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Sicherstellung von Gegenständen durch Polizei

OVG NRW

Az: 5 A 298/09

Beschluss vom 11.08.2010


Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 11.140,– Euro festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Sicherstellung eines Bargeldbetrags in Höhe von 11.140,– Euro durch den Beklagten.

Am 2007 ließ sich der Kläger gegen 4.00 Uhr morgens mit dem Taxi von einer Diskothek in …. zur E. Straße fahren. Am Zielort kam es zu einem Polizeieinsatz, der zu einer Strafanzeige gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen des Verdachts einer Straftat nach §§ 243, 249 StGB (besonders schwerer Fall des Diebstahls, Raub) führte. Laut des dazu gefertigten polizeilichen Sachberichts hatten die Polizeibeamten den Auftrag erhalten, sich in den Bereich E. Straße/I. Straße in …. zu begeben, wo ein Taxifahrer mit einem Fahrgast, dem Kläger, wartete. Am Einsatzort habe der Taxifahrer erklärt, der Kläger habe sich zunächst geweigert, den Fahrpreis in Höhe von 9,50 Euro zu entrichten, habe später aber mit einem Schein aus einem dicken Geldbündel bezahlt. Bei der daraufhin beim Kläger durchgeführten Durchsuchung wurden 3.900,– Euro in 100er und 50er Banknoten, zusammengehalten durch ein Gummiband, gefunden. In dem Polizeibericht heißt es weiter, dass der Taxifahrer sowie ein Kollege bekundet hätten, der Kläger habe ein weiteres, in Folie eingepacktes Geldbündel dabeigehabt. Nach den Angaben des zweiten Taxifahrers sei der Kläger in Richtung E. Straße gelaufen. Als er ihm gefolgt sei, habe er ein Geräusch wahrgenommen, das dem Durchladen einer Pistole geglichen habe. Kurz darauf habe der Taxifahrer gesehen, wie der Kläger aus dem Haus E. Straße zurückgekehrt sei. Bei der daraufhin durchgeführten Nachschau fanden die Beamten im Gebüsch eine durchgeladene Gaspistole sowie auf dem Vordach des Hauses E. Straße einen Bargeldbetrag in Höhe von 7.240,– Euro eingeschweißt in Klarsichtfolie. Nach dem polizeilichen Bericht hatte der alkoholisierte Kläger (0,76 mg/l) vor dem Auffinden der Gegenstände geleugnet, eine Waffe oder ein weiteres Geldbündel besessen zu haben. Später erklärte er, bei dem Geld handele es sich um seinen Lohn als Kraftfahrer und die Waffe führe er zu seinem Schutz mit sich. Das Bargeld und die Pistole wurden gemäß § 94 StPO sichergestellt.

Im Zuge weiterer polizeilicher Ermittlungen wurde festgestellt, dass der Kläger vom 1. Januar 2007 bis zum 14. November 2007 Arbeitslosengeld bezogen hatte. Seit dem 15. November 2007 war er bei einer Spedition beschäftigt und verdiente ca. 1.800,– Euro brutto.

Am 22. Februar 2008 vermerkte die Staatsanwaltschaft …., dass bezüglich des sichergestellten Geldbetrags eine Straftat nicht feststellbar sei. Unter dem 4. April 2008 teilte sie dem Beklagten mit, das sichergestellte Geld werde aus strafrechtlicher bzw. strafprozessualer Sicht nicht benötigt und könne ausgehändigt werden.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2008 stellte der Beklagte den Geldbetrag aus präventiv- polizeilichen Gründen sicher und nahm diesen in Verwahrung. Des Weiteren verbot er dem Kläger, das Bargeld zu veräußern oder sonst darüber zu verfügen. Ferner ordnete er die sofortige Vollziehung der Maßnahmen an. Zur Begründung verwies der Beklagte auf § 43 Nr. 1, Nr. 2, § 44 sowie § 8 PolG NRW und führte aus, es bestünden auf Grund des Vorfalls vom 2007 erhebliche Zweifel an der rechtmäßigen Erlangung des Geldbetrags, die der Kläger nicht ausgeräumt habe. Die Sicherstellung sei gemäß § 43 Nr. 1, Nr. 2 PolG NRW zum Schutz des wahren Eigentümers bzw. des berechtigten Gewahrsamsinhabers erforderlich. Zwar werde gemäß § 1006 BGB zu Gunsten des Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Diese Eigentumsvermutung sei hier aber widerlegt. Infolge dessen kehre sich die Beweislast um, so dass der Kläger den Nachweis des von ihm behaupteten Eigentums an dem sichergestellten Geld zu erbringen habe. Daran fehle es.

Dagegen hat der Kläger am 9. Juni 2008 Klage erhoben mit dem Begehren, den Sicherstellungsbescheid aufzuheben und den Geldbetrag herauszugeben. Zur Begründung hat er geltend gemacht: Wie das gegen ihn geführte Strafverfahren zeige, sei ein angeblich dritter Berechtigter nicht zu ermitteln. Die Sicherstellung und Verwahrung des Geldbetrags könne mithin nicht dem Schutz des angeblich wahren Eigentümers oder berechtigten Gewahrsamsinhabers dienlich sein. Abgesehen davon sei er der wahre Eigentümer des Geldes. Er habe es im Jahre 2005 im Wege einer belohnenden Schenkung erhalten. Zudem würde in der bisherigen Rechtsprechung übereinstimmend betont, dass es einen Zusammenhang geben müsse zwischen dem Besitz des sichergestellten Geldes und Delikten, die dem Betroffenen in der Vergangenheit vorgeworfen worden seien und deren erneute Begehung zu befürchten stehe. Diese Voraussetzung sei in seinem Fall nicht gegeben. Der Vorwurf, der ihm strafrechtlich gemacht worden sei, habe mit dem Erwerb des sichergestellten Geldes nichts zu tun. Erst recht bestünden keine Anhaltspunkte, dass er zukünftig irgendwelche Straftaten begehen könnte. Die Auffassung des Beklagten, die Eigentumsvermutung greife nicht, sei unmaßgeblich. Es sei nicht Aufgabe des Polizeirechts, zivilrechtliche Eigentumsverhältnisse zu sichern. Abgesehen davon entkräfteten die vom Beklagten herangezogenen Indizien die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB nicht. Der vom Beklagten erweckte Eindruck, er sei mit dem Bargeldbetrag in Höhe von 11.140,– Euro und einer Pistole am Leib am Abend des durch die Gegend gelaufen, sei völlig falsch. Es sei vielmehr so gewesen, dass er während der Taxifahrt kein Geld bei sich gehabt habe. Am Zielort angekommen, habe er dem Taxifahrer mitgeteilt, er würde das Geld zur Entrichtung des Fahrpreises aus seiner Wohnung holen. Der Taxifahrer habe misstrauisch reagiert und über Funk weitere Taxifahrer zu Hilfe gerufen. Daraufhin habe er Angst bekommen und sei in seine Wohnung geflüchtet. Dort habe er das später bei ihm gefundene Geldbündel sowie zu Verteidigungszwecken die Gaspistole gegriffen. Nach Verlassen der Wohnung sei er auf den Taxifahrer getroffen. Er habe ihm die Waffe gezeigt und versucht zu bezahlen. Der Taxifahrer habe dann, wohl erschrocken durch die Waffe, die Polizei verständigt. Daraufhin habe er die Waffe in ein Gebüsch geworfen und sei in die Wohnung zurückgekehrt, um den eingeschweißten Geldbetrag herauszuholen. Er habe ihn auf das Vordach geworfen, damit er nicht bei ihm gefunden würde. Die von dem Beklagten herangezogene kriminelle Karriere gebe es nicht. Richtig sei, dass er als Jugendlicher einige Male wegen Ladendiebstahls, Körperverletzung und dergleichen verfolgt worden sei. Es habe sich jeweils um Bagatellen gehandelt. Die gegen ihn ergangenen Verurteilungen seien nicht einschlägig.

Der Kläger hat beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 8. Mai 2008 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Aufgrund der Sachverhaltsumstände bleibe der Verdacht einer Straftat. Die Herkunft des Geldes sei nach wie vor ungeklärt. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger nicht legal in den Besitz des Geldes gelangt sein könne. Es sei nicht glaubhaft, dass es sich bei dem hohen Betrag um eine Lohnauszahlung handele. Lohn werde üblicherweise monatlich ausgezahlt und in der Regel auf ein Konto überwiesen, über das auch der Kläger seit 2006 verfüge. Ebenfalls nicht zu glauben sei, dass nach Abzug der Lebenshaltungskosten noch Ersparnisse in dieser Höhe verblieben. Nicht nachvollziehbar sei auch, dass jemand ein Geldbündel wegwerfe, für das er hart als Kraftfahrer gearbeitet habe. Gegen jede Lebenserfahrung spreche des Weiteren, dass derartige Bargeldsummen in solcher Verpackung anlässlich eines Gaststättenbesuchs mit sich geführt würden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger wiederholt kriminalpolizeilich auffällig geworden sei, unter anderem im Bereich der Eigentumsdelikte. Dass der wahre Eigentümer noch nicht bekannt sei, spreche nicht gegen die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung, weil dieser sich noch melden könne. Im Übrigen stehe der Maßnahme auch nicht entgegen, dass der Eigentümer nur unter großen Schwierigkeiten und möglicherweise gar nicht mehr ermittelt werden könne. Die Sicherstellung sei schließlich verhältnismäßig. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung gebiete keine abweichende Bewertung. In den dortigen Fällen sei die Sicherstellung zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr (§ 43 Nr. 1 PolG NRW) erfolgt. Rechtsgrundlage für die streitige Sicherstellung sei jedoch § 43 Nr. 2 PolG NRW.

Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts …. vom ( ) wurde der Kläger wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,– Euro verurteilt. Mit Beschluss vom bildete das Amtsgericht …. eine nachträgliche Gesamtstrafe von 70 Tagessätzen zu je 50,– Euro. Einbezogen wurden die Verurteilung vom durch das Amtsgericht wegen vorsätzlichen Gestattens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie die Verurteilung vom durch das Amtsgericht wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht dem Klageantrag entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden § 43 Nr. 2 PolG NRW seien nicht erfüllt. Es stehe nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger nicht Eigentümer des bei ihm sichergestellten Geldes sei. Die Vermutung des § 1006 BGB sei nicht als widerlegt anzusehen. Zwar sprächen einige Beweisanzeichen wie das Wegwerfen des Geldes und die widersprüchlichen Angaben über dessen Herkunft gegen ein Eigentum des Klägers. Diese Gesichtspunkte widerlegten die Eigentumsvermutung indes nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts. Für den Kläger sei anzuführen, dass er während des Geschehens am 2007 stark alkoholisiert gewesen sei und daher ein rationales Handeln nicht habe erwartet werden können. Auch sei er in der nahen Vergangenheit weder wegen Vermögensdelikten, aus denen das sichergestellte Geld stammen könnte, rechtskräftig verurteilt worden noch seien diesbezügliche Ermittlungsverfahren anhängig oder anhängig gewesen.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgebenden Grundsätze zur Geltung der Eigentumsvermutung nach § 1006 BGB seien vom Verwaltungsgericht unzutreffend angewandt worden. Die Eigentumsvermutung sei als entkräftet anzusehen. Gegen einen redlichen Eigentumserwerb des Klägers sprächen dessen widersprüchliche Angaben über den Erwerb des Geldes. Abgesehen davon werde seine am 2007 abgegebene Erklärung, bei dem Geld handele es sich um Arbeitslohn, durch seine wirtschaftliche Situation widerlegt, die nach aller Lebenserfahrung die Bildung nennenswerter Rücklagen ausschließe. Die mit Schriftsatz vom 24. November 2008 aufgestellte Behauptung, das Geld stamme aus einer 2005 erfolgten Schenkung, sei ebenfalls wahrheitswidrig. Der Beklagte habe zwischenzeitlich ermittelt, dass sich unter den sichergestellten Geldscheinbündeln Banknoten befänden, die erst in den Jahren 2006 und 2007 hergestellt worden seien. Gegen die Eigentumsvermutung sprächen des Weiteren die verdächtigen Umstände anlässlich des Vorfalls vom 2007. Der Kläger habe darzulegen und zu beweisen, dass er entgegen dieser Indiztatsachen Eigentümer geworden sei. Hierzu genüge es nicht, dass er verschiedene Möglichkeiten des Gelderwerbs anführe.

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen.

Er macht ergänzend geltend, er begehre die Herausgabe des sichergestellten Geldes oder Erstattung des Wertes. Die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB sei auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten angeführten neuen Erkenntnisse nicht widerlegt. Zwar sprächen diese dafür, dass die behauptete Schenkung nicht stattgefunden habe. Nach wie vor fehle es aber an einem substantiierten Vortrag des Beklagten, aus welchen Gründen der Kläger nicht Eigentümer des sichergestellten Geldes sein solle. Er werde keiner Straftat verdächtigt, aus der der Geldbetrag stammen könne. Es gebe auch sonst keinen Geschehensablauf, der behauptet oder auch nur vermutet werde, demgemäß er nicht Eigentümer sei. Lediglich seien seine eigenen Erklärungen teilweise unrichtig, teilweise auch in sich widersprüchlich. Zum einen habe er diese Angaben aber als Beschuldigter im Strafverfahren gemacht, in dem er keiner Wahrheitspflicht unterliege. Zum anderen trage er nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er Eigentümer sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft …. .

II.

Der Senat kann gemäß § 130a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß §§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden.

Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Verfügung des Beklagten vom 8. Mai 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Sicherstellung und die Inverwahrung-nahme des Geldes sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Herausgabe des sichergestellten Geldes.

Rechtsgrundlage für die Sicherstellung der 11.140,– Euro ist § 43 Nr. 2 PolG NRW. Danach kann die Polizei eine Sache sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen.

Der Beklagte war für die Sicherstellung des in Rede stehenden Geldes gemäß § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PolG NRW (in der bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 9. Februar 2010 geltenden Fassung) zuständig. Er hat zugrunde gelegt, dass der Kläger nicht legal in den Besitz des Geldes gelangt ist, und mit der Maßnahme den Schutz des rechtmäßigen Eigentümers bzw. Besitzers bezweckt. Damit ist der Beklagte zugleich aus Gründen der ihm originär übertragenen Aufgabe der Kriminalitätsbekämpfung (vg…. § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 PolG NRW) tätig geworden.

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Das Fehlen der erforderlichen Anhörung (§ 28 Abs. 1 VwVfG NRW) vor Erlass der angegriffenen Verfügung ist unbeachtlich. Der Anhörungsmangel ist rechtzeitig geheilt worden (§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW). Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren die Gelegenheit wahrgenommen, sich zu den für die polizeiliche Maßnahme erheblichen Tatsachen zu äußern. Der Beklagte hat sich mit seinem Vorbringen auseinandergesetzt.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sicherstellung waren (bereits) im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der behördlichen Entscheidung, vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Oktober 2000 – 5 A 291/00-, vom 12. Februar 2007 – 5 A 1056/06 – und vom 22. Februar 2010 – 5 A 1189/08 -, gegeben. Es liegen gewichtige Beweisanzeichen vor, die das vom Kläger behauptete Eigentum erschüttern. Infolge dessen ist der Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB die Grundlage entzogen und der Kläger nicht als Eigentümer (oder rechtmäßiger Besitzer) des sichergestellten Geldes anzuerkennen.

Nach § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB wird zugunsten des (Eigen-)Besitzers einer beweglichen Sache vermutet, dass er beim Besitzerwerb auch Eigentümer der Sache geworden ist. Die gesetzliche Vermutung kann durch den Beweis des Gegenteils (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 292 ZPO) widerlegt werden. Ob die Eigentumsvermutung widerlegt ist, entscheidet das Gericht nach seiner aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen freien Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 286 Abs. 1 ZPO). Vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2002 – II ZR 37/00 -, NJW 2002, 2101.

Wegen der Unzuverlässigkeit des Schlusses vom Besitz auf das Eigentum dürfen an die Widerlegung der Vermutung keine hohen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere ist der Beklagte nicht gezwungen, jede abstrakt denkbare Erwerbsmöglichkeit auszuschließen. Vielmehr mutet ihm § 1006 BGB den Gegenbeweis nur innerhalb vernünftiger Grenzen und in dem durch den substantiierten Sachvortrag des Klägers – des Besitzers – abgesteckten Rahmen zu. Danach kann die Eigentumsvermutung auch mithilfe von Indizien und Erfahrungssätzen widerlegt werden. Trotz Zubilligung dieser Beweiserleichterungen müssen allerdings zumindest Umstände bewiesen werden, die das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher erscheinen lassen als das Eigentum des Besitzers oder die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen. Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 2002 – BVerwG 8 C 9.01 -, NJW 2003, 689; BGH, Urteil vom 19. Januar 1977 – VIII ZR 42/75 -, MDR 1977, 661 m.w.N.

Im Falle der Heranziehung von Indizien und Erfahrungssätzen ist die Eigentumsvermutung widerlegt, wenn diese mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das vermutete Eigentum des Besitzers erschüttern. Vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1993 – IX ZR 238/91 -, NJW 1993, 935; BVerwG, Urteil vom 24. April 2002, a.a.O.

Nach diesen Maßgaben ist die zugunsten des Klägers wirkende Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB durch entgegenstehende Beweisanzeichen widerlegt. Jedenfalls erscheint das Eigentum eines Dritten wahrscheinlicher. Nachhaltig gegen das vom Kläger behauptete Eigentum sprechen zunächst die Umstände des Geschehens vom 2007. Auch unter Zugrundelegung der klägerischen Schilderung des Vorfalls widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass sich ein redlicher Eigentümer so verhält wie der Kläger seinerzeit. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, weshalb ein rechtmäßiger Eigentümer einen Geldbetrag wie geschehen aus der Wohnung entfernen und auf das Vordach werfen sollte. Es drängt sich auf, dass der Kläger vermeiden wollte, mit dem Geld in Zusammenhang gebracht zu werden, weil es nicht legal in seinen Besitz gelangt ist. Ein weiteres Indiz für das mangelnde Eigentum des Klägers besteht darin, dass er unerlaubt im Besitz einer (Gas-)Pistole gewesen ist und ausweislich des Vorfalls vom 2007 keine Hemmungen hatte, diese sichtbar in der Öffentlichkeit zu führen. Die Erklärungen des Klägers, er habe die Pistole zu Verteidigungszwecken aus seiner Wohnung geholt und dem Taxifahrer während des Bezahlvorgangs „gezeigt“, erwecken darüber hinaus den Eindruck, dass der Kläger zumindest in Kauf genommen hat, den Taxifahrer einzuschüchtern. Nicht nachvollziehbar ist auch das übrige Verhalten des Klägers, das er nach den zu seinen Gunsten als wahr unterstellten Angaben im Zusammenhang mit dem Bezahlen des Fahrpreises gezeigt hat. Angesichts des Fahrpreises von 9,50 Euro ist nicht im Ansatz plausibel, weshalb der Kläger in seiner Wohnung ein Geldbündel im Wert von 3.900,– Euro gegriffen und mit sich genommen hat, um die Taxifahrt zu bezahlen.

Gegen einen rechtmäßigen Eigentumserwerb des Klägers sprechen des Weiteren die widersprüchlichen Angaben, die er gegenüber der Polizei gemacht hat. Während er zunächst leugnete, das auf dem Vordach aufgefundene Geldbündel besessen zu haben, erklärte er später, bei dem Geld handele es sich um Lohnzahlungen. Auch Letzteres war indes nicht glaubhaft. Die Erklärung widersprach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers, wie der Beklagte in der angegriffenen Verfügung unter Hinweis auf den bis zum 14. November 2007 andauernden Arbeitslosengeldbezug des Klägers und einen Bruttolohn von ca. 1.800,– Euro monatlich ab 15. November 2007 überzeugend ausgeführt hat.

Nichts anderes ergibt sich, wenn man auf die Senatsentscheidung als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt abstellt. Im Gegenteil wird die gesetzliche Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB zusätzlich erschüttert. Ein weiteres Indiz für das mangelnde Eigentum des Klägers liegt darin, dass er von seiner Erklärung, das sichergestellte Geld stamme aus Lohnzahlungen, abgerückt ist und vorgetragen hat, den Geldbetrag 2005 als belohnende Schenkung erhalten zu haben. Diese Behauptung wird jedoch durch die zwischenzeitlichen Ermittlungen des Beklagten widerlegt, wonach sich unter den sichergestellten Geldscheinbündeln Banknoten befinden, die erst in den Jahren 2006 und 2007 hergestellt worden sind. Der Kläger räumt demgemäß mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2009 selbst ein, das Druckdatum der Geldscheine spreche „zugegebenermaßen dafür, dass die behauptete Schenkung insgesamt nicht stattgefunden hat“. Eine anderweitige, überzeugende Erklärung, die den Schluss auf eine Eigentümerstellung des Klägers rechtfertigen könnte, hat dieser nicht dargetan.

Die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung wird nicht dadurch berührt, dass im Zeitpunkt ihrer Anordnung der Eigentümer, zu dessen Schutz die Maßnahme erfolgt ist, unbekannt war. Für eine Sicherstellung nach § 43 Nr. 2 PolG NRW genügt es, dass eine Ermittlung des Eigentümers der sichergestellten Sachen nicht auszuschließen ist. In diesem Fall dient die Sicherstellung dem Schutz des noch unbekannten Eigentümers vor Verlust (oder Beschädigung) seines Eigentums. Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 12. Februar 2007 – 5 A 1056/06 – und vom 22. Februar 2010 – 5 A 1189/08 -.

Anhaltspunkte, nach denen bereits bei Erlass der Sicherstellungsverfügung feststand, dass der Eigentümer des sichergestellten Geldes nicht ermittelt werden könnte, liegen nicht vor.

Bei dieser Sachlage erweist sich die Sicherstellungsanordnung auch nicht als ermessensfehlerhaft. Die Maßnahme war geeignet und erforderlich zur Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel stand nicht zur Verfügung, um eine Perpetuierung der Beeinträchtigung der Interessen des wahren Eigentümers bzw. des berechtigten Gewahrsamsinhabers zu verhindern. Vor dem Hintergrund, dass nach den Gesamtumständen nicht von einem rechtmäßigen Eigentums- bzw. Besitzerwerb des Klägers ausgegangen werden konnte, war die Sicherstellung schließlich nicht unangemessen.

Die Inverwahrungnahme des sichergestellten Geldes unterliegt gleichfalls keinen rechtlichen Bedenken. § 44 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW bestimmt ausdrücklich, dass sichergestellte Sachen in Verwahrung zu nehmen sind. Das Verfügungsverbot findet seine Grundlage in § 8 Abs. 1 PolG NRW (in der der bis zum Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 9. Februar 2010 geltenden Fassung).

Auf Grund der Rechtmäßigkeit der Sicherstellungsanordnung hat der Kläger auch keinen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch auf Herausgabe des sichergestellten Geldes nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Voraussetzungen für eine auf § 46 Abs. 1 PolG NRW gestützte Herausgabe der 11.140,– Euro liegen ebenfalls nicht vor. Der Schutzzweck des § 43 Nr. 2 PolG NRW dauert ungeachtet dessen fort, dass ein berechtigter Dritter bislang nicht ermittelt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies schon auf die Erwägung stützen lässt, dass es dem mutmaßlichen Willen des unbekannt bleibenden Geschädigten entspricht, einen zu seinem Nachteil eingetretenen Verstoß gegen die Eigentumsordnung weiterhin im Wege der Sicherstellung zu unterbinden. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Februar 2007 – 5 A 1056/06 – unter Hinweis auf Barthel, Deutsche Verwaltungspraxis 2005, 276, 281.

Jedenfalls ist das Herausgabeverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich, weil er nicht nachweisen kann, Eigentümer bzw. berechtigter Besitzer des Geldes zu sein. Vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Mai 2001 – 9 K 2018/99 -, juris, Rn. 25; VG Hannover, Urteil vom 21. Januar 2008 – 10 A 2695/05 -, NVwZ-RR 2008, 616; Söllner, NJW 2009, 3339, 3343 unter c).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).

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