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Selbständiges Beweisverfahren – Entpflichtung Sachverständiger

Ein jahrelanger Streit um massive Dachmängel an einem Ladenlokal sollte endlich durch ein Gutachten geklärt werden. Doch das Landgericht Hagen zerpflückte das Papier des Sachverständigen und verwarf es als völlig unbrauchbar. Das Urteil: Der Gutachter wurde entlassen, die Suche nach der Ursache der Schäden beginnt von Neuem.

Übersicht:

Zum vorliegenden Urteil Az.: 6 OH 3/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Partei, die das selbständige Beweisverfahren zur Klärung von Mängeln beantragt hat.
  • Beklagte: Partei, gegen die sich das Verfahren richtet, und eine Partei, die diese unterstützt.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Das Verfahren befasst sich mit Feuchtigkeitsschäden an einem Dach. Es wurde ein Sachverständiger beauftragt, um die Mängel zu klären, der über mehrere Jahre Gutachten und Ergänzungen vorlegte.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging in dieser Entscheidung darum, ob das vorliegende Sachverständigengutachten so fehlerhaft ist, dass es unbrauchbar ist und ein neuer Gutachter beauftragt werden muss.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht hat entschieden, den bisherigen Sachverständigen von seinem Auftrag zu entbinden und stattdessen einen neuen Sachverständigen zu bestellen. Über die Vergütung des bisherigen Sachverständigen soll später entschieden werden.
  • Begründung: Das Gericht hielt das bisherige Gutachten für ungenügend und unverwertbar, da es widersprüchlich, unvollständig, schwer nachvollziehbar war und auf falschen Grundlagen beruhte. Trotz gerichtlicher Versuche, die Mängel zu beheben, waren diese als nicht mehr heilbar anzusehen, insbesondere da der Sachverständige unzuverlässige Methoden nutzte, widersprüchliche Angaben machte und gerichtliche Anweisungen missachtete.
  • Folgen: Die Klärung der Dachmängel verzögert sich durch die erneute Begutachtung. Ein neuer Gutachter muss sich nun einarbeiten. Das Gericht wird über die Vergütung des abgelösten Sachverständigen gesondert entscheiden.

Der Fall vor Gericht


Gerichtsurteil LG Hagen: Sachverständigengutachten zu Dachschäden als unbrauchbar eingestuft – Gutachter entpflichtet

Sachverständiger prüft undichte Dachschäden mit Wassereindringen im Ladenlokal
Undichtiges Dach führt zu Feuchtigkeitsschäden im Laden: Gutachten zeigt Mängel und Feuchtigkeitsprobleme auf. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein langwieriges gerichtliches Verfahren zur Klärung von Baumängeln hat eine entscheidende Wendung genommen: Das Landgericht Hagen hat in einem Beschluss vom 12. September 2024 (Az.: 6 OH 3/17) einen Sachverständigen von seinen Aufgaben entbunden.

Dessen Gutachten zu Dachmängeln an einem Ladenlokal wurde als grundlegend mangelhaft und unbrauchbar bewertet. Die Konsequenz: Ein neuer Gutachter muss bestellt werden, was das Verfahren weiter verzögert, aber laut Gericht unumgänglich ist, um eine verlässliche Tatsachengrundlage zu schaffen.

Selbständiges Beweisverfahren am LG Hagen: Jahrelanger Streit um Dachmängel und Feuchtigkeitseintritt in Ladenlokal

Im Mittelpunkt des Falles steht ein sogenanntes selbständiges Beweisverfahren. Diese Art von Verfahren dient dazu, Beweise zu sichern, oft schon bevor es zu einem eigentlichen Hauptprozess kommt. Hier ging es konkret um Mängel an einer Dachkonstruktion eines Ladenlokals, insbesondere um wiederkehrende Feuchtigkeitseintritte. Bereits im Jahr 2015, genauer am 12. März, wurde ein Diplom-Ingenieur als Sachverständiger bestellt, um die Ursachen und den Umfang der Schäden zu untersuchen.

Über die Jahre hinweg legte dieser Sachverständige mehrere Gutachten vor: ein Ursprungsgutachten im Januar 2016 und diverse Ergänzungsgutachten in den Jahren 2017, 2021, 2022 und zuletzt im März 2023. Das Gericht unternahm mehrere Versuche, die Unklarheiten und Widersprüche in den Ausführungen des Gutachters auszuräumen. So wurde der Sachverständige im September 2019 persönlich angehört (Anhörung nach § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung, ZPO), und es wurden, auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der beteiligten Parteien (der Antragstellerin, der Gegenseite und einer unterstützenden Partei), weitere schriftliche Ergänzungen angeordnet.

Trotz dieser intensiven Bemühungen, zu denen auch die wiederholte Anordnung eines Beregnungsversuches zählte – ein Test, bei dem künstlich Regen erzeugt wird, um Undichtigkeiten aufzuspüren –, konnte kein überzeugendes und in sich schlüssiges Gutachten erstellt werden. Das Gericht stellte fest, dass sich der Sachverständige über Anweisungen des Gerichts hinwegsetzte, widersprüchliche Aussagen tätigte und Methoden anwandte, die das Gericht als unwissenschaftlich oder unzuverlässig einstufte. Dieses Vorgehen führte zu erheblichen Verzögerungen im Verfahren, zusätzlich erschwert durch unbegründete Anträge auf Ablehnung von Richtern. Ein Höhepunkt dieser Entwicklung war die Einreichung eines nicht angeforderten Gutachtens durch den Sachverständigen im März 2023, das ohne den zuvor angeordneten Ortstermin und den Beregnungsversuch erstellt wurde, und für das er prompt eine Kostenrechnung einreichte.

Kern des Problems: Warum das Gericht die Arbeit des Sachverständigen als grundlegend mangelhaft einstufte

Die Entscheidung des Gerichts, den Sachverständigen zu entpflichten und ein neues Gutachten anzuordnen, stützt sich maßgeblich auf § 412 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Vorschrift besagt, dass ein Gericht eine neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen kann, wenn das vorliegende Gutachten als ungenügend erachtet wird. Ein Gutachten gilt als mangelhaft und damit unverwertbar, wenn es beispielsweise unvollständig, widersprüchlich oder nicht nachvollziehbar ist, von falschen Tatsachen ausgeht oder dem Sachverständigen die notwendige Fachkenntnis fehlt.

Das Gericht betonte, dass die Wahl zwischen einer mündlichen Erläuterung des bestehenden Gutachtens oder der Einholung eines neuen Gutachtens zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts stehe. Eine neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen sei jedoch zwingend erforderlich, wenn die Mängel des bisherigen Gutachtens so gravierend sind, dass sie nicht mehr behoben werden können. Genau dies sah das Gericht im vorliegenden Fall als gegeben an. Die Mängel hatten sich im Laufe des Verfahrens immer weiter verdichtet und waren nicht mehr auszuräumen.

Unwissenschaftliche Bearbeitungsmethode: Dachflächenmessung per Google Maps statt exakter Planunterlagen

Ein zentraler Kritikpunkt des Gerichts war die unwissenschaftliche Bearbeitungsmethode des Sachverständigen. Dieser hatte die Fläche des Daches mithilfe des „Maßband“-Tools von Google Maps ermittelt, obwohl er zuvor angegeben hatte, „Planunterlagen“ für seine Berechnungen zu verwenden. Das Gericht rügte diese Vorgehensweise scharf: Eine solche Methode könne, insbesondere bei geneigten Dachflächen, die in einer zweidimensionalen Draufsicht dargestellt werden, allenfalls grobe Schätzwerte liefern. Für eine exakte Berechnung sei sie jedoch ungeeignet. Zudem sei die Auflösung der Satellitenbilder oft minderwertig, und die Tools von Google Maps seien nicht dafür ausgelegt, verlässliche Daten für solche Zwecke zu liefern, da keine Haftung für die Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten übernommen werde. Dies führte nach Ansicht des Gerichts zu erheblichen Ungenauigkeiten bei den grundlegenden Fakten des Gutachtens.

Vielzahl nicht nachvollziehbarer und widersprüchlicher Ausführungen des Gutachters

Neben der kritisierten Messmethode bemängelte das Gericht eine Reihe von Widersprüchen und Unklarheiten in den verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen des Sachverständigen.

Widersprüche bei der Dachneigung: Fehlerhafte Berechnungen und unklare Korrekturen

So hatte der Gutachter im Ursprungsgutachten von 2016 eine Hauptdachneigung von 15 Grad festgestellt, obwohl die sogenannte Regeldachneigung (ein anerkannter Standardwert) bei 22 Grad liege. Diese Abweichung bewertete er als Mangel. Allerdings gab er die rechnerische Abweichung fälschlicherweise mit circa 10 Grad an, obwohl sie tatsächlich nur 7 Grad betrug. Im Ergänzungsgutachten von 2017 ermittelte er dann plötzlich abweichende Werte (18,4 Grad Hauptdachneigung) mittels Zollstock und Wasserwaage. Er versäumte es jedoch zu erklären, wie die ursprünglichen Werte zustande gekommen waren oder ob die nun geringere Abweichung weiterhin als Mangel und Ursache für die Feuchtigkeitsprobleme anzusehen sei. Solche widersprüchlichen Werte und mangelhaften Erklärungen untergruben die Nachvollziehbarkeit.

Fragwürdige Feststellungen zum Feuchtigkeitseintritt: Unbelegte Behauptungen und ignorierte Einwände

Auch die Feststellungen zum Feuchtigkeitseintritt waren für das Gericht nicht überzeugend. Die Behauptung regelmäßiger Wassereintritte stützte der Sachverständige unzulässigerweise allein auf Angaben von Personal des Ladenlokals, das nicht direkt in den Streit involviert war. Hier wären technische Feststellungen notwendig gewesen, zumal dieser Punkt zwischen den Parteien umstritten war. Spätere Beobachtungen des Gutachters selbst (keine durchfeuchtete Dämmung bei einem Ortstermin 2021, lediglich Feuchtigkeit an einer Dachkehle) schienen auf den ersten Blick gegen einen ständigen, erheblichen Wassereintritt zu sprechen und hätten einer eingehenden Erläuterung bedurft. Die Behauptung des Sachverständigen aus dem Jahr 2022, Wasser dringe bereits seit 2012 ein, war ebenfalls nicht nachvollziehbar begründet. Zudem blieb die Einwendung der Gegenseite unberücksichtigt, die Feuchtigkeit könne auch durch Kondensat aufgrund einer fehlerhaften Dampfsperre entstanden sein – ein Bauteil, das nicht dem Gewerk des Dachdeckers zuzuordnen sei. Das Ignorieren alternativer Ursachen wurde somit kritisiert.

Unzureichende Begründung für angebliche erhöhte Anforderungen an das Dach

Des Weiteren war die Begründung des Sachverständigen für das Vorliegen von sechs sogenannten erhöhten Anforderungen an die Dachkonstruktion, die angeblich Zusatzmaßnahmen erforderlich gemacht hätten, unzureichend. Im Anhörungstermin 2019 konnte er entscheidende Fragen hierzu nicht schlüssig beantworten. Dies betraf die Bewertung der Nutzung des Objekts (wobei er die tatsächliche Deckenkonstruktion ignorierte), das Vorliegen einer Zwischensparrendämmung (die nicht vorhanden war, vom Sachverständigen aber fälschlicherweise angenommen wurde), die Relevanz der verwendeten Sparrenart (wozu er nur eine „persönliche Tendenz“ äußerte), die zugrunde gelegte Schneezone (unklare Quelle, Relevanz für den Bauzeitraum 2009/2010 nicht geprüft) und die verwendete Regelwerkstabelle (die aus dem Jahr 2019 stammte und nicht aus dem relevanten Bauzeitraum). Er musste mehrfach auf eine schriftliche Ergänzung verweisen, die er jedoch nicht auftragsgemäß erstellte. Fehlende schlüssige Antworten und Ausflüchte prägten diesen Teil seiner Arbeit.

Wechselhafte Einschätzung zur exponierten Lage des Gebäudes ohne nachvollziehbare Begründung

Schließlich traf der Sachverständige auch widersprüchliche Feststellungen zur exponierten Lage des Gebäudes – also ob es Wind und Wetter besonders stark ausgesetzt ist. Im Abstand von zwei Jahren kam er hier zu unterschiedlichen Ergebnissen (zuerst nein, dann ja), ohne diese Kehrtwende nachvollziehbar zu erklären. Diese mangelnde Konsistenz trug weiter zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens bei.

Unsachliches Vorgehen und Missachtung gerichtlicher Weisungen: Der Streit um den Beregnungsversuch

Besonders schwer wog für das Gericht das unsachliche Vorgehen des Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung und sein Widerspruch zu gerichtlichen Weisungen, insbesondere im Hinblick auf den angeordneten Beregnungsversuch.
Obwohl der Sachverständige in seinem Gutachten von 2021 selbst erklärt hatte, die Frage des Wassereintritts ohne Wind sei nicht ohne einen Beregnungsversuch im Rahmen eines Ortstermins zu beantworten, und er die Bereitstellung von Gerätschaften durch die Antragstellerin für notwendig hielt, führte er diesen Versuch nicht durch. Das Gericht ordnete den Versuch wiederholt an, zuletzt mit Beschluss vom 1. September 2021, und bezeichnete ihn als Hauptgrund für die Notwendigkeit eines weiteren Ortstermins.

Dennoch erstattete der Sachverständige sein Gutachten von 2022 ohne den Versuch durchgeführt zu haben und behauptete dann überraschend, es sei gar kein Ortstermin notwendig gewesen. Auch nach einer expliziten erneuten Anordnung des Versuches vor einem weiteren Anhörungstermin im März 2023 (Beschluss vom 16. Dezember 2022) kam der Sachverständige dieser Weisung nicht nach. Stattdessen kontaktierte er Feuerwehren, um Geräte für einen Versuch mit Wind zu beschaffen, obwohl ein Versuch ohne Wind angeordnet war. Er berief sich auf angeblichen Datenverlust und bat erneut die Antragstellerin um die Bereitstellung von Gerätschaften.
Schließlich reichte er Anfang März 2023 ein nicht angefordertes schriftliches Gutachten ohne Durchführung des Versuches ein und erklärte darin, der Beregnungsversuch sei nun doch nicht mehr nötig. Diesem ungefragten Bericht fügte er eine Kostenrechnung bei. Diese widersprüchlichen Angaben zur Notwendigkeit des Versuches und die offenkundige Missachtung gerichtlicher Weisungen stellten nach Auffassung des Gerichts die Kompetenz und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen ernsthaft in Frage. Für das Gericht war nicht mehr nachvollziehbar, welche Maßnahmen aus technischer Sicht tatsächlich erforderlich waren.

Die Entscheidung des Landgerichts Hagen: Entpflichtung des Sachverständigen und Anordnung eines neuen Gutachtens

Aufgrund dieser Fülle an schwerwiegenden und nach Auffassung des Gerichts nicht mehr behebbaren Mängeln sowie des problematischen Verhaltens des Sachverständigen traf das Landgericht Hagen die Entscheidung, den mit Beschluss vom 12. März 2015 bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. ### von seiner Verpflichtung zur Erstattung eines Gutachtens zu entbinden. Gemäß §§ 485 Absatz 3 und 412 der Zivilprozessordnung (ZPO) wird nun ein neues Gutachten eingeholt. Ein neuer Sachverständiger soll mit einem gesonderten Beschluss bestellt werden.

Darüber hinaus kündigte das Gericht an, zeitnah über eine mögliche Rückforderung der bereits an den bisherigen Sachverständigen gezahlten Vergütung zu entscheiden. Dies soll gemäß den Vorschriften des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG), insbesondere der §§ 4 Absatz 1 und 8a Absatz 2 JVEG, erfolgen, wobei auch eine etwaige Verjährung der Ansprüche (§ 2 Absatz 2 und 4 JVEG) zu berücksichtigen sein wird.

Die gerichtliche Begründung: Warum die Mängel des Gutachtens als nicht behebbar galten

Das Gericht untermauerte seine Entscheidung mit der Feststellung, dass die bisherige Begutachtung ungenügend im Sinne von § 412 Absatz 1 ZPO sei. Ein Gutachten sei mangelhaft und unverwertbar, wenn es, wie hier geschehen, unvollständig, widersprüchlich oder nicht nachvollziehbar ist, von unzutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgeht oder dem Sachverständigen die erforderliche Sachkunde fehlt.

Zwar stehe die Wahl zwischen einer mündlichen Erläuterung des Gutachtens durch den bisherigen Sachverständigen (§ 411 Abs. 3 ZPO) und der Einholung eines neuen Gutachtens (§ 412 ZPO) grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Eine neue Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen sei jedoch geboten, wenn die Mangelhaftigkeit als nicht mehr behebbar erscheine und das Gericht andernfalls sein Ermessen fehlerhaft ausüben würde. Dies sei im vorliegenden Fall eindeutig gegeben, da sich die Mängel im Verfahrensverlauf zunehmend verdichtet hätten.

Das Gericht hat bei seiner Entscheidung die erhebliche Verzögerung, die eine neue Begutachtung unweigerlich verursachen wird, berücksichtigt. Es erachtete jedoch die sachliche Überzeugungskraft des Gutachtens als vorrangig. Nur ein mängelfreies und nachvollziehbares Gutachten könne als solide Grundlage für ein mögliches späteres Hauptsacheverfahren dienen. Angesichts der gravierenden und nicht behebbaren Mängel der bisherigen Begutachtung und des gesamten Verhaltens des Sachverständigen war die Entpflichtung nach Ansicht des Gerichts unausweichlich und die Einholung eines neuen Gutachtens zwingend geboten.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des LG Hagen offenbart, dass Sachverständigengutachten bei gravierenden methodischen Mängeln, Widersprüchen und Missachtung gerichtlicher Anweisungen als unbrauchbar eingestuft und komplett verworfen werden können. Die Quintessenz liegt in der klaren Erwartungshaltung des Gerichts an Sachverständige, wissenschaftlich fundierte, widerspruchsfreie Methoden anzuwenden und gerichtliche Anordnungen konsequent zu befolgen. Für Baustreitigkeiten bedeutet dies, dass trotz erheblicher Verfahrensverzögerungen die sachliche Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit eines Gutachtens absoluten Vorrang vor Prozessökonomie genießt, was zwar das Verfahren verlängert, aber letztlich die Rechtssicherheit stärkt.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein selbstständiges Beweisverfahren und wozu dient es?

Ein selbstständiges Beweisverfahren ist ein eigenständiges Gerichtsverfahren, das vor einem möglichen Hauptprozess stattfindet. Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Problem, bei dem es auf bestimmte Fakten oder Zustände ankommt, die sich im Laufe der Zeit verändern oder sogar verschwinden könnten. Genau dafür ist dieses Verfahren gedacht.

Zweck: Sicherung von Beweisen

Der Hauptzweck eines selbstständigen Beweisverfahrens ist es, Beweise zu sichern. Das bedeutet, es werden Tatsachen oder Zustände gerichtlich festgestellt, die für einen späteren Rechtsstreit wichtig sein könnten. Dies geschieht oft, wenn die Gefahr besteht, dass diese Beweise verloren gehen oder sich verändern, bevor ein ordentlicher Prozess beginnen kann.

Für Sie bedeutet das: Wenn es etwas Wichtiges gibt, das Sie später vielleicht vor Gericht beweisen müssen – zum Beispiel einen Mangel an einer Ware oder einem Gebäude, oder die Folgen eines Unfalls –, und dieser Zustand könnte sich ändern, kann ein selbstständiges Beweisverfahren helfen, den Zustand zum jetzigen Zeitpunkt festzuhalten.

Typische Anwendungsfälle und Vorteile

Dieses Verfahren kommt häufig in Bereichen vor, wo es um die Bewertung von Sachverhalten geht, die ein Fachwissen erfordern. Typische Beispiele sind:

  • Baumängel: Feuchtigkeitsschäden, Risse im Mauerwerk oder andere Fehler am Bau, deren Ursache und Ausmaß geklärt werden muss.
  • Schäden an Sachen: Zum Beispiel bei einem Unfall, um den Zustand eines Fahrzeugs oder einer beschädigten Sache zu dokumentieren.
  • Medizinische Fragen: Um den Zustand eines Patienten zu einem bestimmten Zeitpunkt festzuhalten.

Oft wird in einem solchen Verfahren ein unabhängiger Sachverständiger vom Gericht beauftragt. Dieser Sachverständige prüft den Sachverhalt, erstellt ein Gutachten und kann vom Gericht auch befragt werden. Zeugen können ebenfalls vernommen werden, um deren Erinnerung festzuhalten, bevor diese verblasst.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ein selbstständiges Beweisverfahren auch dazu dienen kann, eine Auseinandersetzung zu vermeiden. Wenn durch das Gutachten des Sachverständigen oder die Zeugenaussagen die Sachlage klar wird, erkennen die Beteiligten möglicherweise, wer im Recht ist. Dies kann dazu führen, dass sie sich außergerichtlich einigen und ein langwieriger und teurer Hauptprozess überflüssig wird.

Es ist also ein Werkzeug, um Klarheit über wichtige Fakten zu schaffen, die sich später nicht mehr so leicht feststellen lassen, und so die Grundlage für eine faire Lösung zu legen, egal ob diese außergerichtlich oder in einem möglichen späteren Prozess gefunden wird. Das Verfahren ist in der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt.


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Unter welchen Umständen kann ein Gericht einen Sachverständigen von seinen Aufgaben entbinden?

Ein Gericht beauftragt einen Sachverständigen, um fachlich schwierige Fragen in einem Gerichtsverfahren zu klären. Die Ergebnisse des Sachverständigen sind oft sehr wichtig für die Entscheidung des Gerichts.

Die Entbindung, also die Ablösung eines Sachverständigen von seiner gerichtlichen Aufgabe, ist kein Regelfall, sondern eine Ausnahme. Ein Gericht kann einen Sachverständigen nur unter wichtigen und schwerwiegenden Gründen entpflichten.

Diese Gründe ergeben sich meist aus einer groben Pflichtverletzung des Sachverständigen. Dazu gehören beispielsweise:

  • Eine deutliche und ungerechtfertigte Verzögerung bei der Erstellung des Gutachtens, die den Fortgang des Verfahrens behindert.
  • Das Gutachten weist erhebliche Mängel auf, die seine Verwertbarkeit in Frage stellen, zum Beispiel weil notwendige Untersuchungen fehlen oder die Schlussfolgerungen nicht nachvollziehbar begründet sind.
  • Der Sachverständige verweigert ohne triftigen Grund die Erfüllung seiner Aufgaben.

Ein weiterer wichtiger Grund kann vorliegen, wenn Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen. Solche Zweifel müssen objektiv begründet sein und auf konkreten Tatsachen beruhen, die nahelegen, dass der Sachverständige nicht neutral ist. Dies ähnelt den Gründen, die für die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit gelten.

Das Gericht entscheidet über die Entbindung. Eine Partei, die Gründe für eine Entbindung sieht, muss diese dem Gericht mitteilen und genau erläutern. Das Gericht prüft daraufhin sorgfältig, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Entbindung erfüllt sind.

Die Möglichkeit zur Entbindung eines Sachverständigen ist im deutschen Recht, insbesondere in § 412 der Zivilprozessordnung (ZPO), vorgesehen. Die Regelung stellt sicher, dass Sachverständige gewissen Anforderungen genügen müssen, gleichzeitig aber auch nicht ohne triftigen Grund ausgetauscht werden, was den Prozess unnötig verlängern könnte.


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Was macht ein Sachverständigengutachten aus und wann gilt es als mangelhaft?

Ein Sachverständigengutachten ist ein Bericht, den ein Fachmann (der Sachverständige) zu einer Frage erstellt, die spezielles Wissen erfordert. Das Gericht zieht einen Sachverständigen hinzu, wenn es selbst das nötige Fachwissen nicht besitzt – zum Beispiel bei technischen Schäden, medizinischen Fragen oder der Bewertung von Immobilien. Der Sachverständige soll dem Gericht helfen, die Fakten in seinem Fachgebiet zu verstehen und eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Damit ein Sachverständigengutachten seinen Zweck erfüllen kann, muss es bestimmte Anforderungen erfüllen. Man kann sich das wie eine gründliche Untersuchung vorstellen, deren Ergebnis klar und verständlich dargestellt wird.

Was ein gutes Sachverständigengutachten auszeichnet

Ein Gutachten sollte vollständig sein. Das bedeutet, der Sachverständige muss alle Fragen beantworten, die das Gericht gestellt hat, und alle relevanten Aspekte des Falles in seinem Fachgebiet berücksichtigen. Stellen Sie sich vor, ein Autoexperte soll einen Unfallschaden begutachten. Ein vollständiges Gutachten würde alle betroffenen Teile und möglichen Ursachen des Schadens beleuchten, nicht nur einen kleinen Bereich.

Es muss auch nachvollziehbar sein. Der Sachverständige muss seinen Weg von den festgestellten Tatsachen zum Ergebnis klar darlegen. Leser, auch juristische Laien im Gericht (wie der Richter selbst), müssen verstehen können, warum der Sachverständige zu seiner Schlussfolgerung gekommen ist. Welche Methoden wurden angewendet? Welche Beobachtungen gemacht? Wie wurden diese bewertet? Jeder Schritt sollte logisch aufgebaut sein.

Ein zentrales Merkmal ist die Objektivität. Der Sachverständige ist dem Gericht verpflichtet und muss neutral sein. Er darf keine Partei bevorzugen, sondern muss allein aufgrund der Fakten und seiner Fachkenntnisse zu einem Ergebnis kommen, unabhängig davon, wer ihn beauftragt oder bezahlt.

Schließlich muss ein Gutachten fachlich fundiert sein. Das bedeutet, es stützt sich auf anerkannte wissenschaftliche Methoden und Standards des jeweiligen Fachgebiets. Der Sachverständige muss über das nötige Wissen und die Erfahrung verfügen, um die gestellte Frage kompetent zu beantworten.

Wann ein Gutachten als mangelhaft gelten kann

Ein Sachverständigengutachten kann vom Gericht als ungenügend oder mangelhaft eingestuft werden, wenn es diese Qualitätsanforderungen nicht erfüllt. Das geschieht zum Beispiel in folgenden Fällen:

  • Es gibt Widersprüche innerhalb des Gutachtens oder zu anderen bekannten Fakten im Prozess. Wenn der Sachverständige zum Beispiel an einer Stelle etwas behauptet, das seiner eigenen Aussage an anderer Stelle widerspricht.
  • Das Gutachten basiert auf einer falschen Tatsachengrundlage. Wenn der Sachverständige bei der Begutachtung wichtige Tatsachen übersehen oder falsch verstanden hat. Zum Beispiel, wenn der Gutachter für ein Gebäude dessen Baujahr falsch annimmt oder bei einem Unfallschaden ein wichtiges Detail am Fahrzeug übersieht, das für die Ursache entscheidend ist.
  • Dem Sachverständigen fehlt die nötige Fachkenntnis für die konkrete Frage. Wenn zum Beispiel ein allgemeiner Maschinenbau-Experte ein Gutachten zu einer hochspezialisierten chemischen Anlage erstellen soll, für die er nicht qualifiziert ist.
  • Das Gutachten ist nicht nachvollziehbar. Wenn der Sachverständige seine Schlussfolgerungen nicht plausibel begründet oder seine Methodik nicht erklärt. Das Gericht kann die Argumentation nicht prüfen und das Ergebnis nicht verstehen.

Wenn ein Gutachten als mangelhaft gilt, kann das Gericht es nicht als verlässliche Entscheidungsgrundlage nutzen. Es kann dann nötig sein, vom Sachverständigen eine Ergänzung oder Klärung zu verlangen oder sogar ein komplett neues Gutachten von einem anderen Sachverständigen einzuholen. Für das Gericht ist die Qualität des Gutachtens also entscheidend, um eine gerechte und rechtlich haltbare Entscheidung treffen zu können.


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Welche Rechte und Pflichten haben die Parteien in einem selbstständigen Beweisverfahren, insbesondere im Hinblick auf die Arbeit des Sachverständigen?

In einem selbstständigen Beweisverfahren geht es darum, wichtige Tatsachen oder Beweise frühzeitig feststellen zu lassen, zum Beispiel den Zustand eines Gebäudes, die Qualität einer gelieferten Ware oder die Ursache eines Schadens, bevor sich diese ändern oder verschwinden. Dies geschieht oft mithilfe eines gerichtlichen Sachverständigen. Als beteiligte Partei haben Sie in diesem Verfahren bestimmte Rechte und Pflichten, insbesondere im Zusammenhang mit der Arbeit des Sachverständigen.

Ihre Rechte im Umgang mit dem Sachverständigen

Sie haben das Recht, aktiv am Verfahren teilzunehmen und Einfluss auf die Sachverhaltsklärung zu nehmen.

  • Teilnahme an Ortsterminen: Wenn der Sachverständige den Ort des Geschehens besichtigt oder Proben nimmt (dies nennt man einen Ortstermin), haben Sie und die andere Partei grundsätzlich das Recht, anwesend zu sein. Sie können dem Sachverständigen dabei Fragen stellen und Ihre Sichtweise darlegen. Es ist wichtig, dass der Sachverständige Ihre Fragen und Ausführungen zur Kenntnis nimmt, auch wenn er sie nicht sofort bewerten muss.
  • Einsicht in das Gutachten und Stellungnahme: Sobald der Sachverständige sein Gutachten schriftlich erstellt hat, wird es allen Parteien zugeschickt. Sie haben das Recht, das Gutachten sorgfältig zu prüfen. Wenn Sie mit dem Inhalt nicht einverstanden sind oder das Gefühl haben, dass etwas Wichtiges vergessen wurde oder unklar ist, haben Sie das Recht, innerhalb einer bestimmten Frist eine schriftliche Stellungnahme beim Gericht einzureichen. In dieser Stellungnahme können Sie das Gutachten kommentieren, auf Fehler hinweisen oder zusätzliche Fragen an den Sachverständigen formulieren.
  • Anhörung des Sachverständigen: Wenn das schriftliche Gutachten Fragen offenlässt oder Sie es für unklar halten, können Sie beim Gericht beantragen, dass der Sachverständige in einer mündlichen Verhandlung persönlich angehört wird. Sie können dem Sachverständigen dann direkt Fragen zum Gutachten stellen und Erläuterungen verlangen.
  • Recht auf ein ordnungsgemäßes Verfahren und verwertbares Gutachten: Sie haben ein Recht darauf, dass das selbstständige Beweisverfahren fair und nach den gesetzlichen Regeln abläuft. Das bedeutet auch, dass der Sachverständige seine Arbeit unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erledigt. Das Gutachten muss nachvollziehbar und für den Zweck des Verfahrens verwertbar sein. Ist das Gutachten mangelhaft, können Sie dies in Ihrer Stellungnahme oder durch Antrag auf Anhörung des Sachverständigen geltend machen.

Ihre Pflichten im Verfahren

Neben Ihren Rechten haben Sie auch Pflichten, die zur ordnungsgemäßen Durchführung des Verfahrens beitragen.

  • Mitwirkungspflicht: Sie sind verpflichtet, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken. Dazu gehört zum Beispiel, dem Sachverständigen Zugang zum Besichtigungsort zu gewähren oder ihm notwendige Unterlagen zur Verfügung zu stellen, soweit dies vom Gericht angeordnet wurde.
  • Terminwahrnehmung: Werden Sie vom Gericht oder Sachverständigen zu einem Ortstermin oder einer Anhörung geladen, sollten Sie diese Termine wahrnehmen, um Ihre Rechte ausüben zu können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Ihnen als Partei in einem selbstständigen Beweisverfahren weitreichende Möglichkeiten gegeben werden, den Sachverhalt zu beeinflussen und die Arbeit des Sachverständigen zu begleiten und zu überprüfen. Diese Rechte dienen dazu, eine solide Grundlage für eine mögliche spätere gerichtliche Auseinandersetzung zu schaffen.


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Welche Folgen hat die Entpflichtung eines Sachverständigen für den weiteren Verlauf eines selbstständigen Beweisverfahrens?

Wenn ein Gericht im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens einen Sachverständigen „entpflichtet“, bedeutet das, dass dieser Sachverständige von seiner Aufgabe, ein Gutachten zu erstellen, entbunden wird. Das Gericht entscheidet sich dafür, dass dieser bestimmte Sachverständige die Arbeit nicht fortführen soll oder kann.

Für das laufende selbstständige Beweisverfahren hat dies grundsätzlich zur Folge, dass ein neuer Sachverständiger bestellt wird. Das Gericht wählt eine andere Person aus, die die notwendige Expertise hat, um die im Verfahren gestellten Fragen zu beantworten und das Gutachten zu erstellen.

Diese Neubestellung führt in der Regel zu einer Verzögerung des Verfahrens. Der neue Sachverständige muss sich zunächst in den Fall einarbeiten, möglicherweise weitere Unterlagen sichten und Termine abstimmen, bevor er mit seiner Arbeit beginnen kann.

Was die Kosten betrifft, so ist die Situation komplex. Grundsätzlich hat die Partei, die das selbstständige Beweisverfahren beantragt hat, die Kosten für den neuen Sachverständigen zunächst erneut zu tragen. Das Gesetz sieht vor, dass die Kosten für ein Sachverständigengutachten vom Antragsteller des Beweisverfahrens vorläufig zu verauslagen sind. Dies gilt dann auch für die Kosten des neu bestellten Sachverständigen. Wie die Kosten letztendlich im Falle eines späteren Gerichtsverfahrens verteilt werden, hängt vom Ausgang dieses Hauptverfahrens ab.

Für Sie als Betroffener bedeutet die Entpflichtung des Sachverständigen also meist, dass das Verfahren länger dauert und weitere Kosten zunächst anfallen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Selbständiges Beweisverfahren

Ein selbständiges Beweisverfahren ist ein eigenständiges gerichtliches Verfahren, das vor dem eigentlichen Hauptprozess stattfindet. Es dient dazu, wichtige Tatsachen oder Zustände gerichtlich zu sichern, die sich später verändern oder verloren gehen könnten, wie etwa Baumängel oder Schäden an einer Sache. In diesem Verfahren wird oft ein unabhängiger Sachverständiger bestellt, der den Sachverhalt fachlich untersucht und ein Gutachten erstellt, das später als Beweis dienen kann. Es ist also eine vorbeugende Beweissicherung, um Klarheit für einen möglichen späteren Rechtsstreit zu schaffen.

Beispiel: Wenn in einem Mietshaus ein Wasserleck festgestellt wird, könnte der Mieter ein selbständiges Beweisverfahren beantragen, um den aktuellen Wasserschaden dokumentieren zu lassen, bevor die Ursache später verändert oder beseitigt wird.


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Entpflichtung eines Sachverständigen

Die Entpflichtung eines Sachverständigen bedeutet, dass das Gericht diesen von seiner Aufgabe, ein Gutachten zu erstellen, entbindet und seine Bestellung aufhebt. Dies geschieht nur aus wichtigen, schwerwiegenden Gründen, etwa wenn der Sachverständige erheblich gegen seine Pflichten verstößt, das Gutachten gravierende Mängel aufweist oder Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen. Die rechtliche Grundlage hierfür liegt insbesondere in § 412 ZPO. Eine Entpflichtung führt häufig zur Bestellung eines neuen Sachverständigen, was das Verfahren verlängern kann.

Beispiel: Wenn ein Sachverständiger ein Gutachten vorlegt, das viele Widersprüche enthält und methodisch unsauber ist, kann das Gericht ihn von der Gutachtenerstellung entbinden und einen anderen Gutachter bestellen.


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Beregnungsversuch

Ein Beregnungsversuch ist ein technischer Test, bei dem ein Dach oder eine Baukonstruktion künstlich „beregnet“ wird, um Undichtigkeiten oder Feuchtigkeitseintritte sichtbar zu machen. Dieser Versuch dient im Beweisverfahren dazu, tatsächliche Wasserschäden oder deren Ursachen nachzuweisen, da eine bloße Sichtprüfung oft nicht ausreicht. Die Durchführung des Beregnungsversuchs kann vom Gericht angeordnet werden, um eine eindeutige Beweislage zu schaffen und Streitigkeiten über die Ursache von Feuchtigkeitsschäden aufzuklären.

Beispiel: Um festzustellen, ob Regenwasser durch das Dach eindringt, spritzt ein Sachverständiger Wasser auf die Dachfläche und beobachtet, ob und wo Feuchtigkeit ins Gebäudeinnere gelangt.


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Mangelhaftes Sachverständigengutachten

Ein Sachverständigengutachten gilt als mangelhaft, wenn nicht den Anforderungen an Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit, Objektivität und fachliche Fundierung entspricht. Das kann der Fall sein, wenn das Gutachten widersprüchliche Aussagen enthält, auf falschen Tatsachengrundlagen beruht, wichtige Untersuchungen fehlen oder die Methodik unzureichend ist. Ein mangelhaftes Gutachten ist für das Gericht nicht verwertbar und kann zur Neubegutachtung durch einen anderen Sachverständigen führen (§ 412 Abs. 1 ZPO). Die Qualität des Gutachtens ist entscheidend für eine faire und sachgerechte gerichtliche Entscheidung.

Beispiel: Wenn ein Gutachten unterschiedliche Zahlen zur Dachneigung nennt und keine schlüssige Begründung dafür liefert, wird es als mangelhaft angesehen.


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Unparteilichkeit des Sachverständigen

Unparteilichkeit bedeutet, dass der Sachverständige in seiner Tätigkeit neutral und unabhängig agiert, ohne eine Partei zu bevorzugen oder ihre Interessen zu vertreten. Er darf seine Gutachten nur anhand der Fakten und seines Fachwissens erstellen und muss sich von äußeren Einflüssen frei halten. Zweifel an der Unparteilichkeit sind ein wichtiger Entpflichtungsgrund (§ 412 ZPO), wenn beispielsweise auffällige Befangenheit oder Interessenkonflikte vorliegen. Die Neutralität gewährleistet, dass das Gericht sich auf das Gutachten als objektive Entscheidungsgrundlage verlassen kann.

Beispiel: Wenn ein Gutachter gleichzeitig für eine Partei tätig ist oder seine Befunde durch persönliche Bindungen beeinflusst sind, wird seine Unparteilichkeit infrage gestellt.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO): Regelt die Möglichkeit, ein neues Gutachten anzuordnen, wenn das bestehende als ungenügend oder mangelhaft eingeschätzt wird. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen das Gutachten unvollständig, widersprüchlich oder nicht nachvollziehbar ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stützte seine Entscheidung auf diese Norm, da das vorliegende Gutachten als unbrauchbar eingestuft wurde und eine erneute Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen notwendig erschien.
  • § 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO): Ermöglicht die Anhörung des Sachverständigen zur Erläuterung seines Gutachtens, bevor ein neues Gutachten in Auftrag gegeben wird. Dies gibt dem Gericht die Möglichkeit, Unklarheiten zu beseitigen oder das Gutachten besser zu verstehen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Trotz der Anhörung und mehrerer Nachfragen des Gerichts blieben die Mängel und Widersprüche bestehen, weshalb eine mündliche Erläuterung nicht ausreichte.
  • § 485 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO): Enthält Vorschriften zur Entpflichtung von Sachverständigen durch das Gericht und die Bestellung neuer Sachverständiger, insbesondere wenn der Sachverständige seine Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat den Sachverständigen entpflichtet und einen neuen bestellt, da die bisherigen Gutachten mangelhaft und das Verhalten des Sachverständigen problematisch war.
  • Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), §§ 4 Abs. 1 und 8a Abs. 2: Regelt die Vergütung und Rückforderung von Zahlungen an Sachverständige sowie die Bedingungen für die Erstattung bei unzureichender Leistung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht prüft die Rückforderung bereits gezahlter Honorare des Sachverständigen aufgrund der mangelhaften Leistung nach diesen Vorschriften.
  • Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG), § 2 Abs. 2 und 4: Bestimmt Fristen und Verjährungsregelungen für Ansprüche auf Vergütungen und Rückforderungen im Rahmen von Gerichts- und Sachverständigenkosten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Regelungen sind für die Entscheidungsfindung über die mögliche Rückforderung der vergüteten Honorare relevant.
  • Grundsätze der Sachverständigenbegutachtung im Zivilprozess: Fordern nachvollziehbare, vollständige und wissenschaftlich fundierte Gutachten, die den materiellen und formalen Anforderungen entsprechen und das Gericht bei der Entscheidungsfindung verlässlich unterstützen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die unzureichende Methodik (z. B. Einsatz von Google Maps zur Dachflächenmessung) und die widersprüchlichen Feststellungen widersprechen diesen Grundsätzen und führten zur Unbrauchbarkeit des Gutachtens.

Das vorliegende Urteil


LG Hagen – Az.: 6 OH 3/17 – Beschluss vom 12.09.2024


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