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Selbstständigen Beweisverfahren – Sachverständiger muss auf Antrag angehört werden

Ein Streit um überschwemmte Grundstücke und mangelhafte Entwässerungsanlagen in ### eskaliert vor Gericht. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Stadt für die Schäden verantwortlich ist und ob ein Gutachten, das dies klären soll, mündlich erläutert werden muss. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stärkt nun das Recht auf Anhörung von Sachverständigen und hebt einen anderslautenden Beschluss auf.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße muss eine mündliche Anhörung des Sachverständigen durchführen.
  • Streitpunkt war, ob die Antragsgegnerin Anspruch auf eine mündliche Anhörung im Beweisverfahren hat.
  • Antragstellerin beantragte ein Beweisverfahren wegen Mängeln bei Entwässerungsanlagen, die Überschwemmungen verursachten.
  • Amtsgericht verwies den Fall ans Verwaltungsgericht, das ein schriftliches Gutachten einholte.
  • Beide Parteien beantragten später eine mündliche Erörterung des Gutachtens.
  • Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab und erklärte das Beweisverfahren für abgeschlossen.
  • Das OVG Rheinland-Pfalz entschied, dass das Recht auf rechtliches Gehör eine mündliche Anhörung des Sachverständigen umfasst.
  • Gericht hat keinen Ermessensspielraum bei Anträgen auf mündliche Anhörung.
  • Mündliche Anhörung darf nicht durch ergänzende schriftliche Stellungnahmen ersetzt werden.
  • Entscheidung stärkt das Recht der Parteien auf umfassende Sachaufklärung durch mündliche Befragung.

Gerichtsurteil: Wann ist ein Selbstständiges Beweisverfahren zulässig?

Im deutschen Rechtssystem spielt der Beweis eine zentrale Rolle. Oftmals können die Parteien eines Rechtsstreits bestimmte Sachverhalte nicht selbst beweisen. In diesen Fällen kommen Sachverständige ins Spiel. Diese unabhängigen Experten unterstützen das Gericht bei der Klärung von Sachfragen, die spezielle Kenntnisse erfordern. Ein Sachverständiger untersucht den Sachverhalt und erstellt ein Gutachten, das dem Gericht bei seiner Entscheidung helfen soll. Doch wann hat eine Partei das Recht einen Sachverständigen zu beantragen? Und wie funktioniert das Verfahren?

Die Beiziehung eines Sachverständigen läuft in der Regel auf Antrag der Parteien ab. Ein Antrag stellt sicher, dass der Sachverständige nicht willkürlich eingesetzt wird und die jeweiligen Interessen der Parteien angemessen berücksichtigt werden. Der Richter ist jedoch nicht an den Antrag gebunden. Er kann auch von Amts wegen einen Sachverständigen beauftragen, wenn er dies zur Aufklärung des Sachverhalts für notwendig hält. Besonders relevant ist die Klärung dieser Beweisfrage im Zusammenhang mit dem sogenannten „Selbstständigen Beweisverfahren“, bei dem das Gericht bereits vor der mündlichen Verhandlung einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Streitgegenstands beauftragen kann.

Im Folgenden soll ein aktuelles Gerichtsurteil zur Frage des „Selbstständigen Beweisverfahrens“ und der Anhörung eines Sachverständigen vorgestellt werden.

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Der Fall vor Gericht


Anspruch auf mündliche Anhörung des Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren bestätigt

Der Fall dreht sich um einen Rechtsstreit zwischen einer Antragstellerin und einer Antragsgegnerin bezüglich möglicher Mängel an Entwässerungsanlagen und der Straßenentwässerung in der Stadt ###. Die Antragstellerin hatte ein selbstständiges Beweisverfahren beantragt, um durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen, ob diese Mängel für Überschwemmungen auf ihrem Grundstück verantwortlich sind.

Das Verfahren nahm seinen Anfang am 10. August 2020 mit einem Antrag der Antragstellerin beim Amtsgericht ###. Nach einer Verweisung an das zuständige Verwaltungsgericht wurde dem Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens am 1. März 2021 stattgegeben. Der beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. ### legte im Februar 2022 sein Gutachten vor. Darin kam er zu dem Schluss, dass die aufgetretenen Schäden am Grundstück der Antragstellerin tatsächlich auf einen mangelhaften Abfluss in einem Übergangsbereich zurückzuführen seien.

Kontroverse um Abschluss des Beweisverfahrens und Recht auf mündliche Erläuterung

Im Anschluss an das Gutachten entstand eine Kontroverse über den weiteren Verlauf des Verfahrens. Die Antragsgegnerin erhob Einwendungen gegen das Gutachten und beantragte mehrfach eine mündliche Erörterung mit dem Sachverständigen. Auch die Antragstellerin schloss sich diesem Antrag zunächst an. Das Verwaltungsgericht vertrat jedoch die Auffassung, das Beweisverfahren sei mit der Vorlage des Gutachtens abgeschlossen.

Trotz weiterer Einwände beider Parteien hielt das Gericht an seiner Position fest. Es forderte lediglich ergänzende Fragestellungen an, die der Sachverständige schriftlich beantwortete. Mit Beschluss vom 23. Dezember 2022 lehnte das Verwaltungsgericht schließlich den Antrag auf mündliche Erläuterung des Gutachtens ab und erklärte das selbstständige Beweisverfahren für beendet.

OVG Rheinland-Pfalz hebt Beschluss auf und stärkt Recht auf mündliche Anhörung

Gegen diesen Beschluss legte die Antragsgegnerin Beschwerde ein, der das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stattgab. In seiner Begründung betonte das OVG die fundamentale Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, der auch die Verpflichtung zur Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst.

Das Gericht stellte klar, dass es für die Frage der mündlichen Erläuterung nicht darauf ankommt, ob das Gericht selbst noch Erklärungsbedarf sieht. Entscheidend sei allein, dass ein Beteiligter dem Sachverständigen Bedenken vortragen und ihn um nähere Erläuterungen bitten möchte. Dabei müssen die konkreten Fragen nicht im Voraus formuliert werden. Es genügt, wenn der Beteiligte angibt, in welcher Richtung er durch seine Fragen eine weitere Aufklärung herbeiführen möchte.

Grenzen des Rechts auf mündliche Anhörung und weitere Verfahrensschritte

Das OVG betonte, dass das Recht auf mündliche Befragung des Sachverständigen nur durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs begrenzt wird. Im vorliegenden Fall sah das Gericht keinerlei Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch durch die Antragsgegnerin. Es wies darauf hin, dass die Antragsgegnerin die Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung trotz der bereits erfolgten schriftlichen Ergänzung des Gutachtens hinreichend dargelegt habe.

Das OVG hob den Beschluss des Verwaltungsgerichts auf und wies dieses an, eine mündliche Anhörung des Sachverständigen durchzuführen. Es übertrug dem Verwaltungsgericht die Ausführung dieser Entscheidung, einschließlich der Möglichkeit, die Durchführung des Anhörungstermins von der Anforderung eines Kostenvorschusses abhängig zu machen.

Mit dieser Entscheidung stärkt das OVG Rheinland-Pfalz die Rechte der Beteiligten in selbstständigen Beweisverfahren und unterstreicht die Bedeutung der mündlichen Anhörung von Sachverständigen als wesentlichen Bestandteil des rechtlichen Gehörs.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das OVG Rheinland-Pfalz bekräftigt den fundamentalen Anspruch auf rechtliches Gehör im selbstständigen Beweisverfahren. Es stellt klar, dass Beteiligte grundsätzlich das Recht haben, eine mündliche Anhörung des Sachverständigen zu beantragen, unabhängig davon, ob das Gericht weiteren Erklärungsbedarf sieht. Diese Entscheidung stärkt die Rechte der Verfahrensbeteiligten erheblich und unterstreicht die Bedeutung der umfassenden Sachverhaltsaufklärung in Gerichtsverfahren.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie sich in einem Rechtsstreit befinden, der ein Sachverständigengutachten erfordert, stärkt dieses Urteil Ihre Position erheblich. Sie haben nun das Recht, eine mündliche Anhörung des Sachverständigen zu beantragen, selbst wenn das Gericht dies zunächst für unnötig hält. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, Unklarheiten direkt anzusprechen und weitere Erläuterungen zu erhalten. Um dieses Recht wahrzunehmen, müssen Sie lediglich begründen, in welche Richtung Sie weitere Aufklärung wünschen – konkrete Fragen müssen Sie nicht vorab formulieren. Beachten Sie jedoch, dass Ihr Antrag nicht als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden darf. Diese Entscheidung ermöglicht Ihnen, aktiv am Verfahren teilzunehmen und sicherzustellen, dass alle Ihre Bedenken angemessen berücksichtigt werden.


FAQ – Häufige Fragen

Als Sachverständiger spielen Sie eine wichtige Rolle im Gerichtsverfahren. Doch wie genau funktioniert das? Welche Rechte und Pflichten haben Sie als Sachverständiger? Diese und weitere Fragen rund um das Thema Rolle und Rechte des Sachverständigen im Gerichtsverfahren beantworten wir in unseren FAQs. Informieren Sie sich jetzt und verschaffen Sie sich einen umfassenden Überblick!


Wie kann ich einen Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren beantragen?

Um einen Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren zu beantragen, sind mehrere Schritte erforderlich. Zunächst muss ein schriftlicher Antrag beim zuständigen Gericht eingereicht werden. Das rechtliche Interesse an der Durchführung des Verfahrens muss dabei dargelegt werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Feststellung des Zustands einer Sache, die Ursache eines Schadens oder der Aufwand für dessen Beseitigung geklärt werden soll.

Der Antrag sollte präzise formulieren, welche Fragen der Sachverständige beantworten soll. Es ist ratsam, die Beweisfragen so konkret wie möglich zu formulieren, um später verwertbare Ergebnisse zu erhalten. Dabei ist es wichtig, dass die Fragen sich auf Tatsachen beziehen und nicht auf rechtliche Bewertungen abzielen.

Im Antrag muss auch der Antragsgegner benannt werden. Dies ist in der Regel die Partei, gegen die sich ein möglicher späterer Anspruch richten würde. Das Gericht wird den Antragsgegner über das Verfahren in Kenntnis setzen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Beantragung eines Sachverständigen ist die Darlegung des rechtlichen Interesses. Dieses ist gegeben, wenn die beweisliche Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Selbst wenn der Antragsgegner eine gütliche Streitbeilegung bereits abgelehnt hat, kann ein selbstständiges Beweisverfahren noch zur Vermeidung eines Rechtsstreits beitragen.

Nach Eingang des Antrags prüft das Gericht dessen Zulässigkeit. Wird der Antrag bewilligt, bestellt das Gericht einen geeigneten Sachverständigen. Dieser ist dann verpflichtet, ein Gutachten zu den im Antrag gestellten Beweisfragen zu erstellen.

Es ist zu beachten, dass der Antragsteller das Kostenrisiko trägt. Die Kosten für das Verfahren und den Sachverständigen müssen zunächst vom Antragsteller getragen werden. Eine spätere Erstattung durch den Antragsgegner ist möglich, wenn sich die Beweiserhebung als berechtigt erweist.

Nach Erstellung des Gutachtens haben beide Parteien die Möglichkeit, Ergänzungsfragen zu stellen oder ein Ergänzungsgutachten zu beantragen. Dies dient dazu, neu aufgekommene Sachverhalte zu klären oder bestimmte Aspekte detaillierter zu untersuchen.

Das selbstständige Beweisverfahren endet, wenn die Ergebnisse beiden Parteien vorliegen. Auf Basis des Gutachtens können dann weitere Schritte wie Vergleiche, Nachbesserungen oder gegebenenfalls eine Klageerhebung erfolgen.

Es ist wichtig zu wissen, dass ein selbstständiges Beweisverfahren die Verjährung hemmt. Dies gilt nach aktueller Rechtsprechung für alle Ansprüche, die mit dem Verfahren in Zusammenhang stehen, unabhängig davon, ob ein oder mehrere Mängel untersucht wurden.

Bei der Beantragung eines Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren ist sorgfältiges Vorgehen geboten. Die korrekte Formulierung des Antrags und der Beweisfragen sowie die überzeugende Darlegung des rechtlichen Interesses sind entscheidend für den Erfolg des Verfahrens.

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Welche Rechte habe ich im Hinblick auf die Auswahl des Sachverständigen?

Die Auswahl des Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren obliegt grundsätzlich dem Gericht. Dies ist in § 404 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) festgelegt. Dennoch haben die Parteien verschiedene Möglichkeiten, auf die Auswahl Einfluss zu nehmen oder ihre Rechte diesbezüglich geltend zu machen.

Das Gericht kann die Parteien vor der Ernennung des Sachverständigen anhören. Diese Möglichkeit ist in § 404 Abs. 2 ZPO verankert und stärkt die Beteiligungsrechte der Parteien. Hierdurch können die Parteien ihre Ansichten zur Auswahl des Sachverständigen äußern und gegebenenfalls Vorschläge unterbreiten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die endgültige Entscheidung beim Gericht verbleibt.

Eine weitere Option für die Parteien besteht darin, dass das Gericht sie gemäß § 404 Abs. 4 ZPO auffordern kann, geeignete Personen für die Rolle des Sachverständigen zu benennen. Dies bietet den Parteien die Gelegenheit, Sachverständige vorzuschlagen, die sie für besonders qualifiziert halten. Allerdings ist zu beachten, dass auch hier das Gericht nicht an diese Vorschläge gebunden ist.

Ein wichtiges Recht der Parteien ist die Möglichkeit, einen Sachverständigen abzulehnen. Dies kann erfolgen, wenn Gründe vorliegen, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Sachkunde des Sachverständigen aufkommen lassen. Die Ablehnung muss jedoch gut begründet sein und kann nicht allein auf der Vermutung mangelnder Sachkunde basieren.

Im Kontext des selbstständigen Beweisverfahrens, welches oft in baurechtlichen Streitigkeiten Anwendung findet, haben die Parteien zwar keinen direkten Anspruch auf die Auswahl eines bestimmten Sachverständigen, können aber ihre Bedenken oder Präferenzen dem Gericht mitteilen. Das Gericht wird diese Eingaben in der Regel berücksichtigen, sofern sie sachlich begründet sind.

Es ist ratsam, bei der Kommunikation mit dem Gericht bezüglich der Sachverständigenauswahl stets sachlich und konstruktiv vorzugehen. Anstatt einen bestimmten Sachverständigen zu fordern, ist es oft zielführender, die spezifischen Anforderungen an die Sachkunde des Experten darzulegen. Dies ermöglicht dem Gericht, diese Aspekte bei der Auswahl zu berücksichtigen.

In der Praxis zeigt sich, dass Gerichte oft offen für begründete Vorschläge der Parteien sind, insbesondere wenn es um hochspezialisierte Fachgebiete geht. Die Parteien sollten daher ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Sachverständigenauswahl nutzen, dabei aber stets respektvoll gegenüber der richterlichen Entscheidungshoheit bleiben.

Es ist zu beachten, dass diese Rechte und Möglichkeiten darauf abzielen, ein faires Verfahren zu gewährleisten und die bestmögliche Expertise für den jeweiligen Fall sicherzustellen. Die aktive Beteiligung der Parteien an diesem Prozess kann wesentlich zur Qualität und Akzeptanz des Sachverständigengutachtens beitragen.

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Kann ich eine mündliche Anhörung des Sachverständigen verlangen und wie geht das?

Die Möglichkeit, eine mündliche Anhörung des Sachverständigen zu verlangen, ist ein grundlegendes Recht der Parteien im Gerichtsverfahren. Dieses Recht ist in den §§ 397 und 402 der Zivilprozessordnung (ZPO) verankert. Es ermöglicht den Parteien, dem Sachverständigen direkt Fragen zu stellen, die sie zur Aufklärung des Sachverhalts für erforderlich halten.

Um eine mündliche Anhörung des Sachverständigen zu erwirken, muss ein entsprechender Antrag beim Gericht gestellt werden. Dieser Antrag sollte rechtzeitig erfolgen, idealerweise nachdem das schriftliche Gutachten vorliegt und die Parteien die Möglichkeit hatten, dieses zu prüfen. Es ist ratsam, im Antrag konkret darzulegen, welche Aspekte des Gutachtens erläuterungsbedürftig sind oder zu welchen Punkten zusätzliche Fragen bestehen.

Das Gericht ist grundsätzlich verpflichtet, einem solchen Antrag stattzugeben. Eine Ablehnung ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa wenn der Antrag offensichtlich rechtsmissbräuchlich gestellt wurde oder wenn er zu spät eingereicht wurde. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat wiederholt betont, dass es für die Gewährung des Antrags nicht darauf ankommt, ob das Gericht selbst noch Erläuterungsbedarf sieht.

Die mündliche Anhörung des Sachverständigen dient nicht nur der Klärung offener Fragen, sondern ist auch ein wichtiger Bestandteil des rechtlichen Gehörs. Sie gibt den Parteien die Möglichkeit, unmittelbar auf die Ausführungen des Sachverständigen zu reagieren und gegebenenfalls Widersprüche oder Unklarheiten aufzudecken.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Anhörung des Sachverständigen in der Regel im Rahmen einer mündlichen Verhandlung stattfindet. Hier können die Parteien ihre Fragen direkt an den Sachverständigen richten. Das Gericht protokolliert die Aussagen des Sachverständigen, wobei es unzulässig ist, dem Sachverständigen selbst die Protokollierung zu überlassen.

Sollte das Gericht einen Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen ablehnen, kann dies einen wesentlichen Verfahrensmangel darstellen. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit, diesen Mangel im Rahmen eines Rechtsmittels, wie etwa einer Berufung, geltend zu machen.

Die Bedeutung der mündlichen Anhörung des Sachverständigen wird durch die aktuelle Rechtsprechung unterstrichen. Sie stellt sicher, dass alle relevanten Aspekte des Gutachtens beleuchtet werden und trägt somit wesentlich zur Wahrheitsfindung im Gerichtsverfahren bei.

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Was kann ich tun, wenn das Gericht eine mündliche Anhörung des Sachverständigen ablehnt?

Die Ablehnung einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen durch das Gericht kann für Prozessbeteiligte frustrierend sein. Es gibt jedoch rechtliche Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.

Grundsätzlich haben Parteien nach §§ 397, 402 ZPO einen Anspruch darauf, dem Sachverständigen in einer mündlichen Anhörung Fragen zu stellen, die sie zur Aufklärung der Sache für wesentlich erachten. Dieses Recht besteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO und dient der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs.

Lehnt das Gericht einen Antrag auf mündliche Anhörung ab, kann dies einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellen. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 6.3.2019 (Az. VII ZR 303/16) klargestellt, dass Gerichte Sachverständige in einer mündlichen Verhandlung anhören müssen, wenn eine Partei dies beantragt. Dies gebietet das Verfassungsrecht des rechtlichen Gehörs.

Bei Ablehnung des Antrags auf mündliche Anhörung sollte zunächst Beschwerde beim zuständigen Gericht eingelegt werden. Dabei ist es wichtig, die Gründe für die Notwendigkeit der Anhörung detailliert darzulegen und auf die oben genannte Rechtsprechung zu verweisen.

Bleibt die Beschwerde erfolglos, kann die Ablehnung der mündlichen Anhörung als Verfahrensfehler in der nächsten Instanz gerügt werden. Der BGH hat in der genannten Entscheidung festgestellt, dass ein solcher Verfahrensverstoß die Entscheidung des Gerichts beeinflussen kann, da nicht auszuschließen ist, dass das Gericht nach einer Anhörung des Sachverständigen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

In besonders schwerwiegenden Fällen, in denen die Ablehnung der mündlichen Anhörung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Rechte einer Partei führt, kann auch eine Verfassungsbeschwerde in Betracht kommen. Hierbei muss jedoch der Rechtsweg ausgeschöpft sein und die hohen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde müssen erfüllt werden.

Es ist zu beachten, dass das Recht auf mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht grenzenlos ist. Es steht unter dem Vorbehalt des Verbots des Rechtsmissbrauchs. Ist der Antrag rechtsmissbräuchlich oder verspätet, kann das Gericht ihn ablehnen. Die Grenze zum Rechtsmissbrauch ist jedoch hoch angesetzt.

Alternativ zur mündlichen Anhörung kann das Gericht den Sachverständigen um eine schriftliche Ergänzung seines Gutachtens bitten oder ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen einholen. Diese Alternativen ersetzen jedoch nicht das Recht der Partei auf mündliche Befragung des Sachverständigen.

Bei der Durchsetzung des Rechts auf mündliche Anhörung ist es ratsam, die Argumente sorgfältig vorzubereiten und die Relevanz der zu stellenden Fragen für die Sachaufklärung deutlich zu machen. Ein gut begründeter Antrag erhöht die Chancen, dass das Gericht eine mündliche Anhörung anordnet oder dass eine Ablehnung in der nächsten Instanz erfolgreich angefochten werden kann.

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Welche Kosten können im selbstständigen Beweisverfahren auf mich zukommen?

Im selbstständigen Beweisverfahren können verschiedene Kosten auf die beteiligten Parteien zukommen. Grundsätzlich fallen drei Hauptkostenarten an: Gerichtskosten, Anwaltskosten und Kosten für Sachverständige.

Die Gerichtskosten umfassen eine 1,0-Gerichtsgebühr nach dem Gerichtskostengesetz. Diese Gebühr deckt sämtliche Tätigkeiten des Gerichts ab und richtet sich nach dem Streitwert des Verfahrens. Je höher der Streitwert, desto höher fällt auch die Gerichtsgebühr aus.

Für die anwaltliche Vertretung entstehen Anwaltskosten. Diese richten sich ebenfalls nach dem Streitwert und werden nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berechnet. Im selbstständigen Beweisverfahren fällt in der Regel eine 1,3-fache Verfahrensgebühr an. Nimmt der Anwalt an einem Termin teil, etwa bei der Begutachtung durch einen Sachverständigen, kann zusätzlich eine Terminsgebühr entstehen.

Den größten Kostenfaktor stellen häufig die Kosten für Sachverständige dar. Diese setzen sich aus dem Honorar des Gutachters, Fahrtkosten, Auslagen für Hilfskräfte und sonstigen Nebenkosten zusammen. Die Höhe dieser Kosten variiert stark je nach Komplexität des Falles und dem erforderlichen Aufwand für die Begutachtung.

Wichtig zu wissen ist, dass der Antragsteller des selbstständigen Beweisverfahrens zunächst in Vorleistung treten muss. Das Gericht fordert in der Regel einen Kostenvorschuss an, der die Gerichtskosten und die voraussichtlichen Kosten für den Sachverständigen abdeckt. Dieser Vorschuss kann je nach Fall mehrere tausend Euro betragen.

Die endgültige Verteilung der Kosten erfolgt meist erst im anschließenden Hauptsacheverfahren. Kommt es zu keinem Hauptsacheverfahren, etwa weil sich die Parteien einigen, kann das Gericht auf Antrag eine gesonderte Kostenentscheidung treffen. Dabei gilt grundsätzlich: Wer im Ergebnis Recht bekommt, dem werden die Kosten erstattet.

In bestimmten Fällen können die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auch aufgeteilt werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Gutachten ergibt, dass beide Parteien teilweise Recht haben. Auch bei einem Vergleich wird häufig eine Kostenaufteilung vereinbart.

Es ist ratsam, die möglichen Kosten vor Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens sorgfältig abzuwägen. In manchen Fällen kann es günstiger sein, zunächst ein privates Gutachten einzuholen oder direkt Klage zu erheben. Die Entscheidung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und sollte unter Berücksichtigung der rechtlichen und finanziellen Risiken getroffen werden.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Sachverständiger: Ein Sachverständiger ist ein unabhängiger Experte, der in einem Gerichtsverfahren spezielle Kenntnisse zur Klärung von Sachfragen einbringt. Er erstellt ein Gutachten, das dem Gericht bei der Entscheidungsfindung hilft. Im vorliegenden Fall untersuchte der Sachverständige die Entwässerungsanlagen und deren Mängel.
  • Selbstständiges Beweisverfahren: Dies ist ein gerichtliches Verfahren, das dazu dient, Beweise zu sichern, bevor ein Hauptsacheverfahren beginnt. Es kann auf Antrag einer Partei durchgeführt werden. Im beschriebenen Fall wurde ein solches Verfahren genutzt, um die Ursache für Überschwemmungen zu klären.
  • Gutachten: Ein Gutachten ist ein schriftlicher Bericht, den ein Sachverständiger nach Untersuchung des Sachverhalts erstellt. Es enthält fachliche Einschätzungen und Schlussfolgerungen, die dem Gericht als Entscheidungsgrundlage dienen. Im Text legte der Sachverständige ein Gutachten über die Mängel an den Entwässerungsanlagen vor.
  • Rechtliches Gehör: Das Recht auf rechtliches Gehör bedeutet, dass jede Partei in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit haben muss, ihre Argumente und Beweise vorzubringen und angehört zu werden. Dies umfasst auch die Anhörung von Sachverständigen, wenn eine Partei dies beantragt.
  • Beschwerde: Eine Beschwerde ist ein Rechtsmittel, das gegen gerichtliche Entscheidungen eingelegt werden kann. Sie dient dazu, eine Überprüfung und mögliche Änderung der Entscheidung zu erwirken. Im vorliegenden Fall legte die Antragsgegnerin Beschwerde gegen die Ablehnung der mündlichen Anhörung ein.
  • Ermessensspielraum: Der Ermessensspielraum bezeichnet die Freiheit des Gerichts, in bestimmten Situationen nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Allerdings stellte das OVG klar, dass dieser Spielraum eingeschränkt ist, wenn eine Partei ausdrücklich eine mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 98 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung): Regelt die Beweisaufnahme im Verwaltungsgerichtsverfahren, einschließlich der Einholung von Sachverständigengutachten. Im vorliegenden Fall wurde § 98 VwGO i.V.m. §§ 402, 397 ZPO herangezogen, um den Anspruch auf mündliche Anhörung des Sachverständigen zu begründen.
  • Art. 103 Abs. 1 GG (Grundgesetz): Garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör, der auch im Verwaltungsgerichtsverfahren gilt. Das OVG Rheinland-Pfalz betonte, dass dieser Anspruch auch die Verpflichtung zur Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst.
  • §§ 402, 397 ZPO (Zivilprozessordnung): Diese Paragraphen regeln die mündliche Anhörung von Sachverständigen im Zivilprozess und finden im vorliegenden Fall aufgrund der Verweisung in § 98 VwGO Anwendung. Sie stellen klar, dass ein Beteiligter das Recht hat, einen Sachverständigen zu befragen, wenn er Bedenken gegen das Gutachten hat.
  • § 411 Abs. 3 ZPO (Zivilprozessordnung): Räumt dem Gericht Ermessensspielraum bei der Entscheidung über die Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung ein. Das OVG stellte jedoch klar, dass dieses Ermessen nicht gilt, wenn ein Beteiligter ausdrücklich eine mündliche Anhörung beantragt.
  • Verbot des Rechtsmissbrauchs: Eine allgemeine Rechtsgrundsatz, der auch im Zusammenhang mit der mündlichen Anhörung von Sachverständigen gilt. Das OVG betonte, dass das Recht auf Anhörung nur durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs begrenzt wird.

Das vorliegende Urteil

OVG Rheinland-Pfalz – Az.: 1 E 10048/23 – Beschluss vom 07.03.2023


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Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 23. Dezember 2022 wird aufgehoben. Das Verwaltungsgericht wird angewiesen, eine mündliche Anhörung des Sachverständigen durchzuführen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Antragsgegnerin einen Anspruch auf mündliche Anhörung des Sachverständigen in einem selbstständigen Beweisverfahren hat.

Mit Schreiben vom 10. August 2020 stellte die Antragstellerin bei dem Amtsgericht ### einen Antrag auf Durchführung eines Beweisverfahrens durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Gegenstand ist im Wesentlichen die Frage, ob bei den Entwässerungsanlagen sowie der Straßenentwässerung im ### in der Stadt ### Mängel vorliegen und diese für Überschwemmungen bzw. Übertritte im Bereich des Anwesens der Antragstellerin ursächlich sind.

Das Amtsgericht erklärte den Rechtsweg mit Beschluss vom 15. Oktober 2020 für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht. Dem Antrag gab das Verwaltungsgericht sodann mit Beschluss vom 1. März 2021 statt. Im Februar 2022 legte der Sachverständige Dipl.-Ing. ### seine gutachterliche Stellungnahme vor. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die in der Vergangenheit aufgetretenen Schäden am Grundstück der Antragstellerin auf einen unzureichenden Abfluss in einem Übergangsbereich zurückzuführen seien und dies als Mangel im Hinblick auf die Entwässerung gewertet werden müsse.

Die Antragsgegnerin machte daraufhin mit Schriftsatz vom 1. April 2022 Einwendungen geltend und beantragte, zu den von ihr gestellten Fragen eine mündliche Erörterung durchzuführen. Die Antragstellerin schloss sich mit Schreiben vom 5. Mai 2022 diesem Antrag an. Unter dem 10. Mai 2022 wiederholte die Antragsgegnerin ihr Begehren.

Mit ebenfalls auf den 10. Mai 2022 datierten Schreiben wies das Verwaltungsgericht die Beteiligten darauf hin, das Beweisverfahren sei mit dem unanfechtbaren Beschluss vom 1. März 2021 und dem Gutachten des Sachverständigen abgeschlossen.

Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin erhoben gegen diese Rechtsauffassung mit Schriftsätzen vom 12. Mai 2022 Einwände.

Daraufhin forderte das Verwaltungsgericht die Beteiligten mit Verfügung vom 7. Juni 2022 auf, ergänzende Fragestellungen einzureichen.

Die Antragstellerin formulierte mit Schreiben vom 24. Juni 2022 zehn weitere Fragen. Die Antragsgegnerin stellte unter dem 30. Juni 2022 nochmals fünf Fragen und beantragte, diese im Rahmen einer mündlichen Erörterung zu beantworten.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2022 beauftragte das Verwaltungsgericht den Sachverständigen, zu den von den Beteiligten jeweils aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Der Sachverständige legte unter dem 29. September 2022 eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme vor.

Mit Schreiben vom 16. November 2022 vertrat die Antragstellerin die Auffassung, das Beweisverfahren sei erledigt und bat das Verwaltungsgericht um Erlass einer prozessbeendenden Erklärung. Die Antragsgegnerin trat dieser Meinung mit Schriftsatz vom 18. November 2022 entgegen und beantragte erneut die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen.

Mit Beschluss vom 23. Dezember 2022 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt und festgestellt, dass das selbstständige Beweisverfahren beendet ist. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, die Kammer habe gemäß § 98 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – i.V.m. §§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 3 Zivilprozessordnung – ZPO – nach Ermessen zu entscheiden, ob zum Zweck der Beweissicherung noch eine weitere Sachaufklärung zu den gestellten Beweisfragen durch mündliche Erläuterung erforderlich sei. Das sei nicht der Fall. Die von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 18. November 2022 aufgeworfenen Fragestellungen seien im Grunde Teil der Beweiswürdigung, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten sein müsse. Darüber hinaus gehe sie mit drei Fragen über die Beweisfragen, die Gegenstand des Beweisverfahrens seien, hinaus.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die von der Antragsgegnerin beantragte Anhörung des Sachverständigen zu Unrecht abgelehnt.

Unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO, den das Verwaltungsgericht allein in Betracht zieht, und der dem Gericht Ermessen einräumt, muss der zuständige Spruchkörper auf Antrag eines Beteiligten hin den Sachverständigen, der das Gutachten verfasst hat, grundsätzlich zur mündlichen Anhörung laden. Dies folgt aus dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz – GG -), der in der Regel auch eine Verpflichtung zur Anhörung gerichtlicher Sachverständiger umfasst und in § 98 VwGO i.V.m. §§ 402, 397 ZPO seinen einfachgesetzlichen Niederschlag gefunden hat. Das Gericht hat dabei keinen Ermessensspielraum (OLG Hamburg, Beschluss vom 6. August 2002 – 2 Wx 47/02 -).

Für die Frage, ob die Ladung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des von ihm erstatteten Gutachtens geboten ist, kommt es nicht darauf an, ob das Gericht noch Erläuterungsbedarf sieht. Entscheidend ist allein, ob bzw. dass ein Beteiligter dem Sachverständigen Bedenken vortragen und ihn um eine nähere Erläuterung von Zweifelspunkten bitten will. In diesem Zusammenhang kann von dem Beteiligten, der einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen stellt, nicht verlangt werden, dass er die Fragen, die er an den Sachverständigen zu richten beabsichtigt, im Voraus formuliert. Es genügt, wenn allein angegeben wird, in welcher Richtung er durch seine Fragen eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. März 2013 – 2 BvR 2918/12 -, Beschluss vom 3. Februar 1998 – 1 BvR 909/94 -).

Wie jedes Recht stellt allerdings auch das Recht der Partei, den Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Anhörung zu seinem Gutachten zu befragen, unter dem Vorbehalt des Verbots des Rechtsmissbrauchs. Ist jedoch der Antrag nicht als rechtsmissbräuchlich einzuordnen und – was hier nicht in Frage steht – zugleich nicht verspätet, so ist ihm nachzukommen. Zwar stellt die mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht die einzig mögliche Behandlung eines solchen Antrags dar. In Betracht kommt etwa, den Sachverständigen stattdessen um eine schriftliche Ergänzung seines Gutachtens zu bitten oder aber ein weiteres Gutachten eines anderen Sachverständigen einzuholen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. März 2013, a.a.O.). So ist es dem Gericht unbenommen, etwa vor Terminanberaumung eine ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen herbeiführen, was sich gerade in umfangreichen und schwierigen Sachverhalten als sinnvoll erweisen kann. Danach mögen sich die von der Partei aufgeworfenen Fragen aus ihrer Sicht erledigt haben, so dass sie – ggf. auf entsprechende Nachfrage des Gerichts – von der Befragung des Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Anhörung Abstand nimmt. Das Fragerecht des Beteiligten im Rahmen einer mündlichen Anhörung des Sachverständigen wird jedoch allein durch das zunächst eingeholte Ergänzungsgutachten nicht erledigt; dem Antrag auf mündliche Befragung des Gutachters ist daher – innerhalb der durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs gezogenen Schranken – weiterhin nachzugehen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 12. September 2016 – 17 W 261/15 -).

Die Versagung der von der Antragsgegnerin beantragten Befragung des Sachverständigen ### hält von daher einer gerichtlichen Überprüfung anhand der aufgezeigten Maßstäbe nicht stand.

Für einen Rechtsmissbrauch der Antragsgegnerin fehlt es entgegen der von der Antragstellerin in der Beschwerdeerwiderung vertretenen Ansicht an jeglichem Anhaltspunkt. Das Verwaltungsgericht ist hiervon auch selbst nicht ausgegangen. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 18. November 2022 die Notwendigkeit einer mündlichen Anhörung trotz der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters hinreichend dargelegt und allgemein aufgezeigt, in welcher Richtung sie eine weitere Aufklärung herbeizuführen wünscht, was den Anforderungen an eine Begründung des Antrags auf Befragung des Sachverständigen genügt. Deshalb ist zugleich unerheblich, ob drei von der Antragsgegnerin ergänzend aufgeworfene Fragestellungen über den Gegenstand des Beweisverfahrens hinausgehen, wie die Vorinstanz meint.

Vor allem kommt es für das Recht der Antragsgegnerin, den Sachverständigen mündlich zu befragen, nicht darauf an, ob die Vorinstanz ihre Einwendungen und Fragen für erschöpfend beantwortet erachtet hat. Der Einwand der Antragstellerin, das Gutachten des Sachverständigen sei vollständig, überzeugungsfähig und nicht weiter erläuterungsbedürftig, wird der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf rechtliches Gehör nicht gerecht.

Die erforderlichen Anordnungen zur Ausführung der Beschwerdeentscheidung des Senats werden gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 572 Abs. 3 ZPO dem Verwaltungsgericht übertragen. Dieses kann die Durchführung des Anhörungstermins insbesondere von der Anforderung eines Kostenvorschusses abhängig machen.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören zu den Kosten des anschließenden Hauptsacheverfahrens und werden von einer gegebenenfalls dort zu treffenden Kostenentscheidung umfasst. Sollte kein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht werden, würde auf Antrag eine Kostenentscheidung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 494a Abs. 2 Satz 1 ZPO ergehen (vgl. HessVGH, Urteil vom 17. Januar 2011 – 2 B 1966/10 -; OVG NRW, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 11 E 581/21 -).


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