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Betriebsratszustimmung zu Sonntagsarbeit und Arbeit nach 19.00 Uhr

Arbeitsgericht Frankfurt

Az.: 4 BV 582/02

Beschluss vom 02.09.2003


In dem Beschlussverfahren hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 02.09.2003 für Recht erkannt:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitsleistungen an Sonntagen zu dulden oder entgegenzunehmen, sowie Arbeitsleistungen Montags bis Donnerstags nach 19.00 Uhr und Freitags nach 17.30 Uhr zu dulden oder entgegenzunehmen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. diese Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzen zu lassen, sofern nicht ein Notfall vorliegt.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die oben genannten Verpflichtungen ein Ordnungsgeld bis zu Euro 10.000,00 angedroht.

Der Antragsgegnerin wird des weiteren aufgegeben, auf die Arbeitnehmer einzuwirken, dass alle Arbeitnehmer, die keine leitenden Angestellten sind, gemäß der Betriebsvereinbarung vom 29.02.2000 an der Arbeitszeiterfassung teilnehmen und die verbrachte Arbeitszeit mit den dafür vorgesehenen Zeiterfassungsgeräten maschinell erfassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Unterlassungsansprüche im Zusammenhang mit der Erbringung von Arbeitsleistung zu bestimmten Arbeitszeiten sowie um die Durchführung einer Betriebsvereinbarung.

Der Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin bestehende Betriebsrat. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin schlossen am 22. September 2000 eine Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit der Verwaltung am Standort Frankfurt, wegen deren Inhalt auf Bl. 8 – 11 d. A. Bezug genommen wird.

Mit E-Mail vom 30. November 2002 (vgl. Bl. 3 d. A.) beantragte der Arbeitgeber in Person des Abteilungsleiters … beim Betriebsrat dessen Zustimmung, am 30. November und 01. Dezember 2002 für den Arbeitnehmer je zwei bis drei Stunden Wochenendarbeit anordnen zu dürfen. Der Betriebsrat stimmte der Mehrarbeit für den 30. November 2002, nicht jedoch für Sonntag, den 01. Dezember 2002 zu. Am 01. Dezember 2002 traf der Betriebsrat im Betrieb die Arbeitnehmer … und … bei der Arbeit an.

In der Folgezeit stellte der Betriebsrat fest, dass Arbeitnehmer außerhalb des Gleitzeitrahmens im Betrieb arbeiteten. So wurden am Mittwoch, dem 01. Januar 2003, um 0.20 Uhr, die Arbeitnehmer … und … arbeitend im Betrieb angetroffen. An den Tagen 02. Januar 2003, 30. Dezember 2002, 23. Dezember 2002, 20. November 2002, 18. Dezember 2002, 11. Dezember 2002, 06. Dezember 2002, 02. Dezember 2002, 30. Oktober 2002 und am 28. Oktober 2002 wurden Arbeitnehmer nach 21.30 Uhr vom Betriebsrat im Betrieb angetroffen, deren Namen vom Betriebsrat im Verfahren nicht genannt sind.

An Hand der Monatsjournale stellte der Betriebsrat sodann fest, dass die Arbeitnehmer …, …, …, … und … vielfach nach 19.00 Uhr und außerhalb der Gleitzeit im Betrieb Arbeitsleistung erbrachten. Des Weiteren stellte der Betriebsrat fest, dass die Arbeitnehmer …, …, … und … die Arbeitszeiten nicht mit dem Zeiterfassungsgerät erfassten.

Mit am 10. Dezember 2002 bei Gericht eingegangener Antragsschrift hat der Betriebsrat Unterlassung bezüglich der Sonntagsarbeit, mit am 17. Januar 2003 eingegangener Antragserweiterung Unterlassung bezüglich der Erbringung von Arbeitsleistung außerhalb der Gleitzeit und mit einer erneuten Antragserweiterung vom 21. Juli 2003 einen Antrag auf Einwirkung geltend gemacht und diese Anträge im Anhörungstermin am 02. September 2003 präzisiert (vgl. Bl. 34 d. A.).

Der Betriebsrat ist der Ansicht, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, die nicht genehmigte Erbringung von Arbeitsleistung und die Erbringung von Arbeitsleistung außerhalb des Gleitzeitrahmens zu unterbinden. Auch treffe die Arbeitgeberin eine Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmer die Betriebsvereinbarung einhielten.

Der Betriebsrat beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitsleistungen an Sonntagen zu dulden oder entgegenzunehmen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. die Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzen zu lassen, sofern nicht ein Notfall vorliegt;

der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre
Verpflichtung aus dem Antrag zu 1. ein Ordnungsgeld anzudrohen,
dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitsleistungen montags bis Donnerstags nach 19.00 Uhr und freitags nach 17.30 Uhr zu dulden oder entgegenzunehmen, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen bzw. diese Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzen zu lassen, sofern
nicht ein Notfall vorliegt;

der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Verpflichtung aus dem Antrag zu 3. ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird;

der Antragsgegnerin aufzugeben, auf die Arbeitnehmer einzuwirken, dass alle Arbeitnehmer, die keine leitenden Angestellten im Sinn des § 5 Abs. 3 BetrVG sind, gemäß der Betriebsvereinbarung vom 29.02.2000 an der Arbeitszeiterfassung teilnehmen und die verbrachte Arbeitszeit mit den dafür vorgesehenen Zeiterfassungsgeräten maschinell erfassen.

Die Arbeitgeberin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin behauptet, der Abteilungsleiter … sei leitender Angestellter und unterfalle nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Nachdem der Betriebsrat die Sonntagsarbeit für den 01. Dezember 2002 abgelehnt habe, habe dem Arbeitnehmer gesagt, dass er am Sonntag nicht kommen müsse; dieser Arbeitnehmer sei jedoch dann freiwillig gekommen und habe an einer ca. einstündigen Telefonkonferenz teilgenommen. Auch der im Betrieb am 01. Dezember 2002 anwesende Mitarbeiter … sei freiwillig in den Betrieb gekommen, ohne dass er etwas zu tun hatte.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, die von den Mitarbeitern nach 19.00 Uhr erbrachte Arbeitsleistung stelle keine Mehrarbeit dar, da sie von der Arbeitgeberin nicht angeordnet worden sei. Im Übrigen sei nicht erkennbar, ob es sich bei den Arbeitnehmern, die nach 19.00 Uhr gearbeitet hätten, um leitende Angestellte gehandelt habe oder nicht, da die Namen von dem Betriebsrat nicht genannt worden seien. Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, sie treffe keine Pflicht, eine Arbeit nach 19.00 Uhr zu verhindern. Die Gleitzeitvereinbarung entbinde den Arbeitgeber von einer Kontrollpflicht. Soweit die Arbeitszeit nach 19.00 Uhr nicht angeordnet sei, werde sie nicht vergütet und bestehe auch keine Mitbestimmungspflicht.

Hinsichtlich der Zeiterfassung mit dem Zeiterfassungsgerät habe es ein Gespräch mit dem Betriebsrat gegeben, wonach der Betriebsrat sein Einverständnis erklärt habe, dass Mitarbeiter, die sehr viel reisen, nicht an der Gleitzeiterfassung teilnehmen sollten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Die Anträge sind begründet.

Auf die Anträge zu 1. und 3. hin ist der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitsleistungen an Sonntagen zu dulden oder entgegenzunehmen sowie Arbeitsleistungen von montags bis donnerstags nach 19.00 Uhr und freitags nach 17.30 Uhr zu dulden oder entgegenzunehmen, ohne die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Gemäß § 23 Abs. 3 kann der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen.

Die Arbeitgeberin hat grob gegen ihre Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz verstoßen. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zur Sonntagsarbeit am 01. Dezember 2002 nicht erteilt hat. Gleichwohl hat die Arbeitgeberin die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers am 01. Dezember 2002 entgegengenommen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dem Arbeitnehmer durch die Arbeitgeberin mitgeteilt wurde, er brauche am 01. Dezember 2002 nicht zu kommen. Unstreitig ist, dass der Mitarbeiter am 01. Dezember 2002 im Betrieb war und eine Stunde lang an einer Telefonkonferenz teilgenommen hat. Der Arbeitgeber, hier in der Person des
Abteilungsleiters …, hätte in Kenntnis der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates den Arbeitnehmer … wieder nach Hause schicken können und müssen. Es kann dahinstehen, was es mit der Anwesenheit des Arbeitnehmers … im Betrieb am 01. Dezember 2002 auf sich hat. Auch kann dahinstehen, ob der Abteilungsleiter … leitender Angestellter ist und von daher seine Arbeitszeiten nicht dem Mitbestimmungsrecht des
Betriebsrates unterliegen; die bloße Behauptung des Arbeitgebers, der Abteilungsleiter … sei leitender Angestellter, ist allerdings nicht hinreichend, da nicht jeder Abteilungsleiter auch leitender Angestellter ist.

Der Arbeitgeberin ist auch aufzugeben, es zu unterlassen, Arbeitsleistungen montags bis donnerstags nach 19.00 Uhr und freitags nach 17.30 Uhr entgegenzunehmen bzw. zu dulden. Das Gericht folgt der Ansicht der Arbeitgeberin nicht, dass auf Grund der Gleitzeitvereinbarung die Arbeitgeberin keine Pflicht treffe, Arbeitszeitverstöße der Arbeitnehmer zu unterbinden. Auch spielt es keine Rolle, ob den Arbeitnehmern, die außerhalb der Gleitzeit Arbeitsleistung erbringen, Überstundenzuschläge zustehen oder nicht. Es gilt vielmehr, dass die Arbeitnehmerin ihren Betrieb ordnungsgemäß zu organisieren hat; die Arbeitgeberin hat auch darauf zu achten, dass die Arbeitnehmer sich an die Betriebsvereinbarungen halten, die im Betrieb gelten. Eine Arbeitszeit nach den im Antrag genannten Zeiten ist in der Betriebsvereinbarung nicht vorgesehen. Auch insoweit liegt ein grober Verstoß der Arbeitgeberin vor, da jedenfalls die Arbeitnehmer … und … namentlich von dem Betriebsrat genannt sind und zu den genannten Zeiten weit außerhalb des Gleitzeitrahmens im Betrieb angetroffen wurden.

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Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 ist dem Arbeitgeber ein Ordnungsgeld anzudrohen, wobei das Höchstmaß des Ordnungsgeldes gemäß § 23 Abs. 3 Satz 5 BetrVG € 10.000,– beträgt.

Der Arbeitgeberin ist auch aufzugeben, auf die Arbeitnehmer einzuwirken, dass alle Arbeitnehmer, die der Betriebsvereinbarung unterfallen, an der Arbeitszeiterfassung teilnehmen. Dieser Antrag ist hinreichend bestimmt (vgl. zum Antrag auf Einwirkung BAG NZA 1992, 864 f.). Nach überwiegender Meinung kommt die Betriebsvereinbarung durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung (Vertrag) zu Stande, wobei es sich um einen zweiseitig kollektiven Normenvertrag handelt (Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG, 5. Aufl. § 77 RdN. 5 m. w. N.). Nach dem klaren Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 führt der
Arbeitgeber Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber durch, d. h., wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Betriebsleitung ist die Durchführung aller Betriebsvereinbarungen alleinige Angelegenheit des Arbeitgebers. Dem Betriebsrat steht lediglich ein Durchführungsanspruch gegen den Arbeitgeber zu. Daraus folgt, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, auf die Arbeitnehmer einzuwirken, dass diese an der Zeiterfassung entsprechend der Betriebsvereinbarung teilnehmen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

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