Ein Kreditinstitut klagte auf Rückzahlung eines Darlehens, das einen sittenwidrigen Kreditkarten-Zinssatz von 19,44 Prozent aufwies. Trotz der Stille des Schuldners prüfte das Landgericht die Wucherzinsen von Amts wegen – und stellte die gesamte Forderung infrage.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann sind meine Kreditzinsen Wucher und wann gilt der Vertrag als nichtig?
- Welche Schulden muss ich bei einem sittenwidrigen Kreditvertrag wirklich zurückzahlen?
- Wie berechne ich die Wuchergrenze, um meine Zinsen als sittenwidrig nachzuweisen?
- Gilt die gesetzliche Wuchergrenze auch für Zinsen bei Kreditkartenkrediten?
- Kann das Gericht meinen Vertrag auch bei einem Versäumnisurteil auf Wucher prüfen?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 30/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Ravensburg
- Datum: 30.07.2025
- Aktenzeichen: 2 O 30/25
- Verfahren: Klage auf Zahlung aus einem gekündigten Kreditkartenvertrag
- Rechtsbereiche: Sittenwidrigkeit, Verbraucherschutz, Bereicherungsrecht
- Das Problem: Ein Kreditkarteninstitut verlangte von einem Kunden die Zahlung offener Schulden aus einem Vertrag mit 19,44 Prozent effektivem Jahreszins. Der Kunde wehrte sich nicht, aber das Gericht prüfte von Amts wegen die Wirksamkeit dieses extrem hohen Zinssatzes.
- Die Rechtsfrage: Ist ein Kreditkartenzinssatz von 19,44 Prozent so extrem hoch, dass der gesamte Kreditvertrag wegen Wuchers gesetzlich unwirksam ist?
- Die Antwort: Ja, der Kreditkartenvertrag ist unwirksam. Das Gericht sah den Zinssatz als sittenwidrig überhöht an, da er den marktüblichen Satz für Konsumentenkredite um weit mehr als das Doppelte überschritt.
- Die Bedeutung: Für die Prüfung der Sittenwidrigkeit dürfen Kreditinstitute keine Sondermärkte mit ohnehin hohen Zinsen als Vergleichsmaßstab verwenden. Bei einem unwirksamen Vertrag muss der Kunde nur das tatsächlich geliehene Kapital zurückzahlen, nicht aber die überhöhten Zinsen oder Gebühren.
Der Fall vor Gericht
Wie konnte ein stiller Beklagter den Fall zur Hälfte gewinnen?
Ein Mann erscheint vor Gericht. Er hat keinen Anwalt. Er sagt kein Wort zur Sache. Auf dem Papier hat das klagende Kreditinstitut leichtes Spiel. Es fordert rund 7.550 Euro aus einem gekündigten Kreditkartenvertrag. Doch am Ende verlässt die Bank den Saal als Teil-Verliererin. Wie kann das sein? Die Antwort liegt nicht in dem, was der Mann sagte, sondern in dem, was die Richter in seinem Vertrag lasen – eine Zahl, die das gesamte Geschäft ins Wanken brachte: 19,44 Prozent.

Normalerweise führt das Schweigen eines Beklagten zu einem sogenannten Versäumnisurteil. Die Klage wird dann ohne weitere inhaltliche Debatte zugunsten des Klägers entschieden. Das Gericht muss aber auch in einem solchen Fall prüfen, ob der vorgetragene Anspruch überhaupt rechtlich besteht. Die Richter des Landgerichts Ravensburg taten genau das. Sie schauten sich den Vertrag an und stolperten über den effektiven Jahreszins. Diese Prüfung von Amts wegen durchkreuzte die Pläne des Kreditinstituts. Der Vertrag selbst lieferte den Richtern den entscheidenden Anhaltspunkt für einen schwerwiegenden Rechtsfehler.
Warum erklärte das Gericht einen Zinssatz von 19,44 Prozent für sittenwidrig?
Das Herzstück der Entscheidung ist ein mächtiger Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch: § 138 Abs. 1 BGB. Er besagt, dass ein Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Bei Krediten wird es sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht – im Klartext: wenn der Zins Wucherniveau erreicht.
Der Streitpunkt war die Frage: Was ist der richtige Maßstab für einen „normalen“ Zins? Das Kreditinstitut argumentierte clever. Es verwies auf eine spezielle Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank für „echte Kreditkartenkredite“ (SUD 132). Dort lag der Durchschnittszins im November 2020, dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, bei 15,06 Prozent. Aus Sicht der Bank war ihr Zinssatz von 19,44 Prozent zwar höher, aber nicht so dramatisch, dass man von Wucher sprechen konnte.
Das Gericht pulverisierte diese Argumentation. Es stellte klar, dass es für die Sittenwidrigkeitsprüfung keinen „Sondermarkt“ für Kreditkarten geben darf. Ein Kredit ist ein Kredit. Die Richter zogen eine andere, allgemeinere Statistik der Bundesbank heran: die für Konsumentenkredite mit einer Laufzeit bis zu fünf Jahren (SUD 114). Dieser marktübliche Zinssatz lag im November 2020 bei nur 4,26 Prozent. An diesem Wert musste sich der Vertrag messen lassen.
Welchen Rechenweg nutzte das Gericht für die Zins-Prüfung?
Die juristische Logik folgt hier einer klaren mathematischen Grenze, die der Bundesgerichtshof über Jahrzehnte entwickelt hat. Ein Zinssatz gilt als sittenwidrig, wenn er den marktüblichen Zinssatz um 100 Prozent übersteigt – ihn also mehr als verdoppelt.
Die Rechnung des Gerichts war einfach:
- Marktüblicher Zinssatz laut Statistik (SUD 114): 4,26 %
- Die 100-Prozent-Grenze liegt damit bei: 8,52 %
- Der im Vertrag vereinbarte Zinssatz: 19,44 %
Das Ergebnis war eindeutig. Der Zinssatz des Kreditinstituts lag weit über dem Doppelten des Marktdurchschnitts. Das objektive Missverhältnis war damit bewiesen. Für Sittenwidrigkeit braucht es zusätzlich ein subjektives Element: Die Bank muss die schwächere Position des Kunden ausgenutzt haben. Bei Verbraucherverträgen mit einem derart krassen Missverhältnis vermutet das Gesetz diese Ausnutzung. Die Bank hätte diese Vermutung widerlegen müssen, trug dazu aber nichts vor. Damit war der Tatbestand der Sittenwidrigkeit erfüllt. Der gesamte Darlehensvertrag war von Anfang an nichtig.
Was bedeutet die Nichtigkeit des Vertrags für die Schulden?
Ein nichtiger Vertrag wird so behandelt, als hätte es ihn nie gegeben. Die Bank konnte ihre Forderungen nicht mehr auf diesen Vertrag stützen. Die Zinsvereinbarung war weg. Die Gebührenvereinbarung war weg. Die gesamte Grundlage für die Klage war zerfallen.
Stattdessen greift das Gesetz der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB). Der Kunde muss zurückgeben, was er ohne Rechtsgrund erhalten hat – das ist das ihm ausgezahlte Kapital. Die Bank wiederum muss zurückgeben, was sie ohne Rechtsgrund erhalten hat.
Die Richter rechneten den Saldo des Kundenkontos neu. Der offene Gesamtbetrag zum Zeitpunkt der Kündigung lag bei 6.351,69 Euro. Davon zog das Gericht alle Posten ab, die auf dem nichtigen Vertrag basierten. Das waren aufgelaufene Sollzinsen und Mahngebühren in Höhe von 2.157,62 Euro. Abgezogen wurden auch die 60 Euro, die der Kunde bereits gezahlt hatte.
Übrig blieb eine Restforderung von 4.194,07 Euro. Nur diesen Betrag – das reine, noch offene Kapital – musste der Kunde zurückzahlen. Die Klage der Bank über den Mehrbetrag wurde abgewiesen. Der stille Beklagte hatte, ohne ein Wort zu sagen, seine Schuld um über 3.000 Euro reduziert.
Die Urteilslogik
Überhöhte Zinssätze, die das marktübliche Niveau eklatant überschreiten, führen zur Nichtigkeit des gesamten Darlehensvertrages wegen Sittenwidrigkeit und entziehen der Bank die Grundlage für die Zinsforderung.
- [Grenze für Wucherzinsen]: Ein Zinssatz überschreitet die Schwelle zur Sittenwidrigkeit, sobald er den allgemeinen Marktdurchschnitt für vergleichbare Konsumentenkredite um 100 Prozent oder mehr übersteigt.
- [Rückabwicklung des Kapitals]: Die Feststellung der Sittenwidrigkeit macht den Darlehensvertrag von Anfang an unwirksam; der Kreditnehmer schuldet in der Folge lediglich die Rückzahlung des reinen, noch offenen Darlehenskapitals, während alle vereinbarten Sollzinsen und Gebühren entfallen.
- [Amtswegige Prüfungspflicht]: Gerichte müssen die rechtliche Gültigkeit einer Klageforderung stets von Amts wegen prüfen und offensichtliche Gesetzesverstöße wie Sittenwidrigkeit berücksichtigen, selbst wenn der Beklagte im Verfahren schweigt.
Die Rechtsordnung schützt Verbraucher vor der Ausnutzung finanzieller Notlagen, indem sie extrem überhöhte Zinssätze als Verstoß gegen die guten Sitten konsequent annulliert.
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Experten Kommentar
Wer dachte, die hohen Zinsen auf der Kreditkarte spielten in einer eigenen Liga, sollte dieses Urteil genau lesen. Das Gericht stellt konsequent klar: Für die Sittenwidrigkeitsprüfung gibt es keinen Sonderstatus für Kreditkarten; stattdessen ist der allgemeine Markt für Konsumentenkredite der alleinige Maßstab. Liegt der effektive Jahreszins doppelt so hoch wie dieser Marktdurchschnitt, ist das Missverhältnis gegeben. Das ist die praktische Konsequenz: Der gesamte Vertrag kann nichtig werden, sodass Kreditnehmer lediglich das reine, unverzinste Kapital zurückzahlen müssen – Zinsen und Gebühren entfallen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann sind meine Kreditzinsen Wucher und wann gilt der Vertrag als nichtig?
Ihre Hoffnung auf eine drastische Reduzierung der Schulden ist juristisch fundiert, wenn die Zinsen sittenwidrig sind. Die Grenze für Wucher ist präzise definiert: Ihr effektiver Jahreszins muss den marktüblichen Durchschnittszins für vergleichbare Konsumentenkredite um mindestens 100 Prozent überschreiten – ihn also mehr als verdoppeln. Bei Erreichen dieser Schwelle erklärt der § 138 Abs. 1 BGB den gesamten Kreditvertrag für nichtig.
Die juristische Grundlage für die Ungültigkeit bildet der § 138 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dieser Paragraf erklärt ein Rechtsgeschäft für nichtig, wenn es gegen die guten Sitten verstößt. Im Kreditwesen tritt dies ein, sobald ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem gewährten Kapital und den verlangten Zinsen besteht. Das objektive Missverhältnis liegt vor, wenn Ihr effektiver Jahreszins den ermittelten Marktdurchschnitt um volle 100 Prozent übertrifft.
Haben Sie die 100-Prozent-Marke überschritten, vermuten die Gerichte automatisch das subjektive Element der Ausnutzung einer Notlage. Die Bank müsste dann beweisen, dass sie keine Notlage oder Unerfahrenheit des Kunden ausgenutzt hat, was in der Praxis oft schwierig ist. Für den Nachweis der Sittenwidrigkeit müssen Sie stets die korrekte Statistik nutzen, nämlich die allgemeinen Bundesbank-Statistiken für Konsumentenkredite (SUD 114). Spezielle, höhere Zinsen zeigende Statistiken für Nischenmärkte der Banken sind dabei irrelevant.
Suchen Sie umgehend die Bundesbank-Statistiken SUD 114 für das Abschlussjahr Ihres Vertrages heraus; dieser Wert bildet die Basis für die Berechnung Ihrer Wuchergrenze.
Welche Schulden muss ich bei einem sittenwidrigen Kreditvertrag wirklich zurückzahlen?
Bei einem sittenwidrigen Kreditvertrag nach § 138 BGB fällt die gesamte vertragliche Grundlage weg. Dies führt zu einer massiven Entlastung: Sie sind nur verpflichtet, das reine, Ihnen tatsächlich ausgezahlte Kapital zurückzugeben. Alle vertraglich vereinbarten Zinsen, Gebühren und Mahnkosten entfallen damit vollständig. Die Nichtigkeit des Vertrages sorgt dafür, dass die Bank ihre Forderungen nicht mehr auf die ursprünglichen Konditionen stützen kann.
Wenn ein Darlehen wegen Wucherzinsen als ungültig erklärt wird, existiert die ursprüngliche Forderung der Bank nicht mehr. Statt des Kreditvertrages greift automatisch das Gesetz der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB). Das bedeutet, Sie müssen lediglich das zurückerstatten, was Sie ohne gültigen Rechtsgrund erhalten haben. Diese gesetzliche Rückzahlungspflicht beschränkt sich ausschließlich auf die ursprüngliche, unverzinsliche Kreditsumme.
Die Konsequenz für Ihren Schuldenstand ist direkt spürbar, da alle Kosten entfallen, die auf dem ungültigen Vertrag beruhten. Diese Posten müssen vom offenen Saldo abgezogen werden. In einem konkreten Gerichtsfall reduzierte das Landgericht Ravensburg die Gesamtforderung der Bank um 2.157,62 Euro. Dieser Betrag umfasste aufgelaufene Sollzinsen und verschiedene Mahngebühren. Am Ende musste der Kunde nur das tatsächlich noch offene Restkapital begleichen.
Prüfen Sie Ihren letzten Kontoauszug genau und subtrahieren Sie alle Zinsen und Gebühren vom offenen Gesamtbetrag, um Ihren potenziellen Restschuldbetrag zu ermitteln.
Wie berechne ich die Wuchergrenze, um meine Zinsen als sittenwidrig nachzuweisen?
Die Berechnung der Wuchergrenze basiert auf einer klaren Formel des Bundesgerichtshofs, die den marktüblichen Durchschnittszins als Maßstab nimmt. Um die Sittenwidrigkeit festzustellen, müssen Sie den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Zinssatz vergleichen. Finden Sie den Durchschnittszinssatz der Deutschen Bundesbank für Konsumentenkredite und verdoppeln diesen Wert. Dies liefert die juristisch belastbare Obergrenze.
Der juristische Maßstab für Wucher ist die Überschreitung des marktüblichen Zinssatzes um 100 Prozent, also die Verdoppelung. Nur der effektive Jahreszins darf für den Vergleich herangezogen werden, da dieser alle Kosten des Kredits (Zinsen und Gebühren) umfasst. Suchen Sie in den Statistiken der Bundesbank (SUD 114) den maßgeblichen Durchschnittszins für den Monat, in dem Sie den Vertrag unterzeichneten. Die SUD 114 erfasst Konsumentenkredite mit einer Laufzeit bis zu fünf Jahren und gilt als Standard.
Nehmen wir ein konkretes Beispiel an: Der Marktdurchschnitt (SUD 114) lag im Vertragsmonat bei 4,26 Prozent. Dann liegt die rechnerische Wuchergrenze bei 8,52 Prozent (4,26 % multipliziert mit 2). Liegt Ihr vertraglich vereinbarter effektiver Jahreszins deutlich über diesem verdoppelten Wert, gilt die objektive Sittenwidrigkeit als bewiesen. Bei einer Überschreitung wird zusätzlich oft vermutet, dass die Bank Ihre Notlage ausgenutzt hat.
Suchen Sie Ihren Vertrag, markieren Sie das Datum sowie den effektiven Jahreszins und rufen Sie dann die entsprechenden Monatsstatistiken der Bundesbank ab.
Gilt die gesetzliche Wuchergrenze auch für Zinsen bei Kreditkartenkrediten?
Ja, die gesetzliche Wuchergrenze gilt uneingeschränkt auch für Kreditkartenkredite. Kreditinstitute versuchen oft, hohe Zinsen mit der Begründung spezieller Risiken im Kreditkartengeschäft zu rechtfertigen. Gerichte weisen dieses Argument jedoch entschieden zurück. Entscheidend für die Sittenwidrigkeitsprüfung ist nicht der spezielle Zinsmarkt, sondern der allgemeine Konsumentenkreditmarkt.
Banken argumentieren häufig, man müsse die Bundesbank-Statistik SUD 132 heranziehen, welche spezifisch hohe Kreditkartenzinsen abbildet. Die Rechtsprechung lehnt diese engstirnige Sichtweise ab, da ein Kredit grundsätzlich ein Kredit bleibt, egal in welcher Form er gewährt wird. Ein Gericht stellte ausdrücklich fest, dass es für die Anwendung der Wuchervorschriften keinen juristisch relevanten Sondermarkt für Kreditkarten gibt.
Daher muss die Bank ihren Zinssatz stets mit dem allgemeinen marktüblichen Zinssatz für Konsumentenkredite vergleichen. Dieser Wert wird über die breitere Bundesbank-Statistik SUD 114 ermittelt, die für Kredite mit einer Laufzeit bis zu fünf Jahren relevant ist. Übersteigt der im Vertrag vereinbarte effektive Jahreszins diesen Marktdurchschnitt um 100 Prozent, ist der Vertrag sittenwidrig. Ein Zinssatz von 19,44 Prozent konnte vor Gericht nicht verteidigt werden, weil die Bank die falsche, branchenspezifische Statistik ansetzte.
Falls Ihre Bank mit der Bundesbank-Statistik SUD 132 argumentiert, widerlegen Sie diesen Standpunkt, indem Sie auf die zwingende Relevanz der allgemeineren SUD 114 Statistik bestehen.
Kann das Gericht meinen Vertrag auch bei einem Versäumnisurteil auf Wucher prüfen?
Ja, das Gericht muss Ihren Vertrag auf Wucher prüfen, auch wenn Sie die Fristen versäumt haben und ein Versäumnisurteil droht. Diese Pflicht zur Prüfung von Amts wegen dient als wichtige verfahrensrechtliche Sicherheit. Sie stellt sicher, dass die von der Bank geltend gemachten Ansprüche rechtlich zulässig sind, bevor ein Urteil erlassen wird.
Selbst wenn der Beklagte im Prozess schweigt und dadurch ein Versäumnisurteil riskiert, akzeptiert das Gericht die Forderung des Klägers nicht ohne Weiteres. Die Verfahrensordnung schreibt zwingend vor, dass die Richter die Schlüssigkeit der Klage prüfen müssen. Dies bedeutet, dass die Bank den Sachverhalt zwar glaubhaft vortragen muss, aber das Gericht immer kontrolliert, ob dieser Anspruch rechtlich überhaupt existieren kann. Es sucht dabei gezielt nach schwerwiegenden Rechtsfehlern, zu denen sittenwidriger Wucherzins gehört.
Nehmen wir das konkrete Fallbeispiel: Ein Beklagter schwieg vollständig vor dem Landgericht Ravensburg, weil er keine Einwände erhob. Die Richter prüften dennoch den Kreditvertrag der Bank auf die Sittenwidrigkeit des Zinssatzes. Dort erkannten sie den extrem überhöhten effektiven Jahreszins von 19,44 Prozent und entschieden, dass der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig war. Diese interne gerichtliche Prüfung durchkreuzte die Pläne der Bank und führte zur Abweisung eines Großteils der Klageforderung.
Haben Sie eine Klage erhalten, senden Sie dem Gericht in jedem Fall umgehend eine Kopie Ihres Kreditvertrages zu, damit der Richter den effektiven Jahreszins von Amts wegen prüfen kann.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Nichtigkeit
Wenn ein Rechtsgeschäft von Anfang an rechtlich ungültig ist, weil es gegen zwingende Gesetzesvorschriften oder die guten Sitten verstößt, nennen Juristen diesen Zustand Nichtigkeit. Das Gesetz sorgt dafür, dass Verträge, die massiv gegen die Rechtsordnung verstoßen, niemals juristische Wirkung entfalten können und so behandelt werden, als hätte es sie nie gegeben.
Beispiel: Aufgrund der festgestellten Sittenwidrigkeit des Zinssatzes führte die Nichtigkeit des Kreditvertrages dazu, dass die Bank ihre Forderungen nicht mehr auf die ursprünglichen Konditionen stützen konnte.
Objektives Missverhältnis
Das objektive Missverhältnis beschreibt den klaren, messbaren Ungleichgewichtszustand bei einem Vertrag, der bei Krediten meist durch eine eklatante Abweichung vom marktüblichen Zins entsteht. Dieser Begriff dient dem Bundesgerichtshof (bgh-urteil-kippt-sparkassen-klausel-fuer-immobilienkredite.htm“>BGH) als erste rechnerische Schwelle, um festzustellen, ob ein Zins Wuchercharakter hat – typischerweise, wenn er den Marktdurchschnitt um 100 Prozent übersteigt.
Beispiel: Im vorliegenden Fall lag der vereinbarte Zinssatz von 19,44 Prozent weit über dem Doppelten des Marktdurchschnitts, womit das objektive Missverhältnis als bewiesen galt.
Prüfung von Amts wegen
Juristen nennen die Verpflichtung des Gerichts, bestimmte Rechtsfragen automatisch zu klären, ohne dass eine Partei dies beantragen muss, die Prüfung von Amts wegen. Dieses Verfahrensprinzip garantiert, dass schwerwiegende Rechtsfehler oder Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, wie Sittenwidrigkeit, auch dann nicht unbemerkt bleiben, wenn der Beklagte keinen Anwalt hat oder schweigt.
Beispiel: Trotz des Schweigens des Beklagten veranlasste die Pflicht zur Prüfung von Amts wegen das Landgericht Ravensburg, den Kreditvertrag der Bank auf sittenwidrige Wucherzinsen hin zu untersuchen.
Sittenwidrigkeit
Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn ein Rechtsgeschäft gegen die grundlegenden Moralvorstellungen der Gesellschaft verstößt, wie sie im allgemeinen Rechtsgefühl verankert sind. Der zentrale § 138 Abs. 1 BGB dient als Korrektiv für Verträge, die die Grenzen von Anstand und Redlichkeit grob verletzen, insbesondere durch die Ausnutzung einer Notlage oder Unerfahrenheit.
Beispiel: Die Richter erklärten den effektiven Jahreszins von 19,44 Prozent für sittenwidrig, weil die Bank das extreme Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zulasten des Kunden ausgenutzt hatte.
Ungerechtfertigte Bereicherung
Ungerechtfertigte Bereicherung meint den Rechtsgrundsatz, dass jemand das zurückgeben muss, was er ohne gültige rechtliche Grundlage erhalten hat. Wenn ein Vertrag (zum Beispiel wegen Sittenwidrigkeit) nichtig ist, regelt dieser Anspruch den fairen Rücktausch der Leistungen, wobei nur das reine Kapital, aber keine Zinsen oder Gebühren zurückgefordert werden dürfen.
Beispiel: Nachdem der Kreditvertrag nichtig war, griff das Gesetz der ungerechtfertigten Bereicherung, weshalb der Kunde nur noch das tatsächlich ausgezahlte Kapital an die Bank erstatten musste.
Versäumnisurteil
Ein Versäumnisurteil ist eine gerichtliche Entscheidung, die ergeht, wenn eine Partei im Prozess fehlt oder zur Klage nicht rechtzeitig Stellung nimmt. Die Zivilprozessordnung ermöglicht dieses schnelle Urteil, um ein Verfahren zu beenden, wenn der Beklagte die Klageforderungen faktisch anerkennt, indem er sich nicht verteidigt.
Beispiel: Obwohl dem beklagten Kreditnehmer ein Versäumnisurteil drohte, weil er vor Gericht schwieg, musste das Gericht dank der Prüfung von Amts wegen die Klageforderung dennoch inhaltlich auf Rechtsfehler prüfen.
Das vorliegende Urteil
LG Ravensburg – Az.: 2 O 30/25 – Urteil vom 30.07.2025
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





