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Selbstständiges Beweisverfahren – Einholung unfallanalytisches Sachverständigengutachten

OLG München – Az.: 10 W 1226/11 – Beschluss vom 29.07.2011

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des LG München II vom 21.06.2011 (8 OH 2287/11) wird zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 5.904,28 €.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mit Schriftsatz vom 13.05.2011 (Bl. 1/5 d. A.), beim LG München II am 16.05.2011 eingegangen, beantragte der Beschwerdeführer im Wege des selbständigen Beweisverfahrens die Erholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens betreffend einen Verkehrsunfall vom 22.03.2011 gegen 9.20 Uhr auf der Zufahrt zum Anwesen … über den beim LG München II unter dem Aktenzeichen 8 O 2085/11 bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig ist.

Nach Anhörung der Gegenseite, welche mit Schriftsatz vom 09.06.2011 (Bl. 7/18 d. A.) sowohl zu den verfahrensrechtlichen Fragen als auch zur Sache Stellung nahm, lehnte das LG München II mit Beschluß vom 21.06.2011 (Bl. 19/21 d. A.) den Antrag mit der Begründung ab, es fehle sowohl die Zustimmung der Gegenseite als auch substantiierter Vortrag konkreter Tatsachen, die einen Beweismittelverlust besorgen lassen könnten.

Gegen diesen am 29.06.2011 zugestellten Beschluß legte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 05.07.2011 (Bl. 22/27 d. A.), beim LG München II am 07.07.2011 eingegangen, unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrags sofortige Beschwerde ein. Mit Beschluß vom 07.07.2011 (Bl. 28/30 d. A.) half das LG München II der sofortigen Beschwerde nicht ab und ordnete die Vorlage der Akten an das OLG München an.

Mit Verfügung vom 12.07.2011 (Bl. 32 d. A.) wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluß bis zum 22.07.2011 gegeben. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

II.

1. Die gem. § 567 I Nr. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

a) Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist durch die im Beschwerdeverfahren eröffnete und vom Antragsteller auch wahrgenommene Möglichkeit umfassenden Vortrags prozessual überholt und bedarf deshalb keiner Erörterung.

b) Die sofortige Beschwerde ist im übrigen nicht zielführend, weil die Voraussetzungen des § 485 ZPO offensichtlich nicht vorliegen.

aa) Eine Zustimmung des Gegners (§ 485 I Var. 1 ZPO) liegt ausweislich dessen Schriftsatz vom 09.06.2011 nicht vor.

bb) Es ist auch nicht zu besorgen, daß ein Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird (§ 485 I Var. 2 ZPO).

Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des LG München II in dem angefochtenen Beschluß sowie in dem Nichtabhilfebeschluß Bezug genommen. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen sind lediglich folgende ergänzenden Anmerkungen veranlaßt:

(1) Soweit der Beschwerdeführer auf geringfügige Verfahrensverzögerungen im Hauptsacheverfahren durch den Geschäftsbetrieb des LG München II abstellt, ist nicht ansatzweise konkret dargelegt, wie dadurch tatsächliche Beeinträchtigungen der Beweisführungsmöglichkeiten auch nur entfernt zu befürchten sind und ihnen durch das angestrebte Verfahren, das schon von der Antragsabfassung bis zur Entscheidung über den Antrag und deren Zustellung an den Antragsteller 47 Tage gedauert hat, entscheidend begegnet werden könnte.

(2) Die als weitere Begründung gebrachte voraussichtliche Verfahrensgestaltung im Hauptsacheverfahren (früher erster Termin, Beweisaufnahmetermin mit Einvernahme von Zeugen und anschließender unfallanalytischer Begutachtung) entspricht grundsätzlich dem Gesetz und steht, was die vorgängige Einvernahme von Zeugen und selbstverständlich Anhörung der Parteien (vgl. dazu Senat, Urt. v. 13.02.2009 – 10 U 5411/08 [Juris = VRR 2009, 163 – Kurzwiedergabe]; v. 05.02.2010 – 10 U 4091/09 [Juris]) – zweckmäßigerweise in Gegenwart des unfallanalytischen Sachverständigen – angeht, in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Eine Nichtberücksichtigung der Parteibekundungen und Zeugenaussagen durch den Sachverständigen müßte zwingend zu einer weiteren, zumindest ergänzenden Begutachtung nach § 412 ZPO führen, so daß das vom Antragsteller angestrebte selbständige Beweisverfahren weder zu einer Verfahrensbeschleunigung noch zu einer Kostenreduzierung führen würde.

(3) Was schließlich die Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu der angeblich zu besorgenden Verfahrensverzögerung im Hauptsacheverfahren durch eine angebliche „personelle Unterbesetztheit der bayerischen Gerichte“ und einen „halbjährigen Einstellungsstopp der bayerischen Justiz im Kalenderjahr 2010t1 angeht, sind diese schon deshalb völlig unbehelflich, weil der Antragsteller nicht konkret dargelegt hat, daß auch die 8. Zivilkammer des LG München II und gerade das Hauptsacheverfahren in dieser Sache von der angeblichen personellen Situation in der bayerischen Justiz betroffen sind.

Im übrigen ist in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen des Kammergerichts vom 19.03.2009 (KGR 2009, 546) hinzuweisen, wo es u. a. heißt:

Denn die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 1 ZPO führt – bezogen auf den Zuständigkeitsbereich des zuständigen Spruchkörpers  – notwendig zu einer zeitlichen Bevorzugung des betroffenen Verfahrens vor allen anderen Verfahren, was wegen der Begrenztheit gerichtlicher Kapazitäten zudem zu Lasten dieser anderen Verfahren geht. Eine solche Sonderbehandlung eines Verfahrens wäre nicht gerechtfertigt, wenn sie aus Gründen geschähe, die – wie bei dem Verblassen der Zeugenerinnerung durch Zeitablauf – für alle Verfahren gleichermaßen zutrifft. Zudem sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO nicht allzu weitherzig auszulegen, weil der Umfang der Beweissicherung von einer gerichtlichen Erheblichkeitsprüfung nicht abhängt, d.h. im Wesentlichen in den Händen des Antragstellers liegt (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 485 Rdnr. 4). Eine gerichtlich nicht kontrollierbare, letztlich entscheidungsunerhebliche Belastung eines Spruchkörpers mit selbständigen Beweisverfahren verschärft jedoch den o. g., belastenden Effekt für die anderen Verfahren. Vor dem Hintergrund, dass erfahrungsgemäß nur die wenigsten Beweisantritte in Rechtsstreitigkeiten entscheidungserheblich sind, würde die Auffassung des Restitutionsklägers zudem zu einer erheblichen und unnützen Mehrbelastung der Justiz führen, die in Zeiten knapper staatlicher Mittel nicht vertretbar ist.

Der erkennende Senat tritt diesen Erwägungen vollumfänglich bei.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 I11, 47 I 1, 40, 48 11 GKG, 3 ff. ZPO.

Es ist grundsätzlich der Hauptsachestreitwert zugrundezulegen (BGH NJW 2004, 3488; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 3 Rz. 33).

4. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nach § 574 II ZPO nicht gegeben sind. Mit Rücksicht darauf, daß die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

 

 

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