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Sozialhilfe – Kranken- und Eingliederungshilfe

Verwaltungsgericht Münster,

Az.: 5 K 3440/02

Beschluss vom 01.02.2005


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Sozialhilfe – Kranken- und Eingliederungshilfe -; hier: Übernahme der Kosten einer Petö-Therapie hat die 5. Kammer auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2005 für Recht erkannt:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Gerichtskostenwerden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, die Kosten einer bei dem Kläger durchgeführten Petö-Therapie aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.

Der am 12. Januar 1996 geborene Kläger leidet von Geburt an an einer motorischen Entwicklungsstörung (spastische Diparese). Der Beklagte übernahm ab 1. August 1999 die Kosten der heilpädagogischen Betreuung des Klägers in einem Sonderkindergarten.

Der Kläger ließ am 16. Februar 2000 bei dem Beklagten die Übernahme der Kosten einer am 28. Februar 2000 beginnenden konduktiven Therapie nach Petö beantragen mit der Begründung, dass die Krankenkasse die Übernahme der Kosten ablehne, obwohl eine ärztliche Notwendigkeitsbescheinigung der Kasse vorgelegt worden sei. Dem Antrag war ein Schreiben der Krankenkasse der Eltern vom 8. Februar 2000 beigefügt. Darin wurde die Übernahme der Kosten mit der Begründung abgelehnt, dass die für den Kläger beantragte Untersuchungs- und Behandlungsmethode in den für die Krankenkassen verbindlichen Richtlinien und Empfehlungen des Bundesausschusses der Ärzte/Zahnärzte und Krankenkassen nicht anerkannt sei, so dass die Krankenkasse die Kosten für diese Behandlung nicht übernehmen könne. Dem Antrag war außerdem eine Bescheinigung des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin des F. Krankenhauses P. und eine Rechnung vom 31. Januar 2000 über die Behandlung des Klägers in der Zeit vom 28. Februar bis 24. März 2000 beigefügt.

Der Beklagte lehnte den Antrag des Klägers durch Bescheid vom 24. Februar 2000 ab mit der Begründung, dass sich der Kläger vorrangig bei der Krankenkasse bemühen müsse, die Kosten der von ihm als notwendig angesehenen Behandlung zu übernehmen.

Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 2002 im Wesentlichen aus den vorgenannten Gründen zurück.

Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 18. Oktober 2002 zugestellt worden.

Der Kläger hat am 17. November 2002 Klage erhoben. Er macht geltend:

Der Beklagte dürfe die Übernahme der Kosten nicht mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Krankenkasse ablehnen; er, der Kläger habe die Krankenkasse beim Sozialgericht Münster unter dem Az. S 00 KR 00/00 verklagt; da es sich bei der Petö-Therapie um eine wissenschaftlich anerkannte Therapiemaßnahme zur Behandlung der Folgen einer Diparese handele, müsse der Beklagte unter den gegebenen Umständen mit den Therapiekosten gegenüber der Krankenkasse zumindest in Vorlage treten; ihm, dem Kläger, sei nicht damit geholfen, erst nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten eine Kostenzusage zu erhalten, wenn dann wertvolle Zeit zur erfolgreichen Therapie verstrichen sei. Über die Klage beim Sozialgericht sei noch nicht entschieden worden.

Der Kläger trägt vor, dass er von Februar 1999 bis Februar 2002 eine Petö- Therapie durchgeführt habe; bis zum 28. Februar 2000 seien Kosten in Höhe von 10.730 DM (=5.486,16 EUR) und für die Zeit von Februar 2000 bis Februar 2002 Kosten in Höhe von 12.869,73 EUR entstanden.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 24. Februar 2000 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 zu verpflichten, die Kosten der Behandlung nach der Petö-Methode in der Zeit vom 28. Februar 2000 bis zum 8. Februar 2002 in Höhe von 12.869,73 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen. Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide, die Klage abzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2000 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 ist rechtmäßig. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, die Kosten der bei dem Kläger durchgeführten Petö-Therapie aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.

Streitgegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist der Zeitraum von Februar 2000 bis Februar 2002. Der Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe kann nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Sozialhilfe den Hilfeanspruch geregelt hat.

Dies ist regelmäßig der Zeitraum vom Bekanntwerden des Bedarfs bis zur jeweils letzten Verwaltungsentscheidung, im Klageverfahren bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides (BVerwG, Urteil vom 31. August 1995 – 5 C 9.94 -, BVerwGE 99, 149 = FEVS 46, 221). Dagegen ist ein Sozialhilfeanspruch gemäß § 5 BSHG ausgeschlossen, wenn der Bedarf vor Bekanntwerden im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter gedeckt worden ist (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1994 -5 C26.92 -, BVerwGE 96, 152 = FEVS 45, 138). Der Kläger hat seinen Bedarf erstmals mit Schreiben vom 16. Februar 2000 geltend gemacht. Über die Kosten, die bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 18. Oktober 2002 entstanden sind, kann im vorliegenden Verfahren streitig entschieden werden. Dagegen ist es gemäß § 5 BSHG ausgeschlossen, die erstmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12. Januar 2005 für die Zeit von Februar 1999 bis Februar 2000 entstandenen Kosten in Höhe von 10.730 DM (=5.486,16 EUR) übernehmen zu lassen. Für die Zeit von Februar 2000 bis Februar 2002 liegen die materiell rechtlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Sozialhilfe nicht vor.

Sollte es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Bedarf um Hilfe bei Krankheit handeln, scheitert der Anspruch des Klägers daran, dass Hilfe bei Krankheit nur in dem Umfang gewährt wird, wie sie auch Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen von ihrer Kasse erhalten. Dies ergibt sich für die Zeit von Februar 2000 bis Juni 2001 aus § 37 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BSHG in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden Fassung des Gesetzes vom 23. März 1994, BGBI. l S. 646 und für die Zeit ab dem I.Juni 2001 aus § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der Fassung von Artikel 15 Nr. 6 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBI. l S. 1046, S. 1110. Die konduktive Förderung nach Petö war im streitgegenständlichen Zeitraum keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, weil ihr therapeutischer Nutzen nicht auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellt worden war (BSG, Urteil vom 3. September 2003 – B 1 KR 19/02 R -, FEVS 55, 433), so dass diese Leistung auch nicht im Rahmen der Hilfe bei Krankheit gewährt werden kann.

Sollte der vom Kläger geltend gemachte Bedarf als Eingliederungshilfe für behinderte Menschen anzusehen sein, liegen ebenfalls die materiell rechtlichen Voraussetzungen nicht vor, denn auch insoweit gilt, dass Soziahilfe nur in dem Umfang gewährt werden kann, in dem die gesetzlichen Kassen entsprechende Leistungen zusprechen. Dies ergibt sich für den Zeitraum von Februar 2000 bis Juni 2001 aus § 40 Abs. 1 Nr. 2 a BSHG in der bis zum 30. Juni 2001 geltenden vorgenannten Fassung i. V. m. § 11 der gemäß § 47 BSHG bis zum 30. Juni 2001 geltenden Eingliederungshilfeverordnung, für die Zeit von Juli 2001 bis Februar 2002 aus § 40 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 8 BSHG in der ab dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung von Artikel 15 Nr. 9 SGB IX i. V. m. §§ 26 Abs. 2 Nr. 2, 55 Abs. 2 Nr. 2 und 56 SGB IX sowie i. V. m. § 40 Abs. 1 Satz 2 in der Fassung von Artikel 15 Nr. 9 SGB IX. Die letztgenannte Vorschrift sieht ausdrücklich vor, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen auch heilpädagogische Maßnahmen gehören, nach diesem Gesetz jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen.

Im streitgegenständlichen Zeitraum waren bei den gesetzlichen Krankenversicherungen aus den vorgenannten Gründen keine Leistungen für eine Petö-Therapie vorgesehen. Dies gilt auch für den Umfang der Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (OVG Koblenz, Urteil vom 01.09.204 – 12 A 10.886/04 – FEVS 56,84).

Der Staat ist im Rahmen der Sozialhilfe nicht verpflichtet, mit den begrenzten Mitteln der Eingliederungshilfe nicht allgemein anerkannte heilpädagogische Versuche zu finanzieren (BVerwG, Urteil vom 30.05.2002 – 5 C 36.01 -, FEVS 53,499).

37 § 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG F. 1994 bzw. § 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG F. 2001 scheiden als Rechtsgrundlage aus, weil diese Regelungen nur für schulpflichtige Kinder gelten (BVerwG, Urteil vom 30.05.2002 – 5 C 36.01 -, a.a.O.) Der Kläger befand sich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht im schulpflichtigen Alter.

Ein Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrte Kranken- bzw. Eingliederungshilfe scheitert auch daran, dass der Beklagte seinem Wunsch, im F. Krankenhaus P. behandelt zu werden, nicht entsprechen muss. Der Beklagte ist gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG für die vom Kläger beantragten Leistungen nur dann sachlich zuständig, wenn es sich um stationäre bzw. teilstationäre Hilfen handelt. § 3 Abs. 2 Satz 2 BSHG sieht vor, dass Wünschen des Hilfeempfängers, die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung zu erhalten, entsprochen werden soll, wenn mit der Anstalt, dem Heim oder der gleichartigen Einrichtung Vereinbarungen nach Abschnitt 7 des Bundessozialhilfegesetzes bestehen. Zwischen dem Beklagten und dem F. Krankenhaus P. bestehen keine Vereinbarungen über die Kostentragung für vom Kläger beantragte Maßnahmen nach der Petö-Therapie. Schon wegen dieser fehlenden Vereinbarung kann der Kläger die von ihm beantragten Leistungen als stationäre Hilfen gegenüber dem Beklagten nicht beanspruchen.

Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, vorläufig an Stelle der Krankenkasse der Eltern des Klägers die beantragten Leistungen zu übernehmen, so lange sich die Krankenkasse geweigert hatte, die dort beantragten Leistungen zu erbringen. § 44 Abs. 1 BSHG sieht zwar vor, dass der Träger der Sozialhilfe die vorläufig notwendigen Maßnahmen treffen muss, wenn es um die Bewilligung von Eingliederungshilfe geht. Diese Vorschrift setzt jedoch voraus, dass ein Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Trägern der Sozialleistung besteht (OVG NRW, Beschluss vom 15. Oktober 1986 – 8 A 936/85 -, ZfSH/SGB 1987, 593). Dies trifft hier allerdings nicht zu, denn die Krankenkasse der Eltern des Klägers hat die dort beantragten Leistungen nicht wegen fehlender Zuständigkeit, sondern aus inhaltlichen Gründen abgelehnt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 188 Satz 2, 154 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §708 Nr. 11 ZPO.

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