 erteilten Ausnahme von § 3 Abs. 6 der Bebauungsplansatzung wegen Anordnung eines Naturteiches in der festgesetzten privaten Grünfläche, die das Verwaltungsgericht wohl zu Recht als Befreiung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB gewertet hat, ergibt sich keine Verletzung der Kläger in ihren Nachbarrechten. Zwar hat der Umstand, dass der Bebauungsplan für die privaten Grünflächen den – grundsätzlich gebotenen – speziellen Nutzungszweck nicht festsetzt, zur Folge, dass die Festsetzung (private) „Grünfläche“ nur die Anlage einer lediglich begrünten Fläche und nicht ohne weiteres auch die Errichtung der in § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB beispielhaft genannten Anlagen, wie Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze oder Friedhöfe, gestattet (vgl. BVerwG v.16.2.1973 a.a.O., juris Rz. 25 ff.; v. 21.6.1974 Az. IV C 14.74, juris = BayVBl 1975, 24; Söfker a.a.O. RdNr. 128 zu § 9 BauGB). Schon die beispielhafte Erwähnung der „Badeplätze“ in dieser Auflistung spricht jedoch für eine grundsätzliche Vereinbarkeit des verfahrensgegenständlichen Vorhabens mit der Zweckbestimmung einer privaten Grünfläche. In seiner Ausgestaltung als „naturnaher Teich“ mit Flachwasser- und Sumpfpflanzenzone mit gleichzeitiger Eignung als Schwimmteich (Schwimmfläche ca. 150 m²; Holzterrasse) und Badeplatz kombiniert das Vorhaben faktisch die Funktionen von Gartenteich und Schwimmbecken, also von Nebenanlagen, die für eine Freiflächennutzung von Hausgrundstücken nicht unüblich sind. Es ist auch nicht erkennbar, dass das Vorhaben die nachbarlichen Belange der Kläger nennenswert berühren würde und die Beklagte damit bei der Erteilung der Befreiung die Interessen der Nachbarn nicht hinreichend gewürdigt hätte. Zu Recht verweist das Verwaltungsgericht insoweit darauf, dass die durch eine Nutzung der Freiflächen entstehenden Lärmimmissionen zum normalen Wohnen gehören und von der Nachbarschaft wechselseitig als sozialadäquat hinzunehmen sind. Dass die mit dem Freiflächengestaltungsplan genehmigten Aufschüttungen – wie die Kläger vortragen – wie Mauern wirken würden und so hoch wie die Unterkanten der Dächer der umstehenden Häuser wären, entbehrt jeglicher Grundlage. Wie aus dem insoweit maßgeblichen Freiflächengestaltungsplan entnommen werden kann, erreichen die modellierten Geländeveränderungen eine Höhe von maximal 1,00 m (an der südwestlichen Grundstücksgrenze), ansonsten aber – also auch zum Grundstück der Kläger – eine Höhe von maximal 0,75 m und fallen dann zu den Grundstücksgrenzen wieder auf das Niveau des natürlichen Geländes ab.

Eine Verkennung der nachbarlichen Interessen oder ein nachbarliches Austauschverhältnis, das den Klägern ein Recht auf den Bestand der auf den Nachbargrundstücken vorhandenen begrünten Freiflächen als solches einräumen würde, lässt sich auch nicht aus dem von den Klägern angeführten städtebaulichen Vertrag entnehmen.

4. Aus den dargelegten Gründen wirft die Rechtssache auch keine – im Übrigen auch nicht hinreichend dargelegte – Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Ein Anlass, den Klägern auch die Kosten der anwaltlich nicht vertretenen Beigeladenen aufzuerlegen, besteht nicht.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG.

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