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Sonntagsarbeit – Arbeitnehmer müssen diese leisten

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg

Az.: 9 Sa 20/08

Urteil vom 17.07.2008


1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kn. Villingen-Schwenningen vom 19.02.2008, Az.: 12 Ca 409/07 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, auch an Sonntagen zu arbeiten.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit 01.08.1977 beschäftigt. Mit einer Ausnahmegenehmigung des Landratsamtes S. – Gewerbeaufsichtsamt wird bei der Beklagten in der Produktion derzeit auch Sonntags gearbeitet, wozu auch der Kläger in verschiedener Weise, zunächst durch Schichtpläne, später dann durch Rufbereitschaft an jedem 2. Sonntag mit erforderlichen Einsätzen im Betrieb herangezogen wird.

Bezüglich der Genehmigung des Landratsamtes wird auf den Bescheid vom 19.07.2007 Bezug genommen. Die Bewilligung der Sonntagsarbeit durch das Landratsamt ist auch darüber hinaus bis zum heutigen Tag fortgeführt worden. Die Grundlage der Erlaubnis der Sonntagsarbeit ist § 13 Abs. 4 und 5 ArbZG.

Das Arbeitsverhältnis des Klägers richtet sich nach dem Arbeitsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 06.07.1989. Unter Ziffer 2 Arbeitszeit heißt es dort:

„Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt grundsätzlich 7,4 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 37 Stunden in der Normalarbeitzeit. Eine Änderung der Arbeitszeit ist möglich. Bei dringenden betrieblichen Erfordernissen ist der Mitarbeiter verpflichtet, im Rahmen der gesetzlichen und tarifvertraglichen Bestimmungen Mehrarbeit zu leisten.“

Im Arbeitsvertrag vom 27.06.1991 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa. H. (Aktenseite 4 der erstinstanzlichen Akte) heißt es:

„Der Arbeitnehmer wird für Schichtarbeit 40 h / Woche eingestellt.“

Unter dem Datum vom 13.03.2003 unterzeichnete der Kläger mit einer weiteren Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa. B. eine „Vertragsänderung“ (Aktenseite 54 der erstinstanzlichen Akte). Dort heißt es:

„Zwischen Herr M. S. und der Firma B. wird folgende Änderung des Arbeitsvertrags vom 27.06.1991 zum 01.03.2003 vereinbart:

Arbeitseinsatz:  3-schichtig gemäß Schichtmodell B. M.

Arbeitszeit:  40 Std. / Woche

Die weiteren Vertragsbestandteile des Arbeitsvertrages vom 27.06.1991 behalten weiterhin ihre Gültigkeit.“

Mit seiner am 26.10.2007 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, Sonntags und an Feiertagen zu arbeiten.

Zur Begründung trägt er vor, sein Arbeitsvertrag sehe keine Arbeit an Sonn- und Feiertagen vor. Durch die Einführung der Arbeit an Sonn- und Feiertagen sei er ursprünglich verpflichtet gewesen, an jeweils drei Sonntagen arbeiten zu müssen und dann nur einen Sonntag frei zu haben. Hinzu komme, dass die Beklagte die Schichtpläne willkürlich ändere. Bei diesen wechselnden Arbeitszeiten könne sich der Kläger darauf nicht einstellen. Die Festlegung der Arbeitszeit müsse billigem Ermessen entsprechen. Die hier vorgenommene Festlegung entspreche keinesfalls billigem Ermessen, denn es werde keinerlei Rücksicht auf die familiären Belange genommen. Zudem habe die Beklagte nicht genug Personal, um einen 24-Stunden-Betrieb aufrecht zu erhalten. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die vom Gewerbeaufsichtsamt erteilte Genehmigung berufen, denn daraus ergebe sich keine Verpflichtung für den Kläger, Sonntagsarbeit zu leisten. Zudem sei die Sonntagsarbeit weder vom Weisungsrecht der Beklagten gedeckt, noch ergebe sich eine entsprechende Verpflichtung aus den vertraglichen Vereinbarungen. Die Beklagte könne den Kläger auch nicht darauf verweisen, dass er gegen den Bescheid des Landratsamtes selber Rechtsmittel einlegen müsse. Die Beklagte gehe selber davon aus, dass der Kläger nach den vertraglichen Regelungen nicht zur Sonntagsarbeit verpflichtet ist, denn in den neuen Arbeitsverträgen nehme sie eine Verpflichtung zur Sonntagsarbeit ausdrücklich auf. Zudem verbleibe dem Kläger aufgrund der konkreten Schichtpläne oft keine ausreichende Zeit sich zu erholen. Die Behauptungen der Beklagten zur Auftragslage sowie zu den Umständen und den Gründen für die Einführung von Sonntagsarbeit werde mit Nichtwissen bestritten.

Der Kläger hat daher vor dem Arbeitsgericht beantragt:

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, Sonntags und an Feiertagen zu arbeiten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die erteilte Genehmigung des Gewerbeaufsichtsamtes zur Durchführung von Sonntagsarbeit. Die Beklagte sei aus wirtschaftlichen Gründen auf die Durchführung von Sonntagsarbeit angewiesen. Da der Kläger sich im Rahmen des Arbeitsvertrages vom 27.06.1991 bereit erklärt habe, Mehrarbeit zu leisten und sich die angeordnete Sonn- und Feiertagsarbeit im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen halte, sei der Kläger dazu verpflichtet, diese auch zu leisten. Es sei nicht erforderlich, dass der Arbeitsvertrag eine ausdrückliche Regelung enthalte, dass der Kläger zur Sonn- und Feiertagsarbeit verpflichtet sei. Mehrarbeit erfasse gerade auch die Arbeit an Sonn- und Feiertagen.

Die von der Beklagten eingeführten Schichtpläne hielten sich auch im Rahmen des billigen Ermessens hinsichtlich der Anordnung der Lage der Arbeitszeit. Die Schichtmodelle verstießen auch nicht gegen das Arbeitszeitgesetz, insbesondere bleibe die gesetzlich vorgeschriebene Anzahl von Sonntagen arbeitsfrei.

Wegen des weiteren Vortrags in der ersten Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 19.02.2008 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger aufgrund vertraglicher Vereinbarung verpflichtet sei, die genehmigte Sonn- und Feiertagsarbeit im Schichtmodell zu erbringen. Im Vertrag vom 27.06.1991 habe sich der Kläger zur Schichtarbeit verpflichtet. Da eine nähere Bezeichnung hier nicht erfolgt sei, könne die Beklagte diese Schichtarbeit durch Weisungsrecht näher konkretisieren. Dies habe sie durch die Einführung des derzeitigen Schichtmodells mit einer Siebentagewoche nach entsprechender Genehmigung durch das Landratsamt getan. Auch aus der Vertragsänderung vom 13.03.2003 ergebe sich nichts anderes. Hier sei lediglich der Begriff der Schichtarbeit näher definiert worden. Darüber hinaus habe die Beklagte auch das billige Ermessen gewahrt. Sie habe alles getan, damit die vorhandenen Aufträge fristgerecht abgearbeitet werden könnten. Ein durch die Aufsichtsbehörde (das Gewerbeaufsichtsamt) genehmigtes Schichtmodell, das Sonn- und Feiertagsarbeit vorsehe, könne nicht unbillig sein, denn bereits bei der Genehmigung habe die Verwaltungsbehörde zu prüfen, ob eine derartige Ausnahme überhaupt notwendig sei.

Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde dem Kläger am 18.03.2008 zugestellt. Die Berufung hiergegen ging beim Landesarbeitsgericht am 17.04.2008 fristgerecht ein und wurde innerhalb der mit Antrag vom 19.05.2008 bis zum 02.06.2008 verlängerten Berufungsbegründungsfrist fristgerecht am 02.06.2008 begründet.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, dass das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen habe. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts umfasse die dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegende vertragliche Regelung nicht die Verpflichtung zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen, da diese nicht ausdrücklich erwähnt worden sei. Ohne ausdrückliche arbeitsvertragliche Regelung sei der Kläger zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen nicht verpflichtet. Selbst wenn man der Auffassung des Arbeitsgerichts folgen würde, dass eine entsprechende Weisung noch vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt sei, so wäre der Kläger hiervon nicht betroffen, denn durch die Handhabung in der Vergangenheit sei eine Konkretisierung des Arbeitsvertrages auf einen einseitig nicht veränderbaren Vertragsinhalt erfolgt. Der Kläger habe eine inzwischen über 30-jährige Betriebszugehörigkeit und noch nie an Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Dies sei bei den Rechtsvorgängern der Beklagten selbst dann nicht geschehen, wenn Arbeit an Sonn- und Feiertagen angefallen sei und andere Mitarbeiter dort gearbeitet hätten. Darüber hinaus entspreche die von der Beklagten festgesetzte Lage der Arbeitszeit nicht billigem Ermessen. Allein die Einführung eines Schichtmodells mit einer Siebentagewoche genüge hierfür nicht. Das Problem führe im Gegenteil daher, dass die Beklagte nicht über eine ausreichende Anzahl an Mitarbeitern verfüge und sich nicht um eine ausreichend personelle Ausstattung gekümmert habe. Hätte sie dies getan, wäre es ihr ohne Weiteres möglich, im Schichtbetrieb ohne Sonntagsarbeit zu arbeiten.

Durch die angeordnete Sonntagsarbeit werde der Kläger in seiner persönlichen Lebensführung stark beeinträchtigt. Seine Lebensgefährtin sei an sechs Tagen in der Woche vollumfänglich berufstätig und daher verbleibe nur der Sonntag, um diese persönliche Beziehung zu pflegen. Durch die Sonntagsarbeit werde der Kläger jedoch hierin auch stark beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt daher:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 19.02.2008 wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, Sonntags und an Feiertagen zu arbeiten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie aus, die vereinbarten arbeitsvertraglichen Regelungen schlössen das Weisungsrecht der Beklagten, Sonntagsarbeit anzuordnen nicht aus, da es nicht erforderlich sei, die Möglichkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit im Vertrag ausdrücklich zu erwähnen. Auch habe sich das Arbeitsverhältnis nicht dahingehend konkretisiert, dass die Lage der Arbeitszeit lediglich von Montag bis Freitag anzuordnen sei. Für eine solche Konkretisierung fehle es am Umstandsmoment, der beim Kläger ein berechtigtes Vertrauen auf Beibehaltung dieser Regel habe entstehen lassen können.

Darüber hinaus entspreche die konkrete Lage der Arbeitszeit billigem Ermessen. Die Beklagte habe alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft und das Landratsamt S. als zuständige Aufsichtsbehörde habe ausdrücklich festgestellt, dass das von der Beklagten praktizierte Schichtmodell mit Sonntagsarbeit als Ausnahme vom Sonntagsarbeitsverbot möglich sei. Das bei der Beklagten praktizierte Schichtmodell werde übrigens in sämtlichen Betrieben der Beklagten praktiziert. Es habe für die Mitarbeiter auch Vorteile, weil jedem Mitarbeiter im Jahresschnitt zwei Eindrittelfreischichten pro Vierwochenzyklus zustünden. Diese Freischichten würden möglichst am Wochenende eingeplant und es sei die Bildung kleinerer Freizeitblöcke nach Absprache möglich. Im Jahresschnitt ergebe sich rein rechnerisch für jeden Mitarbeiter – so auch für den Kläger – eine 4,67 Tagewoche.

In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien darauf hingewiesen, dass sich der Arbeitseinsatz des Klägers insoweit geändert hat. Er arbeitet derzeit in der neu errichteten Spritzerei regelmäßig von 7:00 Uhr bis 15:00 Uhr, habe jedoch darüber hinaus alle zwei Wochen Rufbereitschaft, die auch den Sonntag umfasse und im Rahmen dieser Rufbereitschaft müsse er regelmäßig für eine gewisse Zeit in den Betrieb fahren, um dort unaufschiebbare Arbeiten vorzunehmen, so dass er auch derzeit Sonntags zur Arbeit verpflichtet sei.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Die nach § 64 Abs.2 ArbGG an sich statthafte Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 6, Satz 1 i.V.m. §§ 517, 519 Abs. 1 und 2 fristgerecht eingelegt worden. Die Berufungsbegründung entspricht den Anforderungen des § 520 Abs.1, 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1.

Der Klageantrag bedarf der Auslegung. Mit der Klage begehrt der Kläger die allgemeine Feststellung, dass er zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen nicht verpflichtet ist. Er macht zwar auch Ausführungen dazu, ob die von der Beklagten konkret angeordnete Sonntagsarbeit, sei es in Gestalt des Schichtmodells, in dem er zunächst eingesetzt war, sei es in Gestalt der angeordneten Rufbereitschaft mit Sonntagsarbeit, unter Umständen nicht dem billigem Ermessen entsprächen. Streitgegenstand ist jedoch nach der Formulierung des Klageantrags nicht eine konkrete Maßnahme der Beklagten, die dann auch auf die Einhaltung des billigen Ermessens nach § 106 GewO in Verbindung mit § 315 BGB zu überprüfen wäre, sondern die allgemeine Verpflichtung des Klägers, an Sonn- und Feiertagen auf Weisung der Beklagten Arbeit zu leisten. Daher kommt es im vorliegendem Fall nicht darauf an, ob ein konkretes Schichtmodell bzw. eine konkrete Weisung der Beklagten an den Kläger, an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten, möglicherweise unbillig ist und daher unwirksam ist. Der Kläger will vielmehr ganz allgemein festgestellt wissen, dass es an einer Grundlage zur Anordnung von Sonn- und Feiertagsarbeit ihm gegenüber durch die Beklagte fehlt.

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2.

Das für die vorliegende Klage erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO ist gegeben. Die Beklagte berühmt sich weiterhin ihres Rechtes, den Kläger anzuweisen, Sonntagsarbeit zu leisten. Die Klärung inwieweit der Kläger generell zur Ableistung von Sonntagsarbeit verpflichtet ist, ist nicht nur ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses, sondern darüber hinaus ein eigenes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, so dass das notwendige rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung gegeben ist.

3.

In diesem Sinne ist die Klage jedoch unbegründet.

a) Die Beklagte ist grundsätzlich berechtigt, aufgrund ihres Weisungsrechts nach § 106 GewO auch Sonn- und Feiertagsarbeit anzuordnen. Nach § 106, Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. § 106 GewO selbst schränkt das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit nicht ein, sondern verweist bezüglich möglicher Einschränkungen auf den Arbeitsvertrag oder kollektivrechtliche Regelungen. Ist demnach keine oder keine abschließende arbeitsvertragliche Regelung getroffen, so ist der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes befugt, die Lage der Arbeitszeit einseitig festzulegen. Dies umfasst beispielsweise auch die einseitige Einführung von Schichtarbeit durch Weisungsrecht des Arbeitgebers (Erfurter Kommentar, 8. Aufl., Preis, § 106 GewO, Rn. 19; BAG, Urt. v. 12.09.2004, 6 AZR 567/03, AP Nr. 64 zu § 611 BGB, Direktionsrecht). Damit umfasst das Weisungsrecht vorbehaltlich anderweitiger Einschränkungen aus anderen Rechtsquellen nach § 106 GewO grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber anordnet, dass die Arbeitszeit an einem Sonntag zu leisten ist. Durch die Systematik des § 106 GewO ist der Arbeitgeber zunächst befugt, jedwede Weisung bezüglich der Lage der Arbeitszeit zu erbringen. Die Grenzziehung hierfür ergibt sich nicht aus § 106 Satz 1 GewO, sondern aus anderen Rechtsquellen wie beispielsweise arbeitsvertraglichen (auch konkludenten) Vereinbarungen, kollektivrechtlichen Regelungen und den Gesetzen.

Danach kann sich die Beklagte bei der Anordnung von Sonntagsarbeit gegenüber dem Kläger zunächst auf § 106 GewO berufen.

b) Dieses Recht, Sonntagsarbeit anzuordnen ist für die Beklagte nicht eingeschränkt.

aa) Das Arbeitszeitgesetz, insbesondere das Verbot der Sonntagsarbeit nach § 9 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz steht hier nicht entgegen, da die Beklagte bezüglich der Anordnung der Sonntagsarbeit hier über die oben beschriebene Ausnahmebewilligung des Landratsamtes S. verfügt und die angeordnete Sonntagsarbeit sich unstreitig im Rahmen dieser Ausnahmebewilligung bewegt.

bb) Da es bei der Beklagten keinen Betriebsrat gibt, stehen auch keine betriebsverfassungsrechtlichen Regelung der Anordnung der Sonntagsarbeit entgegen. Ebenso hat keine der Parteien tarifvertragliche Regelungen behauptet oder vorgelegt, die die Anordnung von Sonntagsarbeit verbieten könnten.

cc) Eine Einschränkung der Befugnis der Beklagten, Sonntagsarbeit anordnen zu können, kann sich daher nur aus dem Arbeitsvertrag der Parteien ergeben. Eine solche Einschränkung liegt jedoch nicht vor. Der bloße Umstand, dass in den Arbeitsverträgen der Parteien nicht ausdrücklich geregelt ist, dass die Beklagte Sonntagsarbeit anzuordnen berechtigt ist, führt nicht dazu, dass eine vertragliche Vereinbarung des Inhaltes existiert, dass der Kläger zur Sonntagsarbeit nicht verpflichtet ist.

(1) Die Frage wird allerdings in der Fachliteratur uneinheitlich beantwortet. Grundsätzlich wird für die Verpflichtung zur Ableistung von Sonntagsarbeit auf die entsprechenden privatrechtlichen Vereinbarungen verwiesen (so Baeck/ Deutsch, Arbeitszeitgesetz, § 10 Rn. 5; Anzinger, Koberski, Arbeitszeitgesetz 2. Aufl., § 10 Rn. 16 mit dem Hinweis, dass die Verpflichtung zur Arbeitsleistung an Sonntagen im Arbeitsvertrag üblicherweise festgelegt werde; Preis, „Der Arbeitsvertrag“, 2. Aufl., II. a 90, Rz. 38 mit dem Hinweis, dass aus dem bloßen Umstand, dass in bestimmten Branchen Sonntagsarbeit üblich ist, nicht automatisch eine Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung an diesen Tagen abgeleitet werden könne; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht 7. Aufl., § 33 VI. 2. (a.E.), die davon ausgehen, dass die Verpflichtung zur zulässigen Sonntagsarbeit nur dann besteht, wenn dies vereinbart worden ist). Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt zu der Frage, ob zulässige Sonntagsarbeit nur dann zu leisten ist, wenn diese Möglichkeit im Vertrag auch ausdrücklich vereinbart worden ist, soweit ersichtlich nicht vor.

(2) Das Gericht folgt der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung, dass Sonntagsarbeit nur dann zu leisten ist, wenn diese Möglichkeit im Vertrag ausdrücklich vereinbart worden ist, nicht. Dies widerspräche Wortlaut und Systematik des § 106 GewO. Nach § 106 GewO hat der Arbeitgeber das Recht, die Lage der Arbeitszeit im Rahmen des billigen Ermessens grundsätzlich zu bestimmen. Eine Einschränkung ergibt sich nur dann, wenn arbeitsvertraglich etwas Anderes vereinbart worden ist. Es ist daher erforderlich, dass sich aus den arbeitsvertraglichen Regeln ergibt, dass der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, Sonntags zu arbeiten, nicht hingegen, dass er verpflichtet ist, sonntags zu arbeiten.

(3) An einer solchen Regelung fehlt es. Über die Sonntagsarbeit haben die Parteien unmittelbar keine Vereinbarung getroffen. Die Parteien haben in ihren arbeitsvertraglichen Vereinbarungen auch das Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich der Lage der Arbeitszeit nicht eingeschränkt. Im Arbeitsvertrag von 1989 heißt es zunächst, dass „eine Änderung der Arbeitszeit möglich ist“. Im Folgearbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 heißt es unter dem Stichwort „Normal-, Schicht- oder Teilzeitarbeit:

„Der Arbeitnehmer wird für Schichtarbeit 40 h / Woche eingestellt.“

Damit ist – ebenso wenig mit der Mehrarbeitsklausel – keine Aussage darüber getroffen, ob die Schichtarbeit ggf. auch an Sonntagen stattfindet. In der Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa. B. vom 13.03.2003 wird als Änderung des Arbeitsvertrages vereinbart, dass der Arbeitseinsatz des Klägers dreischichtig gemäß B. M. erfolgen soll. Diese „Vertragsänderung“ war völlig überflüssig, denn bereits aus dem Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 mit der Fa. H. ergibt sich, dass der Kläger für Schichtarbeit mit 40 Stunden die Woche eingestellt wird. Von daher ist davon auszugehen, dass die Parteien hier nicht den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten des Klägers auf ein Dreischichtmodell fixieren wollten, sondern dass hier lediglich das Einverständnis des Klägers mit der Weisung der Beklagten, zukünftig im Dreischichtmodell der Fa. B. M. zu arbeiten, eingeholt wird. Das ergibt sich auch daraus, dass im Übrigen darauf verwiesen wird, dass die Vertragsbestandteile des Arbeitsvertrages vom 27.06.1991 weiterhin ihre Gültigkeit behalten sollen.

Es kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitgeber durch eine arbeitsvertragliche Änderung sein Weisungsrecht bezüglich der Lage der Arbeitszeit nur noch auf ein ganz bestimmtes Schichtmodell fixieren will, sondern der Arbeitgeber sich das Recht vorbehalten will, durch Ausübung des Weisungsrechtes das Arbeitszeitmodell anzuordnen, das jeweils betrieblich gültig ist und in der Regel den betrieblichen Notwendigkeiten entspricht. Eine Fixierung darauf, dass der Kläger zukünftig aufgrund der Vereinbarung vom 13.03.2003 nur noch in einem dreischichtigen Arbeitszeitmodell der Fa. B. M. eingesetzt werden darf und kann, enthält die Vereinbarung vom 13.03. bei verständiger Auslegung nicht, sondern sie stellt lediglich klar, dass der Kläger sein Einverständnis damit erklärt, dass er nunmehr in diesem konkreten Schichtmodell arbeitet. Darüber hinaus enthält auch diese Regelung vom 13.03.2003 keine konkrete Regelung über die Frage, inwieweit der Kläger Sonntagsarbeit zu leisten hat oder nicht. Die Vereinbarung vom 13.03.2003 steht daher der Anordnung von Sonntagsarbeit durch das Weisungsrecht der Beklagten auch nicht entgegen.

(4) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch keine Konkretisierung der Verpflichtung zur Arbeitsleistung dahingehend eingetreten, dass der Kläger die Arbeitsleistung nur an den Werktagen von Montag bis Samstag zu erbringen hat. Der Kläger trägt zwar unbestritten vor, dass er in den vielen Jahren, die das Arbeitsverhältnis schon bestanden hat, vorher nie zur Sonntagsarbeit herangezogen worden ist, sondern diese ggf. von anderen Arbeitnehmern abgeleistet worden ist. Aus diesem Umstand kann er jedoch nicht schließen, dass sein Arbeitgeber dauerhaft auf die Möglichkeit verzichtet, ein Arbeitszeitmodell einzuführen, das für alle Arbeitnehmer auch die Ableistung von Sonntagsarbeit vorsieht. Der bloße Zeitablauf genügt hierfür nicht. Vielmehr müssen konkrete Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Beklagte beim Kläger zu Recht das Vertrauen erweckt hat, sie werde ihn zukünftig unter keinen Voraussetzungen zur Sonntagsarbeit heranziehen. Dafür hat der Kläger nichts vorgetragen. Der Kläger kann auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf alle Zeit angesichts der wechselhaften Entwicklungen, die Unternehmen zu nehmen pflegen, auf die Einführung von Sonntagsarbeit und die Anordnung solcher ihm gegenüber verzichten wolle und in seiner Person Ausnahmen machen wolle, was die Pflicht zur Leistung von Sonntagsarbeit angeht. Der bloße Umstand, dass der Kläger bisher zur Sonntagsarbeit nicht herangezogen worden ist, begründet nicht das Umstandsmoment, sondern lediglich den Zeitablauf. Äußerungen der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerinnen des Inhaltes, dass man auf die persönlichen Bedürfnisse des Klägers in jedem Fall Rücksicht nehmen wolle, oder dass man ihm gegenüber in keinem Fall Sonntagsarbeit anordnen werde, hat der Kläger nicht behauptet.

Aus den genannten Gründen ist das Recht der Beklagten, Sonntagsarbeit durch Weisungsrecht nach § 106 Abs. 1 GewO anzuordnen daher arbeitsvertraglich nicht eingeschränkt. De Kläger hat daher keinen Anspruch darauf, dass es die Beklagte in allen Fällen unterlässt, ihm gegenüber Sonntagsarbeit anzuordnen. Der Feststellungsantrag des Klägers ist daher unbegründet. Demgemäß war die Berufung zurückzuweisen.

III.

Nach § 97 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zuzulassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, Sonntagsarbeit zu leisten, ist höchstrichterlich nicht geklärt.

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