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Skiunfall – Missachtung der Fis-Regeln

Oberlandesgericht Hamm

Az.: 13 U 81/08

Urteil vom 05.11.2008

Vorinstanz: Landgericht Essen, Az.: 2 O 378/07


Die Berufung des Beklagten gegen das am 07.04.2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Zu Recht hat das Landgericht eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB bejaht. Denn der Beklagte hat den Skiunfall, der sich am 01.01.2007 gegen 12.15 Uhr in P/Österreich ereignet hat und bei dem sich die Klägerin eine schwere Knieverletzung zugezogen hat, fahrlässig verursacht. Er hat der Klägerin daher den der Höhe nach unstreitigen streitgegenständlichen materiellen Schaden zu ersetzen und ist auch verpflichtet, der Klägerin sowohl sämtlichen weiteren materiellen Schaden als auch den immateriellen Schaden zu ersetzen.

Der dem Beklagten anzulastende Fahrlässigkeitsvorwurf beruht darauf, dass der Beklagte den Skiunfall durch unzureichende Beachtung der am Unfallort als Verkehrsrecht maßgeblichen FIS-Regeln verursacht hat. Unstreitig sind die Mitglieder der Skifahrergruppe, der die Parteien angehört haben, nacheinander von der Bergstation in Richtung Mittelstation losgefahren, und zwar als erste Person die Zeugin T3 als Skilehrerin, als zweite Person die Klägerin, an dritter Position der Beklagte und nach dem Beklagten die weiteren Skifahrer der Gruppe, darunter die Zeugen S und T. Wie der Beklagte schon bei seiner erstinstanzlichen Anhörung bestätigt hat, fuhr die Klägerin auf der insgesamt recht breiten Piste talwärts gesehen mehr links in großen Bögen. Sie war dem Beklagten zu langsam, so dass sich dieser entschloss, die Klägerin rechts zu überholen. Um zur Klägerin aufzuschließen fuhr er mit kleineren Schwüngen schneller als die Klägerin.

Gegeneinandergetroffen sind die Parteien dann nach der eigenen Darstellung des Beklagten in einer Zeitphase, in der sich der Beklagte in einem Rechtsschwung befand, also seine Bewegungsrichtung talwärts gesehen nach rechts änderte, während die Klägerin einen Linksschwung vollzog, ihre Fahrtrichtung also nach links wechselte. Unmittelbar vor dem Zusammenprall haben sich die Parteien nicht gesehen.

Wenn sich der Unfall so die Behauptung der Klägerin während der Phase ereignete, in der der Beklagte den unstreitigen Überholversuch unternahm, dann beruht die Verletzung der Klägerin auf einem Verstoß des Beklagten gegen die FIS-Regeln 3 und 4. Denn danach hat der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so zu wählen, dass der vor ihm befindliche Skifahrer nicht gefährdet wird, und darf nur in einem so großen Abstand überholen, dass dem zu überholenden Skiläufer für alle seine Bewegungen genügend Raum bleibt. Der Beklagte hätte der Klägerin folglich genügend Raum für einen ungehinderten Linksschwung lassen müssen. Die Kollision beweist, dass er diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist.

Aber auch dann, wenn der Beklagte, wie er geltend macht, seinen Überholversuch wegen ihm vorausfahrender weiterer Skiläufer abgebrochen hatte und während der Dauer mehrerer Schwünge parallel zur Klägerin gefahren war, bevor der Unfall geschah, trifft den Beklagten der Vorwurf eines Verstoßes gegen die erforderliche Sorgfalt. Denn in diesem Falle hat der Beklagte gegen die FIS-Regeln 1 und 2 verstoßen, wonach sich jeder Skifahrer so verhalten muss, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt, auf Sicht fahren und seine Fahrweise u.a. der Verkehrsdichte anpassen muss. Da der Beklagte später als die Klägerin von der Bergstation losgefahren war, folglich die Klägerin zunächst vor sich gehabt hatte, musste er bis zum erfolgreichen endgültigen Abschluss eines evtl. Überholmanövers damit rechnen, dass sich seine Fahrspur und diejenige der Klägerin während der Talfahrt berühren konnten. Hätte der Beklagte dies hinreichend bedacht, dann hätte er eine gefährliche Annäherung der beiderseitigen Fahrspuren verhindern können und müssen. Selbst dann, wenn die Parteien entsprechend der streitigen Behauptung des Beklagten vor dem Unfall einige Zeit auf gleicher Höhe quasi parallel gefahren sein sollten, stünde fahrlässiges Verhalten des Beklagten fest. Denn in einer solchen Situation hat ein Skifahrer das vor und unter ihm liegende Gelände aufmerksam zu beobachten, soweit das Gesichtsfeld reicht. Im Falle einer Kollision spricht der Anscheinsbeweis einer Sorgfaltspflichtverletzung gegen ihn (vgl. dazu Dambeck, Piste und Recht, 3. Aufl. Rn. 20, 94).

Der somit selbst nach der eigenen Darstellung des Beklagten bestehende Schadensersatzanspruch der Klägerin aus §§ 823, 253 BGB ist nicht gemäß § 254 BGB durch Mitverschulden der Klägerin dem Umfange nach reduziert. Denn einen unfallursächlichen Verstoß der Klägerin gegen die erforderliche Sorgfalt hat der Beklagte nicht zu beweisen vermocht.

Wenn sich der Unfall nicht während einer Parallelfahrt der Parteien auf gleicher Höhe sondern während eines Überholversuchs des Beklagten ereignet hat, dann scheitert die Feststellung fahrlässiger Mitverursachung des Unfalls durch die Klägerin schon daran, dass die Klägerin dann nicht verpflichtet war, dem herannahenden Beklagten auszuweichen. Sie musste sich dann weder nach hinten noch hangwärts nach oben orientieren sondern ihr stand dann der Vorrang gegenüber dem Beklagten zu (vgl. dazu OLG Brandenburg MDR 08, 860; OLG Stuttgart NJW 64, 1859; Dambeck a.a.O. Rn. 105).

Unfallmitverschulden der Klägerin hätte allenfalls dann angenommen werden können, wenn feststünde, dass die Parteien vor dem Unfall parallel auf gleicher Höhe gefahren wären, und zwar so lange, dass die Klägerin bei gehöriger Aufmerksamkeit den Beklagten als auf gleicher Höhe talwärts fahrenden Skiläufer hätte wahrnehmen müssen. Einen solchen Sachverhalt hat der für die Voraussetzungen eines Mitverschuldens der Klägerin und damit auch für die Voraussetzungen eines gegen die Klägerin sprechenden Anscheinsbeweises nicht

zu beweisen vermocht. Die Aussage der Zeugin T3 ist insoweit unergiebig, weil diese Zeugin das Unfallgeschehen nicht im Blickfeld gehabt hat. Auch die Aussage des Zeugen S ist nicht geeignet, den erforderlichen Beweis zu erbringen. Dieser Zeuge hat bei seiner Vernehmung durch den Senat zwar ausgeführt, nachdem der Kläger wie er, der Zeuge, in kürzeren Bögen gefahren sei als die Klägerin, wären die Parteien parallel gefahren. Diese Bekundung hat er aber sogleich dahin abgeschwächt, dass dies jedenfalls für ihn so ausgesehen habe. Bei näherer Befragung hat der Zeuge dann erklärt, während der Dauer von drei bis vier Schwüngen habe es so ausgesehen, als seien die Parteien auf gleicher Höhe gewesen und hat später hinzugefügt, es sei aber alles sehr schnell gegangen. Und schließlich hat er auch darauf hingewiesen, dass er sich in erster Linie auf seine eigene Bogenfahrt konzentriert gehabt habe. Insgesamt erscheinen die Bekundungen des Zeugen S daher als zu wenig zuverlässig, um daraus mit der erforderlichen Sicherheit auf die Richtigkeit des Beklagtenvortrags zu schließen.

Und auch die Beobachtungen des Zeugen T, die dieser in seinem schriftlichen Zeugenbericht für die Haftpflichtversicherung des Beklagten niedergelegt hat, den der Senat im Einverständnis mit den Parteien zu Beweiszwecken verwertet hat, erlaubt die zuverlässige Feststellung einer längeren Parallelfahrt der Parteien auf gleicher Höhe vor dem Unfall nicht.

Nach alledem war die Berufung des Beklagten mit den prozessualen Nebenentscheidungen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 543 ZPO zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung liegen nicht vor.

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