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Sonderzahlung nach Tarifvertrag – Entstehung einer betrieblichen Übung? 

LAG Schleswig-Holstein

Az: 2 Sa 385/03

Urteil vom 30.03.2004


In dem Rechtsstreit hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2004 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.06.2003 – 4 Ca 435/03 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Frage, ob dem Kläger ein anteiliges 13. Monatsgehalt zu zahlen ist.

Der Kläger ist am …..1969 geboren. Bei der Beklagten ist er mit Wirkung vom 01.08.1986 als Rohrleitungsbauer eingestellt worden. Der Kläger ist nicht Mitglied einer tarifvertragsschließenden Gewerkschaft. Die Beklagte hatte in den Jahren ab 1995 an den Kläger folgende Sonderzahlungen geleistet:

|Zahlung|Bestimmung
November 1995|2.512,27 DM|Weihnachtsgeld
November 1996|2.860,00 DM|Weihnachtsgeld
November 1997|1.516,20 DM|13. Monatsgehalt anteilig
November 1998|106,40 DM|Weihnachtsgeld
November 1998|1.729,00 DM|13. Monatsgehalt anteilig
April 1999|Abzug 106,40 DM|Weihnachtsgeld
April 1999|1.729,00 DM|13. Monatsgehalt anteilig
November 1999|Abzug 166,68 DM|Weihnachtsgeld
November 1999|1.291,77 DM|13. Monatsgehalt anteilig
April 2000|Abzug 166,68 DM|Weihnachtsgeld
April 2000|1.291,77 DM|13. Monatsgehalt anteilig

Unstreitig war die Höhe der Zahlungen nach dem Tarifvertrag über das anteilige 13. Monatsgehalt im Baugewerbe berechnet worden. Die Beklagte, die ihrerseits tarifgebunden ist, hat nach der Zahlung von April 2000 weitere Leistungen auf ein 13. Monatseinkommen oder Weihnachtsgeld an keinen Arbeitnehmer erbracht.

Der Kläger hat mit der am 07.02.2003 erhobenen Klage Zahlung von 684,48 EUR brutto als Rückstand für das 13. Monatsgehalt von November 2002 verlangt. Am 27.05.2003 hat er die Klage um weitere 684,48 EUR brutto für den zweiten Fälligkeitstermin erweitert. Mit dem Urteil vom 04.06.2003, auf das hinsichtlich der Einzelheiten und des weiteren Inhalts des erstinstanzlichen Vortrags verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Lübeck gehe es vorliegend nicht um die Beseitigung einer betrieblichen Übung durch mehrmalige Nichtzahlung. Vielmehr sei der Anspruch durch eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien wieder beseitigt worden. Im November 2000 habe die Beklagte dem Kläger angeboten, die zwischen den Parteien bestehende Beziehung hinsichtlich der Gewährung eines 13. Monatseinkommens dahingehend zu ändern, ab diesem Zeitpunkt kein solches mehr zu zahlen. Dieses Angebot habe der Kläger dadurch stillschweigend angenommen, dass er in der Folgezeit widerspruchslos weiter gearbeitet habe. Angesichts dieser Tatsache habe sie, die Beklagte, davon ausgehen dürfen, dass der Kläger mit der Nichtzahlung des 13. Monatseinkommens einverstanden gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 04.06.2003, Az: 4 Ca 435/03, abzuändern und die Klage abzuweisen,

2. die Kosten des Rechtsstreits dem Berufungsbeklagten aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, zwar hätten die Geschäftsführer der Beklagten auf einer oder mehreren Betriebsversammlungen mitgeteilt, dass ein 13. Monatsgehalt nicht gezahlt werde. Sie hätten aber auch zugesagt, dass nicht nur eine Wiederaufnahme der Zahlungen erfolgen würde, sobald es dem Unternehmen besser ginge, sondern darüber hinaus sogar die Möglichkeit einer Nachzahlung in den Raum gestellt. Der Anspruch ergebe sich aus betrieblicher Übung. Die Nichtzahlung stelle nicht ein Angebot dar, diese bestehende betriebliche Übung abzuändern, so dass er diese auch nicht habe annehmen können.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens.

Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus dem Tarifvertrag, da der Kläger selbst nicht tarifgebunden ist. Auch eine einzelvertragliche schriftliche Abmachung existiert nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich ein etwaiger Anspruch auch nicht aus betrieblicher Übung, die ändernd in den Arbeitsvertrag eingreift. Wie sich in der Berufungsverhandlung ergeben hat, hat die Beklagte jeweils die Höhe der Zahlungen nach dem Tarifvertrag berechnet. Dies spricht gegen die Absicht, eine betriebliche Übung zu schaffen. Vielmehr handelt es sich um eine Gleichbehandlung mit den anderen Mitarbeitern. Die Beklagte, die als Arbeitgeberin nicht berechtigt ist, die Arbeitnehmer nach einer etwaigen Organisation in einer Gewerkschaft zu befragen, gibt mit der Bezugnahme auf einen Tarifvertrag oder der Leistung nach diesem Tarifvertrag nur die Erklärung ab, sie wolle alle Arbeitnehmer gleich behandeln und zwar nach dem Tarifvertrag. Dementsprechend konnte durch die Handlung der Beklagten eine tarifliche Übung nicht entstehen, so dass deren Beseitigung, sei es durch stillschweigenden Vertragsabschluss oder mehrmalige Nichtzahlung nicht in Betracht kommt.

Ein Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung besteht, obwohl der Tarifvertrag, auf dessen Basis die Beklagte jahrelang gezahlt hat, noch existiert, nicht. Unstreitig ist, dass die Beklagte sämtlichen Arbeitnehmern keine Leistung mehr erbracht hat. Sie wäre zwar gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern dazu verpflichtet. Ob in ihrem Betrieb tarifgebundene Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist jedoch nicht bekannt. Es ist daher auch nicht bekannt, ob die Beklagte überhaupt gegenüber irgendwelchen Arbeitnehmern zu einer entsprechenden Leistung verpflichtet gewesen wäre. Da die mehrfache Zahlung der Beklagten nur so zu verstehen ist, dass die Beklagte eine Gleichbehandlung gewährleisten wollte, kann der Kläger nicht verlangen, dass er, obwohl er nicht tarifgebunden ist, die tarifliche Leistung erhält. Er wird unstreitig nicht anders behandelt als sämtliche anderen Arbeitnehmer der Beklagten.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist daher abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da nicht ersichtlich ist, dass die Bedeutung des Rechtsstreits über den Einzelfall hinausgeht.

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