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Sicherheitskontrolle auf Flughafen – Wer haftet für teure verschwundene Uhr?

Oberlandesgericht Frankfurt

Az.: 1 U 169/08

Urteil vom 24.06.2009


Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. April 2008 verkündete Grundurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-04 O 451/06) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von der beklagten … Schadensersatz für eine am Flughafen X1 verloren gegangene Uhr.

Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil sowie von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird gemäß  § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, weil die Revision nicht zugelassen wurde und ein Rechtsmittel gegen das Urteil deshalb bei einer Beschwer der Parteien von jeweils nicht über 20.000 Euro unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO, § 544 ZPO).

II.

1.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das angegriffene Grundurteil war abzuändern, weil gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, § 513 Abs. 1 ZPO.

a.) Dem Kläger steht wegen des von ihm dargelegten Verlustes einer Uhr kein Ersatzanspruch gegen die Beklagte zu, weil nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststeht, dass dem Kläger die Uhr erst verloren ging, nachdem er sie in der Kontrollzone des Flughafens in einem Kästchen auf das dortige Förderband gelegt hatte.

aa.) Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten sei. Allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er mögliche Zweifel überwinden und die persönliche Gewissheit von der Wahrheit einer bestimmten Behauptung erlangen kann. Dabei darf und muss er sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Februar 1970, BGHZ 53, S. 226 = NJW 1970, S. 946, 948; Zöller/Greger, ZPO, 27 Auflage 2009, § 286 Rn. 17 ff. mit weiteren Nachweisen).

bb.) Nach diesen Grundsätzen ist das Gericht nicht im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO davon überzeugt, dass der Kläger die streitgegenständliche Uhr in einem Kästchen auf das Förderband in der Kontrollzone im Bereich A des Terminal 1 gelegt hatte und sie dort verloren ging. Zwar hat der Kläger glaubhaft bekundet, er habe die Uhr zusammen mit anderen persönlichen Gegenständen in das Kästchen eingelegt gehabt. Die drei als Zeugen vernommenen Flughafenmitarbeiter, die zur fraglichen Zeit in der Kontrollzone tätig waren, haben dies aber nicht bestätigt und ebenfalls glaubhaft ausgesagt, sie hätten keine Uhr des Klägers an sich genommen. Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass ein weiterer Flughafenmitarbeiter, der die Aufgabe hatte, am Ende des Förderbandes ankommende Kästchen wieder nach vorn zu bringen, eine im Kästchen auf dem Band befindliche Uhr des Klägers an sich genommen hat. Hierzu hätte er jedoch zunächst die vom Kläger auf das Kästchen gelegten Kleidungsstücke an sich nehmen oder zumindest anheben müssen, was den Umstehenden wahrscheinlich aufgefallen wäre. Auch war bei einer unmittelbar nach der Verlustmeldung des Klägers durchgeführten polizeilichen Durchsuchung bei den Mitarbeitern keine Uhr gefunden worden. Soweit der Kläger einwendet, diese Durchsuchung sei nicht mit letzter Gründlichkeit erfolgt, verbleibt hiernach zwar die Möglichkeit eines Diebstahls durch das Kontrollpersonal der Beklagten. Es ist es jedoch keinesfalls zwingend, dass die Uhr auf dem Förderband verloren ging. Ebenso ist denkbar, dass die Uhr dem Kläger schon vor der Kontrolle abhanden kam, er den Verlust aber erst bemerkte, nachdem er sich am Ende des Förderbands Jacke, Gürtel und Pullover wieder angezogen hatte – im guten Glauben, die Uhr mit seinen anderen persönlichen Gegenständen in das Kästchen gelegt zu haben. Ein solcher Irrtum des Klägers kann schon deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil seine Wahrnehmungen auch in einem anderen Punkt unzutreffend waren: Entgegen seinen Bekundungen befanden sich in der fraglichen Kontrollzone noch mehrere weitere Passagiere, die ebenfalls als Täter eines Diebstahls in Betracht kämen. Soweit die Zeugin AB1 bestätigt hat, der Kläger habe die Uhr bei einem gemeinsamen Essen im Flughafengebäude noch getragen gehabt, schließt auch dies nicht aus, dass ihm die Uhr nach diesem Essen noch vor Betreten der Kontrollzone verloren ging.

Unter Berücksichtigung aller Umstände steht daher nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die Uhr in ein Kästchen auf das Förderband gelegt hatte und es dort abhanden kam.

cc.) Eine Wiederholung der Beweisaufnahme war insoweit nicht geboten. Nach der vom Gericht geteilten Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 3. November 1988, NJW 1988, S. 566, 567 sowie Urteil vom 29. Mai 1991, NJW-RR 1991, S. 1102, 1103) ist eine erneute Zeugenvernehmung in der Berufungsinstanz erforderlich, soweit sich das Berufungsgericht in der Frage der persönlichen Glaubwürdigkeit des oder der Zeugen über das Erstgericht hinwegsetzen oder den Bekundungen eine andere Tragweite, ein anderes Gewicht oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will. Keine der genannten Voraussetzungen liegt vor. Das Gericht schließt sich der Einschätzung des Landgerichts an, wonach keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger oder einer der vernommenen Zeugen die Unwahrheit gesagt haben oder persönlich unglaubwürdig sein könnten. Das Gericht misst den Bekundungen des Klägers und der Zeugen auch nicht ein anderes Gewicht oder eine andere Tragweite bei als das Landgericht; es legt diese Bekundungen auch nicht abweichend von ihrem Wortsinn. Das Gericht sieht sich nur nicht in der Lage, auf der Grundlage des Beweisergebnisses und aller sonstigen Umstände eine volle Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO zu gewinnen.

dd.) Diese Beweislosigkeit geht zum Nachteil des Klägers, weil dieser die Beweislast für das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Pflichtverletzung der Beklagten trägt.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

3.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht, § 543 Abs. 2 ZPO.

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