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Kollegin verleumdet – muss man für den Schaden aufkommen?

LAG Hamm

Az.: 8 Sa 878/00

Verkündet am: 30.11.2000

Vorinstanz: ArbG Dortmund – Az.: 2 Ca 4832/99


Zusammenfassung:

Wer eine/n Kollegin/en verleumdet, so dass dieser/m daraufhin gekündigt wird, muss nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm für die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen aufkommen!

Im vorliegenden Fall hatte eine Vorarbeiterin ihrem Arbeitgeber mitgeteilt, dass sich eine Reinigungskraft über die Arbeitsbedingungen beschwert hat und den Arbeitgeber gegenüber Kunden als „Sklaventreiber“ bezeichnet. Daraufhin war der Reinigungskraft vom Arbeitgeber gekündigt worden. Vor dem LAG Hamm stellte sich aber heraus, dass die angeblichen „Zitate“ erfunden waren.

Die Vorarbeiterin wurde daher vom LAG Hamm verurteilt, der verleumdeten Kollegin den Verdienstausfall zu zahlen, bis sie einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat.


Die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 30.11.2000 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.02.2000 ‑ 2 Ca 4832/99 ‑ abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.334,81 DM netto zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit 27.10.1998.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr wegen der von der Firma D  Dienstleistungen GmbH & Co. KG am 27.04.1998 ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch entstehen werden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Streitwert: 1.834,81 DM

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin, welche als Reinigungskraft bei der Firma „D …….. Dienstleistungen“ beschäftigt war, von der Beklagten als der für sie zuständig gewesenen Vorarbeiterin den Ersatz erlittenen Verdienstausfallschadens, nachdem sie ‑ die Klägerin von der Firma D entlassen worden ist. Hierzu behauptet die Klägerin, ihre Entlassung beruhe auf unrichtigen Angaben der Beklagten gegenüber der Geschäftsleitung. Insbesondere treffe es nicht zu, dass sie ‑ die Klägerin ‑ gegenüber der Beklagten die Firma D  als „Sklaventreiberin“ bezeichnet habe.

Die Klägerin war in der Zeit vom 03.02.1998 bis zum 12.05.1998 bei der Firma D …….. Dienstleistungen GmbH & Co. KG in D als Reinigungskraft beschäftigt. Das Ar­beitsverhältnis endete aufgrund einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 27.04.1998 ohne Angaben von Gründen. Auf Nachfrage des Arbeitsamtes teilte die Firma D  diesem mit, dass die Klägerin „nachweislich ihrer Arbeitskollegen“ gegenüber Mitar­beitern der Fa. E D ‑ einer Kundin der Fa. D ‑ Beschwerde über die Arbeitsbedingungen geführt und hierbei ihren Arbeitgeber u.a. als Sklaventreiber beschimpft habe; dieses Verhalten habe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses geführt. Nachdem das Arbeitsamt gegenüber der Klägerin daraufhin eine Sperrzeit verhängte, wandte sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.1998 an die Firma D , widersprach der von dort aus abgegebenen Darstellung und forderte unter Hinweis auf die Sittenwidrigkeit der Kündigung die Zahlung entgangenen Arbeitsverdienstes. Mit Schreiben vom 25.08.1998 teilte die Firma D  sodann dem Arbeitsamt mit, dass sich bei erneuter Befragung der Vorarbeiterin herausgestellt habe, dass sich die Klägerin nicht in der bisher dargestellten Form bei den Kunden beschwert habe; dies führte zur Aufhebung der ver­hängten Sperrzeit. Nachdem die Klägerin ab dem 15.07.1998 eine neue Beschäftigung gefunden hat, macht sie mit der vorliegenden Klage gegenüber der Beklagten als ihrer vormaligen Vorarbeiterin den verbleibenden Verdienstausfall für die Zeit vom 13.05. bis 14.07.1998 geltend, welchen sie ‑ unter Berücksichtigung bezogener Leistungen des Ar­beitsamtes ‑ auf 1.346,29 DM beziffert. Weiter macht sie im Wege der Feststellungsklage mögliche weitere Schadensersatzansprüche, insbesondere wegen Einbußen in der Ren­tenversicherung geltend.

Die Klägerin ist der Auffassung, für den entstandenen Verdienstausfall sei die Beklagte schadensersatzpflichtig, da sie ‑ die Beklagte ‑ eine frei erfundene Behauptung über an­gebliche Äußerungen der Klägerin an den Arbeitgeber weitergeleitet und so die Entlassung der Klägerin bewirkt habe. Für den entstandenen Vermögensschaden müsse die Beklagte damit gemäß § 823 Abs. 1 BGB ‑ Recht am Arbeitsplatz ‑, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185 ff. StGB, § 826 BGB einstehen. Demgegenüber hat die Beklagte eingewandt, sie habe die in der Klageschrift aufgeführten Behauptungen nicht getätigt. Im Übrigen habe die Firma D die Kündigung auch nicht auf einen entsprechenden Vorwurf gestützt, so dass es an der Kausalität fehle. Schließlich habe die Klägerin es versäumt, gegen die angeblich sittenwidrige Kündigung vorzugehen.

Durch Urteil vom 22.02.2000 (Bl. 43 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzli­chen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewie­sen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die Klägerin habe nicht sub­stantiiert dargelegt, dass die zugrunde liegenden schädigenden Äußerungen von der Be­klagten stammten. Insbesondere sei nicht erkennbar, wem gegenüber und wann genau die Beklagte wo welche konkreten Äußerungen im Einzelnen getätigt habe. Auch aus den

Schreiben der Firma D  an das Arbeitsamt vom 22.07. und 25.08.1998 lasse sich irgendein konkreter Bezug zur Person der Beklagten nicht erkennen.

Gegen das ihr am 19.04.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.05. eingelegte und am 19.06.2000 begründete Berufung der Klägerin.

Unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens tritt die Klägerin dem Standpunkt des Arbeitsgerichts entgegen, für eine Veranlassung der Kündigung durch ein Verhalten der Beklagten fehle jeder Anhaltspunkt. Im Schreiben vom 25.08.1998 habe die Firma D…… dem Arbeitsamt mitgeteilt, eine „erneute Befragung der Vorarbeiterin“ habe stattgefunden, was zur Rücknahme der erhobenen Vorwürfe führe. Als zuständige Vorarbeiterin komme allein die Beklagte in Betracht; wenn von einer „erneuten“ Befragung die Rede sei, müsse davon ausgegangen werden, dass auch die vorangehenden Informationen von der Beklagten stammten. Im Übrigen habe die Beklagte vorprozessual mit Schreiben vom 16.10.1998 (Bl. 79 d.A.) selbst mitgeteilt, dass sich die Klägerin ihr gegenüber über die ge­ringe Entlohnung beschwert und hierbei den Ausdruck „Sklaventreiberei“ verwendet habe, wofür Zeugen zur Verfügung stünden. Unter diesen Umständen handele es sich beim Kla­gevortrag nicht um eine „Behauptung ins Blaue hinein“ und bei dem entsprechenden Be­weisantritt nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Soweit die Beklagte bestreite, die angebliche Äußerung der Klägerin an die Geschäftslei­tung weitergegeben zu haben, sei dies von vornherein unglaubwürdig. Als Vorarbeiterin sei die Beklagte nämlich ohne weiteres zur Meldung derartiger Vorgänge verpflichtet.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22.02.2000 ‑ 2 Ca 4832/99 ‑ wird abgeändert.

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.334,81 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 27.10.1998 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr wegen der von der Firma E …. Dienstleistungen GmbH & Co. KG am 27.04.1998 ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch entstehen werden.

 

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages als zutreffend und trägt vor: Sowohl gegenüber verschiedenen Mitarbeitern als auch gegenüber der Beklagten selbst habe die Klägerin die Firma D als Sklaventreiber bezeichnet. So sei es einmal zu ei­nem Konflikt zwischen den Parteien gekommen, als sich die Klägerin mit einer Arbeitskollegin ‑ unstreitig handelt es sich insoweit um die von der Klägerin als Zeugin benannte Frau N  ‑ während der Arbeitszeit länger unterhalten habe. In ihrer Eigenschaft als Vorar­beiterin habe die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen, dass dies nicht zulässig sei. Hieraufhin habe die Klägerin die Beklagte beschimpft und sich darüber beschwert, dass die Entlohnung so niedrig sei und für das Gehalt viel zu viel gearbeitet werden müsse.

Diese Äußerung habe die Beklagte jedoch nicht an die Vorgesetzten weiter geleitet. Schon aus diesem Grunde könne die ausgesprochene Kündigung nicht auf einem Verhalten der Beklagten beruhen. In Wahrheit sei die Klägerin entlassen worden, weil sie häufig zu spät gekommen sei, während der Arbeitszeit häufig Unterhaltungen geführt und keine gute Arbeit geleistet habe, weshalb auch die Auftraggeberin des Reinigungsauftrages, die Firma E …. , mit der Arbeit der Klägerin nicht zufrieden gewesen sei.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe gegenüber der Objektleitung ‑ Frau H  ‑ erklärt, die Klägerin habe die Firma D als „Sklaventreiber“ bezeichnet, durch uneidliche Vernehmung der Zeugin H . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsnieder­schrift vom 30.11.2000 (BI. 148 ff. d.A.) Bezug genommen. Im Anschluss an die Beweisaufnahme hat die Beklagte erklärt, die betreffende Äußerung der Klägerin sei nicht in Anwesenheit der Zeugin N , sondern in einem „Vier‑Augen‑Gespräch“ erfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Abänderung der arbeitsgerichtlichen Ent­scheidung und antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

I.

Die Beklagte hat der Klägerin den erlittenen Verdienstausfall, welche sich als Differenz zwischen entgangenem Nettoverdienst und erhaltenem Arbeitslosengeld für die Zeit vom 13.05. bis 14.07.1998 errechnet, zu ersetzen.

1. Rechtsgrundlage für diesen Schadensersatzanspruch ist die Vorschrift des § 824 Abs. 1 BGB. Danach hat Schadensersatz zu leisten, wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sons­tige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen.

2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur vollen Oberzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte gegenüber der Objektleiterin H erklärt hat, die Klägerin habe die Arbeitgeberin (D) als „Sklaventreiber“ bezeichnet. Damit ist die Darstellung der Beklagten widerlegt, die Klägerin habe zwar eine entsprechende Äußerung getan, sie ‑ die Beklagte ‑ habe jedoch davon abgesehen, dies der Geschäftsleitung weiter zu melden. Insbesondere da die Beklagte sich ihrerseits für die Richtigkeit ihrer Sachdarstellung auf die Zeugin H  berufen hat, sieht die Kammer keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Aussage der Zeugin H  zu zweifeln.

Da die Zeugin H  als Objektleiterin für den Empfang derartiger Mitteilungen und deren Weiterleitung an die Geschäftsleitung zuständig war, handelt es sich auch nicht um ein internes Kollegengespräch, vielmehr liegt in der Mitteilung an die Vorgesetzte Frau H ……….. eine Verbreitung im Sinne des § 824 Abs. 1 BGB.

 

3. Die Mitteilung der Beklagten an Frau H, die Klägerin habe die Firma D  als Sklavenbetreiber bezeichnet, erfolgte auch „der Wahrheit zuwider“.

a) Hierfür ist zunächst ohne Belang, dass die Beklagte ‑ wie sich aus der Aussage der Zeugin H  ergibt ‑ nicht die Behauptung aufgestellt hat, die Klägerin habe die betref­fende Äußerung gegenüber der Kundschaft gemacht. Insoweit handelte es sich offenbar um ein Missverständnis, welches erst nach Ausspruch der Kündigung aufgeklärt wurde. Auf die Bedeutung dieses Missverständnisses ist bei der nachfolgenden rechtlichen Prüfung des Tatbestandmerkmals der Kausalität noch gesondert einzugehen. Für das Tatbestandsmerkmal der Wahrheitswidrigkeit ist hingegen allein von Belang, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten die Firma D  als Sklaventreiber bezeichnet hatte, also diejenige Äußerung getan hat, welche die Beklagte alsdann der Zeugin H ……….. mitgeteilt hat.

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b) Wie sich aus der Vorschrift des § 824 Abs. 1 BGB ergibt, gehört die „Unwahrheit“ der verbreiteten Tatsache zu den anspruchbegründenden Merkmalen, so dass die Beweislast für die Unwahrheit bei der Klägerin liegt (vgl. Palandt/Thomas § 824 BGB Rz. 12). Eine entsprechende Beweisführung erübrigt sich indessen, wenn der Verletzer eine nähere Substantiierung verweigert, obwohl sie ihm ohne weiteres möglich sein müsste (BGH NJW 1974, 1710).

Der von der Klägerin zu beweisende Hergang, sie ‑ die Klägerin ‑ habe die angebliche Äußerung nicht getätigt, stellt nämlich eine sog. negative Tatsache dar. Für die Verteilung der Darlegungs‑ und Beweislast ergibt sich hieraus eine gesteigerte Bestreitenslast des Prozessgegners. Dem entsprechend hat die Klägerin nicht für jeden denkmöglichen Anlass zu beweisen, dass sie niemals eine entsprechende Äußerung gemacht hat. Vielmehr ist es zunächst Sache des Anspruchsgegners, konkret diejenige Gelegenheit anzugeben, bei welcher die angebliche Äußerung gefallen sein soll. Die Beweislast des Anspruchstellers beschränkt sich sodann auf die Widerlegung des entsprechenden Sachvortrages. Andernfalls würde vom Anspruchsteller Unmögliches verlangt. Dem gegenüber ist der Beklagten, die eine entsprechende Äußerung an die Geschäftsleitung weitergegeben hat, ohne weiteres zumutbar, konkrete Angaben dazu zu machen, wann und bei welcher Gelegenheit die Klägerin die beanstandete Äußerung gemacht haben soll.

Vorliegend hat die Beklagte widersprüchliche Angaben zu der Frage gemacht, bei welcher Gelegenheit die Klägerin von einer „Sklaventreiberei“ gesprochen haben soll. Dies führt im Ergebnis dazu, dass ein beachtlicher Prozessvortrag der Beklagten in dieser Frage nicht vorliegt, vielmehr der Vortrag der Klägerin als zugestanden gilt (§ 138 Abs.3 ZPO).

(1) Vorprozessual hatte die Beklagte ‑ wie aus dem Anwaltsschreiben vom 16.10.1998 ersichtlich ‑ vorgetragen, die Klägerin habe den Ausdruck „Sklaventreiberei“ verwendet, als sie von der Beklagten zur sorgfältigen Arbeit angehalten worden sei. Diese Darstellung hat sie dahingehend ergänzt, die Klägerin habe sich mit Frau Neuss (richtig Frau N  ) während der Arbeitszeit über längere Zeit unterhalten, was von ihr ‑ der Beklagten ‑ moniert worden sei. Der schriftsätzliche Vortrag der Berufungserwiderung vom 20.07.2000 greift zwar die angebliche Äußerung der Klägerin („Sklaventreiber“) nicht erneut auf, jedoch ergibt sich jedenfalls aus dem Zusammenhang unzweifelhaft, dass die geschilderte Auseinandersetzung denjenigen Vorfall wiedergibt, um welchen es im vorliegenden Rechtsstreit geht. Auch wenn die Beklagte ‑ jedoch ohne nähere Substantiierung ‑ ausführt, die Klägerin habe eine entsprechende Äußerung zusätzlich auch gegenüber anderen Mitarbeitern getätigt, ist nach dem vorgetragenen Zusammenhang die Unterhaltung zwischen der Klägerin und Frau N  derjenige konkrete Anlass, bei welchem die Klägerin unmittelbar gegenüber der Beklagten von einer „Sklaventreiberei“ gesprochen haben soll.

(2) Mit dieser konkreten Sachdarstellung steht es in unverkennbarem Widerspruch, wenn die Beklagte im Termin vom 30.11.2000 ‑ im Anschluss ihr nachteilige Aussage der Zeugin H  ‑ ihren Vortrag neu gefasst und die Behauptung aufgestellt hat, die Klägerin habe den Begriff „Sklaventreiberei“ in einem Vier‑Augen‑Gespräch verwendet. Ersichtlich will die Beklagte damit einer Vernehmung der Zeugin N  ausweichen, die gleichzeitig mit der Klägerin entlassen wurde. Ein derartiger wechselhafter Vortrag ist jedoch weder mit der prozessualen Wahrheitspflicht vereinbar, noch kann in einem solchen wechselnden Vorbringen ein substantiiertes Bestreiten des gegnerischen Tatsachenvortrages gesehen werden (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO).

(3) Für die Vernehmung der Zeugin N  , welche ohnehin nicht an dem (nicht näher substantiierten) Vier‑Augen‑Gespräch teilgenommen hat, ist unter diesen Umständen kein Raum. Im Übrigen hat die Beklagte zu den Modalitäten des angeblichen Vier‑Augen‑Gesprächs keine näheren Angaben gemacht, so dass schon aus diesem Grunde eine Beweiserhebung ausscheidet. Der in das Wissen der Zeugin S gestellte weitere Vorgang ist gänzlich unsubstantiiert und einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Schließlich liegt schon in der Wechselhaftigkeit des Beklagtenvortrages ein Indiz für die Richtigkeit des Klägervorbringens. Auch die Tatsache, dass die Beklagte wahrheitswidrig geleugnet hat, die angebliche Äußerung der Klägerin an die Geschäftsleitung weiter gemeldet zu haben, stellt ein Indiz für die Richtigkeit der von der Klägerin gegebenen Sachdarstellung dar.

d) Zusammenfassend muss danach mit Rücksicht auf das unsubstantiierte Bestreiten der Beklagten und die dargestellten Indiztatsachen davon ausgegangen werden, dass die Klägerin die angebliche Äußerung von einer „Sklaventreiberei“ nicht getätigt hat. Damit steht fest, dass die Äußerung der Beklagten gegenüber der Zeugin H  „der Wahrheit zu­ wider“ erfolgt ist.

4. Für ihr Verhalten .kann sich die Beklagte nicht auf Rechtfertigungs‑ oder Entschuldigungsgründe stützen. Ob berechtigte Beanstandungen hinsichtlich der Arbeitsleistung der Klägerin im Übrigen vorlagen, ist hierfür ohne Belang.

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die unrichtige Darstellung der Beklagten für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächlich.

a) Die Beklagte hat zwar behauptet, dass die Klägerin ohnehin ‑ allein wegen ihrer schlechten Arbeitsleistung ‑entlassen worden wäre; dies wird indessen durch den Schriftverkehr zwischen der Firma D  und dem Arbeitsamt widerlegt. Auslöser für den Kündigungsentschluss war vielmehr der Bericht der Beklagten an die Objektleiterin H  , in wel­chem die Beklagte die Klägerin bezichtigt hatte, den Arbeitgeber einen „Sklaventreiber“ zu nennen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Schreiben der Firma D an das Arbeitsamt vom 22.07.1998. Für den Entschluss, das Arbeitsverhältnis zu beenden, hat danach die Bezeichnung des Arbeitgebers als „Sklaventreiber“ jedenfalls beigetragen. Auch wenn ‑ wie sich aus dem genannten Schreiben ergibt ‑ bei der Firma D  zunächst der Eindruck entstanden war, die Äußerung der Klägerin sei auch gegenüber Mitarbeitern des Kunden E  erfolgt (was nicht der Mitteilung der Beklagten an die Objektleiterin H ent­spricht), wird hierdurch die Kausalität zwischen der unwahren Äußerung der Beklagten und der Entlassung der Klägerin nicht in Frage gestellt. Wäre für die Entlassung der Klägerin ausschließlich der Gesichtspunkt von Bedeutung, dass die fragliche Äußerung gegenüber Mitarbeitern der E …. erfolgte, so wäre hätte nach Aufdeckung des Irrtums der Frau H  eine Rücknahme der Kündigung bzw. die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nahegelegen. Wenn die Fa. D gleichwohl an der Kündigung festhielt, so spricht dies deutlich dafür, dass auch schon eine entsprechende Äußerung innerhalb der Firma als grobe Störung der Vertrauensbeziehung angesehen wurde, welche Anlass bot, das Arbeitsverhältnis noch während der Probezeit zu beenden. Für die Bedeutsamkeit der Beschimpfung als „Sklaventreiber“ ‑ gleich ob gegenüber Kunden oder innerhalb des Betriebes ‑ und damit für die Mitverursachung des Kündigungsentschlusses der Fa. D spricht auch schon die Tatsache, dass im Schreiben der Firma D  vom 22.07.1998 an das Ar­beitsamt die herabwürdigende Bezeichnung als „Sklaventreiber“ in einem eigenen Absatz erwähnt, also hervorgeschoben wird; dass die Äußerung gegenüber Kunden gefallen sei, macht also nicht den Schwerpunkt der Kündigungsbegründung aus. Danach hat die betreffende Äußerung ‑ neben der irrigen Annahme einer „Kundenbeschwerde“ und neben den von der Zeugin H  wiedergegebenen Beanstandungen hinsichtlich der Arbeitsleis­tung ‑ jedenfalls die Entlassung der Klägerin mitverursacht. Eine solche Mitverursachung ist grundsätzlich für die Verpflichtung zum Schadensersatz ausreichend (Palandt/Heinrichs, Vorbem. zu § 249 BGB Rz. 66 m.w.N.).

b) Im Übrigen ist der Vortrag der Beklagten, die Klägerin sei ohnehin entlassen worden, weil die Auftraggeberin E …. mit der Arbeit der Klägerin unzufrieden gewesen sei, vollkommen unsubstantiiert ist und durch den unwidersprochenen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 14.08.2000 widerlegt wird, nach welchem der Personalchef der Firma E …. ausdrücklich bestätigt habe, dass keinerlei Beanstandungen hinsichtlich der Klägerin vorlägen. Berücksichtigt man weiter, dass wegen der angeblichen Schlechtleistungen zu keinem Zeitpunkt eine Abmahnung gegenüber der Klägerin erfolgt ist, so steht die Kausalität der unwahren Äußerung der Beklagten über die Person der Klägerin für die Kammer außer Zweifel. Die Beweislast dafür, dass es auch ohne die unwahre Bezichtigung zur Entlassung der Klägerin gekommen wäre, trifft die Beklagte, die sich auf einen hypothetischen Kausalverlauf beruft (Münch‑Komm/Grunsky, 3. Aufl., Vor § 249 BGB Rz. 91 m.w.N.).

6. Infolge der Entlassung hat die Klägerin den geltend gemachten Verdienstausfall erlitten. Erstinstanzlich hat die Beklagte zwar bestritten, dass die Klägerin arbeitslos gewesen sei; das Gegenteil ergibt sich jedoch aus dem Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes. Dass die Klägerin zu Unrecht Arbeitslosengeld bezogen habe, hat die Beklagte nicht behauptet. Gegen die Berechnung der erlittenen Verdiensteinbuße bestehen keine Bedenken. Insoweit hat die Beklagte auch keine Einwände erhoben.

7. Schließlich entfällt der verfolgte Schadensersatzanspruch auch nicht deswegen, weil die Klägerin es unterlassen hat, sich gegen die Kündigung der Firma D  zur Wehr zu set­zen. Weder stand der Klägerin Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz zur Seite, noch konnte die ausgesprochene Kündigung der Firma D  als sittenwidrig ange­sehen werden. Aufgrund der Angaben der Beklagten und der ‑ teilweise irrtumsbehafteten ‑ Angaben der Frau H  konnte die Geschäftsführung der Firma D  durchaus zu Recht zu dem Entschluss gelangen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zu beenden. Ob der Klägerin, nachdem die Firma D  den zugrundeliegenden Irrtum aufgeklärt hatte, mit Erfolgsaussicht einen Wiedereinstellungsantrag hätte verfolgen können, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil ein allgemeiner Wiedereinstellungsanspruch als Reflex des Kündigungsschutzgesetzes nur im Geltungsbereich des KSchG in Betracht kommt. Für den Verdienstausfall der Klägerin in der Zeit vom 13.05. bis 14.07.1998 ist diese Frage jedoch ohnehin ohne Belang.

8. Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges in gesetzlicher Höhe zu, nachdem sie die Beklagte mit Schreiben vom 05.10.1998 unter Fristsetzung bis zum 26.10.1998 gemahnt hat.

II.

Aus den vorstehenden Gründen ist auch der verfolgte Feststellungsantrag der Klägerin hinsichtlich künftiger weiterer Schäden begründet. Infolge der vorübergehenden Arbeitslosigkeit der Klägerin sind entsprechende Renteneinbußen der Klägerin möglich, deren Höhe noch nicht absehbar sind. Dies rechtfertigt die ausgesprochene Feststellung der Schadensersatzpflicht.

III.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

 

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