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Sittenwidrigkeit eines Bürgschaftsvertrags im Falle einer Höchstbetragsbürgschaft

OLG Zweibrücken – Az.: 7 U 159/09 – Urteil 24.01.2011

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 30. Oktober 2009 geändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 47 550,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2,5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 21. November 2006 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Zahlungsanspruch aus einer von diesem übernommenen Bürgschaft geltend.

Der Beklagte war der Lebensgefährte der …. Diese wollte in … ein Hausanwesen erwerben. Hierzu schloss sie am 1. März 1999 einen notariellen Kaufvertrag für das Hausanwesen ab.

Zur Finanzierung des Erwerbs schloss … bei der Klägerin unter dem 10./16. März 1999 zwei Darlehensverträge über einmal 200 000,00 DM und einmal 160 000,00 DM ab. Als Sicherheit für die Rückzahlungsverpflichtungen aus den Darlehensverträgen bestellte sie der Klägerin eine Grundschuld über nominal 360 000,00 DM und trat der Klägerin Ansprüche aus einem Bausparvertrag sowie Ansprüche aus einer neu abzuschließenden Risikolebensversicherung ab.

Des Weiteren unterzeichnete der Beklagte als Sicherheit für die beiden genannten Darlehen der … eine auf den 10. März 1999 datierte Bürgschaftserklärung über einen Höchstbetrag von 93 000,00 DM (siehe Anlage K1 – Bl. 20 d.A.).

Der monatliche Zins- und Ansparaufwand für die Zeugin … betrug insgesamt 2 124,00 DM, worin monatlich Zinszahlungen in Höhe von 1 584,00 DM enthalten waren.

Nachdem im Jahre 2006 die Hauptforderung nicht mehr ordnungsgemäß durch die Darlehensnehmerin bedient worden war, kündigte die Klägerin wegen bestehenden Zahlungsverzuges die Geschäftsbeziehungen zur Darlehensnehmerin mit Schreiben vom 12. Mai 2006, das von zwei Mitarbeitern der Klägerin unterzeichnet war. Wegen der zur Hausfinanzierung aufgenommenen Darlehen bestand im Kündigungszeitpunkt noch eine offene Forderung von insgesamt 190 774,54 €.

Mit Schreiben vom 20. November 2006 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung des aus der Bürgschaft geschuldeten Höchstbetrages auf. Diese Aufforderung wiederholte sie mit Schreiben vom 7. November 2007.

Mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 12. Februar 2008 widersprach dieser für die Darlehensnehmerin der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung des Darlehensvertrages aus allen rechtlichen Gründen, insbesondere wegen fehlender Zeichnung des Kündigungsschreibens.

Im Laufe des Rechtsstreits sprach die Klägerin gegenüber der Darlehensnehmerin erneut die Kündigung der durch die Bürgschaft gesicherten Darlehensverträge mit Schreiben vom 4. Mai 2009 aus, das von zwei Vorstandsmitgliedern unterschrieben war.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen:

Der Beklagte sei verpflichtet, den aus der Bürgschaft geschuldeten Höchstbetrag an die Klägerin zu zahlen, da die von diesem übernommene Bürgschaft wirksam sei. Eine krasse Überforderung des Beklagten liege nicht vor, da er nur für einen Höchstbetrag bis zu 93 000,00 DM hafte und nicht auf den vollen Darlehensbetrag. Der Beklagte habe auch ein eigenes Interesse am Abschluss des Darlehensvertrages gehabt, weil er mit der Darlehensnehmerin in dem Haus gewohnt habe und von dieser ein Nebengebäude des Anwesens angemietet hatte, um dort einen selbstständigen Gewerbebetrieb auszuüben.

Der Abschluss des Bürgschaftsvertrages zwischen den Parteien sei für den Beklagten als Bürgen auch nicht überraschend gewesen. Bereits am 23. Februar 1999 sei sowohl der Darlehensnehmerin als auch dem Bürgen gegenüber deutlich gemacht worden, dass dies eine Bedingung für den Abschluss des Darlehensvertrages mit der Darlehensnehmerin sei.

Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die von der Klägerin gegenüber der Darlehensnehmerin ausgesprochene Kündigung unwirksam sei. Diese sei von zwei vertretungsberechtigten Mitarbeiterinnen unterzeichnet worden, die gemäß der damals bestehenden Organisationsanweisung dazu bevollmächtigt gewesen seien. Daher befinde sich der Beklagte seit dem 21. November 2006 mit der Rückzahlung der Bürgschaftssumme in Verzug.

Jedenfalls sei eine Fälligkeit der Darlehensforderung durch die im Mai 2009 ausgesprochene Kündigung des Darlehensvertrages eingetreten.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 47 550,14 € (= 93 000,00 DM) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2,5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. November 2006 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen: Die Bürgschaft sei sittenwidrig und damit nichtig. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass er – der Beklagte – über kein Vermögen verfügt habe und aufgrund seines Einkommens durch die eingegangene Bürgschaftsverpflichtung finanziell krass überfordert gewesen sei und er diese Verpflichtung nur im Hinblick auf die emotionale Verbundenheit zur Darlehensnehmerin eingegangen sei. Bis zum heutigen Tage sei er – der Beklagte – aufgrund seiner Berufsausbildung nicht in der Lage, die übernommene Bürgschaftsverpflichtung zu erfüllen. Vielmehr hätte deren Erfüllung für ihn den sicheren Ruin und die Flucht in die Insolvenz zur Folge.

Im Übrigen sei die Forderung der Klägerin jedenfalls nicht im Jahre 2006 fällig geworden, da die damals ausgesprochene Kündigung unwirksam gewesen sei, weil sie nicht von vertretungsberechtigten Vorstandsmitgliedern unterzeichnet gewesen sei.

Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Im Wesentlichen hat die Kammer dabei ausgeführt, dass die Bürgschaft sittenwidrig sei. Hierfür spreche eine tatsächliche Vermutung, da der Beklagte mit der Bürgschaft finanziell krass überfordert gewesen sei. Sein Einkommen habe damals rund 2 500,00 DM netto betragen. Hieraus ergebe sich ein pfändbares Einkommen von 1 291,00 DM. Damit sei der Beklagte aber nicht in der Lage gewesen, die laufenden Zinsverpflichtungen von monatlich 1 584,00 DM zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass mit einer Verbesserung des Einkommens des Beklagten zu rechnen gewesen sei, seien nicht vorgetragen. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne für die Zinslast nicht nur auf den Betrag der Bürgschaft abgestellt werden. Dies widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der für die Sittenwidrigkeit auf die aus der Hauptschuld geschuldeten Zinsen abstelle. Der Bürge könne schließlich nicht nur nach einer Kündigung des Darlehensvertrages, sondern auch vorher schon für die laufenden Zinsen des Hauptdarlehens in Anspruch genommen werden, ohne dass dieses gekündigt werde.

Die Klägerin trage keine Umstände vor, die zur Widerlegung der tatsächlichen Vermutung geeignet seien. Die Möglichkeit, ein Haus mitzubewohnen, stelle kein ausreichendes Eigeninteresse dar. Dies gelte erstrecht für die Möglichkeit, mit dem Eigentümer einen Mietvertrag abschließen zu können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.

Sie trägt vor: Das Erstgericht habe die Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit wegen einer krassen Überforderung des Bürgen verkannt. Der Beklagte habe damals unstreitig über ein durchschnittliches Nettoeinkommen von 2 500,00 DM verfügt. Die Höhe des monatlich pfändbaren Betrages von 1 291,00 DM zeige, dass er finanziell nicht schlecht situiert gewesen sei. Schon der Gesamtbetrag des Zinsaufwandes übersteige das pfändbare Einkommen um nur 293,00 DM monatlich, sodass von einer „krassen Überforderung“ nicht gesprochen werden könne. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das aus dem Hauptkredit angeschaffte Wohnobjekt auch den Wohnbedarf des Beklagten abgedeckt habe. Es sei ihm daher durchaus zumutbar gewesen, auch den Differenzbetrag aus den nicht pfändbaren Teilen seines Einkommens zu begleichen. Sein Lebensunterhalt sei nicht ernsthaft gefährdet gewesen.

Im Übrigen verkenne das Landgericht die Wirkung einer Höchstbetragsbürgschaft. Mit der Höchstbetragsbürgschaft habe die Klägerin gerade der eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Beklagten Rechnung getragen. Der Bürgschaftshöchstbetrag von 93 000,00 DM sei für den Beklagten überschaubar gewesen. Die aus dem Betrag resultierende Zinslast habe er aus seinem pfändbaren Einkommen tragen können.

Des Weiteren müsse auch ein eigenes persönliches und wirtschaftliches Interesse des Beklagten an der Kreditgewährung bejaht werden. Er habe schließlich viele Jahre in einer Lebensgemeinschaft mit der Hauptschuldnerin in dem Anwesen gewohnt und damit sowohl in der Form des Mitbewohnens des Hauses als auch durch die Möglichkeit der Nutzung des Nebengebäudes für seinen eigenen Gewerbebetrieb von dem Darlehen partizipiert. Dies belege eindeutig ein Eigeninteresse des Beklagten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 30. Oktober 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 47 550,14 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 2,5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. November 2006 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil nach Maßgabe der Urteilsgründe und seines erstinstanzlichen Vorbringens. Weiterhin rügt er das Vorbringen der Klägerin zum Zustandekommen der Bürgschaft als verspätet und sieht dieses als durch die Kreditakte widerlegt an. Weder zum damaligen Zeitpunkt noch zum heutigen Zeitpunkt sei er aufgrund seines Einkommens in der Lage, die Zinslast des Darlehens zu tragen. Zudem sei er hinsichtlich der Bürgschaft überrumpelt worden. Die Hauptschuldnerin habe nach der mündlichen Kreditzusage den notariellen Kaufvertrag für das Hausanwesen abgeschlossen. Er habe die Hauptschuldnerin dann aus emotionaler Verbundenheit zum Termin für die Unterzeichnung der Darlehensverträge begleitet. Erstmals in diesem Termin sei von ihm die Unterzeichnung einer Bürgschaftserklärung verlangt worden, die ihm vorbereitet zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Er habe gegen seinen Willen dann die Bürgschaftserklärung unterschrieben, um die Kreditgewährung an seine damalige Lebensgefährtin nicht zu gefährden, nachdem diese den Kaufvertrag ja bereits unterschrieben hatte.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt auch in der Sache zum Erfolg. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Beklagte aus der von ihm unterzeichneten Bürgschaftserklärung verpflichtet, den Betrag der Höchstbetragsbürgschaft an die Klägerin zu zahlen, da die Bürgschaft nicht als sittenwidrig anzusehen ist.

Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass die Wirksamkeit der von dem Beklagten übernommenen Bürgschaft nach den Grundsätzen zu überprüfen ist, wie sie die Rechtsprechung für nahe Angehörige entwickelt hat. Auch der nichteheliche Lebenspartner wird in diesem Rahmen ebenso wie der Ehegatte geschützt (vgl. Staudinger/Sack, BGB, Bearb. 2003, § 138 Rdnr. 318 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist ein Bürgschaftsvertrag zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern dann sittenwidrig, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner nahe stehenden Bürgen besteht und die Bank die emotionale Beziehung zwischen dem Hauptschuldner und dem Bürgen in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, wofür eine tatsächliche Vermutung spricht, wenn eine solche krasse Überforderung des Bürgen besteht (vgl. Nobbe/Kirchhoff, BKR 2001, 5, 7 m.w.N.). Abzustellen ist dabei auf den maximalen Umfang der von dem Bürgen übernommenen Verpflichtung. Da der Bürge in der Regel auch für die Zinsen der verbürgten Forderung haftet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel eine solche krasse finanzielle Überforderung anzunehmen, wenn der Bürge bei Eintritt des Sicherungsfalles nicht in der Lage wäre, die auf die Bürgschaftsschuld entfallenden laufenden Zinsen auf Dauer aufzubringen (vgl. Nobbe/Kirchhoff, aaO., S. 8; BGH, Urteil vom 24. November 2009, XI ZR 332/08 – bei Juris Rdnr. 11 m.w.N.). Denn in einem solchen Falle führt die Übernahme der Bürgschaft bei Eintritt des Sicherungsfalles für den Bürgen zu einer ausweglosen lebenslangen Überschuldung (vgl. Nobbe/Kirchhoff, aaO.; OLG Saarbrücken, OLG-R 2008, 894, 895; OLG Nürnberg, WM 2010, 2348, 2350).

Dies gilt jedoch nicht bei einer Höchstbetragsbürgschaft, wie sie hier vorliegt. Denn bei einer solchen Höchstbetragsbürgschaft ist der vom Bürgen aufzubringende Betrag begrenzt. Der Höchstbetrag der vom Bürgen zu leistenden Zahlungen bezieht sich nicht nur auf die Hauptforderung der verbürgten Schuld, sondern auch auf Zahlungen, die der Bürge auf Zins- oder sonstige Nebenforderungen leisten muss. Damit führt jede Zahlung des Bürgen dazu, dass seine Bürgenschuld geringer wird. Die Gefahr einer lebenslangen ausweglosen Überschuldung besteht in diesem Falle gerade nicht. Auch wenn der pfändbare Anteil des Einkommens des Bürgen in einem solchen Falle nicht zur Tragung der Zinslast ausreicht und damit keine Aussicht auf eine Reduzierung der Verbindlichkeiten des Kreditnehmers gegen den Kreditgeber besteht, reduzieren die Zahlungen des Bürgen bei einer Höchstbetragsbürgschaft seine Bürgenschuld, weil sich der Höchstbetrag eben nicht nur auf die verbürgte Kreditforderung, sondern auch auf Nebenleistungen wie insbesondere auch Zinsen und Kosten bezieht. Zusätzliche Zinsen fallen für den Bürgen nur dann an, wenn er mit seiner eigenen Bürgschaftsschuld in Verzug gerät. Diese Verzugszinsen sind dann aber nur aus dem von ihm verbürgten Höchstbetrag und nicht aus dem Gesamtbetrag der verbürgten Forderung zu zahlen.

Dass es dem Beklagten nicht möglich gewesen wäre, Verzugszinsen aus einem Betrag von 93 000,00 DM mit seinem pfändungsfreien Einkommen zu bezahlen, ist nicht ersichtlich. Abzustellen ist hierbei nämlich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, wie dies der Beklagte selbst ausführt. Nach den vom Landgericht als unstreitig zugrunde gelegten Feststellungen erzielte der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt ein Einkommen von rund 2 500,00 DM, was nach den seinerzeitigen Tabellen zu einem pfändungsfreien Einkommensanteil von monatlich 1 291,00 DM geführt hat.

Ausgehend von dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Verzugszins von 4 % ergibt sich bei der Summe der Höchstbetragsbürgschaft von 93 000,00 DM eine jährliche Verzugszinsbelastung von 3 720,00 DM, monatlich damit ein Betrag von 310,00 DM. Selbst bei Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz (gem. § 288 Abs.1 BGB n.F.) bzw. über dem Diskontsatz ( gem. § 11 VerbrKrG) ergäbe sich für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Zinssatz von 7,5 % und damit aus dem Betrag von 93 000,00 DM eine jährliche Zinsbelastung von 6 975,00 DM, was einer monatlichen Zinsbelastung von 581,25 DM entspricht. Eine krasse finanzielle Überforderung des Beklagten war daher nicht gegeben.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass seine Bürgschaftserklärung deswegen nichtig gewesen sei, weil er von der Klägerin „überrumpelt“ worden wäre. Zwar kann auch dann ein sittenwidriges Ausnutzen der emotionalen Verbundenheit vorliegen, wenn der Bürge überrumpelt und das von ihm gezeichnete Risiko ihm gegenüber verharmlost wird (vgl. Nobbe/Kirchhoff, aaO., S. 14 m.w.N.). Insoweit fehlt es jedoch an einem hinreichend substantiierten Sachvortrag zu einer solchen „Überrumpelungssituation“. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trifft nämlich den Beklagten, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft. Der Beklagte trägt insoweit vor, dass er die Darlehensschuldnerin … bei Abschluss des Darlehensvertrages (zufällig) begleitet habe und ihm dabei eine vorbereitete Bürgschaftserklärung zur Unterschrift vorgelegt worden sei, während vorher nie von einer solchen Bürgschaft die Rede gewesen sei. Diese habe er dann gegen seinen Willen unterschrieben, weil die Darlehensnehmerin den Kaufvertrag bereits unterschrieben hatte und er die Darlehensgewährung an die Darlehensnehmerin nicht habe gefährden wollen.

Dieser Sachvortrag ist schlicht und einfach nicht plausibel. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Klägerin eine bereits vorbereitete Bürgschaftserklärung „aus dem Hut ziehen“ sollte, wenn darüber nicht bereits vorher mit dem Beklagten und der Hauptschuldnerin gesprochen worden ist. Denn die Klägerin konnte in keine Weise vorhersehen, dass der Beklagte die Hauptschuldnerin bei dem Termin zur Unterzeichnung der Darlehensverträge begleiten würde. Auch die Begrenzung der Bürgschaft auf den Höchstbetrag würde in einem solchen Fall keinen Sinn machen. Vielmehr sprechen diese Umstände eindeutig für die Darstellung der Klägerin, dass von der Kreditsachbearbeiterin, die den Kreditantrag der Hauptschuldnerin bearbeitet hatte, eine weitere Sicherheit gefordert worden war und der zuständige Filialleiter der Klägerin dies dem Beklagten und der Hauptschuldnerin vorab im Rahmen der mündlichen Mitteilung über die grundsätzliche Kreditbewilligung bereits mitgeteilt hatte. Nur dann macht es Sinn, dass eine entsprechende Bürgschaftserklärung bereits vorhanden war, als die Hauptschuldnerin zur Unterschrift unter die Darlehensverträge erschien und dass der Beklagte sie hierzu begleitete. Das unplausible schriftliche Vorbringen des Beklagten konnte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht weiter plausibilisiert werden, nachdem der Beklagte trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens in dieser mündlichen Verhandlung nicht erschienen war.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich aus der Kreditakte der Klägerin nichts anderes. Aus der Kreditakte ist nämlich die Kreditentscheidung der zuständigen Kreditsachbearbeiterin nicht zu ersehen. Bei dem von dem Beklagten in Bezug genommenen „Bearbeitungsauftrag“ handelt es sich um den Bearbeitungsauftrag, wie ihn der Filialleiter … mit dem Kreditantrag zunächst eingereicht hatte. Dies ergibt sich schon aus der Adressierung. Der Filialleiter hat aber keine Kompetenz zur Entscheidung über einen solchen Kreditantrag.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin die Darlehen der Darlehensnehmerin gegenüber nicht wirksam gekündigt hätte. Zum einen hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass sie eine nochmalige Kündigung der Darlehen gegenüber der Darlehensnehmerin schriftlich im Mai 2009 ausgesprochen habe, die von zwei Vorstandsmitgliedern unterzeichnet war und daher in jedem Falle wirksam war. Zum anderen hat die Klägerin durch die von ihr vorgelegte Organisationsverfügung (Anlage K11 – Bl. 65 d. A.) nachgewiesen, dass die beiden Mitarbeiterinnen, die das Kündigungsschreiben vom 12. Mai 2006 unterschrieben haben, hierzu bevollmächtigt waren.

Weiterhin ist unbestritten, dass der Wert der Verbindlichkeiten der Darlehensnehmerin den geforderten Höchstbetrag von 93 000,00 DM = 47 550,14 € übersteigt.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286 Abs. 1, 497 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB a.F.. Verzug ist insoweit durch das Schreiben der Klägerin an den Beklagten vom 20. November 2006 eingetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht geboten. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, die Entscheidung des Senats steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der anderen Oberlandesgerichte.

Beschluss: Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47 550,14 € festgesetzt.

 

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