Landesarbeitsgericht Hamm
Az.: 3 Sa 1713/05
Urteil vom 16.11.2005
Vorinstanz: Arbeitsgericht Minden, Az.: 1 (3) Ca 687/04
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 28.06.2005 – Az: 1 (3) Ca 687/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der Kläger ist seit dem 15.02.2002 als Küchenleiter bei der Beklagten, die ein Unternehmen zur Seniorenbetreuung führt, beschäftigt.
Grundlage der Beschäftigung ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 15.02.2002, nach dem der Kläger als Küchenleiter eingestellt wird und seine Tätigkeit in H4xxxxxxx zu erfüllen hat.
Nach der von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Stellenbeschreibung obliegt dem Kläger unter anderem die Leitung des Küchenpersonals, die Organisation und Koordination der Küche unter Berücksichtigung der gegebenen Maßnahmen, eine ansprechende Speisenversorgung sowie die Sicherstellung der fachgerechten täglichen Arbeit der Küche. Den Mitarbeitern in der Küche ist der Kläger nach Ziffer 4. der Stellenbeschreibung weisungsbefugt.
Der Kläger erzielte zuletzt einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 2.100,– €.
Ob die Beklagte mehrere hundert Arbeitnehmer, wie der Kläger behauptet, oder lediglich 44 Arbeitnehmer beschäftigt, wie die Beklagte behauptet, ist unter den Parteien streitig.
Ein Betriebsrat besteht bei der Beklagten nicht.
Unter dem 23.09.2003 erhielt der Kläger eine Abmahnung, die nach rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 16.06.2004 im Verfahren 2 Ca 2560/03 aus der Personalakte entfernt werden musste.
Eine weitere Abmahnung erhielt der Kläger am 23.06.2004 wegen wiederholter Beschimpfung der Hauswirtschaftsleiterin B3xxxxxxxx der Beklagten.
Ebenfalls am 23.06.2004 entzog die Beklagte dem Kläger die Küchenleiterfunktion und teilte ihm mit, er werde als Koch weiterbeschäftigt. Dem vom Kläger im Verfahren 3 Ca 1168/04 vor dem Arbeitsgericht Minden geltend gemachten Begehren auf Beschäftigung als Küchenleiter gab das Arbeitsgericht mit Urteil vom 22.09.2004 statt. Die von der Beklagten hiergegen eingelegt Berufung wies das Landesarbeitsgericht Hamm im Verfahren 11 Sa 2351/04 mit Urteil vom 16.06.2005 mit der Maßgabe zurück, dass an die Stelle der Beschäftigungsverurteilung die Feststellung tritt, dass die mit Schreiben vom 23.06.2004 vorgenommene Zuweisung der Tätigkeit als Koch unwirksam ist.
Tatsächlich wurde der Kläger auf Grund des erstinstanzlichen Urteils bereits seit dem 14.02.2005 wieder als Küchenleiter beschäftigt.
Weitere Abmahnung erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 06.10.2004 (Gegenstand des Verfahrens 3 Sa 1391/05 LAG Hamm), mit Schreiben vom 06.12.2004 (Gegenstand des Verfahrens 3 Sa 1739/05 LAG Hamm), mit Schreiben vom 28.12.2004 (Gegenstand des Verfahrens 3 Sa 1740/05 LAG Hamm), und dreimal mit jeweiligem Schreiben vom 11.03.2005 (Gegenstand der Verfahren 3 Sa 1733/05 LAG Hamm, 3 Sa 1742/05 LAG Hamm und 3 Sa 1743/05 LAG Hamm).
Mit Schreiben vom 18.04.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2005.
Begründet wurde die Kündigung damit, ausweislich der entsprechenden Reinigungspläne liege nach wie vor eine unzureichende Reinigung des Arbeitsbereiches vor. Zudem habe sich der Kläger erneut nicht an den Speisenplan gehalten, da es am 05.04.2005 nicht die nach dem Speisenplan vorgesehenen gebratenen Hackfleischbällchen, sondern stattdessen gedünstete Hackfleischbällchen gegeben habe. Aus diesem Grund und im Hinblick auf die in der Vergangenheit erfolgten Vorfälle, für die Abmahnungen erteilt worden seien, sehe sie sich gezwungen, das Arbeitsverhältnis zu kündigen.
In der Zeit vom 20.05. bis zum 03.07.2005 war der Kläger sodann nach übereinstimmenden Angaben der Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.11.2005 arbeitsunfähig. In der Zeit vom 01.06. bis zum 03.07.2005 bezog er Krankengeld, ab dem 04.07.2005 bezieht er fortlaufend Arbeitslosengeld.
Gegen die Kündigung wendet sich der Kläger mit der unter dem 27.04.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.
Er verbleibt bei seiner Auffassung, die erteilten Abmahnungen, die Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzungen seien, seien unberechtigt.
Auch die weiteren Vorwürfe seien nicht geeignet, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Soweit in der Dokumentation des Monates März 2005 für die Reinigung von Fußboden, Arbeitsflachen, Spülmaschine, Spülbecken und Ausgüssen für verschiedene Bereiche insgesamt siebenmal eine Eintragung nicht vorgenommen worden sei, seien an diesen entsprechenden Tagen die entsprechenden Bereiche dennoch gesäubert worden, am 11.03. die Ausgüsse, am 19. und 20.03. der Fußboden, am 27., 28. und 30.03. die Spülmaschine. Soweit für Mittwoch, den 23.03. 2005 für alle Bereiche keine Eintragung stattgefunden habe, liege das vermutlich daran, dass er, insoweit unstreitig, an diesem Tage Frühdienst gehabt habe und die Küchenkräfte, die reinigen müssten, sämtlich ihre Eintragung nicht gemacht hätten, obwohl sie gereinigt hätten.
Soweit für die Aufschnittmaschine, Kaffeemaschine, Konvectomat und Kitchen-Aid und den Herd Eintragungen fehlten, liege dies daran, dass die entsprechenden Geräte nicht benutzt worden seien, gereinigt werden müsse aber nur nach Benutzung. Nach jeder Benutzung sei aber gereinigt worden. Der „Wärmewagen“ würde im wöchentlichen Rhythmus gereinigt im März 2005, was auf Grund der Eintragungen auch nachvollziehbar sei.
Soweit es um Lager, Schränke und Regale gehe, habe ihm hierfür nicht genug Personal zur Verfügung gestanden, was er mehrfach bei der Heimleitung moniert habe.
Für den Monat April 2005 seien Beanstandungen bezüglich der Bereiche Fußboden und anderen sowie in Bezug auf Aufschnittmaschine und anderen Gerätschaften nicht ersichtlich. Für die Reinigung des Lagers, der Schränke und der Regale gelte dasselbe wie für den Monat März 2005.
Die Hackfleischbällchen schließlich habe er gedünstet und nicht gebraten, weil beim Dünsten mehr Sud anfalle, woraus er eine Soße machen könne. Die Bewohner legten nämlich viel Wert auf viel Soße.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 18.04.2005 nicht aufgelöst worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.05.2005 hinaus zu den arbeitsvertragsgemäßen Bedingungen als Küchenleiter tatsächlich weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die vorangegangenen Abmahnungen vom 11.03.2005 für berechtigt erachtet.
Nunmehr habe sie, so hat sie zur Begründung der Kündigung vorgetragen, feststellen müssen, dass trotz vorangegangener Abmahnung ausweislich der entsprechenden Reinigungspläne nach wie vor eine unzureichende Reinigung des Arbeitsbereiches des Klägers erfolgt sei. Soweit der Kläger dies bestreite, erscheine dies in Anbetracht der anders lautenden Reinigungspläne unglaubhaft, hierauf komme es aber ohnehin nicht an, da jedenfalls feststehe, dass die Reinigungspläne für März und April 2005 unvollständig ausgefüllt worden seien.
Für die ordnungsgemäße Dokumentation der Reinigungen sei der Kläger jedoch verantwortlich.
Im Einzelnen sei hinsichtlich des Reinigungsplans für März 2005 feststellbar, dass Lager, Schränke und Regale, obwohl wöchentlich zu reinigen, nur ein einziges Mal gereinigt worden seien. Fußboden und Arbeitsflächen, Spülmaschine, Spülbecken sowie Ausgüsse seien ebenfalls nicht wie vorgeschrieben täglich gesäubert worden. Auch die Kaffeemaschine sei nach den entsprechenden Eintragungen an mehreren Tagen, zweimal sogar über einen Zeitraum von jeweils drei Tagen, nicht gereinigt worden. Nach den Reinigungsplänen für April 2005 seien Lager, Schränke und Regale ebenfalls nicht wöchentlich, sondern nur ein einziges Mal und auch der Wärmewagen nicht regelmäßig gereinigt worden.
Die Abweichung vom Speisenplan für den 05.04.2005 räume der Kläger selbst ein.
Dabei sei darauf hinzuweisen, dass die Verpflegung in einem Seniorenheim ein durchaus bedeutsamer Bestandteil des Heimvertrages sei. Die Bewohner seien auf die dort verabreichte Verpflegung angewiesen und könnten erwarten, dass diese bestimmten Anforderungen gerecht werde.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Kündigung ihren Grund auch in den weiteren zahlreichen Arbeitsvertragsverletzungen in der Vergangenheit hätte.
Mit Urteil vom 28.06.2005 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitbefangene Kündigung nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte zur vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung verurteilt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe nicht hinreichend darlegen können, dass und inwiefern der Kläger vorwerfbar derart unzureichende schlechte Arbeitsleistungen erbracht habe, dass seine Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Schlechtleistung gerechtfertigt sein könne.
Hinweise auf die in der Tat fehlenden Eintragungen über durchgeführte Reinigungen in den Dienstplänen von März und April 2005 seien insoweit nicht ausreichend. Im Übrigen sei die Beklagte weder den Einlassungen des Klägers entgegengetreten, dass und wann jedenfalls an einem Großteil der Tage die Reinigungen doch tatsächlich durchgeführt worden seien, noch habe sie seinen Vorhalt substanziiert entkräften können, wonach ihm nicht genügend Reinigungskräfte zur Verfügung gestanden hätten.
Eine auf Schlechtleistung gestützte Kündigung setze darüber hinaus eine vergebliche einschlägige und rechtswirksame Abmahnung voraus. An solchen rechtswirksamen Abmahnungen fehle es jedoch, nach Urteilen vom gleichen Tage seien insbesondere die einschlägigen Abmahnungen vom 11.03.2005 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Eine Abweichung vom Speisenplan könne nicht einmal eine Abmahnung rechtfertigen, umso weniger führe der Umstand der Abweichung vom 05.04.2005 zu einer rechtswirksamen Kündigung.
Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte dann zur Weiterbeschäftigung zu verurteilen.
Gegen das unter dem 12.08.2005 zugestellte Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Beklagte unter dem 30.08.2005 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese unter dem 30.09.2005 begründet.
Sie verbleibt bei Ihrer Auffassung, die streitbefangene Kündigung sei sozial gerechtfertigt.
Soweit das Gericht seine Entscheidung damit begründe, ihre Hinweise auf fehlende Eintragungen über durchgeführte Reinigungen in den Plänen von März und April 2005 seien nicht ausreichend, könne dies die Entscheidung nicht rechtfertigen.
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass selbst dann, wenn die Abmahnung vom 11.03.2005 hinsichtlich der Unsauberkeit des Küchenbereiches für unwirksam erachtet werde, dieses Fehlverhalten des Klägers nicht für sich allein zu betrachten sei; vielmehr stehe es im Zusammenhang mit der wiederholten Abweichung vom Speisenplan und den im Kündigungsschreiben ebenfalls angesprochenen Vorfällen aus der Vergangenheit, für die ebenfalls Abmahnungen erteilt worden seien. Zumindest sei die Vielzahl der Fehlverhalten als hinreichend für eine Kündigung anzusehen. Eine solche Gesamtbetrachtung habe das Arbeitsgericht jedoch nicht vorgenommen.
Unzutreffend sei auch die Annahme des Arbeitsgerichts, sie sei den Einlassungen des Klägers, dass und wann Reinigungen tatsächlich doch durchgeführt worden seien, nicht entgegengetreten. Zum einen dürfte der Vortrag des Klägers nicht hinreichend substanziiert sein, zum anderen habe sie den Vortrag des Klägers bestritten.
Im Übrigen stehe aber jedenfalls fest, dass die Reinigungspläne für März und April 2005 nur unvollständig ausgefüllt worden seien.
Unzutreffend sei auch die Annahme des Arbeitsgerichts, sie hätte den Vorbehalt des Klägers, ihm hätte nicht genügend Reinigungskräfte zur Verfügung gestanden, substanziiert entkräften müssen.
Völlig unverständlich sei die Annahme des Arbeitsgerichts, dass die erneute Abweichung vom Speisenplan für eine Kündigung unzureichend sei. Die dreijährige Betriebszugehörigkeit des Klägers könne insoweit nicht ins Gewicht fallen, wenn man sich vergegenwärtige, dass er von Beginn an Betriebsablauf und Betriebsfrieden immer wieder erheblich beeinträchtigt habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgericht Minden vom 28.06.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil, der Vorwurf der Manipulation der Reinigungspläne sei unberechtigt bzw. unsubstanziiert. Er habe klargestellt, dass ihn der Vorwurf nicht durchgeführter bzw. nicht richtig dokumentierter Reinigung nicht treffen könne.
Auf vorhergehende Abmahnungen könne die Beklagte sich nicht stützen; solche seien durch das Arbeitsgericht für rechtsunwirksam erklärt worden.
Eine Dokumentations- oder Aufsichtspflicht habe er ohnehin nicht gehabt, da er im Januar 2005 nicht als verantwortlicher Küchenleiter beschäftigt gewesen sei.
Eine Gesamtbetrachtung der Vorfälle habe das Arbeitsgericht schließlich vorgenommen. Einer Abwägung habe es nicht bedurft, da es überhaupt keine berechtigte Abmahnung gebe. Schließlich sei die Ansicht des Arbeitsgerichts zutreffend, dass die Abweichung zwischen gebratenen und gedünsteten Hackfleischbällchen weder allein für sich, noch in einer Gesamtschau zur Kündigung führen könne.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
A.
Durchgreifende Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht.
Die Berufung ist statthaft gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 c) ArbGG.
Die Berufung ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517 ff. ZPO.
B.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend die streitbefangene Kündigung als sozial ungerechtfertigt angesehen und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt.
I.
Die streitbefangene Kündigung der Beklagten vom 18.04.2005 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 31.05.2005 aufgelöst.
Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
Zu einer anderen Bewertung können auch nicht die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren führen.
1) Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet streitlos das Kündigungsschutzgesetz nach seinen § 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Sätze 2 – 4 Anwendung.
2) Nach § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung unter anderem dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist.
Ein die Kündigung rechtfertigender Grund liegt in der Regel vor, wenn es um das Verhalten eines Arbeitnehmers geht, durch das das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird.
3) Als verhaltensbedingte Gründe für eine Kündigung kommen dabei regelmäßig solche in Betracht, die der Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten, insbesondere bei der Erbringung der Arbeitsleistung herbeigeführt hat (BAG, Urteil vom 26.06.1969 = AP 6 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).
Diese müssen im Unterschied zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB nicht so schwerwiegend sein, dass sie für den Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung begründen; vielmehr genügen solche im Verhalten des Arbeitnehmers liegende Umstände, die bei verständiger Würdigung unter Abwägung der Interessen der Vertragsparteien die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG, Urteil vom 07.10.1954 = AP 5 zu § 1 KSchG). Es kommt daher nur ein solcher Umstand in Betracht, der einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber zur Kündigung bestimmen kann (BAG, Urteil vom 02.11.1961 = AP 3 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).
4) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen lässt sich schon dem eigenen Vorbringen der Beklagten eine soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht entnehmen.
a) Die Kündigung lässt sich zum einen nicht auf wiederholte Beschimpfung einer Mitarbeiterin stützen.
Selbst wenn dem Vorbringen der Beklagten in ausreichender Weise entnommen werden kann, dass sie die Kündigung auch auf sämtliche Vorfälle stützen will, die Gegenstand vorangegangener Abmahnungen waren, lässt sich die Kündigung nicht auf beleidigende und beschimpfende Äußerungen gegenüber Mitarbeitern stützen.
Erteilt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer auf Grund seines Verhaltens eine Abmahnung, gibt er damit konkludent zu erkennen, dass er hinsichtlich der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren, auf ein Kündigungsrecht verzichtet. Eine nachfolgende Kündigung kann er nicht auf die schon abgemahnten Gründe stützen, sondern hierauf nur dann unterstützend zurückgreifen, wenn weitere kündigungsrechtlich erhebliche Umstände eintreten oder ihm nachträglich bekannt werden (BAG, Urteil vom 10.11.1988, EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 18; BAG, Urteil vom 26.08.1993, EzA § 322 ZPO Nr. 9; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rz. 38, 39).
Mit der Abmahnung vom 23.06.2004 wegen Beschimpfung der Hauswirtschaftsleiterin B3xxxxxxxx hat die Beklagte damit auf ein Kündigungsrecht verzichtet.
Nachfolgende Fälle beleidigender Äußerungen gegenüber Mitarbeitern behauptet die Beklagte selbst nicht.
b) Gleiches gilt für eine Verhaltensweise, die der Abmahnung vom 06.10.2004 zu Grunde lag.
Nachfolgende einschlägige Fälle wie die, die die Beklagte zum Anlass dieser Abmahnung genommen hat, behauptet die Beklagte selbst nicht.
c) Auf fehlerhafte Angaben in Preisübersichten lässt sich die Kündigung schon deswegen nicht stützen, weil eine Pflichtverletzung des Klägers nicht festgestellt werden konnte, wie die Kammer bereits im Urteil vom gleichen Tage im Verfahren 3 Sa 1740/05 ausgeführt hat.
Darüber hinaus sind weitere Pflichtverletzungen des Klägers auf gleichgelagerter Ebene durch die Beklagte nicht behauptet worden.
d) Eine eigenmächtige nachträgliche Korrektureintragung im Reinigungsplan kann dem Kläger schon nicht vorgeworfen werden, wie die Kammer im Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 3 Sa 1742/05 ausgeführt hat.
Jedenfalls ist auch insoweit ein einschlägiger neuer Fall nach Erteilung der Abmahnung dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen.
e) Neue Fälle auf gleichgelagerter Ebene, wie sie mit Schreiben vom 06.12.2004 abgemahnt worden sind, hat die Beklagte ebenfalls nicht vorgetragen.
Mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 3 Sa 1739/05 hat die Kammer im Übrigen hierzu ausgeführt, dass schon eine Pflichtverletzung des Klägers nicht erkennbar ist, eine solche jedenfalls aber von solchem geringen Gewicht wäre, dass sie nicht einmal den Ausspruch einer Abmahnung rechtfertigt.
f) Auch die eigenmächtige Nichtbefolgung des selbst aufgestellten Speisenplans kann die Kündigung nicht rechtfertigen.
aa) Die mit Abmahnung vom 11.03.2005 geahndete dreimalige Abweichung vom Speisenplan innerhalb einer Woche hat die Kammer mit Urteil vom heutigen Tage im Verfahren 3 Sa 1733/05 als nicht ausreichend angesehen, um unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Mittel der Abmahnung greifen zu können.
Die Abweichung hinsichtlich der Art der Zubereitung der Hackfleischbällchen am 05.04.2005 ist sodann eine solche, die unter Zugrundelegung einer verständigen Würdigung eine Kündigung nicht im Ansatz als billigenswert und angemessen erscheinen lässt.
Vorgeworfen werden kann dem Kläger insoweit lediglich eine formale Abweichung von seinem Speisenplan, und dies auch wiederum nur hinsichtlich einer bestimmten Art der Zubereitung, ohne dass das angekündigte Gericht selbst oder in wesentlichen Bestandteilen damit abgeändert wird.
Inwieweit durch das Nichtbraten, sondern Dünsten der Hackfleischbällchen der Heimvertrag mit den Bewohnern beeinträchtigt sein könnte, oder diese Art der Zubereitung den von der Beklagten gestellten Erwartungen und Anforderungen nicht entspricht, ist dem Vorbringen der Beklagten nicht zu entnehmen und erhellt sich der Kammer auch ansonsten nicht.
g) Die Kündigung lässt sich des Weiteren auch nicht auf fehlende Reinigungen oder zumindest fehlerhafte Dokumentationen oder Nichtvornahmen von Dokumentationen stützen.
aa) Soweit sich die Beklagte hinsichtlich der Unsauberkeit des vom Kläger zu verantwortenden Arbeitsbereichs auf die Abmahnung vom 11.03.2005 beruft, die Gegenstand des Verfahrens 3 Sa 1743/05 ist, handelt es sich nach Auffassung der Kammer bei allen dort angeführten Beanstandungen um solche, die, ihre Richtigkeit unterstellt, lediglich die Verletzung von Nebenpflichten des Klägers allenfalls betreffen und selbst in ihrer Gesamtheit nicht von einem solchen Gewicht sind, dass sich das Mittel einer Abmahnung als angemessen darstellt.
Selbst wenn daher der Vorwurf weiterer fehlender Reinigungen nach Ausspruch dieser Abmahnung als gerechtfertigt anzusehen wäre, handelt es sich insgesamt angesichts der Betriebszugehörigkeit des Klägers und der Art und des Maßes der möglichen Pflichtverletzung um ein Verhalten, das einen verständigen Arbeitgeber nicht an den Ausspruch einer Kündigung denken lässt.
bb) Soweit die Beklagte dem Kläger im Übrigen fehlende Reinigungen im Monat April 2005 vorwirft, liegt schon keinerlei Vortrag vonseiten der Beklagten vor, was dem Kläger insoweit konkret vorgeworfen werden soll.
Auch Pflichtverletzungen für den Monat März 2005 lassen sich nicht feststellen.
Soweit die tägliche Reinigung betroffen ist, hat der Kläger für alle betreffenden Tage behauptet unter Angabe der Mitarbeiterinnen, dass tatsächlich gereinigt worden ist, lediglich Eintragungen unterlassen worden sind. Dies hat die Beklagte zwar bestritten, es war allerdings nicht Sache des Klägers, die tatsächliche Reinigung zu beweisen, sondern Sache der Beklagten, die Nichtreinigung zu beweisen, nachdem der Kläger angegeben hat, an welchen Tagen durch welche Mitarbeiterinnen die Reinigungen trotz fehlender Eintragung stattgefunden haben sollen.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 KSchG hat der Arbeitgeber die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.
Daher trifft ihn auch die Darlegungs- und Beweislast für alle Umstände, die den Vorwurf begründen, der Gekündigte habe vertragswidrig gehandelt (BAG, Urteil vom 12.08.1976, DB 1976, S. 2357; BAG, Urteil vom 24.11.1983, DB 1984, S. 884).
Soweit es um Reinigungen jeweils nach Benutzung geht, lässt sich dem Vortrag der Beklagten schon nicht entnehmen, welches Gerät an welchen Tagen hätte gereinigt werden müssen und tatsächlich nicht gereinigt worden ist, obwohl es benutzt worden ist.
cc) Vorwerfbar ist dem Kläger daher allenfalls, dass er nicht ausreichend Sorge in seiner Funktion als Küchenleiter dafür getragen hat, dass die Eintragungen ordnungsgemäß vorgenommen worden sind.
Hierbei handelt es sich allerdings um eine solche geringfügige Pflichtverletzung, dass sie nicht im Ansatz zur Rechtfertigung einer Kündigung herangezogen werden kann.
h) Auch die Gesamtheit der behaupteten Pflichtverletzungen vermag die streitbefangene Kündigung nicht zu rechtfertigen.
aa) In Übereinstimmung mit der Beklagten ist bei einer Kündigung, die auf mehrere Gründe gestützt wird, zunächst zu prüfen, ob jeder Sachverhalt für sich allein geeignet ist, die Kündigung zu begründen. Reicht dieses zur Rechtfertigung der Kündigung nicht aus, ist im Wege einer einheitlichen Betrachtungsweise zu prüfen, ob die einzelnen Kündigungsgründe in ihrer Gesamtheit Umstände darstellen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen (BAG, Urteil vom 22.07.1982, EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10).
bb) Auch die einheitliche Betrachtungsweise führt nicht zur Rechtfertigung der Kündigung.
Teils lassen sich schon Pflichtverletzungen des Klägers nicht feststellen, wie aus den Urteilen vom heutigen Tage betreffend die von der Beklagten herangezogenen Abmahnungen zu ersehen ist. Dies gilt für einen unangemessenen Ton im Telefonat mit der Geschäftsleitung, das Nichtaufstellen des Knusperhäuschens, fehlerhafte Angaben in einer Preisübersicht und eine nachträgliche Änderung des Reinigungsplans.
Soweit einschlägige Abmahnungen vorliegen, die nicht die Abweichung von Speisenplänen oder Unsauberkeit des Arbeitsplatzes betreffen, lagen jedenfalls keine neuen Fälle nach erteilter Abmahnung vor, was auch bei einer gesamtheitlichen Betrachtung zu berücksichtigen ist.
Abweichungen von Speisenplänen sind auch unter Berücksichtigung der dann verbleibenden möglichen Pflichtverletzungen so geringfügig, dass sie nicht zur Rechtfertigung der Kündigung führen konnten. Unsauberkeiten am Arbeitsplatz sind zudem, soweit sie der Abmahnung vom 11.03.2005 zu Grunde liegen, geringfügig, neue Pflichtverletzungen auf gleichgelagerter Ebene konnten nach obigen Ausführungen nicht festgestellt werden.
II.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte daher auch zutreffend zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt.
1) Der Arbeitgeber ist grundsätzlich verpflichtet, einen Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt.
Rechtsgrundlage eines solchen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers ist das Arbeitsvertragsrecht. Der Anspruch ist abzuleiten aus den §§ 611, 613 BGB i.V.m. § 242 BGB. Die Generalklausel des § 242 BGB wird dabei ausgefüllt durch die Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG (BAG -Großer Senat-, Beschluss vom 27.02.1985, EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9). Da der allgemeine Beschäftigungsanspruch aus einer sich aus Treu und Glauben ergebenden Pflicht des Arbeitgebers herzuleiten ist, muss er allerdings dort zurücktreten, wo überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Der Arbeitgeber ist nach Treu und Glauben nicht verpflichtet, die Interessen des Arbeitnehmers ohne Rücksicht auf eigene überwiegende und schutzwerte Interessen zu fördern. Deshalb bedarf es, wenn der Arbeitgeber wegen im Einzelfall entgegenstehender eigener Interessen die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnt, einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zur Feststellung, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung schutzwürdiger ist und überwiegt. Das kann etwa der Fall sein beim Wegfall der Vertrauensgrundlage oder bei einem Auftragsmangel. Es reichen solche Umstände aus, die im streitlos bestehenden Arbeitsverhältnis den Arbeitgeber zur vorläufigen Suspendierung des Arbeitnehmers berechtigen, wie Fälle eines strafbaren oder schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers, oder wenn die Beschäftigung zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führte (BAG -Großer Senat-, Beschluss vom 27.02.1985, aaO).
Hat hiernach der Arbeitnehmer auf Grund seines Arbeitsverhältnisses im Prinzip einen Anspruch auf tatsächliche vertragsgemäße Beschäftigung, so muss dies grundsätzlich auch für die Dauer eines Kündigungsschutzprozesses gelten, wenn die umstrittene Kündigung des Arbeitgebers unwirksam war und das Arbeitsverhältnis deswegen auch während des Kündigungsschutzprozesses fortbesteht. Die Unsicherheit über die Wirksamkeit der Kündigung und damit die Ungewissheit des Prozessausgangs mit den daraus folgenden Risiken begründet jedoch grundsätzlich ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers, den gekündigten Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses nicht zu beschäftigen. Ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil wiederum wirkt sich, solange es besteht, dahin aus, dass nunmehr die Ungewissheit des endgültigen Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen kann. Liegt ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Instanzurteil vor, so müssen zu der Ungewissheit des Prozessausgangs zusätzliche Umstände hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
2.
Infolge der Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich eine fehlende Weiterbeschäftigungspflicht daher nicht mit der Ungewissheit des Prozessausgangs rechtfertigen.
Sonstige Umstände, die einer vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstehen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
C.
Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestanden nach § 72 Abs. 2 ArbGG nicht.