Ein Verleger klagte gegen ein Online-Magazin wegen Sinnentstellung durch gekürzte Zitate, die eine 17 Jahre alte kritische Aussage betrafen. Die entscheidende Frage vor Gericht war, ob drei einfache Punkte in Klammern die Pressefreiheit retteten oder das Persönlichkeitsrecht verletzten.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Warum fühlte sich der Verleger durch seine eigenen Worte verleumdet?
- Wie rechtfertigte das Online-Magazin die umstrittene Kürzung?
- Darf ein Zitat einfach so verkürzt werden?
- Warum sah das Gericht hier keine unzulässige Verfälschung?
- Wieso zählte das Argument des Verlegers nicht, er habe sich längst weiterentwickelt?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann ist die Kürzung eines Zitats unzulässig und verletzt mein Persönlichkeitsrecht?
- Habe ich einen Anspruch auf Unterlassung, wenn ein gekürztes Zitat meinen Sinn entstellt?
- Welche Kennzeichnung (Klammerpunkte) muss ich nutzen, damit eine Zitatkürzung erlaubt ist?
- Wie distanziere ich mich rechtlich sicher von meinen älteren öffentlichen Äußerungen?
- Was versteht der unvoreingenommene Durchschnittsleser unter einem gekürzten Zitat im Kontext?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 O 66/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Halle (Saale)
- Datum: 22.03.2024
- Aktenzeichen: 4 O 66/24
- Verfahren: Eilverfahren (Einstweilige Verfügung)
- Rechtsbereiche: Persönlichkeitsrecht, Meinungsfreiheit
- Das Problem: Ein Vordenker der Neuen Rechten klagte gegen einen Online-Artikel wegen eines verkürzten Zitats. Er behauptete, die Auslassungspunkte hätten seine Aussage sinnentstellend in ihr Gegenteil verkehrt. Er forderte das generelle Verbot der weiteren Verbreitung dieser gekürzten Formulierung.
- Die Rechtsfrage: Verletzt eine verkürzte, aber als „Originalton“ gekennzeichnete Zitierweise das Persönlichkeitsrecht, wenn der Gekürzte behauptet, der wesentliche Sinn werde dadurch verfälscht?
- Die Antwort: Nein, das Gericht wies den Antrag zurück. Die Kürzung war durch Auslassungszeichen gekennzeichnet und veränderte nach Ansicht des Gerichts den Kerngehalt nicht unzulässig. Die Presse- und Meinungsfreiheit der Beklagten überwiegt hier das Schutzinteresse des Klägers.
- Die Bedeutung: Journalisten dürfen Zitate kürzen, wenn sie die Auslassung deutlich kennzeichnen. Entscheidend ist, dass der verständige Durchschnittsleser nicht in die Irre geführt wird und der Kern der Aussage erhalten bleibt.
Der Fall vor Gericht
Warum fühlte sich der Verleger durch seine eigenen Worte verleumdet?
Es war der Paukenschlag am Ende eines Porträts. Ein Online-Magazin beschrieb einen Verleger als „wichtigsten intellektuellen Vordenker der Neuen Rechten“ und als „gesichert rechtsextrem“. Um diese Einordnung zu untermauern, schloss der Artikel mit einem vermeintlichen Beweisstück, eingeleitet mit den Worten „Originalton …:“. Es folgte ein Satz des Verlegers selbst: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende (…), nicht der Stehplatz im Salon, sondern das Ende der Party.“

Für den porträtierten Verleger war das nicht nur ein Zitat, es war eine Manipulation. Er argumentierte, die drei unscheinbaren Punkte in der Klammer würden eine entscheidende Passage verschlucken und seine Aussage in ihr Gegenteil verkehren. Das vollständige Zitat aus seinen Schriften von 2006/2007 lautete: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.“
Der Denkfehler des Magazins lag aus seiner Sicht auf der Hand. Die Kürzung erwecke den falschen Eindruck, er wolle die Meinungsfreiheit und den gesellschaftlichen Diskurs an sich abschaffen. Seine wahre Absicht sei es gewesen, eine bestimmte Form des Diskurses – den auf Konsens ausgerichteten – zu kritisieren und durch eine „andere Sprache“ zu ersetzen. Durch die Verkürzung werde ihm eine falsche Tatsachenbehauptung untergeschoben. Er verlangte vor dem Landgericht Halle per einstweiliger Verfügung, die Verbreitung dieses Zitat-Fragments zu stoppen.
Wie rechtfertigte das Online-Magazin die umstrittene Kürzung?
Das Online-Magazin sah die Sache anders. Es beantragte die Abweisung der Klage und verteidigte die journalistische Bearbeitung des Zitats. Die Kürzung sei keineswegs sinnverfälschend. Die Auslassung sei durch die Klammern mit den drei Punkten – das übliche Auslassungszeichen – für jeden Leser klar erkennbar gemacht worden. Niemand werde hier getäuscht.
Die Redaktion argumentierte, der Kerngehalt der Aussage bleibe erhalten. Das Zitat spiegle auch in seiner verkürzten Form die Haltung und den provokanten Stil des Verlegers wider. Es passe in den Gesamtkontext des Artikels, der seine Rolle in der Neuen Rechten beleuchtet. Eine bewusste Falschinterpretation liege fern. Das Magazin legte die Originaltexte des Verlegers vor und vertrat die Position, die zitierte Passage sei weiterhin aussagekräftig und für die kritische Würdigung seiner Person relevant.
Darf ein Zitat einfach so verkürzt werden?
Ein Zitat ist kein Freiwild. Seine Verwendung kollidiert oft mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Zitierten (geschützt durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz). Auf der anderen Seite steht die Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz), die es Journalisten erlaubt, kritisch zu berichten und dafür auch Belege anzuführen.
Gerichte müssen in solchen Fällen eine sorgfältige Abwägung vornehmen. Die entscheidende Frage ist: Verändert die Kürzung den Sinn der ursprünglichen Aussage unzulässig? Ein Zitat darf zugespitzt und auf seinen Kern reduziert werden. Eine Sinnentstellung, die den Autor in einem falschen Licht erscheinen lässt oder ihm Worte in den Mund legt, die er so nie gesagt hat, verletzt sein Persönlichkeitsrecht. Ein Anspruch auf Unterlassung kann dann aus § 1004 und § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entstehen.
Die Richter prüfen dabei nicht, was der Kläger oder die Redaktion subjektiv in den Text hineinlesen. Maßstab ist der Horizont eines unvoreingenommenen, verständigen Durchschnittslesers. Was versteht dieser Leser, wenn er den Artikel mit dem gekürzten Zitat liest?
Warum sah das Gericht hier keine unzulässige Verfälschung?
Das Landgericht Halle wies den Antrag des Verlegers zurück. Die Richter erkannten keine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Ihre Argumentation stützte sich auf die Perspektive des Durchschnittslesers.
Dieser Leser erkenne sofort die Einleitung „Originalton …:“ und die Auslassungszeichen „(…)“. Ihm sei klar, dass er es mit einem bearbeiteten Zitat zu tun hat. Die entscheidende Analyse des Gerichts bezog sich auf den Sinngehalt. Die Richter befanden, dass die Kürzung den Kernaussagen des Satzes – die Ablehnung von „Beteiligung am Diskurs“ und das „Ende der Party“ – ihre Wucht nicht nahm oder sie unzulässig verdrehte. Die pointierte, sprachlich bildhafte Formulierung sei charakteristisch für den Stil des Verlegers. Die gekürzte Fassung gebe dieses Tonbild wieder, ohne dem Leser einen falschen Sinn aufzudrängen.
Das Gericht stellte außerdem fest, dass der Artikel den Verleger bereits umfassend kontextualisiert hatte. Er wurde als Vordenker, Verleger und Förderer bestimmter politischer Strömungen beschrieben. Das Zitat am Ende diente als pointierter Beleg für eine bereits dargestellte Haltung. Es stand nicht isoliert im Raum. Der Durchschnittsleser würde es als stilistische Zuspitzung verstehen, nicht als Beweis für die Absicht, jede Form von Debatte zu beenden.
Wieso zählte das Argument des Verlegers nicht, er habe sich längst weiterentwickelt?
Der Verleger brachte vor, seine spätere publizistische Tätigkeit – zahlreiche Bücher, Artikel und Diskussionsteilnahmen – belege doch, dass er den Diskurs suche und nicht abschaffen wolle. Das Zitat aus 2006/2007 spiegle nicht seine heutige Haltung wider.
Dieses Argument verfing beim Gericht nicht. Die Richter kritisierten den Vortrag als nicht ausreichend Substantiiert. Der Verleger hatte keine konkreten Belege aus seinen neueren Schriften vorgelegt, die eine klare Distanzierung von seiner früheren Aussage beweisen würden. Er hatte auf Nachfrage nicht bestritten, sich von den Äußerungen aus 2006/2007 nie explizit losgesagt zu haben.
Ohne einen solchen Nachweis wog die Pressefreiheit des Magazins schwerer. Das Gericht befand, die Redaktion durfte das authentische, wenn auch alte Zitat verwenden, um den geistigen Werdegang und die rhetorische Prägung des Verlegers zu illustrieren. Da die Kürzung für den Leser ersichtlich war und der Sinnkern aus Sicht des Gerichts nicht entstellt wurde, überwog das Recht des Magazins auf kritische Berichterstattung. Die Kosten des Verfahrens musste der Verleger tragen.
Die Urteilslogik
Journalistische Freiheit gestattet die Kürzung authentischer Äußerungen, solange Redaktionen den ursprünglichen Sinn nicht unzulässig verfälschen und die Sorgfaltspflicht wahren.
- Der unvoreingenommene Leserkreis entscheidet: Die Rechtmäßigkeit einer Zitatverkürzung beurteilt sich ausschließlich danach, wie ein durchschnittlicher, verständiger Leser die bearbeitete Aussage im Kontext des gesamten Artikels interpretiert.
- Grenzen der Sinnwahrheit: Redaktionen dürfen Zitate straffen und auf den Kern reduzieren, aber sie verletzen das Persönlichkeitsrecht, wenn sie dem Zitierten durch Auslassungen eine Haltung unterschieben, die er nachweislich nicht vertritt.
- Keine automatische Verjährung: Wer verhindern will, dass unvorteilhafte ältere Aussagen erneut publiziert werden, muss belegen, dass er sich von diesen Äußerungen in seiner späteren publizistischen Tätigkeit explizit und substantiiert distanziert hat.
Die Pressefreiheit gewährt einen weiten Spielraum bei der Wiedergabe von Originaltönen, solange der pointierte Stil die ursprüngliche Aussage nicht in ihr Gegenteil verkehrt.
Benötigen Sie Hilfe?
Werden Ihre Persönlichkeitsrechte durch die verkürzte Wiedergabe eines Zitats verletzt? Für eine professionelle Beurteilung Ihres Falls fordern Sie eine rechtliche Ersteinschätzung an.
Experten Kommentar
Viele Redakteure kennen diesen Balanceakt: Man muss einen langen, ausschweifenden Satz auf den Punkt bringen, ohne dem Autor Worte in den Mund zu legen. Das Landgericht Halle zieht hier eine klare rote Linie und zeigt, dass die Pressefreiheit ein robustes Kürzen erlaubt, wenn die technischen Regeln beachtet werden. Der Schlüssel liegt darin, dass das Auslassungszeichen korrekt gesetzt ist und der Kerngehalt – der pointierte, provokante Ton – im Gesamtkontext des Artikels erhalten bleibt. Es zählt nicht die nachträglich reklamierte feine Nuance, sondern einzig, ob der verständige Durchschnittsleser eine fundamentale Sinnentstellung erkennt. Diese Entscheidung gibt Redaktionen Rückendeckung, solange sie bei der Zitatrecherche sauber arbeiten und ihre Kürzungen transparent machen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann ist die Kürzung eines Zitats unzulässig und verletzt mein Persönlichkeitsrecht?
Eine Zitatkürzung verletzt Ihr Persönlichkeitsrecht nur dann, wenn sie eine unzulässige Sinnentstellung bewirkt. Gerichte prüfen dabei nicht Ihre subjektive Empfindung, sondern ausschließlich, ob die verkürzte Passage dem unvoreingenommenen Durchschnittsleser einen falschen Sinn aufdrängt. Die ursprüngliche, nuancierte Aussage darf dabei nicht ins Gegenteil verkehrt werden.
Der Konflikt entsteht aus der Abwägung zwischen Ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 und 2 GG) und der Pressefreiheit (Art. 5 GG). Richter erlauben Journalisten eine Zuspitzung und Reduzierung des Zitats auf seinen Kerngehalt. Solange das pointierte Tonbild und der Grundcharakter Ihrer Aussage erhalten bleiben, liegt nach der Rechtsprechung keine unzulässige Verfälschung vor. Die Pressefreiheit gestattet diese pointierte Darstellung, sofern sie für den Leser durch Auslassungszeichen transparent erfolgt.
Nehmen wir an, Sie kritisieren in einer sorgfältigen Formulierung, der Diskurs sei nur „als Konsensform“ beendet. Wird durch eine Kürzung nur „das Ende des Diskurses“ zitiert, liegt zwar eine Verfälschung des Wortlauts vor, aber nicht zwingend eine juristisch relevante Sinnverdrehung. Das Landgericht Halle urteilte, dass der Maßstab stets der Horizont des objektiven Durchschnittslesers ist. Wird der Autor im Gesamtkontext des Artikels bereits in einer bestimmten Rolle beschrieben, gilt die Kürzung oft als zulässige stilistische Zuspitzung zur Bestätigung dieser Rolle.
Markieren Sie stets die exakten Wörter, die durch die Auslassung wegfielen, um eine präzise, juristisch haltbare Analyse der Sinnverdrehung zu erstellen.
Habe ich einen Anspruch auf Unterlassung, wenn ein gekürztes Zitat meinen Sinn entstellt?
Ja, ein Anspruch auf Unterlassung kann entstehen, wenn ein gekürztes Zitat Ihren ursprünglichen Sinn klar entstellt. Die juristische Grundlage bildet die Verletzung Ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dafür müssen Sie eine unzulässige Falschtatsachenbehauptung nachweisen, die durch die Entstellung hervorgerufen wurde. Der Anspruch basiert auf den zivilrechtlichen Normen § 1004 BGB und § 823 Abs. 1 BGB des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs erfordert eine genaue Abwägung der Grundrechte vor Gericht. Richter stellen Ihr Persönlichkeitsrecht (Art. 1 und 2 GG) der Presse- und Meinungsfreiheit der Redaktion (Art. 5 GG) gegenüber. Diese Abwägung schützt zwar das Recht auf Richtigstellung, setzt aber eine hohe Hürde für den Kläger. Die Sinnentstellung muss so eklatant sein, dass sie dem unvoreingenommenen Leser einen objektiv falschen Eindruck Ihrer ursprünglichen Aussage aufdrängt.
In der Praxis sehen Richter die Pressefreiheit oft als überwiegend an, solange der Gesamtkontext die Aussage kritisch einbettet. Nehmen wir an, das Landgericht Halle lehnte einen Unterlassungsantrag ab, weil der Artikel den Kläger bereits umfassend kritisch beschrieben hatte. Das Gericht stellte fest, dass die redaktionelle Kontextualisierung das Recht der Presse stützte. Die gekürzte Fassung muss den Kerngehalt der Aussage bewahren, auch wenn sie zu journalistischen Zwecken zugespitzt wurde.
Bevor Sie eine Klage einreichen, formulieren Sie ein detailliertes Unterlassungsverlangen, das die genaue unzulässige Sinnverschiebung unter Berufung auf die §§ 1004 und 823 BGB präzise darlegt.
Welche Kennzeichnung (Klammerpunkte) muss ich nutzen, damit eine Zitatkürzung erlaubt ist?
Um eine Zitatkürzung formal korrekt zu kennzeichnen, verwenden Redaktionen die standardisierten Auslassungszeichen. Die Kennzeichnung muss die Kürzung für den Leser klar erkennbar machen. Juristisch anerkannt und üblich sind die Klammern mit drei Punkten, das sogenannte Auslassungszeichen (‚(…)‘). Diese Formalität signalisiert dem Publikum sofort und transparent, dass eine Passage im Originaltext fehlt.
Redaktionen schützen sich durch diese Kennzeichnung vor dem schwerwiegenden Vorwurf der Täuschung. Lässt man Textpassagen ohne jegliche Markierung weg, erweckt dies den falschen Eindruck eines vollständigen Zitats. Dieses Vorgehen kann von Gerichten als Beleg für eine bewusste Manipulation gewertet werden. Die Verwendung der standardisierten Auslassungszeichen in runden oder eckigen Klammern stellt sicher, dass Sie die technischen Compliance-Anforderungen erfüllen.
Konkret bestätigte das Landgericht Halle die Angemessenheit dieser Methode. Die Richter befanden, dass die Auslassung durch das übliche Auslassungszeichen (‚(…)‘) für jeden Leser klar erkennbar gemacht wurde. Es ist jedoch wichtig zu wissen: Die formale Kennzeichnung schützt niemals vor einer Sinnentstellung. Die inhaltliche Abwägung, ob die Kürzung den ursprünglichen Sinn verdreht, überwiegt immer die technische Korrektheit.
Führen Sie einen strikten „Ellipsen-Check“ ein, um vor der Veröffentlichung jedes Zitat auf die korrekte und konsistente Setzung der Auslassungszeichen zu überprüfen.
Wie distanziere ich mich rechtlich sicher von meinen älteren öffentlichen Äußerungen?
Um die Verwendung alter, unliebsamer Zitate in der kritischen Berichterstattung rechtssicher zu unterbinden, müssen Sie sich explizit von diesen Äußerungen losgesagt haben. Die Berufung auf eine vage persönliche Weiterentwicklung reicht vor Gericht nicht aus. Gerichte fordern konkrete und substantielle Belege für einen klaren Widerruf der früheren Haltung.
Solange kein klarer Widerruf vorliegt, gilt das alte Zitat weiterhin als authentischer Beleg für Ihre frühere rhetorische Prägung. In der juristischen Abwägung genießt die Pressefreiheit dann höheres Gewicht als Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Journalisten dürfen das Zitat verwenden, um Ihren intellektuellen Werdegang zu illustrieren, auch wenn die Aussage Jahre zurückliegt. Sie müssen deshalb aktiv den Nachweis führen, dass sich Ihre Haltung fundamental und unwiderruflich geändert hat.
Konkret: Legen Sie Belege aus neueren Publikationen oder öffentlichen Erklärungen vor, die eine gegenteilige Position beweisen. Allgemeine Verweise auf zahlreiche Diskussionsteilnahmen genügen nicht als Distanzierung, da sie keine klare Lossagung beinhalten. Ein Kläger scheiterte in einem bekannten Fall vor Gericht, weil er lediglich auf seine spätere, andersartige Tätigkeit verwies, aber keinen konkreten Widerruf seiner früheren Aussage vorlegte.
Verfassen Sie sofort eine öffentliche Erklärung, in der Sie die ältere Äußerung namentlich nennen und sich unwiderruflich von deren damaliger Intention distanzieren.
Was versteht der unvoreingenommene Durchschnittsleser unter einem gekürzten Zitat im Kontext?
Der unvoreingenommene Durchschnittsleser ist der entscheidende Maßstab bei der juristischen Beurteilung von Zitatkürzungen. Diese neutrale Figur interpretiert die Aussage nicht isoliert, sondern liest sie stets im Kontext des gesamten Artikels. Er versteht das gekürzte Zitat primär als pointierten Beleg für eine Haltung, die der Text bereits umfassend dargestellt hat. Er nimmt die Kürzung bewusst wahr, interpretiert den Kern jedoch nicht als absolute Tatsachenbehauptung.
Die Richter gehen davon aus, dass dieser verständige Leser die Auslassungszeichen (‚(…)‘) sofort als klares Signal für eine redaktionelle Bearbeitung erkennt. Ihm ist bewusst, dass Passagen im Originaltext fehlen. Entscheidend für die juristische Bewertung ist der Gesamteindruck, den der Artikel vermittelt. Wenn ein Magazin den Zitierten vorab bereits als „Vordenker der Neuen Rechten“ oder „gesichert rechtsextrem“ beschreibt, versteht der Leser das nachfolgende Zitat als stilistische Zuspitzung zur Bestätigung dieser Rolle.
Nehmen wir an: Die Kernaussage wird durch die Kürzung auf eine Formulierung reduziert, die den beschriebenen Charakter bestätigt. Das Landgericht Halle urteilte, der Leser interpretiere eine Aussage über das „Ende der Party“ oder das „Ende des Diskurses“ als sprachlich bildhafte Formulierung (Metapher). Er deutet sie als Ausdruck einer radikalen Haltung, aber nicht als wörtliche Absichtserklärung zur Abschaffung der Meinungsfreiheit. Eine unzulässige Sinnentstellung verneint das Gericht, wenn der Grundcharakter der Aussage erhalten bleibt.
Prüfen Sie immer, welche Rolle und welche Adjektive die Redaktion dem Zitierten vor der Verwendung des gekürzten Satzes zugeschrieben hat, da diese den Horizont des Lesers maßgeblich bestimmen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) ist ein in Deutschland durch das Grundgesetz geschütztes Abwehrrecht, das jede Person davor schützt, dass ihre höchstpersönlichen Lebensbereiche oder ihre öffentliche Darstellung ohne legitime Rechtfertigung verletzt werden. Dieses Grundrecht gewährleistet die Selbstbestimmung und die Achtung der Würde der Person und muss in Konfliktfällen stets mit der Pressefreiheit abgewogen werden.
Beispiel: Im Fall des Verlegers machte dieser das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geltend, weil die gekürzte Veröffentlichung des Zitats ihm unzutreffend die Absicht unterstellte, die Meinungsfreiheit generell abschaffen zu wollen.
Einstweilige Verfügung
Eine einstweilige Verfügung ist eine schnelle, vorläufige gerichtliche Anordnung, die Richter im Eilverfahren erlassen, um einen akuten Rechtsfrieden zu sichern, bevor ein langwieriges Hauptsacheverfahren überhaupt beginnen muss. Juristen nutzen dieses Eilverfahren zur Gefahrenabwehr, damit drohende, irreparable Schäden – wie etwa die anhaltende Verbreitung einer falschen Tatsachenbehauptung – sofort gestoppt werden können.
Beispiel: Der Verleger versuchte, mittels einer einstweiligen Verfügung durch das Landgericht Halle die sofortige Verbreitung des manipulativ gekürzten Zitat-Fragments zu stoppen, um weiteren Reputationsschaden zu vermeiden.
Sinnentstellung
Sinnentstellung liegt vor, wenn eine Aussage oder ein Zitat durch Bearbeitung, Auslassung oder Kürzung so verändert wird, dass sie dem ursprünglichen Inhalt widerspricht und dem Zitierten einen falschen Eindruck oder eine unzutreffende Position zuschreibt. Das Presserecht verbietet eine solche Entstellung, weil die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Unterlegen einer falschen Tatsachenbehauptung schwerwiegend ist.
Beispiel: Der Kläger sah in der Auslassung der Worte „als Konsensform“ eine klare Sinnentstellung, weil die Kürzung bewirkte, dass ihm das generelle Ende des gesellschaftlichen Diskurses untergeschoben wurde.
Substantiiert
Substantiiert zu argumentieren bedeutet im Prozess, dass eine Partei ihre Behauptungen oder Einwände nicht nur vage, sondern konkret, detailliert und mit klaren Belegen versehen vortragen muss. Die richterliche Prüfung erfordert einen substantiierten Vortrag, damit das Gericht die Tatsachengrundlage des Anspruchs überprüfen und die Beweislage rechtssicher beurteilen kann.
Beispiel: Weil der Verleger keine konkreten Belege aus seinen neueren Schriften vorlegte, die eine klare Distanzierung bewiesen hätten, bewerteten die Richter seinen Vortrag als nicht ausreichend substantiiert.
Unterlassungsanspruch
Ein Unterlassungsanspruch ist der zivilrechtliche Anspruch, den Bürger gegen andere Personen oder Medien geltend machen, um zu fordern, dass eine konkrete rechtswidrige Handlung, die bereits einmal vorgefallen ist oder unmittelbar droht, in Zukunft zu unterbleiben hat. Dieser Anspruch, der meist auf §§ 1004 und 823 BGB basiert, dient dem effektiven Schutz vor weiteren Verletzungen der Persönlichkeitsrechte oder anderer Rechtsgüter.
Beispiel: Bei einer festgestellten Verletzung des Zitatrechts durch eine eklatante Sinnentstellung entsteht dem Kläger ein Unterlassungsanspruch gegen die Redaktion, um die weitere Veröffentlichung des gekürzten Textes zu verhindern.
Unvoreingenommener Durchschnittsleser
Der unvoreingenommene Durchschnittsleser ist die entscheidende fiktive Maßfigur, die Juristen in Deutschland heranziehen, um objektiv zu beurteilen, wie ein verständiger Leser eine strittige Aussage oder einen Artikel im Gesamtkontext interpretiert. Indem Richter den Horizont dieses verständigen Publikums anwenden, vermeiden sie subjektive Empfindungen der Streitparteien und stellen sicher, dass die Rechtsanwendung neutral erfolgt.
Beispiel: Das Landgericht Halle beurteilte die gekürzte Zitatpassage ausschließlich aus der Perspektive des unvoreingenommenen Durchschnittslesers und kam zu dem Schluss, dass dieser die Kürzung als zulässige stilistische Zuspitzung verstehen musste.
Das vorliegende Urteil
LG Halle (Saale) – Az.: 4 O 66/24 – Urteil vom 22.03.2024
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





