KG Berlin – Az.: 22 W 4/22 – Beschluss vom 01.02.2022
Der den Zeugen betreffende (Nichtabhilfe-) Beschluss der Zivilkammer 41 des Landgerichts Berlin vom 19. Januar 2022 wird aufgehoben.
Gründe
Dem (Nichtabhilfe-) Beschluss vom 19. Januar 2022 (zum [Ordnungsmittel- und Kosten-] Beschluss vom 6. Januar 2022) und damit der Vorlage an das Beschwerdegericht fehlt die rechtliche Grundlage, weshalb der Beschluss klarstellend aufzuheben war.
1. Der Senat hatte bereits mit Beschluss vom 13. Mai 2020 – 22 W 1007/20 – (= 41 O 239/19 LG Berlin) darauf hingewiesen, dass die den Ordnungsmittelbeschlüssen angefügte Rechtsbehelfsbelehrung des Landgerichts inhaltlich unvollständig ist. Zwar genügt die Rechtsbehelfsbelehrung § 232 ZPO, weil selbstständige Anträge von der vorgeschriebenen Belehrung nicht erfasst werden (Grandel in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 232 Rn. 6). Das ändert jedoch nichts daran, dass Rechtsbehelfe sachgerecht entsprechend dem inhaltlichen Begehren ungeachtet der Bezeichnung als sofortige Beschwerde auszulegen sind. Das verfolgte Ziel einer nachträglichen Entschuldigung bzw. Glaubhaftmachung wird mit dem Antrag nach § 381 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 ZPO verfolgt und kann nicht mit der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 380 Abs. 3 ZPO geltend gemacht werden. Diese ist insoweit nur für die Fälle vorgesehen, in denen bereits im Ordnungsmittelbeschluss über die Entschuldigung bzw. Glaubhaftmachung entschieden worden ist (vgl. Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 381 Rn. 3).
Zur Rechtslage, wenn ein Zeuge sich nachträglich entschuldigen will, daher nochmals:
Für diesen Fall sieht § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO ein eigenes Verfahren vor, weshalb selbst Fehlbezeichnungen als Beschwerde nicht schaden (vgl. Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 380 Rn. 7). Erst gegen die Entscheidung über das Aufhebungsgesuch (§ 381 Abs. 2, 2. Alt. ZPO) durch Beschluss ist die sofortige Beschwerde gegeben (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Soweit vertreten wird, die Entscheidung über den Aufhebungsantrag sei unanfechtbar (Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 381 Rn. 5; Damrau in: Münchener Kommentar, ZPO, 6. Aufl., § 381 Rn. 16), entspricht dies zweifelsfrei nicht der Systematik des Gesetzes. Dass § 380 Abs. 3 ZPO die sofortige Beschwerde vorsieht, während in § 381 ZPO eine solche nicht erwähnt ist, beruht allein auf dem Umstand, dass gegen Beschlüsse, die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückweisen, schon gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die sofortige Beschwerde eröffnet ist (Huber in: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 381 Rn. 12; Scheuch in: Vorwerk/Wolf, ZPO, Stand 1.12.2021, § 381 Rn. 8), während ohne ausdrückliche Anordnung in § 380 Abs. 3 ZPO eine sofortige Beschwerde nicht gegeben gewesen wäre. Ferner unterläuft die nicht näher begründete Gegenansicht im Hinblick auf die Beschwerdefrist den Umstand, dass der Gesetzgeber das Gesuch nach § 381 Abs. 1 S. 3 ZPO nicht befristet hat und es nach § 381 Abs. 2 ZPO auch in dem zur Vernehmung neu bestimmten Termin vorgebracht werden kann, also keineswegs vorher in der für die Beschwerde gegen den Ordnungsmittelbeschluss geltenden Frist vorgebracht sein muss.
2. Aus diesem Grund ist die „sofortige Beschwerde“ vom 14. Januar 2022 sachgerecht auf das damit verfolgte Begehren dahin auszulegen, dass ein Aufhebungsgesuch nach § 381 Abs. 2, 2. Alt., Abs. 2 ZPO vorliegt, wie es der inhaltlichen Begründung des Schriftsatzes entspricht. Der Zeuge will die Ladung wahrscheinlich durch Verschulden seiner Mutter verloren haben bzw. sei die Ladung abhandengekommen. Er habe sich lediglich an einen Termin im Januar 2022 erinnern können, aber – so trägt er sinngemäß näher vor – Anfang Januar 2022 bei dem Amtsgericht Tiergarten (Anmerkung: Das Amtsgericht Tiergarten ist in Verkehrssachen nur als Strafgericht zuständig) keine Klärung erreichen können.
3. Ob das Ausbleiben nachträglich entschuldigt ist, weil der bereits Ende August 2021 geladene Zeuge das Schreiben verloren haben will und erst Anfang Januar 2022 einen Klärungsversuch nur bei dem Strafgericht, aber nicht bei den in Zivilverfahren für Verkehrssachen zuständigen Gerichten (Amtsgericht Mitte und Landgericht Berlin) unternahm, ist zweifelhaft. Der Vortrag ist mangels Konkretisierung bislang jedenfalls unzureichend und es fehlt zudem die erforderliche Glaubhaftmachung (§ 381 Abs. 1 S. 2 ZPO). Dies wird jedoch das Landgericht, ggfs. nach weiterer Klärung, im Rahmen des Aufhebungsantrages zu entscheiden haben.