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Unterlassungsanspruch wegen Sexlärms?

Amtsgericht Warendorf

Az.: 5 C 919/97

Verkündet am 19.08.1997


AMTSGERICHT WARENDORF

Auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 1997 wurde für R e c h t erkannt:

Den Beklagten wird bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise einer Ordnungshaft bis zu zwei Jahren untersagt, in ihrer Wohnung im Hause durch Musik, Streitigkeiten und Lustgeräusche beim Sexualverkehr Lärm zu verursachen, welcher Zimmerlautstärke übersteigt und dadurch den Kläger in seiner Wohnung in demselben Haus stört.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen den Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger bewohnt in dem Sechs-Familienhaus eine Wohnung im ersten Obergeschoß. Er bezog gemeinsam mit der Zeugin X diese Wohnung im September 1996. Im Oktober 1996 zogen die Beklagten in die darunterliegende Erdgeschoßwohnung.

Der Kläger behauptet, vom Beginn an durch die Beklagten durch übermäßige Lärmverursachung in ihrer Wohnung zur Tages- und Nachtzeit gestört worden zu sein. Insbesondere hätten die Beklagten regelmäßig überlaute Musik gehört, sich lautstark gestritten und überlaute Geräusche beim Sexualverkehr von sich gegeben. Dies sei praktisch regelmäßig und bei jeder Tages- und Nachtzeit geschehen, so daß er dadurch in seiner Wohnung erheblich gestört worden sei. Dies gelte insbesondere für die Nachtzeit, weil er durch die Lärmverursachung seitens der Beklagten mehrfach am Einschlafen gehindert und im Schlaf gestört worden sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise einer Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu verurteilen, in ihrer Wohnung Lärm durch überlaute Musik, Schreie oder übermäßige Lustgeräusche beim sexuellen Verkehr zu unterlassen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten die behauptete Lärmverursachung. Falls Geräusche zur Wohnung des Klägers herübergedrungen seien, habe das seine Ursache in der Hellhörigkeit des Miethauses.

Bei der Verursachung von Lustgeräuschen beim Sexualverkehr handele es sich um ein wenig kontrollierbares oder steuerbares Verhalten, so daß es eine Verletzung ihres Rechtes auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 GG bedeuten würde, wenn man ihnen die Einschränkung ihres Sexuallebens aufgeben würde.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17. Juli 1997 (Bl. 66 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nach § 862 Abs.1 Satz 2 BGB begründet.

Dabei war der Klageantrag nach entsprechender Auslegung dem vom Kläger auf Grund seiner Begründung dargestellten und vom Gericht erkannten Klagebegehren anzupassen. Der Kläger will mit der vorliegenden Klage erreichen, daß er nicht durch Geräusche, die in der von ihm behaupteten Art und Weise von den Beklagten verursacht werden und die Zimmerlautstärke übersteigen, in seiner Wohnung gestört wird. Diesem Begehren war nach Maßgabe der Urteilsformel nach der bezeichneten Vorschrift stattzugeben.

Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß die Beklagten seit ihrem Einzug regelmäßig in ihrer Wohnung durch Abhören lauter Musik, laute Streitereien und lautes Stöhnen beim Sexualverkehr übermäßigen Lärm verursacht haben, der in die Wohnung des Klägers drang. Dies ergibt sich aus den Aussagen sämtlicher Zeugen.

Die Zeugin X hat eine umfassende Aussage gemacht, nach deren Inhalt die Beklagten regelmäßig und in großer Häufigkeit Lärm in der bezeichneten Form verursacht haben. Nach ihrer Bekundung stritten sich die Beklagten regelmäßig, insbesondere in den Abend- und Nachtstunden, wodurch sie und der Kläger im Schlafgestört wurden. Die Streitigkeiten folgten teilweise in dichter Aufeinanderfolge und hatten oft eine erheblich lange Dauer. Sie habe oft mit Oropax schlafen müssen, um nicht durch den von den Beklagten verursachten Lärm geweckt zu werden. Auch durch das Stöhnen beim Sexualverkehr und durch hierbei ausgestoßene Yippie-Rufe seien der Kläger und sie wach geworden. Das gleiche gelte für die Störung durch überlaute Musik.

Das Gericht hat keinerlei Bedenken, der Zeugin X Glauben zu schenken. Sie ist zwar die Ehefrau des Klägers und demzufolge sowie auch aus eigenen Interessen an einem für diesen günstigen Ausgang des Rechtsstreits interessiert. Gleichwohl ergibt sich ihre Glaubwürdigkeit bereits aus dem Gesamtinhalt ihrer Aussage und dem persönlichen Eindruck, den das Gericht von der Zeugin gewonnen hat. Die Zeugin machte detaillierte Angaben. Sie machte einen sehr sicheren Eindruck. Wo sie andererseits ihrer Sache nicht ganz sicher war, ließ sie dies deutlich erkennen.

Im übrigen wurde ihre Aussage gestützt durch die Bekundungen sämtlicher anderer Zeugen. Alle Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, daß sie regelmäßig durch den von den Beklagten in ihrer Wohnung verursachten Lärm in der bezeichneten Form in ihren Wohnungen gestört wurden. Die Wohnungen dieser Zeugen grenzen zum Teil nicht direkt an die Wohnung der Beklagten, so daß erkennbar ist, daß der Kläger ganz besonders durch die Lärmverstöße seitens der Beklagten gestört wurde. Dabei machten auch diese Zeugen sämtlich einen glaubhaften Eindruck. Auch dies ergab sich aus der Art der Darstellungen und dem sicheren Auftritt der Zeugen. So bekundete die Zeugin über das Sex-Gestöne habe man zunächst gelacht. Der Spaß habe allerdings dann aufgehört, als die Störungen regelmäßig stattgefunden hätten. Ähnliches bekundete der Zeuge wenn er aussagte, in der ersten Zeit habe er die Lustgeräusche nicht so ernst genommen. Das sei dann aber anders geworden, weil man eben im Schlaf gestört worden sei. Die Zeugin stellte eindrucksvoll dar, daß sie sich gegen den von den Beklagten verursachten Lärm nur durch das Aufsetzen eines Walkman habe schützen können.

Das Gericht hat deshalb auf Grund der einwandfreien Aussagen der Zeugen keine Zweifel daran, daß die Beklagten in der Vergangenheit regelmäßig durch das laute Abhören von Musik, laute Streitereien und übermäßig laute Geräusche beim Sexualverkehr solchen Lärm verursacht haben, daß dieser in nicht hinnehmbarer Weise in die Wohnung des Klägers drang. Diese Störungen fanden nach den Bekundungen der Zeugen zur Tages- wie auch zur Nachtzeit statt. Der Lärm hinderte sie teilweise am Einschlafen in den Nachtstunden oder führte zum Erwachen in der Nacht. Bei längerer Dauer, solcher Lärmbelästigungen ist eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen.

Der Kläger ist Besitzer der von ihm angemieteten Wohnung im Sinne des § 862 BGB. Als Lärmverursacher sind die Beklagten Sturer im Sinne dieser Vorschrift, so daß der Kläger von ihnen die Unterlassung weiterer Störungen verlangen kann. Weitere Störungen sind offensichtlich zu besorgen. Denn die Beklagten haben die Abmahnungen der Vergangenheit nicht zum Anlaß genommen, sich ruhiger zu verhalten. Das ergibt sich insbesondere aus der Bekundung des Zeugen der ausgesagt hat, noch in der Woche vor dem Beweistermin vom 17.07.1997 hätten sich die Beklagten in der Zeit von etwa 21.45 Uhr bis 23.20 Uhr lautstark gestritten. Deshalb ist auch an der Wiederholungsgefahr nicht zu zweifeln.

Hinsichtlich der Störungen ist auch kein Unterschied zu machen, ob die Lärmverursachung tagsüber oder bei Nacht erfolgte. Zwar sind die nächtlichen Belästigungen noch intensiver, weil sie die Mitbewohner im Schlafe stört oder am Einschlafen hindert. Aber auch die regelmäßigen Wahrnehmungen der überlauten Geräusche bei Tage stellen sich als erhebliche Störungen bei der Ausübung des Besitzrechtes durch den Kläger dar. Dieser wird in seiner Besitzausübung beeinträchtigt, wenn er die ständigen lautstarken Streitereien der Beklagten anhören muß. Die gleiche Peinlichkeit wird ihm zugemutet, wenn zu jeder beliebigen Zeit die beim Sexualverkehr verursachten Geräusche in seine Wohnung dringen. Die Beklagten waren und sind verpflichtet, jegliche Geräuschentwicklung auf Zimmerlautstärke zu halten. Dies gilt auch für die Geräusche, welche die Beklagten bei Ausübung des Sexualverkehrs von sich geben. Die Beschränkung der Geräuschentwicklung auf das bezeichnete Maß stellt keinerlei Einschränkung des Rechtes der Beklagten auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit gemäß Artikel 2 des Grundgesetzes dar. Die Beklagten sind als erwachsene Menschen auch bei der Ausübung ihres Sexualverkehrs in der Lage, ihr Handeln zumindest insoweit zu steuern, daß sie keinen Lärm verursachen, der so Laut ist, daß er in die Nachbarwohnungen dringt. Sie haben zwar selbstverständlich das Recht, die Sexualität in der von ihnen gewünschten Form zu leben. Das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes findet aber seine Einschränkung an den Rechten anderer. Dies ergibt sich bereits aus dem wörtlichen Inhalt des bezeichneten Artikels. Zu den Rechten der „anderen“ gehören die Rechte eines Mitmieters in einem Mehrfamilienhaus auf ungestörte Ausübung des Mietrechtes. Folglich hat jeder Mitmieter die berechtigten Interessen des Hausmitbewohners zu berücksichtigen. Ein grenzenloses Ausleben des Sexuallebens ist deshalb auch von Artikel 2 des Grundgesetzes nicht gedeckt.

Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auch auf die angebliche Hellhörigkeit des Hauses. Zum einen haben die Zeugen sämtlich bekundet, das Haus sei nicht besonders hellhörig, sondern normal isoliert. Lärmbedingte Störungen dringen somit auch aus keiner der anderen Wohnungen in ihre jeweilige eigene Wohnung. Zum anderen ist die Frage der Hellhörigkeit auch bedeutungslos. Denn selbst wenn das Miethaus nicht mit einer ausreichenden Schallisolierung ausgestattet sein sollte, hätten sich alle Mietparteien darauf einzustellen und bei der Verursachung von Geräuschen ganz besonders Rücksicht auf die Hausnachbarn zu nehmen.

Nach allem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Ziffer 9, 711 ZPO.

Streitwert: 5.000,00 DM

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