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Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages – Voraussetzungen

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 9 UF 209/18 – Beschluss vom 14.01.2019

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 31. Dezember 2018 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Dem Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe fehlt die gem. §§ 113 Abs. 1, 137 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO notwendige Erfolgsaussicht. Ihre in zulässiger Weise gem. §§ 58 ff. FamFG eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat mit in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und dabei die Wirksamkeit des von den Eheleuten vereinbarten vollständigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich in Ziff. II der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30. Januar 2006 (Notar Elvers, Urkundenrolle Nr. 114/2006, vgl. Bl. 10 HA) bejaht.

Gemäß § 6 Abs. 1 VersAusglG können die Ehegatten Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich schließen. Sie können diesen insbesondere ganz ausschließen. Von dieser Möglichkeit haben die Eheleute in der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30. Januar 2006 in rechtswirksamer Weise Gebrauch gemacht.

I. Form

Die formellen Anforderungen sind gewahrt. Die notarielle Vereinbarung vom 30. Januar 2006 entspricht den Formvorschriften sowohl des alten (§§ 1408, 1410 BGB a.F.) als auch des neuen Rechts (§ 7 Abs. 3 VersAusglG). Dabei sind die §§ 6 ff. VersAusglG anzuwenden, obgleich es sich hier um eine vor Inkrafttreten des VersAusglG zum 01. September 2009 geschlossene Vereinbarung handelt (vgl. Senat, FamRZ 2016, 2104; OLG Koblenz, FamRZ 2012, 130).

II. Inhaltskontrolle

Der Ehevertrag vom 30. Januar 2006 hält der Inhaltskontrolle gemäß §§ 6, 8 VersAusglG, 138 BGB in Verbindung mit den vom BGH entwickelten Grundsätzen (grundlegend BGH, FamRZ 2004, 601) stand.

1. Grundlagen

Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich unterliegen generell der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Der Versorgungsausgleich ist – als gleichberechtigte Teilhabe beider Ehegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen – einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und wie dieser der ehevertraglichen Disposition grundsätzlich zugänglich. Er ist jedoch andererseits einem vorweggenommenen Altersunterhalt vergleichbar (§ 1571 BGB); von daher steht er einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssen deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Der Versorgungsausgleich zählt zum geschützten Kernbereich der Ehe. Er rangiert hinter dem Ehegattenunterhalt auf der 2. Stufe; das Gesetz misst ihm als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu. Die grundsätzliche Disponibilität des Versorgungsausgleichs nach § 6 VersAusglG darf nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Eine evident einseitige, durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse und die Berücksichtigung der Belange der Ehegatten nicht gerechtfertigte Lastenverteilung ist nicht hinzunehmen. Dabei ist zunächst im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle zu prüfen, ob die Vereinbarung schon zum Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr – und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung aller Umstände, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsabschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens – und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und evtl. vorhandene Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (BGH, FamRZ 2017, 884; BGH, FamRZ 2013, 770; BGH, FamRZ 2004, 601; Senat, FamRZ 2018, 1658; Senat, FamRZ 2016, 2104). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (BGH, FamRZ 2014, 629; FamRZ 2009, 1041; FamRZ 2007, 1310; Senat, FamRZ 2018, 1658; Senat, FamRZ 2016, 2104), oder wenn eine Vereinbarung zum Nachteil des Trägers der Sozialhilfe/Grundsicherung getroffen wird, weil der verzichtende Ehegatte/Lebenspartner auf entsprechende Leistungen angewiesen ist (vgl. BGH, FamRZ 2009, 198).

Bei alledem ist aber zu beachten, dass das geltende Recht einen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten nicht kennt (BGH, FamRZ 2017, 884; Senat, FamRZ 2018, 1658; Senat, FamFR 2013, 335; OLG Bremen, FamRZ 2017, 1571; vgl. bereits zum vor dem 1. September 2009 geltenden Recht BGH, FamRZ 2004, 601). Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich sind nach dem Willen des Gesetzgebers zudem ausdrücklich erwünscht (BT-Drucks. 16/10144 S. 39 und insb. S. 51 linke Spalte unten). Bei der Kontrolle eines vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs hat sich das Familiengericht daher zurückzuhalten, um die Vertragsfreiheit der Eheleute zur Geltung kommen zu lassen (BGH, FamRZ 2014, 1179; Brandenburgisches OLG FamRZ 2017, 1747, Brandenburgisches OLG v. 03. Juli 2014 – 13 UF 245/13). Das Gericht darf angesichts der Vertragsautonomie insbesondere nicht von sich aus nach Unwirksamkeitsgründen forschen. Der durch den Versorgungsausgleich vermeintlich Benachteiligte ist gehalten, von sich aus durch substantiierten Sachvortrag die Tatsachen mitzuteilen, aus denen sich solche Verdachtsmomente ergeben, erst dies löst eine weitergehende Amtsermittlungspflicht aus (vgl. bereits BGH, FamRZ 2001, 1447 f.; Senat, FamRZ 2012, 1729). Deshalb trägt der durch die Vereinbarung benachteiligte Ehegatte die Darlegungs- und Beweislast für die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung (Senat, FamRZ 2018, 1658; Senat, FamRZ 2016, 2104; Senat, FamRZ 2012, 1729; Sarres, FamFR 2012, 29, 30). Von Amts wegen ist nur zu überprüfen, ob eine Vereinbarung wegen Benachteilung des Sozialhilfeträgers sittenwidrig ist (Norpoth/Sasse in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 8 VersAusglG Rn. 31).

2. Darlegungen der Antragsgegnerin

Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages - Voraussetzungen
(Symbolfoto: Von fizkes/Shutterstock.com)

Die insoweit darlegungsbelastete Antragsgegnerin hat diesen strengen Anforderungen bislang nicht ansatzweise genügt. Ihr Sachvortrag enthält im Wesentlichen pauschalisierte Ausführungen und nahezu keinen belastbaren Tatsachenstoff, der für eine Unwirksamkeit sprechen könnte.

a.

Es ist – anders als die Antragsgegnerin meint – nicht Aufgabe des Familiengerichts, die notwendigen Auskünfte zu den Ehezeitanteilen im Versorgungsausgleich einzuholen. Die Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) gebietet es angesichts der vorrangig zu beachtenden Vertragsautonomie nicht, zur Vorbereitung der Ausübungs- und Wirksamkeitskontrolle (§ 8 Abs. 1 VersAusglG) stets erst die erforderlichen Auskünfte zum Versorgungsausgleich einzuholen (Senat, FamRZ 2012, 1729), vielmehr ist die Darlegung von Art und Umfang der auszugleichenden Anrechte grundsätzlich Aufgabe der Antragsgegnerin selbst, der sie bislang in keiner Weise ausreichend nachgekommen ist.

Zwar hat angesichts des hier bekannten Verlaufs des Erwerbslebens der Eheleute der Antragsteller aller Voraussicht nach mehr Versorgungsanrechte als die Antragsgegnerin erworben, dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. In welcher (zumindest ungefähren) Höhe dies tatsächlich der Fall ist, hat die Antragsgegnerin aber bislang nicht einmal ansatzweise dargetan.

Zunächst hätte sie überblickshalber darstellen müssen, welche Versorgungsanrechte auf Seiten des Antragstellers mit welchen ausgleichspflichtigen Ehezeitanteilen vorhanden sind; insoweit stehen ihr auch entsprechende Auskunftsrechte gegen den Antragsteller (§ 4 Abs. 1 VersAusglG), u.U. auch gegen dessen Versorgungsträger (§ 4 Abs. 2 VersAusglG) zur Verfügung.

Ferner hat sie zu ihren eigenen, dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechte nicht – jedenfalls nicht vollständig – vorgetragen. Zwar hat sie nunmehr der Beschwerdebegründung eine Aufstellung ihrer zu erwartenden gesetzlichen Rente beigefügt, den konkreten Ehezeitanteil aber nicht benannt, obgleich ihr auch dafür Auskunftsrechte gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zur Verfügung stehen (vgl. §§ 109 Abs. 5, 149 Abs. 3 f., 196 Abs. 1 SGB VI). Es ist weder Aufgabe des Antragstellers noch des Familiengerichts, angesichts des bislang offenkundig unvollständigen Sachvortrags der Antragsgegnerin diesen selbstständig zu ermitteln. Dies gilt erst recht angesichts dessen, dass die Antragsgegnerin bislang keinerlei Sachvortrag zu einer bei ihr vorhandenen weiteren – ergänzenden – Altersversorgung (Bl. 3, 5 VKH-Heft) getätigt hat.

Von daher kann hier bereits nicht festgestellt werden, in welchem (zumindest ungefähren) Umfange die Antragsgegnerin bei dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich benachteiligt worden ist.

b.

Unabhängig von der konkreten Durchführung des Versorgungsausgleichs ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass dann ein weiterer umfassender Sachvortrag zu der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Beteiligten erforderlich ist. Denn allein aus dem (hier nicht einmal der Höhe nach feststehenden) objektiven Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einer Verzichtsvereinbarung auf den Versorgungsausgleich folgen dabei keine Beweiserleichterungen (BGH FamRZ 2009, 198, 201).

Zunächst müsste im Einzelnen dargestellt werden, wie sich die güterrechtliche Auseinandersetzung vollzogen hat, d. h., die Antragsgegnerin müsste dafür die Regelungen der notariellen Vereinbarung im Einzelnen mit Sachvortrag ausfüllen und insbesondere zu einzelnen Vermögenswerten Stellung nehmen. Soweit dies den (ehevertraglich ebenfalls ausgeschlossenen, vgl. Ziff. I der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30. Januar 2006, Bl. 9 HA) Zugewinnausgleich betrifft, kann hier mangels Darstellung des vorhandenen Vermögens bereits nicht festgestellt werden, ob bzw. in welcher Höhe hier möglicherweise ebenfalls die Antragsgegnerin benachteiligt wurde. Selbst wenn aber – wovon die Eheleute offenbar ausgehen – das im Alleineigentum des Ehemannes stehende und bereits bei Eheschließung vorhandene Grundstück den wesentlichen (einzigen?) Vermögenswert darstellen würde, kann ein wirtschaftlich betrachtet hoher Verzicht der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden. Auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung (dort S. 12), auf die die Antragsgegnerin innerhalb ihrer Beschwerdebegründung auch nicht weiter eingeht, kann Bezug genommen werden.

Ferner fehlen Ausführungen der Antragsgegnerin zum vorhandenen Hausrat. Dies war hier umso eher geboten, als betreffs dieses Vermögens die Antragsgegnerin durch den Ehevertrag bevorzugt wurde, da ihr insoweit der gesamte Hausrat zzgl. eines PKWs zu Eigentum zustehen sollte (vgl. näher Ziff. IV der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom 30. Januar 2006, Bl. 11 HA). Je nach Höhe der wirtschaftlichen Benachteiligung der Antragsgegnerin durch den Verzicht auf den Versorgungsausgleich (bzw. einen Zugewinn) wäre darüber zumindest eine bestimmte Kompensation erfolgt, was ebenfalls gegen die Annahme einer Sittenwidrigkeit spricht.

Darüber hinaus wäre sie auch gehalten, zu einem außerhalb des ehelichen Vermögensrechtes möglicherweise durchgeführten vermögensrechtlichen Ausgleich Stellung zu nehmen, da auch dies Einfluss auf die Frage der Beurteilung der Unwirksamkeit haben mag. Nach alledem müsste sie zu den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Beteiligten im Allgemeinen Stellung nehmen, d. h. inwieweit auf ihrer Seite und auf Seiten des Antragstellers weitere, vom ehelichen bzw. außerehelichen Vermögensrecht unabhängige Vermögenswerte (auch Erbschaften und dergleichen) vorhanden sind. Denn insoweit ist stets zu prüfen, ob ein Beteiligter auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs zwingend angewiesen ist, was erst nach vollständiger Klärung der Vermögenslage beurteilt werden kann.

Zu alledem fehlt es aber an jeglichem eingehenden Sachvortrag der Antragsgegnerin.

3. Sittenwidrigkeit

Selbst wenn jedoch unter Zurückstellung der vorgenannten Bedenken in eine nähere Prüfung der Wirksamkeit der Ausschlussvereinbarung eingetreten würde, ergibt sich derzeit nichts anderes. Dabei sind der Verzicht des Versorgungsausgleichs, weiteren ehevertraglichen Regelungen und sodann der Ehevertrag insgesamt zu prüfen. Denn selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen bei isolierter Betrachtungsweise den Vorwurf der Sittenwidrigkeit jeweils für sich genommen nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt (vgl. BGH, FamRZ 2017, 884).

Dazu führt der Senat angesichts der vorangestellten Gründe sowie der zutreffenden und umfassenden Ausführungen des Amtsgerichts, auf die Bezug genommen wird, lediglich ergänzend aus:

a.

Eine Sittenwidrigkeit betreffs des Verzichts auf den Versorgungsausgleich ist isoliert betrachtet nicht erkennbar. Bei Abschluss der Verzichtsvereinbarung war die Antragsgegnerin gerade 41 Jahre alt geworden, hatte also noch deutlich über 20 Jahre Zeit, Altersvorsorgeanrechte zu erwerben. Gesundheitliche Einschränkungen bestanden nicht. Gravierende Einbußen in den bis Vertragsabschluss erworbenen Versorgungen waren angesichts des von der Antragsgegnerin vorgelegten gesetzlichen Versicherungsverlaufes nicht gegeben. Dass die Antragsgegnerin wegen der Kinder oder aus sonstigen ehebedingten Gründen ihre zukünftige Erwerbstätigkeit einschränken wollte, ist nicht vorgebracht, angesichts des Alters der Kinder bei Vertragsabschluss (die Tochter war rd. 16, der Sohn rd. 5,5 Jahre alt) jedenfalls nicht naheliegend und widerspricht auch dem weiteren tatsächlichen Verlauf (vgl. auch weiter unten zum Ausschluss des Anspruchs auf Alters- und Krankenunterhalt).

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Eine in dem Verzicht liegende Vereinbarung zu Lasten der Sozialsysteme (vgl. zuvor) scheidet schon deshalb aus, weil dies angesichts des Alters der Antragsgegnerin bei Vertragsabschluss nicht sicher prognostizierbar war (vgl. dazu im Allgemeinen näher Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl. 2018 § 8 Rn. 32 m.N.). Zudem hat sie nach derzeitiger Prognose eine gesetzliche Rente zu erwarten, die in etwa mindestens der Grundsicherung entspricht und zudem noch mit einer weiteren (nicht durch die Antragsgegnerin dargelegten) Altersversorgung ergänzt wird.

b.

Der (Teil)Verzicht der Beteiligten auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB ist unbedenklich. Zum Kernbereich der Scheidungsfolgen zählt – wie bereits ausgeführt – insbesondere der Anspruch auf Unterhalt wegen Betreuung minderjähriger Kinder. Dieser ist am Kindesinteresse ausgerichtet und daher der Dispositionsfreiheit der Ehegatten weitgehend entzogen (vgl. BGH FamRZ 2017, 884). Eine Modifikation oder Ausschluss dieses Anspruches hindert allerdings nicht generell die Wirksamkeit des Vertrages. Bei nicht vollständigem Ausschluss von Betreuungsunterhalt kann daher Sittenwidrigkeit nicht generell angenommen werden. So ist eine Vereinbarung, nach welcher der Betreuungsunterhalt bereits dann entfallen soll, wenn das jüngste Kind das 6. Lebensjahr vollendet hat, nicht schlechthin sittenwidrig (BGH, FamRZ 2007, 1310); erst recht gilt dies bei der hier vereinbarten Begrenzung des Betreuungsunterhalts auf das 12. Lebensjahr des jüngsten Kindes (ausdrücklich für das 12. Lebensjahr OLG Celle, FamRZ 2008, 1191). Vorliegend ist zudem schon angesichts des bei Vertragsabschluss bestehenden Alters der Kinder nicht erkennbar, dass die Eheleute evident davon ausgingen, dass die Ehefrau für die zukünftige Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit würde aufgeben oder zumindest wesentlich einschränken muss; tatsächlich ist dies auch nicht geschehen.Vor diesem Hintergrund war bei Vertragsschluss nicht absehbar, dass die Ehefrau die beruflichen Einschränkungen, die mit der zukünftigen Kinderbetreuung regelmäßig einhergehen, alleine zu tragen haben würde (vgl. dazu etwa BGH FamRZ 2018, 577).

c.

Der Ausschluss des Anspruchs auf Alters- und Krankenunterhalt (§§ 1571, 1572 BGB) ist wirksam. Zwar kommt beiden Tatbeständen als Ausdruck der nachehelichen Solidarität besondere Bedeutung zu (Senat, FamRZ 2016, 2104). Die Ehepartner können aber die Ansprüche auf Alters- und Krankenunterhalt insbesondere dann ausschließen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar ist, ob, wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten ein Ehegatte unterhaltsbedürftig werden kann (vgl. Senat, FamRZ 2016, 2104; OLG Celle, NJW-RR 2009, 1302).

Vorliegend hatte die Antragsgegnerin bei Vertragsabschluss bereits insgesamt 10 Jahre als Verkäuferin gearbeitet. Unterbrochen wurde diese Tätigkeit lediglich durch 2 Babyjahre, für die die Antragsgegnerin aber Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Zudem war sie ab 2001 für ca. 3 Jahre arbeitslos, hat in dieser Zeit aber ebenfalls Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund von Kindererziehungszeiten bzw. aus Arbeitslosenzeiten (wohl durch den Bezug von ALG I oder den Bezug von ALG II – für ALG II wurden bis 2011 ebenfalls Beiträge zur gesetzliche Rentenversicherung gezahlt). Damit hat sie bis Vertragsschluss einen nahezu lückenlosen Versicherungsverlauf in der gesetzlichen Rentenversicherung aufzuweisen, mit Ausnahme eines überschaubaren Zeitraums von weniger als 3 Monaten (29. Januar 1998 bis 5. April 1998). Bezogen auf die Zeit des Vertragsschlusses hatte die zumindest die Sicherheit einer Grundversorgung erlangt, so dass auch dem Ausschluss des Altersunterhalts hier ein geringer Wert zukommt. Die Antragsgegnerin war bei Vertragsabschluss 41 Jahre alt, gesund und in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht eingeschränkt. Anhaltspunkte dafür, dass sie bedürftig werden könnte, waren nicht ersichtlich (zumal in der Folgezeit eine solche Bedürftigkeit bislang auch tatsächlich nicht eingetreten ist).

d.

Dem Verzicht auf den Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) kommt geringe Bedeutung zu (vgl. Senat, FamRZ 2016, 2104), zumal die Antragsgegnerin bei Vertragsabschluss keinen gesundheitlichen Einschränkungen bei ihrer Erwerbstätigkeit unterlag, über einen Arbeitsplatz verfügte und seither (mit geringen Zeiten der Arbeitslosigkeit) auch nahezu durchgängig erwerbstätig war.

e.

Schließlich führt der Verzicht auf Ansprüche wegen Aufstockungs- und Billigkeitsunterhalt (§§ 1573 Abs. 2, 1576 BGB) nicht zu einer Sittenwidrigkeit des Ehevertrages. Diese Unterhaltsansprüche sind vom Gesetz am schwächsten ausgestaltet und sind nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach zeitlich begrenzbar. Aufgrund ihrer Bedeutung im System des Scheidungsfolgenrechts erscheinen sie am ehesten verzichtbar (BGH, FamRZ 2004, 601; Senat, FamRZ 2016, 2104).

f.

Zum Ausschluss des Zugewinns – der in keiner Weise wertmäßig näher bestimmbar ist – und zur Regelung des Hausrats vgl. bereits zuvor.

g.

Im Übrigen folgt allein aus einem Globalverzicht auch bei einem objektiv offensichtlichen Ungleichgewicht der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht zwangsläufig die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages; Voraussetzung ist vielmehr, dass ein Fall gestörter Vertragsparität vorliegt (OLG Hamm FF 2013, 315), was hier zu verneinen ist.

Dass die Umstände bei Abschluss der Verzichtsvereinbarung eine Sittenwidrigkeit bedingen, hat das Amtsgericht zutreffend verneint. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität hindeuten, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit (BGH FamRZ 2014, 629). Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass der Vertragsschluss auf einer wirtschaftlichen und sozialen Überlegenheit des Ehemanns beruhte, die dieser bei Vertragsschluss bewusst ausgenutzt hat, sind nicht feststellbar.

Eine vermeintlich schlechte seelische Verfassung der Ehefrau bei Vertragsabschluss bedingt noch kein sittenwidriges Ausnutzen seitens des Antragsgegners, zumal dieser nach den Angaben der Antragsgegnerin sich ebenfalls in einem gesundheitlich fragilen Zustand (Einnahme starker Beruhigungsmittel) befand (vgl. Bl. 79).

Soweit die Ehefrau nach ihren Behauptungen in die Verhandlungen, die dem Vertragsabschluss vorausgingen, tatsächlich nicht mit eingebunden war, sie keinen Einfluss auf die Vertragsgestaltung hatte und ihr vor dem Abschluss des Ehevertrags kein Vertragsentwurf zur Verfügung gestellt wurde, sie auch die einzelnen Regelungen nicht verstand, genügt dies allein nicht ohne weiteres, um von einer überlegenen Rechtsposition des Antragstellers bzw. einer durch ihn veranlassten sittenwidrigen Drucksituation ausgehen zu können (vgl. auch BGH, FamRZ 2017, 884, wo gerade wegen der überragenden wirtschaftlichen und sozialen Überlegenheit des Ehemanns sowie der Anwesenheit eines Kleinstkindes bei Vertragsschluss die Sittenwidrigkeit bejaht wurde). Eine Störung der subjektiven Vertragsparität liegt nicht schon dann vor, wenn der benachteiligte Ehegatte die konkreten Vertragsbestimmungen nicht versteht und sodann weitere Beratung und Aufklärung vor Abschluss des Ehevertrages deshalb nicht einholt, weil er seinem Ehegatten „blind“ vertraut (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 2015, 500). Es stand der Antragsgegnerin vielmehr frei, den Ehevertrag nicht zu unterschreiben, durch einen selbstgewählten Rechtsanwalt prüfen zu lassen und ihn für den Fall wirtschaftlicher Nachteiligkeit nicht abzuschließen. Zumindest aber fehlt es für eine sittenwidrige Drucksituation an einer entsprechenden substantiierten Darlegung nebst Beweisantritt der Antragsgegnerin, wie das Amtsgericht zutreffend feststellt. Und selbst wenn der Antragsteller im Übrigen tatsächlich die Fortführung der Ehe von dem Abschluss des Ehevertrages abhängig gemacht hätte, wäre dies nicht als sittenwidrige Ausnutzung einer Machtposition anzusehen (vgl. Brandenburgisches OLG FamRZ 2017, 1747; OLG Hamm, NJOZ 2005, 4392).

II. Ausübungskontrolle

Der Antragsteller kann sich auch vollumfänglich auf die ihn begünstigende Ausschlussregelung zum Versorgungsausgleich berufen. Der vereinbarte Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nicht im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu korrigieren.

Soweit die Regelungen eines Ehevertrags – wie hier – der Wirksamkeitskontrolle standhalten, muss der Richter im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihn begünstigende Regelung zu berufen. Maßgeblich ist insoweit, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt (BGH, FamRZ 2014, 1978 m.w.N.). Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die beiden Eheleute von der ursprünglichen, dem Vertrag zugrundeliegenden Lebensplanung grundlegend abweicht und dadurch bei dem belasteten Ehegatten ehebedingte Nachteile entstanden sind, die durch den Ehevertrag nicht angemessen kompensiert werden. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die abweichende Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht auf einer Entscheidung der Eheleute, sondern auf einer von beiden Beteiligten unbeeinflussten Veränderung von Umständen außerhalb von Ehe und Familie beruht (BGH, FamRZ 2018, 1415). Derart veränderte Umstände sind jedoch weder in objektiver Hinsicht erkennbar noch durch die Antragsgegnerin – die ihr Vorbringen praktisch ausschließlich auf die Inhaltskontrolle betreffende Tatsachen stützt – dargetan. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

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