AG Halle (Saale)
Az.: 93 C 1744/12
Urteil vom 14.03.2013
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.246,49 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schadensersatz für die Beschädigung einer Waschanlage.
Die Klägerin betreibt eine Tankstelle in der … Straße … in …, wobei sich auf dem Gelände der Tankstelle auch eine im Eigentum der Klägerin stehende Portalwaschanlage befindet. Diese Waschanlage funktioniert so, dass man zunächst an der Kasse einen Beleg kauft und diesen dann an der Waschanlage in einen Automaten steckt. Sodann fährt man selbstständig und ohne Einweisung durch einen Mitarbeiter in die Waschanlage. Eine Ampel zeigt durch Rotlicht an, ob man weit genug vorgefahren ist. Wenn das Rotlicht blinkt, ist man zu weit vorgefahren und muss zurückfahren. Nicht wird hingegen angezeigt, ob man auch seitlich richtig steht. In der Waschanlage befindet sich eine Tafel, auf der die Bedienung der Waschanlage erläutert wird und unter anderem steht: „3. Fahrzeug zwischen den inneren Begrenzungsschienen mittig vorfahren bis durch Ampel oder LED-Display >ROT< bzw. >STOP< angezeigt wird (bei blinkendem „ROT“/„ZURÜCK“ bitte zurücksetzen)“.
Am 31. März 2011 fuhr der Beklagte zu 2. mit dem bei der Beklagten zu 3. pflichtversicherten PKW Volvo, amtliches Kennzeichen …, der Beklagten zu 1. in die Waschanlage der Klägerin. Der Beklagte zu 2. fuhr in die Waschanlage, stellte den Motor des Fahrzeuges aus und stieg aus seinem Fahrzeug aus. Nach einiger Zeit bemerkte er, dass sein Fahrzeug nicht gewaschen worden war. Er wendete sich an die Verkäuferin S. R.. Die Waschanlage war beschädigt.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin Reparaturkosten netto für die Reparatur der Waschanlage in Höhe von 1.216,49 €. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kostenvoranschlag Bl. 8 – 9 d. A. verwiesen. Zudem verlangt die Klägerin eine Kostenpauschale von 30,00 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 156,50 €.
Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 2. mit seinem Fahrzeug schräg in die Waschanlage gefahren sei. Das rechte Hinterrad des Fahrzeuges habe auf der rechten Führungsschiene gestanden. Deshalb sei die Radwaschbürste des Waschportals mit dem Fahrzeug kollidiert, wodurch die Motorwelle des Radwaschantriebes verbogen worden sei. Deshalb habe der Motorschutzschalter des Fahrwerks des Waschportals ausgelöst. Die Klägerin behauptet, dass die Waschanlage zum Schadenszeitpunkt den gültigen Richtlinien für Fahrzeugwaschanlagen entsprochen habe.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Waschanlage nicht so konstruiert sein müsse, dass sie jede falsche Benutzung selbstständig erkennt. Vielmehr dürfe sie darauf vertrauen, dass Kunden die vom Betreiber erteilten Hinweise beachten. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten aus Betriebsgefahr gemäß §§ 7, 18 StVG haften. Auch wenn der Motor des Fahrzeuges bereits ausgestellt war, bestehe durch das nur mit Motorkraft mögliche fehlerhafte Abstellen des Kraftfahrzeuges in der Waschanlage die durch den Betrieb geschaffene Waschanlage fort.
Die Klägerin beantragt,
1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.246,49 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 4. Juni 2011 zu zahlen.
2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 156,50 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass der Beklagte zu 2. mit dem rechten Hinterrad auf die rechte Führungsschiene gefahren ist, auch wenn der Beklagte zu 2. es in der mündlichen Verhandlung für möglich gehalten hat, dass er „ein kleines bisschen schräg drauf gefahren“ ist.
Die Beklagte sind der Ansicht, dass die Waschanlage so konstruiert sein müsse, dass sie eine Falschbedienung selbstständig erkennt. Nachdem dem Beklagten zu 2. – unstreitig – nicht angezeigt wurde, dass sein Fahrzeug falsch abgestellt ist, habe er darauf vertrauen dürfen, dass das Fahrzeug richtig abgestellt ist. Im übrigen entfalle eine Haftung aus Betriebsgefahr schon deshalb, weil sich das Fahrzeug – ebenfalls unstreitig – im ruhenden Verkehr befand und der Beklagte zu 2. keine Einwirkungsmöglichkeit auf das Fahrzeug mehr gehabt habe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2013 verwiesen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der streitgegenständliche Waschanlage und im Zusammenhang hiermit der Vernehmung der Zeugin S. R.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2013 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zwar stand dass von dem Beklagten zu 2. geführte Fahrzeug tatsächlich mit dem rechten Hinterrad auf der rechten Führungsschiene der Waschanlage. Dies hat die glaubwürdige Zeugin R. bekundet. Die Aussage ist glaubhaft, denn sie passt zu dem übrigen Geschehensablauf: Es ist nicht zu erkennen, warum sonst wenn nicht wegen der fehlerhaften Positionierung des Fahrzeuges die Waschanlage zum Stillstand kam und danach beschädigt war. Im übrigen ist bei der Zeugin R. ein Grund für eine Falschaussage nicht zu erkennen.
Dies begründet aber keine Haftung der Beklagten.
Zunächst kommt kein Anspruch aus § 7 StVG in Betracht.
§ 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass der Schaden beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges entsteht. Unstreitig befand sich das Fahrzeug des Beklagten zu 2. beim Schadenseintritt nicht mehr in Betrieb.
Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ ist allerdings nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den KFZ-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem KFZ ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das KFZ mitgeprägt worden ist. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines KFZ – erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeuges entstanden, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben. Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Erforderlich ist, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeuges zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat (BGH, Urteil vom 27. November 2007, Az. VI ZR 210/06, zitiert nach juris.)
Nach diesen Grundsätzen ist nach der vom BGH geforderten wertenden Betrachtung für die Annahme einer Gefährdungshaftung nach § 7 StVG vorliegend kein Raum. Es geht nicht um Geschehensabläufe, die durch den Kfz-Verkehr beeinflusst sind, sondern lediglich um die fehlerhafte Bedienung einer Selbstbedienungswaschanlage. § 7 StVG will Verkehrsteilnehmer schützen. Die Klägerin war aber keine Verkehrsteilnehmerin. Insoweit unterscheidet sich der Fall grundlegend von den Fällen, in denen ein verkehrsordnungswidrig abgeparktes Fahrzeug einen Verkehrsunfall (mit) verursacht. In diesen Fällen begründet der Parkvorgang, sofern er sich auf den Verkehr auswirken kann, ein Fortwirken der Betriebsgefahr auch nach Abstellen des Motors. Vorliegend aber besteht kein Zusammenhang zum Straßenverkehr mehr. Es geht nicht um den Betrieb des Fahrzeugs, sondern um den Betrieb der Waschanlage.
Das OLG Hamm hat in dem von der Klägerin selbst zitierten Urteil vom 12. April 2002 (Az. 12 U 170/01) in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG und damit einer etwaigen Gefährdungshaftung bereits nicht vorlagen, weil sich das Schadensereignis nicht „beim Betrieb des Kraftfahrzeugs“ ereignet hat, da das Fahrzeug ohne Motorkraft allein durch die Schlepprolle bewegt wurde. Dieser Vorgang lag, so das OLG Hamm, außerhalb der Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs, da das Fahrzeug lediglich als sich nicht von selbst bewegender Gegenstand durch die Waschstraße befördert wurde. Ob nun das Fahrzeug durch die Waschstraße gezogen wird oder ob die Waschanlage über das Fahrzeug hinwegfährt, macht insoweit aber keinen Unterschied. Vorliegend geht es zwar, anders als im Fall des OLG Hamm, auch um eine Fehlbedienung durch den Kunden, aber dies führt noch nicht zur Annahme einer Gefährdungshaftung.
Auch ein Anspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB entfällt. Es fehlt sowohl an einer Verletzungshandlung des Beklagten zu 2. als auch an dessen Verschulden. Dies ergibt sich aus den nach der Inaugenscheinnahme feststehenden und im übrigen auch auf den Lichtbildern Bl. 25 – 27 d. A. erkennbaren Verhältnissen der streitgegenständlichen Anlage: Die Führungsschienen haben nach ihrer Beschaffenheit ausschließlich die Funktion, die Waschanlage zu führen und ihr ein Hin- und Herfahren zu ermöglichen, nicht aber die Funktion, den Autofahrer in die richtige Position zu führen. Die Führungsschienen sind unscheinbar und nur wenige Zentimeter hoch und breit. Es kann gut sein, dass man es gar nicht bemerkt, wenn man mit einem Reifen auf eine solche Führungsschiene fährt. Normalerweise hat ein Autofahrer auch keine Veranlassung, nach dem Aussteigen noch einmal die Position seines Fahrzeuges zu überprüfen, zumal ja demnächst der Waschvorgang beginnt. Von einem „Einweisungsrohr“ und einem „Radführungsrohr“, wie es in der Klage heißt, kann keine Rede sein. Die Schienen sind klein und unscheinbar und nicht dazu geeignet und bestimmt, den Autofahrer einzuweisen. Der Beklagte zu 2. konnte daher durchaus noch davon ausgehen, dass er sein Fahrzeug „zwischen den inneren Begrenzungsschienen mittig“ abgestellt hat im Sinne der Nr. 3 der Bedienungsanleitung.
Im übrigen scheitern sämtliche denkbaren Ansprüche der Klägerin auch an einem überwiegenden Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB. Wie die Inaugenscheinnahme gezeigt hat und auch auf den Lichtbildern erkennbar ist, kann es sehr schnell und sehr leicht passieren, dass man sein Fahrzeug nicht ganz exakt abgestellt hat (dies vernebelt die Klägerin durch die Verwendung der irreführenden, die örtlichen Verhältnisse nicht zutreffenden charakterisierenden, Worte „Einweisungsrohr“ und „Radführungsrohr“). Daher müsste die Anlage eine Vorkehrung gegen eine derartige Fehlbedienung schaffen, entweder durch eine Einweisung durch das Personal, durch ein aufleuchtendes Signal oder dadurch, dass sie die Anlage selbst abschaltet, bevor ein Schaden eintritt (etwa durch eine Lichtschranke). Dies gilt umso mehr, als bereits eine geringfügige Fehlbedienung wie im vorliegenden Fall zu gravierenden Schäden führen kann. Es kann nicht sein, dass die Klägerin notwendige Sicherungsmaßnahmen unterlässt im Vertrauen darauf, dass ihr im Schadensfall in Gestalt einer Kfz-Haftpflichtversicherung ein solventer Schuldner zur Verfügung steht.
Aus der bereits erwähnten Entscheidung des OLG Hamm vom 12. April 2001 (Az. 12 U 170/01, zitiert nach juris) kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Dort ging es um Obhutspflichten des Waschanlagenbetreibers für Kundenfahrzeuge, während es vorliegend um Obhutsobliegenheiten für die eigene Waschanlage geht.
Bezüglich der Kostenpauschale ist die Klage schon unschlüssig. Abgesehen davon, dass das Gericht mit Billigung der 2. Zivilkammer des Landgerichts Halle eine Kostenpauschale regelmäßig nur in Höhe von 25,00 € zuspricht, kommt eine Zubilligung einer Kostenpauschale hier ohnehin nicht in Betracht. Die Kostenpauschale soll den Mehraufwand ausgleichen, der einem Verbraucher durch ein Schadensereignis entsteht, etwa durch Briefporto, Telefonkosten, Fahrtkosten, Zeitverlust etc. Bei der gewerblich tätigen Klägerin, die ein großes, deutschlandweit tätiges, Unternehmen betreibt, fällt dieses aber unter normale Büro- und Geschäftstätigkeit, die nicht gesondert abgerechnet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.