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Selbständiges Beweisverfahren – Kostengrundentscheidung

OLG Nürnberg – Az.: 8 W 3833/21 – Beschluss vom 03.11.2021

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 22.09.2021, Az. 31 OH 98/20, aufgehoben.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über eine Kostengrundentscheidung im Zusammenhang mit einem selbständigen Beweisverfahren, das vor dem Landgericht Regensburg durchgeführt werden sollte.

Der Verfahrensantrag vom 17.12.2020 wurde mit Beschluss des Landgerichts vom 09.02.2021 abgelehnt, weil der Antragsteller ein rechtliches Interesse gem. § 485 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt habe (Bl. 28 ff. d.A.). Eine Kostenentscheidung erging in diesem Beschluss, gegen den kein Rechtsmittel eingelegt worden ist, nicht.

In der Folge hat das Landgericht zunächst lediglich den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren festgesetzt (Bl. 38 d.A.) und diese Festsetzung nach Einwendungen der Antragsgegnerin geändert. Die hiergegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos (Senatsbeschluss vom 19.05.2021 – 8 W 1518/21, JurBüro 2021, 371).

Einen Antrag, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wies das Landgericht mit Beschluss vom 30.04.2021 zurück, weil eine solche Kostenentscheidung in der gegebenen Konstellation nicht möglich sei (Bl. 66 ff. d.A.). Der Beweiserhebungsantrag sei weder als unzulässig zurückgewiesen noch zurückgenommen worden.

Daraufhin stellte die Antragsgegnerin den Antrag, eine Frist zur Klageerhebung nach § 494a Abs. 1 ZPO zu setzen (Bl. 76 d.A.), was das Landgericht mit Beschluss vom 14.05.2021 anordnete (Bl. 85/86 d.A.). Nachdem eine solche Hauptsacheklage des Antragstellers nicht erhoben worden ist und die Antragsgegnerin einen entsprechenden Antrag gestellt hatte (Bl. 92 d.A.), hat das Landgericht dem Antragssteller mit weiterem Beschluss vom 22.09.2021 die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt (Bl. 99 ff. d.A.). Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Entscheidung auf § 494a Abs. 2 ZPO beruhe.

Der Beschluss wurde den Antragstellervertretern am 01.10.2021 zugestellt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde ging am 15.10.2021 beim Landgericht ein (Bl. 105 ff. d.A.).

Diesem Rechtsmittel hat das Landgericht mit Beschluss vom 18.10.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 108/109 d.A.).

Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 02.11.2021 geäußert (Bl. 114 d.A.).

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft gemäß §§ 494a Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Sie wurde darüber hinaus form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO). Der gemäß § 567 Abs. 2 ZPO maßgebliche Beschwerdewert ist überschritten. Über das Rechtsmittel entscheidet der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter (§ 568 Satz 1 ZPO).

2.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Die Handhabung des Problemfeldes „Kostengrundentscheidung“ durch das Landgericht erweist sich in mehrfacher Hinsicht als verfahrensfehlerhaft. Sie stellt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des kostenrechtlichen Veranlasserprinzips als im Ergebnis richtig dar.

a)

Das Landgericht hatte den Verfahrensantrag nach § 485 Abs. 2 ZPO rechtskräftig zurückgewiesen. Dies geschah wegen fehlender Zulässigkeit des Antrags. Denn das dem Antragsteller im Beschluss vom 09.02.2021 abgesprochene rechtliche Interesse betrifft eine Frage der Zulässigkeit (§ 487 Nr. 4 ZPO; vgl. MüKo-ZPO/Schreiber, 6. Aufl., § 487 Rn. 6; Hk-ZPO/Kießling, 9. Aufl., § 487 Rn. 8). Demgemäß hätte das Landgericht von Amts wegen eine Kostenentscheidung treffen und dem Antragsteller in entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegen müssen (vgl. OLG Karlsruhe, NJOZ 2001, 698; OLG Braunschweig, BauR 1993, 122; Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 3. Aufl., Rn. 958 m.w.N.). Insofern wird der Grundsatz, dass im selbstständigen Beweisverfahren keine isolierte Kostenentscheidung zu erfolgen hat, durchbrochen. Denn es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass dem mit einem unzulässigen Verfahren überzogenen Gegner eine Kostenentscheidung analog § 91 Abs. 1 ZPO zu versagen wäre.

Eine solche ist hier jedoch zunächst unterblieben. Daher wäre die Kostenentscheidung analog § 321 Abs. 1 ZPO auf Antrag nachzuholen und der Beschluss vom 09.02.2021 entsprechend zu ergänzen gewesen (vgl. OLG Bremen, BeckRS 2003, 30327990; OLG Celle, NJW-RR 2010, 1676). Dieser Antrag ist hier zwar seitens der Antragsgegnerin gestellt worden, jedoch nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung (§ 321 Abs. 2 ZPO). Diese Frist galt auch im vorliegenden Fall und begann mit dem formlosen Zugang des Beschlusses (vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2018 – II ZB 21/16, NJW-RR 2019, 509 Rn. 18 f.; OLG Koblenz, BeckRS 2016, 13836 Rn. 12 ff.; OLG Jena, BeckRS 2011, 6699). Ein Zustellungserfordernis nach § 329 Abs. 3 ZPO bestand gegenüber der Antragsgegnerin nicht, weil für diese keine Beschwerdemöglichkeit bestand. Der Beschluss wurde am 10.02.2021 formlos an die Antragstellervertreter versandt und hatte diese spätestens am 15.02.2021 erreicht. Der Kostenantrag ist hingegen erst am 19.03.2021 beim Landgericht eingegangen.

Das Landgericht hat den Antrag daher letztlich zu Recht mit Beschluss vom 30.04.2021 zurückgewiesen, wenn auch mit der rechtsfehlerhaften Begründung, dass in der vorliegenden Verfahrenskonstellation keine Kostenentscheidung möglich sei.

Abgesehen davon ist der Beschluss vom 30.04.2021 – also die Ablehnung einer (nachgeholten) Kostengrundentscheidung – nicht angefochten worden. Eine solche Anfechtung mit der sofortigen Beschwerde wäre statthaft gewesen (§ 569 Abs. 1 Nr. 2 ZPO; vgl. OLG Naumburg, BeckRS 2010, 23744).

b)

Für ein Verfahren nach § 494a ZPO war im vorliegenden Fall kein Raum.

Nach dem klaren Wortlaut des § 494a Abs. 1 ZPO kann eine Anordnung der Klageerhebung auf Antrag nur „nach Beendigung der Beweiserhebung“ erfolgen, d.h. nach der vollständigen sachlichen Erledigung der Beweisaufnahme. Für den Erlass einer Kostenentscheidung zugunsten der Antragsgegnerin nach § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt Entsprechendes (vgl. BGH, Beschluss vom 14.12.2016 – VII ZB 29/16, NJW 2017, 1399 Rn. 24). Demgemäß ist Voraussetzung, dass jedenfalls irgendein Beweis erhoben wurde. Ohne jedes Beweisergebnis steht das Verfahren nach § 494a ZPO nicht offen (vgl. OLG München, NJW-RR 2001, 1580; BeckOK-ZPO/Kratz, § 494a Rn. 1 [Stand: 01.09.2021]). So liegen die Dinge auch im Streitfall, nachdem der Beweisantrag als unzulässig zurückgewiesen worden ist und das Verfahren damit beendet war.

Eine analoge Anwendung des § 494a ZPO kam hier von vornherein nicht in Betracht, da es an einer Regelungslücke fehlt und es sich darüber hinaus um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.08.2007 – VII ZB 79/06, NJW-RR 2008, 330 Rn. 9 m.w.N.). Namentlich kann eine solche entsprechende Anwendung nicht dazu dienen, eine Kostenentscheidung nach Ablauf der in § 321 Abs. 2 ZPO geregelten Frist nachzuholen (vgl. OLG Bremen, aaO.). Dies gilt schon deshalb, weil der nach § 494a Abs. 2 ZPO ergehende Ausspruch nur vorläufiger Natur ist und auch nach verspäteter Klageerhebung durch eine abweichende Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren ersetzt werden könnte (vgl. OLG München, Rpfleger 2021, 377; Jäckel, MDR 2021, 465 Rn. 50 m.w.N.). Bei einer abschließenden Entscheidung analog § 91 Abs. 1 ZPO ist dies hingegen nicht der Fall.

c)

Aus diesem Grunde ist es dem Senat auch nicht möglich, die Begründung der Kostenentscheidung – also die maßgebliche Vorschrift – auszutauschen und den angefochtenen Beschluss damit zumindest in seiner Entscheidungsformel aufrechtzuerhalten. Zwar hatte im vorliegenden Fall entsprechend § 308 Abs. 2 ZPO von Amts wegen eine Kostenentscheidung zu erfolgen. Diese lässt sich jedoch nicht mehr korrigieren bzw. mit der „richtigen“ Rechtsgrundlage versehen, wenn die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht (mehr) vorliegen. Es ist von den Parteien somit hinzunehmen, dass das vor dem Landgericht durchgeführte Verfahren ohne Kostengrundentscheidung bleibt. Etwaige materiell-rechtliche Kostenerstattungsansprüche bleiben unberührt.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, nachdem das Rechtsmittel erfolgreich ist.

Eine amtswegige Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren ist nicht veranlasst, da keine Gerichtsgebühren erhoben werden.

3.

Die Voraussetzungen einer Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO).

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