Verwaltungsgericht Hamburg
Az.: 8 VG 3738/01
Beschluß vom 19.10.2001
Gründe:
Der zulässige Antrag, mit dem die Antragsteller die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehren, ihnen Leistungen nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes zu gewähren, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Antragsteller haben in dem für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Umfang glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), daß ihnen Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz ungeachtet der Inanspruchnahme von Erziehungsgeld durch den Antragsteller zu 1) zusteht (1.).
1. Ein Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 11, 12, 22 BSHG dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben sein. Entgegen der von der Antragsgegnerin vertretenen Auffassung ist weder dem Antragsteller zu 1) zuzumuten, seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einzusetzen (dazu unter a)…..
a) Einem Anspruch der Antragsteller steht in Bezug auf den Antragsteller zu 1) nicht der in § 2 Abs. 1 BSHG geregelte Nachrang der Sozialhilfe entgegen. Die insoweit allein in Betracht zu ziehende Selbsthilfemöglichkeit durch Aufnahme von Arbeit ist ihm nicht zuzumuten, weil ihr ein wichtiger Grund entgegensteht (§ 18 Abs. 3 BSHG). Denn der Antragsteller zu 1) bezieht zur Zeit Erziehungsgeld nach den Vorschriften des – reformierten – Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (BErzGG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.12.2000 (BGBl. I S. 1645), wobei allein diese Neufassung nach der in § 24 Abs. 1 BErzGG n.F enthaltenen Übergangsregelung in Ansehung der am 14.1.2001 erfolgten Geburt des Antragstellers zu 3) vorliegend Anwendung findet. Hinsichtlich des Verhältnisses der Inanspruchnahme von Erziehungsgeld und anderen Sozialleistungen regelt § 8 Abs. 1 Satz 3 BErzGG n.F. nunmehr ausdrücklich, daß „für die Dauer der Elternzeit, in der dem Berechtigten kein Erziehungsgeld gewährt wird, der Nachrang der Sozialhilfe und insbesondere auch § 18 Abs. 1 BSHG“ gilt. Aus der hiermit vorgenommenen Beschränkung auf die bezeichnete Fallgruppe ergibt sich im Umkehrschluß unmittelbar und zwingend, daß der Nachrang der Sozialhilfe und insbesondere auch § 18 Abs. 1 BSHG für diejenigen Berechtigten nicht gilt, denen Erziehungsgeld gewährt wird. Dies entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers. Denn nach der Begründung des – der gesetzlichen Regelung entsprechenden – Regierungsentwurfes soll die zitierte Regelung verdeutlichen, „dass die wichtigsten Grundsätze der Sozialhilfe (ihr Nachrang, Pflicht zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit für sich und die unterhaltsberechtigten Angehörigen und auch der Darlehensgrundsatz des § 15 b BSHG) fortbestehen, soweit es um eine eventuelle Sozialhilfe für den anderen Elternteil oder um Zeiten des Erziehungsurlaubs geht, in denen die Eltern kein Erziehungsgeld des Bundes …. erhalten. Die Möglichkeit eines gemeinsamen Erziehungsurlaubs der Eltern darf nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Sozialhilfe führen“ (Bundestagsdrucksache 14/3553 S. 19 f.). Da dem Antragsteller zu 1) vorliegend Erziehungsgeld gewährt wird und es auch nicht um eine eventuelle Sozialhilfe für den anderen Elternteil geht, ist angesichts der zitierten klarstellenden Neuregelung des BErzGG ohne weiteres davon auszugehen, daß die Verweisung auf die Selbsthilfemöglichkeit durch Arbeitsaufnahme vorliegend unzulässig ist, ohne daß es einer Würdigung der zur vormaligen Rechtslage ergangenen, von den Antragstellern angeführten älteren Rechtsprechung bedarf (vgl. diesbezüglich OVG Bautzen, Urteil v. 18.12.1997, FEVS Bd. 48 S. 488; OVG Lüneburg, Urteil v. 23.9.1998, FEVS Bd. 49 S. 181). …..