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Servicekarte: Unterlassung der Bewerbung und des Vertriebs von Servicekarten

 

LG Stuttgart

Az.: 34 O 64/04 KfH

Beschluss vom 04.06.2004


Auf Antrag wegen unlauteren Wettbewerbs ergeht durch die 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung folgende einstweilige Verfügung:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von jeweils 250.000 €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft von 6 Monaten, im Wiederholungsfälle bis zu 2 Jahren untersagt im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern Servicekarten zu bewerben oder an Verbraucher Servicekarten zu vertreiben unter Inaussichtstellung einer Provision für die Vermittlung weiterer gleichartiger Serviceverträge, wobei den eingeworbenen Vertragspartnern ihrerseits eine Provision für den Abschluss weiterer gleichartiger Geschäfte in Aussicht gestellt wird.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Gegenstandswert wird auf 30.000 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragstellerin hat Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Antragsschrift und den Inhalt der beigelegten Unterlagen verwiesen, aus denen sich die den Verbrauchern vorgespiegelte hohe Verdienstmöglichkeit bei gleichzeitiger durch ihre Tätigkeit eintretende Marktenge dieser Verdienst(un)möglichkeit ergibt. Wegen Verstoßes gegen §§ 1,3 UWG ist dem Antrag der Antragstellerin stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, diese einstweilige Verfügung der Antragsgegnerin mit Abschriften der Antragsschrift zuzustellen.


LANDGERICHT STUTTGART

AZ.: 34 O 64/04 KfH

Urteil vom 26.07.2004


In dem Rechtsstreit hat die 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2004 für Recht erkannt:

 

1. Die einstweilige Verfügung vom 04.06.2004 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass abgewiesen.

 

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages ab­wenden, es sei denn, die Verfügungsbeklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Hö­he.

 

Streitwert: 30.000,- Euro

 

 

Tatbestand:

 

Die nach § 8 Abs. 3 Ziff. 3 UWG (vom 03.07.2004) klagbefugte Verfügungsklägerin be­gehrt von der Beklagten die Unterlassung der Bewerbung und des Vertriebs von Servi­cekarten unter in Aussichtstellung einer Provision für die Vermittlung weiterer gleicharti­ger Serviceverträge, wobei den wiederum eingeworbenen Vertragspartnern ihrerseits eine Provision für den Abschluss weiterer gleichartiger Geschäfte in Aussicht gestellt wird.

 

Die Verfügungsbeklagte bewirbt und vertreibt so genannte Servicekarten. Der Jahresbei­trag liegt zwischen 85,- und 609,- Euro. Der Vertrieb der Servicekarten erfolgt durch selbständige Handelsvertreter der Verfügungsbeklagten. Für jede Vermittlung eines Servicevertrages erhält der Handelsvertreter eine Provision. Weiter erhält er Provision für wiederum von ihm geworbene Handelsvertreter aus den von diesem vermittelten Serviceverträgen etc..

 

Die Verfügungsklägerin trägt vor, zwei Verbraucherinnen hätten im März 2004 aufgrund eines Zeitungsinserats für einen lukrativen Nebenverdienst an einer Veranstaltung der Verfügungsbeklagten teilgenommen, auf der ihnen unter Anpreisung von Einsparmög­lichkeiten die Servicekarte vorgestellt worden sei. In einem zweiten Teil dieser Veran­staltung sei ihnen das Vertriebssystem vorgestellt worden. Wer an einer Mitarbeit inte­ressiert gewesen sei, sei zu einer weiteren Veranstaltung eingeladen worden. Auf dieser Veranstaltung sei ihnen gesagt worden, dass Voraussetzung für eine Vertriebstätigkeit durch sie der Erwerb einer Servicekarte sei. Das Vertriebs- und Provisionssystem sei dabei wie folgt dargestellt worden:

Wenn der Mitarbeiter einen Kunden wirbt, der ebenfalls eine Servicekarte erwirbt, erhält der Mitarbeiter die Höchstzahl von 25 Punkten, was einem Betrag von 150,- Euro ent­spreche. Werbe der Geworbene wiederum einen weiteren Kunden, der ebenfalls eine Servicekarte erwerbe, partizipiere der erste Werber auch hieran mit einer bestimmten Punktzahl. In dieser Weise setze sich das System schneeballartig fort.

 

Da die Vertriebstätigkeit an den Erwerb einer Servicekarte gebunden sei, werde der Verbraucher zu einer finanziellen Investition verleitet und es werde ihm vorgespiegelt.

 

Auf den entsprechend begründeten Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer am 04.06.2004 folgende einstweilige Verfügung erlassen:

 

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von jeweils 250.000,– Euro, er­satzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft von sechs Monaten, im Wiederholungsfal­le bis zu zwei Jahren untersagt,.

– im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs

– gegenüber Verbrauchern Servicekarten zu bewerben oder an Verbraucher Service­karten zu vertreiben unter in Aussichtstellung einer Provision für die Vermittlung wei­terer gleichartiger Serviceverträge, wobei den eingeworbenen Vertragspartnern ih­rerseits eine Provision für den Abschluss weiterer gleichartiger Geschäfte in Aus­sicht gestellt wird.

 

2. …

 

Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch erhoben.

 

Sie bestreitet dass die Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter an den Erwerb einer Service­karte gebunden ist.

 

Die Verfügungsbeklagte beantragt deshalb, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

 

Die Verfügungsklägerin beantragt, die einstweilige Verfügung aufrecht zu erhalten.

 

Über diese Anträge ist mündlich verhandelt worden. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch die Kammervorsitzende allein einverstanden erklärt.

 

Über diese Anträge ist mündlich verhandelt worden. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch die Kammervorsitzende allein einverstanden erklärt.

 

Wegen des weiteren Vortrags und der vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen wird auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Unterlagen verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben. In ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 20.04.2004 schildern Frau … und Frau … die Veranstaltung vom 24.03.2004 dahin, dass ihnen an diesem Tag die Servicekarte vorgestellt worden ist und in einem zweiten Teil der Veranstaltung die Vertriebstätigkeit erläutert worden sei. Wer an einer solchen Vertriebstätigkeit interessiert gewesen sei, sei zu einer drei Tage spä­ter am 27.03.2004 ganztägig stattfindenden weiteren Veranstaltung eingeladen worden. An diesem tag sei ihnen in Stunden eingehämmert worden, die Servicekarte zu kaufen und die Verträge zum Einsparen von Strom/Telefon/Handy/Tanken zu unterschreiben. Die ihnen noch für 128,– Euro angebotene Karte habe nach der Unterschrift 185,– Euro gekostet. Mit der Erklärung, dies deshalb, weil sie ja jetzt selbständig seien. Die Karte für Selbständige koste mehr. Am Ende des Tages hätten sie Schulungsunterlagen kau­fen müssen und diese auch gleich bezahlen sollen.

 

Diese Darstellung, dass die Vertriebsmitarbeiter als Selbständige nur die teure Karte für 185,– Euro, nicht jedoch die jenige für 128,– Euro erwerben könnten, wäre Indiz und auch Beleg dafür, dass der Erwerb einer Karte Voraussetzung für die Eröffnung einer Verdienstmöglichkeit als Vertriebspartner ist. Bestünde diese Verknüpfung nicht, würde es bei der Karte für 128,– Euro für Nicht-Selbständige auch für die Vertriebspartner sein Bewenden haben müssen.

 

Gegen die Darstellung in der eidesstattlichen Versicherung spricht allerdings, dass Frau  … nicht erst am 27.03.2004 sondern bereits am 24.03.2004 den Antrag auf Ausstellung einer Servicekarte   ausgefüllt und unterschrieben hat. Der gesamte Antrag (Anl. Ast 3) ist einheitlich mit einer Schrift ausgefüllt. Daraus, dass oben unter „Vermittlername“ zuerst der Nachname … geschrieben worden ist und auch in dem für den Namen vorgesehenen Kästchen hinter dem Nachnamen zuerst der Vorname geschrie­ben worden war, welche jeweils später gestrichen worden sind, ergibt sich, dass Frau … diesen Antrag eigenhändig und selber ausgefüllt hat und zwar bereits am 24.03.2004 und nicht erst am 27.04.2004. Nach der eidesstattlichen Versicherung vom 20.04.2004 war jedoch erst am 27.03.2004 die Verknüpfung hergestellt worden, dass eine Vertriebstätigkeit an den Erwerb einer Karte als Selbständiger geknüpft sei. Als weitere Ungereimtheit fällt auf, dass Frau … ihrem Antrag auf Vertriebsver­einbarung als ausgeübten Beruf kaufmännische Angestellte am 27.03.2004 angibt, in der eidesstattlichen Versicherung vom 20.04.2004 jedoch sich als arbeitslos bezeichnet.

 

Auch wenn die von der Verfügungsbeklagten vorgelegten eidesstattlichen Versicherun­gen zu dem Ablauf der Veranstaltungen (B 1 und B 2) recht allgemein gehalten sind, so ist dort ah Eides statt versichert, dass ein Zwang der Vertriebsinteressenten zum Erwerb einer Karte nicht bestehe. Auch wenn dies nur allgemein gehalten ist, so ist doch durch den weiteren Inhalt der eidesstattlichen Versicherung auch ein Bezug auf die Veranstal­tung am 24.03. und 27.03.2004 hergestellt. Auch ist eine Schilderung von etwas, was tatsächlich nicht stattgefunden hat, naturgemäß nicht möglich. Unter diesem Gesichts­punkt müssen diese eidesstattlichen Versicherungen gewürdigt werden.

 

Danach ist für das Gericht nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass bei einer der Ver­anstaltungen vom 24.03. oder 27.03.2004 der Erwerb einer Servicekarte zur Vorausset­zung der Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter gemacht worden ist. Hierfür geben auch die beiden weiteren von der Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 09.07.2004 Vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen konkret nichts her. Herr … hat auch nur allgemein bekundet, dass Bedingung für eine erfolgreiche Werbung für die Vertriebs­partnerschaft der Antrag auf eine Servicekarte zum Jahresbeitrag von 185,- Euro ge­wesen sei. Wer eine solche Servicekarte nicht beantragt habe, sei mit seiner Bewerbung nicht berücksichtigt worden. Dies ist keine Bekundung von Tatsachen sondern die Auf­stellung einer Behauptung ohne diese Behauptung zu unterlegen. Dieser Behauptung steht die Behauptung der Verfügungsbeklagten gegenüber, dass der Erwerb einer Ser­vicekarte gerade nicht Voraussetzung für die Tätigkeit als Vertriebspartner sei. Das Gleiche gilt für die eidesstattliche Versicherung von Frau … vom 12.07.2004, die angibt, es sei ganz klar gewesen, dass beides zusammengehöre, die Mitarbeit und Tätigkeit als Vertriebspartner war bzw. ist. Auch die weitere Bekundung, dass als Erklä­rung dafür, dass man die Geschäftskarte erwerben sollte, einem erklärt worden sei, dass man dann eine höhere Kostenerstattung bekäme, belegt nicht die von der Verfü­gungsklägerin behauptete Bedingung. Der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten hat hierzu einleuchtend dargelegt, dass bei entsprechend hohen Tankkosten jährlich der Unterschiedsbetrag der beiden Karten um ein Vielfaches angespart werden kann. Auch die weitere Behauptung, dass bei allen Treffen, bei denen Frau … teilge­nommen hat, es völlig klar gewesen sei, dass eine Mitarbeit ohne Kartenerwerb nicht in Frage komme, ist nicht durch die Darstellung konkreter Geschehnisse belegt.

 

Aus alledem ergibt sich, dass für den Erlass einer einstweiligen Verfügung bzw. ihrer Aufrechterhaltung die Glaubhaftmachung der Klägerin nicht ausreicht.

 

Auf Antrag der Verfügungsbeklagten ist die einstweilige Verfügung deshalb aufzuheben und der Antrag abzuweisen.

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