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Skiunfall – Unfallversicherungsschutz

OLG Celle

Az.: 8 U 131/08

Urteil vom 15.01.2009


Die Berufung des Klägers gegen das am 27. Mai 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger, geb. … 1949, nimmt die Beklagte auf Leistungen aus zwei Unfallversicherungen in Anspruch.

Zwischen den Parteien besteht gem. Versicherungsschein vom 15. Mai 1998 zum einen eine Unfallversicherung mit einer Grundsumme von 68.000,- DM und vereinbarter Progressionsstaffel 400 % (Bl. 7 d. A.), der die AUB 1961 zugrunde liegen (Bl. 9 – 1 d. A.). Ferner besteht eine Unfallrentenversicherung, die bei einer Invalidität zwischen 33 % und 66 % eine monatliche Rente von 923,- € vorsieht (Bl. 8 d. A.), und der die AUB 98 zugrunde liegen (Bl. 15 – 18 d. A.). Erstinstanzlich hat der Kläger die Beklagte wegen zweier Unfallereignisse vom 3. März 2000 (Sturz beim Skifahren) und 8. März 2000 (Arbeitsunfall) in Anspruch genommen, wobei es im Berufungsverfahren nur noch um den Vorfall vom 3. März 2000 geht.

Am 4. März 2000 begab der Kläger sich nach Rückkehr von einem Skiurlaub in Österreich in das R.-K.-Krankenhaus in G. u. a. wegen Schmerzen in der linken Schulter (Bl. 161 d. A. S 36 U 395/02 SG Hannover). Nachdem er dann zunächst seine Arbeit wieder aufnahm, stürzte er am 8. März 2000 auf abgestemmten Fliesen und fiel auf die linke Schulter (Bl. 3 d. A.). In einem Bericht des Dr. L. vom 29. Mai 2000 werden beide Unfälle erwähnt und ausgeführt, eine Brückensymptomatik habe nicht bestanden, da der Kläger zwischen dem 3. März 2000 und 8. März 2000 beschwerdefrei habe arbeiten können (Bl. 142 d. A.). Aus einem Bericht des A.-K.-Krankenhauses vom 26. November 2001, wo der Kläger sich vom 5. – 14. Juli 2000 stationär aufhielt und am 6. Juli 2000 an der Schulter operiert wurde (OP-Bericht Bl. 162 f. d. A.), ergeben sich als Diagnosen eine Intervall-Läsion linkes Schultergelenk mit Supraspinatussehnenruptur III, eine schwere Bizepssehnendegeneration und eine Akromio-Claviculararthrose (Bl. 19 – 26 d. A.). Die Verletzungsfolgen werden als ausschließlich unfallbedingt beschrieben und als Unfallfolgen eine Bewegungseinschränkung aktiv und passiv im Bereich der linken Schulter, Schulterhochstand rechts 2 cm, leichte Muskelatrophie des linken Armes, 10 cm lange Narbe und Kraftminderung links um ca. 50 % benannt. Der beeinträchtigte Armwert wird mit 2/10 angegeben. In einem weiteren Bericht an die Beklagte vom 17. Juni 2003 wird wegen einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Armwert nunmehr mit 4/10 angegeben (Bl. 27 – 33 d. A). Die Beklagte nahm auf dieser Grundlage eine Abrechnung vor und zahlte dem Kläger gem. Schreiben vom 17. Juli 2003 insgesamt 12.864,10 € (Bl. 34 f. d. A.). Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 20. Februar 2004 eine weitere Begutachtung (Bl. 76 f. d. A.), was die Beklagte ebenso wie zusätzliche Leistungen ablehnte.

Der Kläger hat behauptet, am 3. März 2000 sei er beim Skifahren gestürzt, als ihm ein anderer Skifahrer die Vorfahrt genommen habe, weshalb er habe ausweichen müssen, in eine Schneewehe gefahren, mit dem rechten Fuß umgeknickt und auf die linke Körperseite gefallen sei (Bl. 192, 223, 243 f., 267 d. A.). Weiter habe es den Unfall vom 8. März 2000 gegeben, als er bei seiner Arbeit als Fliesenleger auf abgestemmten Fliesen ausgerutscht und erneut auf die linke Schulter gefallen sei (Bl. 3, 91 f. d. A.). Durch einen dieser beiden Unfälle oder beide Unfälle sei es bei ihm zu einer Invalidität des linken Armes von 5/10 gekommen, woraus unter Berücksichtigung der verbesserten Gliedertaxe eine Gesamtinvalidität von 45 % folge (Bl. 4 f. d. A.). Hieraus resultiere aus der Unfallversicherung ein noch zu zahlender Betrag von 2.781,43 €. Ferner stehe ihm ab dem Unfallzeitpunkte eine monatliche Rente von 923,- € aus der Unfallrentenversicherung zu, woraus sich bis Mai 2000 ein Anspruch von 55.380,- € und danach eine monatlich zu zahlende Rente ergebe (Bl. 5 f. d. A.).

Der Kläger hat beantragt (Bl. 2, 143, 256 d. A.),

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 58.161,42 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger monatlich 923,- € Unfallrente beginnend ab dem 1. Juli 2005 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt (Bl. 56, 143, 256 d. A.), die Klage abzuweisen.

Sie hat den Vorfall vom 3. März 2000 in Abrede gestellt und die Ansicht vertreten, es handele sich nicht um einen bedingungsgemäßen Unfall (Bl. 208, 246 d. A.). Es sei auch nicht ersichtlich, dass die gesundheitlichen Folgen auf einen der beiden Stürze zurückzuführen seien (Bl. 59, 85, 90, 147 d. A.). Keiner der Unfälle habe auch zu einer Invalidität von 5/10 Armwert geführt, sondern es sei von einer Invalidität von 4/10 auszugehen (Bl. 60 f., 85 f., 90, 108, 120, 211, 268 f. d. A.). Außerdem bestünden erhebliche verschleißbedingte Vorschäden, so dass ein Mitwirkungsanteil von mindestens 25 % zugrunde zu legen sei.

Das Landgericht hat gem. Beschlüssen vom 1. Dezember 2005 (Bl. 94 d. A.), 29. August 2006 (Bl. 149 f. d. A.), 25. September 2006 (Bl. 157 d. A.) und 26. Juli 2007 (Bl. 247 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. H. vom 9. Januar 2007 (Bl. 165 – 185 d. A.) und Vernehmung der Zeuginnen B. und M. (Sitzungsprotokoll vom 22. April 2008, Bl. 256 – 259 d. A.). Mit Urteil vom 27. Mai 2008 hat es die Klage abgewiesen (Bl. 271 – 276 d. A.). Hinsichtlich des Vorfalls vom 8. März 2000 fehle es nach den Feststellungen des Sachverständigen am erforderlichen Zusammenhang zwischen dem Sturz und den dauerhaften Verletzungen des Klägers, da dieser nur zu einer Prellung der Schulter geführt habe. Der Sturz vom 3. März 2000 beim Skifahren habe zwar einen bereits bestehenden Vorschaden der Rotatorenmanschette verschlimmert. Hinsichtlich dieses Vorfalls liege jedoch schon kein bedingungsgemäßer Unfall vor, da es sich um einen irregulären Zustand der Außenwelt handeln müsse, während bloße ungeschickte Eigenbewegungen nicht ausreichend seien. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe gerade nicht fest, dass der Kläger aufgrund eines notwendigen Ausweichmanövers in eine Schneewehe gefahren und dadurch gestürzt sei. Auch zu einer Berührung durch den anderen Skifahrer sei es nicht gekommen. Das bloße Vorbeifahren eines anderen Skifahrers und ein mögliches Erschrecken stelle jedenfalls kein von außen wirkendes Ereignis dar.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Er macht geltend, auch der Sturz beim Skifahren stelle einen bedingungsgemäßen Unfall dar. Zunächst liege bereits ein Unfall nach § 2 Abs. 2 AUB wegen der erhöhten Kraftanstrengung infolge der Sportausübung vor (Bl. 302 f., 319 f. d. A.). Es sei aber auch ein Unfall nach § 2 Abs. 1 AUB gegeben, da das erforderliche äußere Ereignis nicht physisch vermittelt sein müsse (Bl. 303 f., 320 f. d. A.). Es mache keinen Unterschied, ob es zu dem Sturz des Klägers durch einen Zusammenprall oder durch ein Ausweichen gekommen sei, durch den der Zusammenstoß vermieden worden sei. Ferner sei es auch ausgeschlossen, dass es zu der Sehnenruptur durch eine altersbedingte Verschleißerscheinung gekommen sei (Bl. 305 f. d. A.).

Der Kläger beantragt (Bl. 301, 324 d. A.), unter Abänderung des Urteils des LG Hannover,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 58.161,42 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger monatlich 923,- € Unfallrente beginnend ab dem 1. Juli 2005 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 309, 324 d. A.), die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 AUB mit der Unfallfiktion lägen nicht vor, da es schon an der vorausgesetzten Verletzungsart fehle und keine erhöhte Kraftanstrengung ersichtlich sei (Bl. 317 f. d. A.). Ein Unfall nach § 2 Abs. 1 AUB komme nicht in Betracht, weil es an einem von außen wirkenden Ereignis fehle und die Aussagen der Zeuginnen unklar seien (Bl. 318 d. A.).

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Der Senat hat den Kläger ferner informatorisch angehört (Sitzungsprotokoll vom 5. Dezember 2008, Bl. 324 f. d. A.).

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546, § 561 analog ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 923,- € monatlicher Unfallrente ab März 2000 gem. § 1 Abs. 1 S. 2, § 179 VVG i. V. m. §§ 1, 9 der dem Vertrag über die Unfallrentenversicherung zugrunde liegenden AURB 98 und auch kein Anspruch auf Zahlung weiterer 2.781,34 € gem. §§ 2, 8 der dem Vertrag über die Unfallversicherung zugrunde liegenden AUB 61 zu. Es fehlt nämlich bereits an einem bedingungsgemäßen Unfall des Klägers, so dass die weiteren Fragen der Rechtzeitigkeit der Invaliditätsfeststellung, einer Obliegenheitsverletzung wegen Nichtanzeige des Versicherungsfalles, sowie der Höhe der Invalidität unter Berücksichtigung möglicher Vorschäden offen bleiben können.

1. Ein Unfall liegt gem. § 2 Abs. 1 AUB 61, § 1 III AURB 98 zunächst vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Grundsätzlich muss es sich hierbei um ein Einwirken der Außenwelt (Person oder Sache) in der Form eines Zusammenstoßes auf den Körper des Verletzten handeln. Zwar können auch Eigenbewegungen des Versicherten einen Unfall bewirken, wenn sie die Gesundheitsbeschädigung zusammen mit einer äußeren Einwirkung ausgelöst haben (Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 1 AUB 94 Rdnr. 7). Das kann etwa gegeben sein beim Sturz gegen ein nicht oder zu spät gesehenes Hindernis, Umknicken des Fußes an einer Bordsteinkante (OLG Hamm VersR 1976, 336) oder infolge einer Bodenunebenheit (LG Göttingen r+s 1991, 251) sowie infolge stumpfen Hallenbodens beim Handballspielen (OLG München r+s 2000, 39). Entscheidende Verletzungsursache muss aber immer der irreguläre Zustand der Außenwelt, nicht dagegen das eigene Ungeschick des Versicherten sein. Entsprechend fehlt die Unfalleigenschaft bei bloß ungeschickten Eigenbewegungen, die als solche ohne Mitwirkung eines äußeren Ereignisses eine Gesundheitsschädigung hervorrufen (Prölss/Martin, a. a. O.; Grimm, AUB, 4. Aufl., § 1 AUB 99 Rdnr. 30), z. B. beim Umknicken des Fußes auf normalem Boden (LG Freiburg r+s 2003, 254), Hüpfen, Drehen und Stolpern beim Tanzen (OLG Köln r+s 2002, 482), tanztypischen Ausfallschritt- und Drehbewegungen (LG Köln r+s 2002, 350), Umknicken des Fußes beim Aussteigen aus dem Auto (OLG Düsseldorf r+s 1999, 296), Umknicken des Fußes beim Treppensteigen (OLG Köln r+s 1992, 105). Anderenfalls wäre jede Verletzung bei Bewegungen, insbesondere bei jeder sportlichen oder gymnastischen Betätigung, als Unfall anzusehen. Das ist indessen mit dem Unfallbegriff nicht zu vereinbaren, wie sich auch aus einem Umkehrschluss zu § 1 Ziff. 4 AUB 2000 ergibt. Hiernach sind nur bestimmte Eigenbewegungen durch erhöhte Kraftanstrengungen mit im einzelnen bestimmten Verletzungsfolgen als Unfall anzusehen. Dieser Unfallfiktion bedürfte es nicht, wenn bereits jede Verletzung durch ungeschickte Eigenbewegungen als Unfall anzusehen wären.

Dem Kläger ist es nicht gelungen, den Beweis für diese Voraussetzungen eines versicherten „Unfalles“ zu führen.

Das Landgericht hat zunächst die Zeugenaussagen zutreffend und damit für den Senat bindend bewertet, es allerdings verfahrensfehlerhaft unterlassen, den Kläger selbst als Partei zum Ablauf der Ereignisse informatorisch anzuhören. Dies hat der Senat nachgeholt, kann aber allein auf dessen Angaben keine Feststellungen zu Lasten der Beklagten gründen, weil hier die entgegenstehenden Angaben der Zeugen zu berücksichtigen sind.

Der Kläger hat zum Vorfall angegeben, zum Unfallzeitpunkt sei er schon ca. 1 Woche im Skiurlaub gewesen. Er habe an einem Auffrischungskurs teilgenommen, wobei die Abfahrt am 3. März 2000 dann aber nicht mehr im Rahmen des Kurses stattgefunden habe. Er schätze, dass der Hang etwa 8 % Gefälle gehabt habe und es ca. 16.00 Uhr gewesen sei, als es zu dem Unfall kam. In der Nacht vorher habe es geschneit und der Neuschnee sei im Laufe des Tages rechts und links von der Piste zusammengeschoben worden. Wegen des Gefälles sei er den Hang nicht gerade heruntergefahren, sondern habe gewedelt und sich gerade in Fahrt nach rechts befunden, als rechts von ihm ein anderer Skifahrer ihn überholt habe, mit dem er ohne ein Ausweichmanöver kollidiert wäre. Er habe deshalb nach links rübergezogen und nicht wieder normal weiterwedeln können, sondern sei in den Schneehaufen links neben der Piste gefahren. In diesen Schnee sei er nur mit dem linken Ski geraten, der rechte sei weggedreht. Als er mit dem linken Ski hängen blieb, habe sich sein rechtes Bein verdreht und es sei nach links zum Sturz gekommen. Die Strecke vom Ausweichen bis zum Schneehaufen, dessen Zustand verharscht gewesen sei, habe ca. 4 Meter betragen.

Ein derartiger Geschehensablauf könnte zwar einen Unfall darstellen, weil die Eigenbewegung des Klägers durch das Ausweichen erst zusammen mit der äußeren Einwirkung, nämlich dem Fahren in die Schneewehe, den Sturz ausgelöst hätte. Diese Unfallschilderung des Klägers ist indessen von den beiden unbeteiligten Zeuginnen so gerade nicht bestätigt worden. Die Zeugin B. hat angegeben, es sei jemand von oben kommend ganz dicht am Kläger vorbeigefahren, ohne ihn zu berühren. Der Kläger sei dann auf die linke Körperseite gestürzt, wobei sie annehme, dass er sich erschrocken habe und deshalb gefallen sei. Der Kläger sei seitlich richtig wie ein Sack umgefallen. Weiter hat die Zeugin bekundet, sie habe demgegenüber nicht gesehen, dass der Kläger in eine Schneewehe gefahren und mit dem rechten Fuß weggeknickt sei. Er sei auf die linke Körperseite gefallen. Die Zeugin vermochte ferner nicht sagen, ob auf der Piste Schnee aufgeschoben worden war. An dem Unfalltag sei jedenfalls frischer Schnee gefallen. Aus dieser Aussage ergibt sich mithin weder, dass der Kläger durch den vorbeifahrenden Skifahrer angestoßen wurde noch dass er bewusst auswich und dann in eine Schneewehe fuhr, wo er stürzte. Das schlichte Umfallen des Klägers infolge eines Schrecks infolge einer damit verbundenen ungeschickten Eigenbewegung stellt indessen keinen Unfall dar.

Die Zeugin M. hat bekundet, sie habe ebenfalls gesehen, wie ein von hinten kommender Skifahrer die Spur des Klägers gekreuzt und ihm die Vorfahrt genommen habe. Berührt habe er den Kläger nicht. Was genau passiert sei, wisse sie nicht. Bei dem Sturz sei der Kläger auf die Seite gefallen. Der Kläger sei seitlich an der Piste gefahren, wo sich viel Schnee befunden habe. Auf der Piste habe sich zwar aufgeschobener Schnee, aber keine Buckel befunden. Sie könne auch nicht sagen, ob der Kläger in der Nähe des Schneehaufens gestürzt sei. Die Zeugin vermochte nicht zu sagen, ob der Unfallort der Ort war, wo der andere Skifahrer den Kläger kreuzte oder erst 4 – 5 Meter weiter. Damit steht auch nach dieser Aussage weder ein Zusammenprall mit dem anderen Skifahrer noch ein Hineinfahren des Klägers in einen aus aufgeschobenem Schnee bestehenden Schneeberg als äußere Einwirkung fest.

Soweit der Kläger auf Vorhalt dieser seinen Angaben entgegenstehenden Zeugenaussagen erklärt hat, die beiden Zeuginnen hätten den Vorfall im einzelnen so nicht genau sehen können, kann hiervon nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht ausgegangen werden. Die Zeugin B. hat bekundet, sie habe mit anderen Mitgliedern der Gruppe an dem Hang hinter dem Kläger gestanden. Auf dieser Grundlage hat sie das Geschehen dann auch im Einzelnen geschildert. Anhaltspunkte dafür, dass sie den Vorfall wegen dazwischen stehender anderer Personen oder weil sie selbst etwa schon weitergefahren war nicht beobachten konnte, bestehen nicht. Auch die Zeugin M. hat ausgesagt, sie habe zu der Skigruppe gehört, der auch der Kläger angehört habe. Hierbei seien die Herren vorweg gefahren und die Frauen danach. Sie sei zum Zeitpunkt des Vorfalls zufällig hinter dem Kläger gewesen. Warum diese Zeugin dann das von ihr geschilderte Geschehen nicht hätte beobachten können, ist nicht ersichtlich.

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Angesichts dieser den Angaben des Klägers nicht bestätigenden Zeugenaussagen kann der Senat nicht mit der für eine Überzeugungsbildung erforderlichen hinreichenden Gewissheit davon ausgehen, dass der Vorfall sich so zugetragen hat, wie er vom Kläger geschildert wurde. Zwar machte der Kläger keinen unglaubwürdigen Eindruck und seine Angaben waren isoliert betrachtet auch nachvollziehbar, doch kann alleine hierdurch die Lücke zur erforderlichen Überzeugungsbildung nicht geschlossen werden. Es gibt nämlich umgekehrt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der Zeuginnen, die ersichtlich kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits haben, unrichtig wären. Deren Aussagen waren vielmehr ebenfalls in sich widerspruchsfrei und logisch.

Ohne Erfolg macht der Kläger im Ergebnis auch geltend, für einen Unfall sei es nicht erforderlich, dass das äußere Ereignis physisch vermittelt werde, sondern es reiche auch eine psychisch vermittelte Einwirkung. Das ist vom Grunde zwar richtig. So kann ein Unfall etwa dann vorliegen, wenn der Versicherungsnehmer zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit einem PKW vom Fahrrad abspringt und mit dem Kopf aufprallt (OLG Hamm VersR 1995, 1181), ein Gebirgsschlag unter Tage zu einer reaktionsschnellen Ausweichbewegung des Versicherten führt und er hierdurch einen Riss des Meniskus erleidet (OLG Saarbrücken VersR 2005, 1276) oder der Geschädigte brennende Ballen aus einem Stall in der Sorge um das Leben der darin befindlichen Pferde herausrollt und durch die Wahrnehmung des Brandes und den Schock einen Hirninfarkt erleidet (Urteil des Senats vom 20. November 2003 – 8 U 120/01 -, OLGR 2004, 302). Eine derartige bewusste Ausweichbewegung des Klägers, um einem unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoß mit dem anderen Skifahrer zu verhindern, ist hier aber gerade nicht bewiesen. Das würde voraussetzen, dass der Kläger den anderen Skifahrer, der sich von hinten näherte, wahrgenommen hat, diesem durch eine schnelle und ruckartige Bewegung auswich und er dann, weil er wegen dieser Bewegung nicht mehr regulär auf den Skiern gleiten konnte, hinfiel bzw. in ein äußeres Hindernis wie die von ihm genannte Schneewehe geriet. Eine derartige bewusste Ausweichbewegung haben die Zeuginnen aber gerade nicht bestätigt.

2. Ferner liegt auch kein Unfall nach § 1 IV AURB 98 bzw. § 2 Abs. 2 a) AUB 61 vor. Nach diesen Vorschriften gilt als Unfall auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt oder Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden (§ 1 IV AURB 98). Ähnlich sieht § 2 Abs. 2 a) AUB 61 vor, dass unter den Versicherungsschutz auch durch Kraftanstrengungen des Versicherten hervorgerufene Verrenkungen, Zerrungen und Zerreißungen an Gliedmaßen und der Wirbelsäule fallen. Hier ist es ausweislich des Berichtes des A.-K.-Krankenhauses vom 26. November 2001 beim Kläger zu einer Intervall-Läsion des linken Schultergelenkes mit Supraspinatussehnenruptur und einer schweren Bizepssehnendegeneration mit Teilruptur der langen Bizepssehne gekommen (Bl. 19 – 26 d. A.; vgl. auch OP-Bericht vom 6. Juli 2000, Bl. 162 f. d. A.).

Diese Verletzung beruhte jedoch nicht auf einer erhöhten Kraftanstrengung. Zwar wird in § 2 Abs. 2 a) AUB 61 im Gegensatz zu § 1 IV AUEB 98 nur von einer Kraftanstrengung und nicht von einer erhöhten Kraftanstrengung gesprochen. Auch bei § 2 Abs. 2 a) AUB 61 reichte aber der mit einer normalen körperlichen Bewegung verbundene Kraftaufwand nicht aus, so dass es sich der Sache nach um deckungsgleiche Begriffe handelt (Prölss/Martin, a. a. O., Rdnr. 26: Grimm, a. a. O., Rdnr. 51). Erforderlich ist ein besonderer Kraftaufwand, der über das Maß dessen hinausgeht, was für den gewöhnlichen normalen Bewegungsablauf notwendig ist. Demgegenüber sind Handlungen des täglichen Lebens, die für einen normalen, gesunden, gleichaltrigen Durchschnittsmenschen keinen bemerkenswerten Krafteinsatz erfordern, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, da solche Bewegungsabläufe regelmäßig nur dann zu Verletzungen führen, wenn schon krankhafte Verletzungen vorliegen (OLG Frankfurt OLGR 198, 239; Prölss/Martin, a. a. O., Rdnr. 26; Grimm, a. a. O., Rdnr. 51). Erfasst werden dagegen typischerweise Fälle des Hantierens mit schweren Gegenständen oder eine sonst gesteigerte körperliche Tätigkeit insbesondere bei sportlicher Betätigung, z. B. kämpferischer Einsatz um den Ball in einer fußballtypischen Konkurrenzsituation (Urteil des Senats vom 9. Februar 1995 – 8 U 82/94 -, in: NJW-RR 1996, 24), Absprung eines Hoch- oder Weitspringers (vgl. OLG Frankfurt/M. ZfS 1995, 347), unübliche Bewegung beim Tennisspiel (OLG Frankfurt/M. VersR 1996, 363), Vorführen einer schwierigen gymnastischen Übung durch einen Sportlehrer (OLG Saabrücken NJW-RR 2002, 676), Riss der Bizepssehne auf Grund des Bewegungsablaufs beim Sportkegeln (OLG Nürnberg NJW-RR 2000, 1273), Kreuzbandriss infolge ruckartiger Bewegungsänderung beim Handballspiel (OLG Frankfurt OLGR 1998, 239), schwungvolles Tanzen zu moderner Popmusik (AG Oldenburg VersR 1998, 1103) oder 50 Meter-Lauf anlässlich einer Schiedsrichterprüfung mit Achillessehnenriss (AG Herne NVersZ 2002, 219).

Dagegen fehlt es an einer erhöhten Kraftanstrengung beim Reinigen der Windschutzscheibe eines PKW (OLG Hamm VersR 2003, 496), beim Umknicken des Fußes anlässlich des Aussteigens aus einem PKW (OLG Düsseldorf r+s 1999, 296, 297), Hüpfen, Drehen und Stolpern beim Tanzen (OLG Köln r+s 2002, 482), tanztypischen Ausfallschritten und Drehbewegungen (LG Köln r+s 2002, 350), Hochschnellen aus der Hocke (OLG Hamm VersR 1998, 708), Streckbewegung in die Höhe beim Tennisspielen (LG Berlin r+s 1990, 431), Schlag eines Tennisspielers ins Leere (MDR 1996, 1020), Drehbewegung beim Tennisspielen mit Achillessehnenriss (OLG Frankfurt/M. ZfS 1995, 347), Benutzen eines sog. Steppers bei Gymnastikübungen (Urteil des LG Kaiserslautern vom 22. Oktober 2004 – 3 O 898/03 -, zitiert nach juris), Aufstehen aus kniender Haltung (LG Köln VersR 1988, 462), gleichmäßige gymnastische Übungen einschließlich des Abdrückens vom Boden (LG Limburg VersR 1965, 506) oder Hüpfen des Versicherungsnehmers mit einem Springseil (Beschluss des Senats vom 15. Februar 2005 – 8 U 199/04 -).

Auf dieser Grundlage kann hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden, dass es zu dem Sehnenriss im Bereich der Rotatorenmanschette an der Schulter gerade durch eine erhöhte Kraftanstrengung des Klägers beim Skifahren gekommen ist. Die Zeugin B. hat bekundet, sie hätten einen Skikurs gemacht und es sei der letzte Tag des Urlaubs gewesen. An diesem Tag seien sie dann alleine gefahren. Wie schnell der Kläger, der in dieser Saison auch mit dem Skifahren angefangen habe, gefahren sei, wisse sie nicht. Die Zeugin M. hat ausgesagt, der Kläger sei am Rand der Piste als Anfänger langsam gefahren. Sie selbst habe, da sie schon länger Ski fahre, am Skikurs nicht teilgenommen. Sie sei aber erstaunt gewesen, wie gut alle schon gefahren seien. Der Kläger selbst hat in seiner Anhörung nur davon gesprochen, er sei den Hang mit etwa 8 % Gefälle durch jeweiliges Fahren nach rechts und links heruntergewedelt. Demgegenüber sei er den Hang nicht gerade herunter gefahren. Bei diesem Abfahrtsfahren kann mithin von einer erhöhten Kraftanstrengung, die sich dann auch gerade auf den Bereich der Schulter und der Rotatorenmanschette ausgewirkt hätte, nicht ausgegangen werden.

Tatsächlich ist es zu der Verletzung des Klägers auch nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dem Skilauf, sondern deshalb gekommen, weil der Kläger, nachdem der andere Skifahrer ihn passiert hatte, gestürzt ist. Auch das beruht indessen nicht auf einer erhöhten Kraftanstrengung. Ob davon schon nach den Angaben des Klägers, der ausgewichen, dann in einen Schneehaufen gefahren, dort hängen geblieben und dann gestürzt sein will, ausgegangen werden kann, kann offen bleiben. Ein derartiges Ausweichmanöver mit dem Hängenbleiben in dem Schneehaufen kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und den Angaben der Zeuginnen indessen nicht festgestellt werden. Insbesondere haben diese nicht den Vortrag des Klägers bestätigen können, er sei noch ca. 4 Meter vom Ausweichen gefahren, bis er im Schneehaufen zu Fall gekommen sei. Diese haben vielmehr im Wesentlichen nur ausgesagt, der Kläger sei schlicht umgefallen, als der andere Skifahrer an ihm vorbeigefahren sei. Das beruhte aber gerade nicht auf einer erhöhten Kraftanstrengung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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