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SGB II Leistungen und Vermögensstamm

BUNDESSOZIALGERICHT

Az: B 14/7b AS 66/06 R

Urteil vom 06.09.2007

Vorinstanz:

LSG Rheinland-Pfalz, Az.: L 3 AS 1/06

SG Speyer, Az.: S 5 AS 103/05


In dem Rechtsstreit hat der 14. Senat des Bundessozialgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2007 für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Sozialgerichts Speyer vom 21. November 2005 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. September 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 30. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2005 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 25. März bis 11. Mai 2005 zu gewähren.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 25. März 2005 bis zum 11. Mai 2005.

Der 1958 geborene Kläger ist gelernter Drucker und Reservist der Bundeswehr im Dienstgrad Hauptfeldwebel. Seit dem Jahre 2000 leistete er verschiedene Auslandseinsätze für die Bundeswehr (ua im Kosovo und in Afghanistan). Vom 18. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2004 bezog er Arbeitslosenhilfe (Alhi) von der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Danach leistete er vom 3. Januar 2005 bis 24. März 2005 Wehrdienst in einem Lazarettregiment. Am 25. März 2005 beantragte er bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Zeitpunkt der Antragstellung verfügte er über Sparguthaben in Höhe von 361,97 € und 80,43 € sowie ein Girokonto mit einem Guthaben in Höhe von 658,58 €. Weiterhin verfügte er über zwei Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von 4.002,74 € (eingezahlter Betrag: 4.596,24 €) und 2.520,05 € (Einzahlungsbetrag: 3.090,91 €). Weiterhin verfügte der Kläger über eine private Rentenversicherung mit einem Rückkaufswert von 6.260,63 € (bei eingezahlten 12.655,95 € und einer angestrebten Versicherungsleistung von 51.843,35 €). Zudem war der Kläger Eigentümer eines Pkw der Marke Seat Leon, Erstzulassung: 2001. Die Beklagte ermittelte über die Homepage des ADAC Auto und Motorrad im Internet am 30. März 2005 einen „Händlerverkaufspreis“ für diesen Pkw in Höhe von 9.600 €.

Durch Bescheid vom 30. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei nicht hilfebedürftig. Es stehe ihm ein Grundfreibetrag in Höhe von 9.950 € zu, dem zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 12.223,77 € gegenüber stünde. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Bescheid vom 25. April 2005 zurück. Ende April 2005 wurde der Kläger vom Kreiswehrersatzamt zu einer besonderen Auslandsverwendung in Kabul/Afghanistan vom 12. Mai 2005 bis 30. September 2005 einberufen.

Das Sozialgericht Speyer (SG) hat durch Urteil vom 21. November 2005 die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) durch Urteil vom 29. September 2006 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht hilfebedürftig, weil er über Vermögen verfüge, das den Freibetrag übersteige.

Der Pkw des Klägers habe einen Wert in Höhe von 9.600 € gehabt. Angesichts seiner Ausstattung und Größe (fünf Türen, Verbrauch von Superbenzin, 105 PS) handele es sich um ein Mittelklassefahrzeug, das für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen als nicht mehr angemessen zu betrachten sei. Deshalb sei die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Betrag von 4.600 €, mit dem der Pkw über der von der BA als generelle Angemessenheitsgrenze festgesetzten Grenze von 5.000 € liege, als Vermögen zu berücksichtigen sei. Zu diesen 4.600 €, mit denen der Pkw als Vermögen zu berücksichtigen sei, seien die beiden Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von insgesamt 6.522,79 € hinzuzurechnen. Zwar erleide der Kläger bei einem sofortigen Verkauf der beiden Policen einen Verlust von 13 bis 19 % gegenüber den eingezahlten Beträgen. Damit sei der sofortige Verkauf aber noch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Die vom Bundessozialgericht (BSG) im Rahmen der Alhi angedeutete 10 %-Grenze für das Vorliegen einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit könne in das Recht der Grundsicherung nach dem SGB II nicht übernommen werden. Allerdings sei der Verkauf der Rentenpolice wegen der damit verbundenen Verluste offensichtlich unwirtschaftlich, was aber nichts daran ändere, dass der Kläger insgesamt nicht hilfebedürftig sei. Es ergebe sich auch keine besondere Härte für den Kläger aus der Tatsache, dass er auf Grund einer erneuten Einberufung nach Afghanistan bereits ab 12. Mai 2005 nur für eine kurze Zeit Leistungen der Grundsicherung beansprucht habe.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner – vom LSG zugelassenen – Revision. Er macht geltend, dass andere Landessozialgerichte höhere Wertgrenzen als 5.000 € bei der Frage der Angemessenheit eines Pkw angesetzt hätten. Bei einem Verkauf der Lebensversicherungspolicen müsse er einen Verlust von 13 bzw 19 % gegenüber den Einzahlungen hinnehmen. Selbst die BA gehe in ihren Dienstanweisungen davon aus, dass die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit bereits bei einem Verlust von 10 vH anzusetzen sei. Des weiteren werde sein „Sonderopfer“ als Soldat im Auslandseinsatz nicht gebührend berücksichtigt. Nach § 63b Soldatenversorgungsgesetz (SVG) sei nach wie vor ein Schadensausgleich bei Verwirklichung des aktiven Kriegsrisikos ausgeschlossen, wenn die Bezugsrechte aus dem Lebensversicherungsvertrag an einen Dritten abgetreten worden seien.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des Sozialgerichts Speyer vom 21. November 2005 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. September 2006 sowie des Bescheides der Beklagten vom 30. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2005 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 25. März bis 11. Mai 2005 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Insbesondere sei für die Frage der Zumutbarkeit der Verwertung von der Alterssicherung dienender Lebensversicherungen auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur Sozialhilfe zurückzugreifen. Nach dieser Rechtsprechung würden auch Verluste von 50 vH gegenüber den eingezahlten Beträgen keine besondere Härte darstellen (Hinweis auf BVerwG FEVS 48, 145, 151).

II.

Die Revision des Klägers ist begründet. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten und des LSG steht dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 25. März bis 11. Mai 2005 ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 19 ff SGB II zu. Der Kläger war im streitigen Zeitraum hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9, 11, 12 SGB II, weil er kein Einkommen erzielte und sein verwertbares Vermögen die ihm zustehenden Vermögensfreibeträge gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 4 SGB II nicht überstieg.

Der Kläger war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG und der in Bezug genommenen Akten Berechtigter iS des § 7 Abs 1 SGB II, insbesondere erwerbsfähig gemäß § 7 Abs 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II. Der Kläger war auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II iVm §§ 9, 11, 12 SGB II. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II). Ausweislich der Feststellungen des LSG erzielte der Kläger im streitigen Zeitraum kein Einkommen. Er erhielt auch keine Leistungen von Seiten der Bundeswehr oder anderer Stellen.

Der Kläger verfügte auch nicht über zu berücksichtigendes Vermögen, das die Vermögensfreibeträge überstieg. Dem 1958 geborenen Kläger standen im Zeitpunkt der Antragstellung Vermögensfreibeträge in Höhe von 9.950 € zu. Gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II (idF der Norm durch das Vierte SGB III-Änderungsgesetz vom 19. November 2004 <BGBl I 2902, 2904) war vom Vermögen abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 200 € je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners. Dem Kläger stand mithin gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II ein Grundfreibetrag in Höhe von 9.200 € (46 x 200 €) zu. Hinzu kommt gemäß § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 €. Es kann hier dahinstehen, dass der Vermögensfreibetrag des Klägers am 6. Mai 2005 um weitere 200 € zu erhöhen war, weil der Kläger an diesem Tag das 47. Lebensjahr vollendet hat. Gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), der hier gemäß § 40 Abs 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zur Anwendung kommt, war ab diesem Tag der Vermögensfreibetrag des Klägers um 200 € zu erhöhen. Da die verwertbaren Vermögensgegenstände des Klägers iS des § 12 Abs 1 SGB II aber bereits nicht den ihm am 25. März 2005 zustehenden Vermögensfreibetrag von 9.950 € überstiegen, braucht hierauf nicht weiter eingegangen zu werden.

Der Kläger verfügte am 25. März 2005 über verwertbares Vermögen iS des § 12 SGB II, das unter dem Grenzwert von 9.550 € lag. Er war damit hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II. Der im Eigentum des Klägers stehende Pkw Seat Leon mit einem Verkehrswert von 9.600 € stellte zwar ein unangemessenes Kfz iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II dar, weil sein Verkehrswert die hier maßgebliche Wertgrenze von 7.500 € für ein angemessenes Kfz überstieg (hierzu unter 1). Folglich war ein Betrag in Höhe von 2.100 € aus dem Pkw als Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II zu verwerten. Der Senat geht dabei allerdings davon aus, dass ein isoliert betrachtet unangemessener Vermögensgegenstand iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGB II nicht in jedem Fall zu verwerten ist. Vielmehr ist im Rahmen des § 12 SGB II eine Gesamtbetrachtung aller Vermögensgegenstände und Vermögenswerte anzustellen. Das verwertbare Vermögen iS des § 12 SGB II darf nur insgesamt betrachtet nicht die Freibeträge gemäß § 12 Abs 2 SGB II übersteigen (hierzu unter 2). Der Kläger verfügte zudem über verwertbares Geldvermögen in Höhe von jedenfalls 5.103,72 €. Neben den Giro- und Sparguthaben in Höhe von 1.100,98 € verfügte er zumindest über eine verwertbare Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 4.002,74 €. Der Verkauf dieser Lebensversicherung war nicht offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II, weil der Rückkaufswert die eingezahlten Beträge um lediglich 12,9 % unterschritt. Ob die Verwertung der weiteren Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 2.520,05 € (und einem Verlust von 18,5 % gegenüber den eingezahlten Beträgen) offensichtlich unwirtschaftlich iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II war, kann hier letztlich dahin stehen, weil jedenfalls die Rentenversicherungspolice auf Grund des Verlusts von 48,2 % gegenüber den eingezahlten Beträgen nicht verwertet werden musste. Letzteres haben bereits die Vorinstanzen zu Recht erkannt (hierzu unter 3). Selbst wenn man davon ausginge, dass auch die Lebensversicherung mit dem Rückkaufswert von 2.520,05 € (und einem Verlust von 18,5 %) verwertbares Vermögen darstellte, wäre der Vermögensfreibetrag in Höhe von 9.950 € nicht überschritten worden. Offen bleiben kann daher auch, inwieweit an die Verwertbarkeit von Vermögen im Rahmen des § 12 SGB II andere Maßstäbe anzulegen sind, wenn der Hilfeempfänger – wie hier – lediglich für einen absehbar kurzen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II beansprucht (vgl hierzu unter 4).

1.

Die Vorinstanzen haben im Grundsatz zu Recht entschieden, dass der Pkw der Marke Seat Leon ein unangemessenes Kfz iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II darstellte. Dies ist allein anhand des Verkehrswerts des Pkw zu entscheiden, was auch aus § 12 Abs 4 Satz 1 SGB II folgt. Der Senat geht davon aus, dass ein Pkw mit einem Verkehrswert von bis zu 7.500 € als angemessen iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II betrachtet werden kann. Diesen Wert leitet der Senat insbesondere aus § 5 Abs 1 der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) idF vom 21. Dezember 2000 (BGBl I 1983) ab. § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II bestimmt, dass für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen ein angemessenes Kfz nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist. Die „Angemessenheit“ eines Kfz wird damit sogleich im Normtext des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II selbst in Beziehung gesetzt zur Erwerbstätigkeit bzw Erwerbsfähigkeit, denn einem nicht erwerbsfähigen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft steht grundsätzlich kein „angemessenes“ Kfz iS des § 12 Abs 3 Nr 2 SGB II zu. Sinn und Zweck der Privilegierung des Pkw in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II ist es damit, dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Gelegenheit und Chance zu erhalten, im Falle seiner Vermittlung in Arbeit mittels eines Pkw eine (ggf auch weit entfernte, vgl § 10 Abs 2 Nr 3 SGB II) Arbeitsstelle erreichen zu können. Dieser Gedanke entspricht auch dem Regelungszweck des § 88 Abs 2 Nr 4 Bundessozialhilfegesetz <BSHG> (jetzt § 90 Abs 2 Nr 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch SGB XII>), nach dem ein Pkw nur dann von der Verwertung ausgenommen war, wenn er als „Gegenstand“ zur „Aufnahme oder

Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich“ war (vgl hierzu VG Brandenburg, Beschluss vom 28. Dezember 2004 – 2 E 196/04; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. September 1996 – 8 E 401/95 = NJW 1997, 540; VG Halle, Urteil vom 24. März 2005 – 4 A 687/03; VG Augsburg, Beschluss vom 10. Dezember 2002 – AU 3 E 02.1463; allerdings wurde hierbei auch jeweils berücksichtigt, in welchem Verhältnis der Verkehrswert des Pkw zu dem zu erwartenden Jahreseinkommen aus der Erwerbstätigkeit steht).

Jedoch ist mit der Betonung der „Erwerbszentriertheit“ der Privilegierung des Pkw iS des SGB II noch nicht zwingend ein Bewertungsmaßstab für die Angemessenheit eines Pkw gefunden. So wird im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II teilweise herausgestellt, ein Fahrzeug müsse qualitativ so beschaffen sein, dass es für die Fahrt zur Arbeitsstätte oder Bildungseinrichtung zuverlässig und nicht reparaturanfällig sei (vgl LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 1. August 2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B; SG Stade, Gerichtsbescheid vom 12. September 2005 – S 8 AS 6/05; Bayerisches LSG, Beschluss vom 2. Mai 2005 – L 10 B 180/05 AS-ER). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine Wertgrenze für die „Zuverlässigkeit“ eines Pkw in der Regel nicht ohne aufwendige Ermittlungen hinsichtlich der Reparatur- bzw Pannenhäufigkeit geklärt werden kann. Eine solche Herangehensweise, bei der sicherlich auch das Alter des Pkw zu berücksichtigen wäre, verschiebt die normative Frage von dem Begriff der Angemessenheit in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II auf den der „Zuverlässigkeit“ eines Pkw.

Ebenso wenig kann aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber des SGB II ausdrücklich klargestellt hat, dass er hinsichtlich der Berücksichtigung von Vermögen dem bisherigen Recht der Alhi folgen will (vgl BT-Drucks 15/1516 S 53), geschlossen werden, dass die Kriterien der Angemessenheit aus der früheren Alhi-Verordnung (AlhiV) übernommen werden könnten. Die BA hat in ihrer Durchführungsanweisung Alhi zu § 193 SGB III-Bedürftigkeit (30. Ergänzungslieferung, Stand 30. August 2005) die Angemessenheit eines Kfz grundsätzlich nicht in Frage gestellt, so lange es sich nicht um ein Luxusgefährt handelte. Hieraus folgert ein Teil der Rechtsprechung und Literatur, dass ein Mittelklassefahrzeug immer angemessen iS des § 12 Abs 3 Nr 2 SGB II sein müsse, weil es sich hierbei definitionsgemäß bereits um kein Luxusfahrzeug handele (vgl SG Aurich, Beschluss vom 24. Februar 2005 – S 15 AS 11/05 ER; SG Detmold, Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2005 – S 4 AS 17/05; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.11., RdNr 65, Stand 2006, Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 12 RdNr 36).

Der Senat hat erhebliche Bedenken, die Frage der Angemessenheit eines Kfz anhand der schwer generalisierbaren Kriterien der Einteilung von Kfz in Mittelklasse- bzw Luxusfahrzeuge vorzunehmen. Hinzu kommt, dass § 12 Abs 3 Satz 2 SGB II nunmehr ausdrücklich klarstellt, dass für die Angemessenheit von Vermögensgegenständen auf die Lebensverhältnisse während des Bezugs von Alg II abzustellen ist. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende hat – anders als die frühere Alhi (vgl BVerfGE 87, 234, 257 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) – nicht mehr die Funktion einer Lebensstandardsicherung.

Ebenso wenig überzeugen Ansätze, die jeweils auf die gesamten Umstände des Einzelfalls abstellen wollen (vgl insbesondere LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. August 2005 – L 8 B 67/05 AS; SG Aachen, Urteil vom 27. Oktober 2005 – S 9 AS 31/05; Schmidt in Oestreicher SGB XII/SGB II, § 12 RdNr 77 – Stand 2005). Angesichts der Vielfalt von Kriterien und Grenzwerten, die in der Rechtsprechung der Sozialgerichte zur Angemessenheit eines Pkw diskutiert wurden, geht der Senat davon aus, dass es unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit, der Berechenbarkeit von Verwaltungshandeln und der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland unumgänglich ist, ebenso wie die BA in ihren Hinweisen zu § 12 (12.24) von einem einheitlichen Grenzwert für die Angemessenheit von Pkws für Leistungsempfänger nach dem SGB II auszugehen. Die BA stellt dabei ohne weitere Begründung auf einen Verkaufserlös von maximal 5.000 € ab. Der Senat teilt zunächst den Ansatz der BA, die Wertgrenze für die Angemessenheit eines Pkw strikt zu monetarisieren. Angesichts der Schwierigkeit, die (technische) Zuverlässigkeit eines Pkw bzw seinen Charakter als Mittelklasse- oder Luxusfahrzeug zu bestimmen, bleibt als einziges tragfähiges Kriterium für die Angemessenheit der Verkehrswert eines Pkw. Dies folgt zudem – wie bereits betont – aus § 12 Abs 4 Satz 1 SGB II, nach dem das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen ist.

Ein Anhalt für die Ermittlung eines Grenzwertes für die Angemessenheit eines Kfz kann § 5 Abs 1 der KfzHV (aaO) entnommen werden. Nach § 5 Abs 1 KfzHV wird die Beschaffung eines Kraftfahrzeugs für behinderte Menschen bis zu einem Betrag in Höhe des Kaufpreises, höchstens jedoch bis zu einem Betrag von 9.500 € gefördert. Zur Begründung der KfzHV hat der Verordnungsgeber ausgeführt (BR-Drucks 266/87), dass diese Verordnung dem Umstand Rechnung trage, dass bei der heutigen weitgehenden Motorisierung ein Kfz als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zur Standardausstattung auch von Arbeitnehmerhaushalten mit durchschnittlichem Einkommen gehöre. Deshalb solle nach § 5 der Verordnung (BR-Drucks 266/87 S 19) ein Höchstbetrag festgelegt werden, bis zu dem die Beschaffung eines Kfz gefördert werden könne. Der Verordnungsgeber ging davon aus, dass die in § 5 Abs 1 KfzHV genannten Beträge nach derzeitigen Autopreisen dafür ausreichen, einen Wagen der unteren Mittelklasse anzuschaffen, der für Fahrten von und zum Arbeitsplatz geeignet und ausreichend erscheint (BR-Drucks 266/87 S 19). Insofern kann § 5 KfzHV ein verallgemeinerungsfähiges Kriterium entnommen werden, welcher Geldbetrag nach Einschätzung des Verordnungsgebers eingesetzt werden muss, um ein gebrauchstaugliches Fahrzeug der unteren Mittelklasse auf dem Markt erwerben zu können. Es ist damit davon auszugehen, dass mit dem Betrag von 9.500 € ein solches Kfz erworben werden kann. Da die Leistungen des SGB II sich aber grundsätzlich an den unteren 20 % der Haushalte in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe orientieren (vgl kritisch Däubler, NZS 2005, 225; Bieback NZS 2005, 337), war von diesem Wert von 9.500 € noch ein Abschlag vorzunehmen. Schließlich richtet sich der Zuschuss nach § 6 KfzHV auch nach der Höhe des Einkommens des behinderten Menschen, sodass der Höchstbetrag von 9.500 € nur von behinderten Menschen mit niedrigem Einkommen erreicht werden kann. Andererseits war zu berücksichtigen, dass der Betrag in § 5 KfzHV letztmals 2002 erhöht worden ist und die Preise für die Mittelklasse der Pkws seither deutlich gestiegen sind (vgl hierzu auch Hansen in Ernst/Adelhoch/Siel, SGB IX, § 33 RdNr 62). Insofern geht der Senat unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte von einem Grenzwert der Angemessenheit von 7.500 € für einen Pkw aus. Zumindest für die nächsten Jahre soll damit auch der Entwicklung der Verbraucherpreise Rechnung getragen werden. Mithin ist davon auszugehen, dass ein Pkw, der einen Verkehrswert von 7.500 € nicht überschreitet, angemessen iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II ist.

Das LSG hat den Verkehrswert des Pkw Seat Leon (Erstzulassung 2001) im Jahre 2005 mit 9.600 € festgestellt. Der Senat kann hier dahinstehen lassen, dass er an diese Feststellung gebunden ist (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>), weil insoweit Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind. Das LSG dürfte allerdings von einem unrichtigen Maßstab bei der Ermittlung des Verkehrswertes ausgegangen sein. Soweit ersichtlich, legt es den „Händlerverkaufspreis“ für den Pkw im Jahre 2005 zu Grunde. Der „Händlerverkaufspreis“ dürfte aber nicht dem Preis entsprechen, den der private Verkäufer auf dem Kraftfahrzeugmarkt für seinen Pkw erzielen kann, insbesondere, wenn er seinerseits einen Pkw an einen Händler veräußert. Richtiger Maßstab zur Ermittlung des Verkehrswertes eines Pkw ist daher der von privaten Veräußerern aktuell erzielbare Preis. Hierfür stehen mehrere Listen (wie die so genannte Schwackeliste etc) als Anhaltspunkte zur Verfügung. Letztlich kann dies jedoch hier dahinstehen und der Verkehrswert des Pkw mit 9.600 € angesetzt werden, weil die zu verwertenden Vermögenswerte des Klägers insgesamt die ihm zustehenden Vermögensfreibeträge nicht übersteigen.

2.

Die Beklagte hat in Bezug auf den Pkw zu Recht lediglich den Betrag als Vermögen berücksichtigt, der den von ihr (allerdings zu niedrig) angenommenen Grenzwert der Angemessenheit (5.000 €) überstieg. Hiervon geht im Übrigen auch die BA in ihren Hinweisen zu § 12 (12.24) aus: „Soweit ein Kfz nicht angemessen ist, ist der die Angemessenheit übersteigende Wert auf den Vermögensfreibetrag aus § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II anzurechnen“. Diese bundesweite Verwaltungspraxis entspricht der Rechtslage. Der Senat weicht damit nicht iS von § 41 Abs 2 SGG von der Entscheidung des 11b. Senats im Urteil vom 16. Mai 2007 – B 11b AS 37/06 R ab.

Denn der 11b. Senat hat die Rechtsauffassung, dass die Freibetragsregelungen in § 12 Abs 2 SGB II mit den Privilegierungsvorschriften des § 12 Abs 3 SGB II nicht kombiniert werden könnten (RdNr 42) lediglich als obiter dictum geäußert. Die Rechtsfrage war für die die Rückverweisung an das LSG begründende Entscheidung des 11b. Senats nicht tragend. Der 11b. Senat hat insoweit lediglich erklärt, er könne den Ausführungen des dortigen LSG (zur „Gesamthöhe“ der Freibeträge) „nicht ohne weiteres“ folgen.

Würde man die Verwertbarkeit etwa von Haushaltsgegenständen iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II rein isoliert und ohne Blick auf die dem Hilfebedürftigen zustehenden Freibeträge iS des § 12 Abs 2 SGB II beurteilen, so wäre ein Hilfebedürftiger gezwungen, einen – isoliert betrachtet – unangemessenen Haushaltsgegenstand zu „versilbern“. Der aus der Verwertung zufließende Geldbetrag wäre im Moment der Verwertung aber als Geldvermögen wieder geschützt, soweit er die Freibeträge des § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 4 SGB II nicht erreicht und kein weiteres Geldvermögen vorhanden ist. Dies führte im Ergebnis zu einem Verwertungszwang von lediglich isoliert betrachtet unangemessenen Vermögensgegenständen, ohne dass damit gleichzeitig die Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II beendet würde. Ein Zwang zur Verwertung von Vermögensgegenständen kann nach dem Sinn und Zweck des SGB II aber immer nur dann einsetzen, wenn damit auch tatsächlich Vermögen in einer Höhe erzielt wird, das zur Beendigung der Hilfebedürftigkeit führt. Ob dies der Fall ist, kann wiederum nur anhand der Freibetragsregelung in § 12 Abs 2 SGB II und damit anhand der den Hilfebedürftigen zustehenden Freibeträge entschieden werden. Die Vermögensverschonungsregelungen in § 12 Abs 2 und Abs 3 SGB II müssen daher als zueinander in Wechselwirkung stehend angesehen werden. Auch in den Gesetzesmaterialien und der Literatur finden sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein Kombinationsverbot gewollt war oder erforderlich wäre.

3.

Der Kläger verfügte damit auf Grund der Tatsache, dass er Eigentümer eines mit einem Verkehrswert von 9.600 € unangemessenen Pkw iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II war, über verwertbares Vermögen in Höhe von 2.100 €. Zu diesen 2.100 € Vermögen aus dem Pkw waren zunächst die verwertbaren 1.100,98 € hinzu zu addieren, die dem Kläger auf Spar- oder Girokonten zur Verfügung standen. Darüber hinaus verfügte der Kläger über zwei Lebensversicherungsverträge und eine private Rentenversicherung. Da diese Vermögensgegenstände nicht unter die Schutznormen des § 12 Abs 2 Nr 2 oder Nr 3 SGB II fielen, waren sie lediglich dann nicht als Vermögen zu berücksichtigen, wenn ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre bzw für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II). Der Senat kann hierbei offen lassen, ab welchem Grenzwert im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bei einem Verkauf von Lebensversicherungsverträgen generell von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ausgegangen werden kann. Denn der Kläger hätte bei einer Verwertung seiner privaten Rentenversicherung von einem Verlust von 48,2 % gegenüber den eingezahlten Beträgen erlitten. Ein solcher Verlust ist im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II in keinem Falle hinzunehmen. Demgegenüber war die Lebensversicherung des Klägers mit einem Rückkaufswert von 4.002,74 € zu verwerten. Im Falle dieser Lebensversicherung erlitt der Kläger gegenüber den eingezahlten Beträgen einen Verlust von lediglich 12,9 %. Der Senat geht davon aus, dass im Rahmen des SGB II ein solcher Verlust noch nicht als offensichtlich unwirtschaftlich zu betrachten ist. Offen bleiben kann, ob die weitere Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 2.520,05 € als verwertbares Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II angesehen werden kann. Bei einem Verkauf dieser Lebensversicherung hätte der Kläger einen Verlust von 18,5 % gegenüber den eingezahlten Beträgen erlitten. Ob eine mit einem solchen Verlust verbundene Verwertung iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II als offensichtlich unwirtschaftlich anzusehen ist, kann hier letztlich dahinstehen, weil der Kläger auch bei einem Zwang zur Verwertung dieser Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 2.520,05 € noch hilfebedürftig iS des § 9 SGB II ist.

Aus der Normstruktur, dem Wortlaut und der Gesetzgebungsgeschichte des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II folgt, dass diese Norm zwei Ausnahmetatbestände von dem Verwertungszwang normiert: Die offensichtliche Unwirtschaftlichkeit und die besondere Härte. Der ursprüngliche Gesetzentwurf des SGB II vom 5. September 2003 enthielt in § 12 Abs 2 Nr 6 SGB II lediglich den Ausnahmetatbestand der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung (BT-Drucks 15/1516 S 12). In den Gesetzesmaterialien ist zur Begründung ausgeführt, dass die Berücksichtigung von Vermögen – anders als die Berücksichtigung von Einkommen gemäß § 11 SGB II – in § 12 SGB II im Wesentlichen wie im bisherigen Recht der Alhi geregelt werden soll (BT-Drucks 15/1516 S 53 zu § 12; vgl bereits oben unter 1). Dort waren nach § 1 Abs 3 Nr 6 AlhiV 2002 (vom 13. Dezember 2001, BGBl I 3734) als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Demgegenüber ist der Ausnahmetatbestand der besonderen Härte erst nachträglich auf Beschlussempfehlung des 9. Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 15. Oktober 2003 (BT-Drucks 15/1728 S 176) in das Gesetz aufgenommen worden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Regelung solle ermöglichen, besondere Härtefälle angemessen zu behandeln. Als Beispiel wird auf einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen verwiesen, der kurz vor dem Renteneintritt seine Ersparnisse für die Altersversorgung einsetzen müsse, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbständiger Tätigkeit aufweise (BT-Drucks 15/1749 S 32). Wollte der Gesetzgeber mit dem Tatbestandsmerkmal der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit in § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II an das Recht der Alhi anknüpfen, so kann zur Inhaltsbestimmung dieses Begriffs gerade nicht – entgegen der Rechtsansicht der Beklagten – auf das bisherige Sozialhilferecht zurückgegriffen werden. Weder in § 88 BSHG noch in § 90 SGB XII war oder ist ein Tatbestand enthalten, der § 1 Abs 3 Nr 6 AlhiV 2002 bzw § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II entspricht. Das Sozialhilferecht kannte und kennt nicht ein Verwertungsverbot bei offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit der Verwertung.

Zur Bestimmung des Begriffs der Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II kann daher auch nicht auf die Rechtsprechung des BVerwG zurückgegriffen werden, die ausschließlich zu dem Begriff der „Härte“ ergangen ist (vgl jetzt § 90 Abs 3 SGB XII bzw früher § 88 Abs 3 BSHG; vgl beispielsweise BVerwGE 106, 105, 110; 121, 34, 35 ff). Nach dieser Rechtsprechung wurde eine Härte erst im wirtschaftlichen Ausverkauf des Hilfebedürftigen gesehen, sodass selbst Verluste von über 50 % gegenüber den eingezahlten Beträgen noch nicht als hart iS des § 88 Abs 2 Nr 8 BSHG betrachtet wurden.

Auf diese Rechsprechung kann schon nach dem Wortlaut des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II, der ersichtlich auf § 1 Abs 3 Nr 6 AlhiV 2002 zurückgeht, für die Bestimmung des Begriffs der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit nicht abgestellt werden (anders SG Berlin, Urteil vom 2. August 2005 – S 63 AS 2117/05; SG Berlin, Urteil vom 13. Dezember 2005 – S 63 AS 7329/05; SG Reutlingen, Beschlüsse vom 20. Februar 2007 – S 2 AS 564/07 ER, S 2 AS 564/07). Demgegenüber ist im Rahmen des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II die Wirtschaftlichkeit der Verwertung eines besimmten Vermögensgegenstandes ausschließlich nach objektiven Kriterien zu ermitteln. Dies folgt bereits aus der Notwendigkeit einer Abgrenzung dieses Tatbestandsmerkmals zur besonderen Härte iS der 2. Alternative des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II.

Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt nach der Rechtsprechung des BSG zur Alhi dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes steht (BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 – 11 RAr 133/88, DBlR 3785a zu § 137 AFG; BSG, Urteil vom 24. April 2002 – B 11 AL 69/01 R, DBlR 4750a, AFG/137). Umgekehrt ist offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung

nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (zur Alhi BSG SozR 3-4100 § 137 Nr 7). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen (zum Recht der Alhi vgl Spellbrink, Kasseler Handbuch der Arbeitsförderung, 2003, § 13 RdNr 208). Es ist mithin zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüber zu stellen (vgl Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 12 RdNr 84). Der Substanzwert kann sich zB aus den auf einen Lebensversicherungsvertrag eingezahlten Beiträgen ergeben. Die BA geht in ihren Hinweisen zu § 12 SGB II nach wie vor davon aus, dass die Verwertung von Sachen und Rechten dann nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist, wenn im Ergebnis unter Berücksichtigung der Verwertungskosten der Verkehrswert nur geringfügig (bis 10 %) unter dem Substanzwert (Summe der eingezahlten Beträge) liegt (Hinweise der BA: 12.37).

Obwohl das BSG in seiner Rechtsprechung zur Alhi diese Verlustgrenze von 10 % explizit nicht gezogen hat, bietet es sich an, auch im Rahmen des § 12 SGB II, der nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dem Recht der Alhi folgen will, eine entsprechende Grenzziehung vorzunehmen (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. November 2006 – L 20 AS 89/06; SG Dresden, Urteil vom 31. März 2006 S 35 AS 66/05; Brühl in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 12 RdNr 51; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 RdNr 255, Stand 2/2007). Andererseits darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber des SGB II auch davon ausging, dass für die Verwertbarkeit von Vermögen generell der Lebenszuschnitt des Hilfebedürftigen während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende maßgebend sein soll (§ 12 Abs 3 Satz 2 SGB II). Wie bereits oben erwähnt (vgl 1) kommt dem SGB II nicht mehr die Funktion zu, den Lebensstandard des Hilfesuchenden zu sichern. Dementsprechend hat der 11b. Senat des BSG in seinem Urteil vom 23. November 2006 (B 11b AS 17/06 R, RdNr 24 am Ende) angedeutet, dass er Verluste von mehr als 10 % als noch im Bereich des Wirtschaftlichen liegend betrachten würde. Aus allem zieht der Senat den Schluss, dass die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II noch nicht erreicht ist, wenn bei einem Verkauf der Lebensversicherung der Rückkaufswert 12,9 % unter den eingezahlten Beiträgen liegt. Geht man allerdings davon aus, dass der Substanzwert einer Lebensversicherung nicht nur darin besteht, dass Beiträge einbezahlt wurden, sondern dass zugleich mit einer Lebensversicherung eine Chance bzw Anwartschaft auf eine wesentlich höhere Gesamtsumme im Fall der Auszahlung bzw der Rentenzahlung verbunden ist, könnte zweifelhaft sein, ob ein Verlust von 18,5 % (bei rein isolierter Betrachtung des Verhältnisses von eingezahlten Beträgen und Rückkaufswert) noch im Bereich der Wirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II liegt. Dies kann hier aber letztlich dahinstehen, weil die Verwertung der privaten Rentenversicherung in jedem Falle unzumutbar ist. Der Rückkaufswert dieser Versicherung von 6.557,50 € ist mit einem Verlust von 48,2 % gegenüber den eingezahlten Beträgen verbunden. Ein solcher Verlust ist in jedem Fall offensichtlich unwirtschaftlich. Damit wird der Vermögensfreibetrag des Klägers gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 iVm Nr 4 SGB II selbst dann nicht erreicht, wenn man davon ausginge, dass auch die Lebensversicherung mit einem Verlust von 18,5 % der Verwertungspflicht unterläge.

4.

Da das vom Kläger einzusetzende Vermögen den Vermögensfreibetrag gemäß § 12 Abs 2 SGB II nicht erreicht, kann auch dahinstehen, welche rechtlichen Konsequenzen es hat, dass der Kläger hier nur für einen kurzen Zeitraum Leistungen beansprucht. Das BSG hat allerdings bereits zur Alhi entschieden, dass die Kurzzeitigkeit des Leistungsbezugs die Verwertung von Vermögensgegenständen nicht unzumutbar macht (Urteil vom 17. Oktober 1990 – 11 Rar 133/88). Jedenfalls dürfte eine absehbar kurze Leistungs- bzw Anspruchsdauer keinen Einfluss darauf haben, ob ein Vermögensgegenstand verwertbar iS des § 12 Abs 3 SGB II ist. Ob ein Verwertungszwang für Gegenstände iS des § 12 Abs 3 SGB II entsteht, entscheidet sich allein auf Grund der Tatbestandsmerkmale der Angemessenheit in Relation zu den Vermögensfreibeträgen in § 12 Abs 2 SGB II (soeben 2.). Allenfalls könnte mit dem Einwand, es werde nur für einen absehbar kurzen Zeitraum Arbeitslosengeld II beantragt, das Tatbestandsmerkmal des Vorliegens einer besonderen Härte iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II begründet werden.

Hierzu hat der 11b. Senat des BSG in seinem Urteil vom 16. Mai 2007 (B 11b AS 37/06 R) klargestellt, dass die Annahme einer besonderen Härte iS dieser Vorschrift außergewöhnliche Umstände erfordert. Es muss sich daher um Umstände handeln, die nicht bereits in § 12 Abs 2 bzw Abs 3 SGB II erfasst sind (vgl aaO RdNr 31). Geht man davon aus, dass für die Anwendung

des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II Umstände vorliegen müssen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit einer Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte, so dürfte das Argument, die Leistung werde nur für einen kurzen Zeitraum beantragt, kaum jemals dazu führen, dass eine besondere Härte iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II zu bejahen ist. Letztlich kann auch dies hier dahinstehen, weil das Vermögen des Klägers die Freibeträge des § 12 Abs 2 Nr 1 und Nr 4 SGB II nicht übersteigt und damit eine Verwertung nicht gefordert werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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