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Spezialanwalt – Tragung der Mehrkosten

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az: 13 Ta 395/10

Beschluss vom 23.11.2010


Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 5. August 2010 – 2 Ca 1784/03 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I. Durch Urteil des erkennenden Gerichts vom 7. März 2008 (10 Sa 623/05) wurde die Berufung des Klägers gegen ein Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Die Beklagte war vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt A aus Berlin.

Am 16. April 2010 beantragte die Beklagte Kostenfestsetzung gegen den Kläger wie folgt:

Gegenstandswert: 824,76€

Verfahrensgebühr § 13 RVG, Nr. 3200 VV RVG 1,6 104,00 €

Terminsgebühr § 13 RVG, Nr. 3202 VVRVG 1,2 78,00 €

Post- und Telekommunikationsentgelte Nr. 7002 RVG 20,00 €

Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 180,00 €

Zwischensumme netto: 382,00 €

19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 72,58 €

454,58 € Reisekostenerstattung nach Belegen

KT 20.02.2006 204,50 €

KT 03.11.2006 35,00 €

KT 07.03.2008 197,00 €

Gesamtbetrag 891,08 €

Zugleich beantragte sie die Verzinsung mit 5% über dem Basiszinssatz seit Antragstellung.

Die bezweifelte Notwendigkeit der Mehrkostenerstattung für einen Berliner statt zum Beispiel eines Frankfurter Rechtsanwalts begründete die Beklagte mit dessen Spezialkenntnissen. Es sei über schwierige Fragen des Tarifvertrags-, Betriebsrenten- und Verfassungsrechts zu entscheiden gewesen. Gerade zu den tarifrechtlichen Fragen der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Beihilfekürzung, nämlich der tarifpolitischen Ausgangslage, den Zielen der Reform der Zusatzversorgung und den Gestaltungsräumen der Tarifvertragsparteien sowie deren tarif- und verfassungsrechtlichen Grenzen, verfüge Herr Rechtsanwalt A über die erforderlichen Spezialkenntnisse. Denn er habe nicht nur an den in seinem Schriftsatz vom 17. Juni 2005 erwähnten Tarifverhandlungen für das Baugewerbe teilgenommen, sondern auch an jenen, deren Ergebnis der Abschluss des streitbefangenen TVR war.

Die Rechtspflegerin erließ am 5. August 2010 einen Kostenfestsetzungsbeschluss in beantragter Höhe. Nach dessen Zustellung am 13. August 2010 legte der Kläger am 16. August 2010 sofortige Beschwerde ein mit dem weiterhin erhobenen Einwand, die Mehrkosten eines Rechtsanwalts aus Berlin seien nicht notwendig gewesen. Auch seien die dargelegten Kosten nach den Belegen nicht ohne weiteres dem Beklagtenvertreter zuzuordnen.

Am 16. September 2010 hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (Blatt 336 ff. der Akte) und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß den §§ 104 Abs. 3; 567 Abs. 2 ZPO; 11 Abs. 1 RPflG; 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin die Kosten in beantragte Höhe von 891,08 € nebst Zinsen festgesetzt.

Die Beklagte kann die Erstattung dieser Kosten vom Kläger verlangen, denn die durch ihre Tätigkeit entstandenen Kosten waren solche, die der Kläger als Unterlegener zu zahlen hatte. Sie waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Grundsätzlich sind gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwar nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts, also eines einzigen Rechtsanwalts, zu erstatten. Hierbei hat die Partei darauf zu achten, dass auch die Aufwendungen ihres Rechtsanwaltes, also z. B. seine Reisekosten, in vertretbarem Umfang bleiben. Dies geschieht in der Regel dadurch, dass die Partei gehalten ist, einen Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts oder ihrem eigenen Sitz zu beauftragen. Auch wenn sich eine Partei durch mehrere Rechtsanwälte vertreten lässt, sind grundsätzlich nur die Kosten, die für einen entstehen würden, erstattungsfähig. Davon gibt es zum Schutz der unterlegenen Seite streng gehandhabte Ausnahmen, wenn etwa eine seltene oder eine Spezialmaterie in Rede steht, z. B. im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, des Lebensmittelrechts und bei speziellen technischen Fragen im Wettbewerbsrecht. Aber sogar dies ist im Einzelnen umstritten (vgl. dazu z. B. BVerfG NJW 1999, 133; BVerfG NJW 1993, 1460; OLG Karlsruhe, Anwaltsblatt 1998, 540; OLG München JurBüro 2004, 201; OLG Frankfurt, JurBüro 1998, 1129; Zöller/Herget, ZPO, 28. Auflage 2010, § 91 Randziffer 13 „Spezialanwalt“; Musielak/Wolst, ZPO, 7. Auflage 2009, § 91 Randziffer 25; Baumbach, ZPO, 67. Auflage 2009, § 91 Randziffer 136). Grundsätzlich gilt, dass sich jeder Rechtsanwalt die für ein Verfahren erforderlichen speziellen Kenntnisse zu verschaffen hat.

Nach Ansicht der Beschwerdekammer liegt hier eine der streng zu handhabenden Ausnahmefälle vor. Die Akte zeigt, dass im vorliegenden Fall hochkomplexe Sachverhalte aus einer rechtlichen Spezialmaterie zur Diskussion standen. Das Recht der Sozialkassen der Bauwirtschaft beruht auf tarifvertraglichen Vereinbarungen. Die Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien. Schon generell erfordert die Prozessführung in diesem Bereich eine aufwändige Einarbeitung. Hier ging es um einen besonderen Ausschnitt, nämlich um die tarifliche Rentenbeihilfe vor dem Hintergrund zwischenzeitlich vereinbarter Kürzungen und deren Wirkung auf den Besitzstand des Klägers. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war Teilnehmer an den damaligen Tarifverhandlungen und auch am Abschluss des kürzenden Rententarifvertrages beteiligt. Er besaß daher Spezialkenntnisse über das Zustande-kommen und die Hintergründe des neuen Tarifvertrages, die sich die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit zu Nutze machen durfte und zu Nutze gemacht hat. Kein Rechtsanwalt aus dem Frankfurter Raum hätte sich so in die Materie einarbeiten können wie Herr Rechtsanwalt A es schon war.

Soweit der Kläger die Zuordnung der vorgelegten Belege und die Höhe der eingesetzten Kosten bezweifelt, verweist die Beschwerdekammer auf die Ausführungen der Rechtspflegerin in ihrem Nichtabhilfebeschluss vom 16. September 2009 (Blatt 336 ff. der Akte). Dort hat sie sich mit jeder einzelnen Position auseinander gesetzt und deren Zuordnung und Notwendigkeit dargelegt. Dem schließt sich die Berufungskammer zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Nummer 8614 der Anlage 1 zu § 34 GKG. Danach hat der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

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