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Sportwette – Betrug durch Ausnutzung eines Informationsvorsprungs?


Bundesgerichtshof

Az: 4 StR 479/13

Beschluss vom 11.03.2014


Tenor

1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung der in der Revisionsbegründungsschrift vom 22. Juli 2013 erhobenen Verfahrensrügen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Der Angeklagte trägt die Kosten der Wiedereinsetzung.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. März 2013 aufgehoben, soweit der Angeklagte im Fall II. 2 der Urteilsgründe wegen versuchten Betrugs verurteilt worden ist.

Insoweit wird der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, freigesprochen; die Feststellung, dass Ansprüche Verletzter einer Verfallsanordnung in Höhe von 5.725,60 € entgegenstehen, entfällt.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

4. Es wird klargestellt, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Betrug zu der Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt ist.


Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs und Beihilfe zum Betrug zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt sowie eine Feststellung nach § Abs. 2 StPO getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner – nach Gewährung von Wiedereinsetzung zur Anbringung formgerechter Verfahrensrügen – auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen zu Fall II. 2 der Urteilsgründe erhielt der Angeklagte vor dem Spiel der österreichischen Bundesliga zwischen SV K.      und SK R.     , das am Abend des 23. September 2009 in K.       stattfand, in dem von ihm betriebenen „Café    in B.    von unbekannter Seite einen „Tipp“. Danach hätten Spieler der Heimmannschaft zugesagt, durch unsportliche Spielzurückhaltung auf eine Niederlage des eigenen Vereins mit mindestens zwei Toren Unterschied hinzuwirken. Ob die Begegnung tatsächlich manipuliert war, konnte das Landgericht nicht feststellen. Der Angeklagte stufte den „Tipp“ zwar nicht als sicher ein, allerdings hielt er eine Manipulation für möglich. Er wettete bei dem auf Gibraltar registrierten Buchmacher d.     im Rahmen von Kombinationswetten mit zwei Wettscheinen auf einen Sieg von SK R.     . Den Umstand, dass er mit einer Manipulation rechnete, hielt er vor den Mitarbeitern der Wettbörse geheim. Da das Spiel mit einem 0:1 – Auswärtssieg von SK R.      endete, gewann der Angeklagte einen höheren Geldbetrag.

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betrugs begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Das Landgericht hat sich hierzu in der rechtlichen Würdigung wie folgt verhalten:

„Wetten auf zum eigenen Vorteil manipulierte Fußballspiele erfüllen zumindest insoweit, als Wettgewinne ausgezahlt werden, den Tatbestand des Betruges zum Nachteil des Wettanbieters, § 263 Abs. 1 StGB (BGH, NStZ 2013, 234). Dem zum eigenen Vorteil manipulierten Spiel steht der Fall, dass der Wettspieler sein Insiderwissen über eine Manipulation Dritter ausnutzt, gleich. … Die Wetten des Angeklagten auf das nur vermeintlich – manipulierte – Spiel zwischen SV K.        und SK R.       (Fall 2) sind als – untauglicher – Betrugsversuch zu werten (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB).“

b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts tragen seine Feststellungen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betrugs. Denn der Angeklagte hat nicht nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung dieses Tatbestands unmittelbar angesetzt (§§ 22, 23 Abs. 1, § 263 Abs. 1 und 2 StGB). Ihm fehlte der Vorsatz, die Mitarbeiter des Wettbüros zu täuschen.

aa) Der Bundesgerichtshof hat bereits wiederholt entschieden, dass ein Wettteilnehmer, der den Gegenstand des Wettvertrags zu seinen Gunsten beeinflusst, einen Betrug begeht, wenn er diesen Umstand bei Abschluss des Vertrags verschweigt: Dem Vertragsangebot könne die stillschweigende Erklärung entnommen werden, der Wetter selbst habe die Geschäftsgrundlage der Wette nicht durch eine rechtswidrige Manipulation verändert; in dem Verschweigen der Manipulation liege eine Täuschung durch schlüssiges Handeln (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1979 – 3 StR 313/79, BGHSt 29, 165, 167 f.; vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 169, 171 f.; vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 55/12, BGHSt 58, 102, 106 f.; vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 125/12, wistra 2013, 186, 187; Beschluss vom 20. Dezember 2012 – 4 StR 580/11, BGHR StGB § 263a Anwendungsbereich 3). Diese Auslegung beruht auf einer Bewertung des konkret zu beurteilenden Geschäftstyps und der dabei typischen Pflichten- und Risikoverteilung zwischen den Partnern (vgl. BGH, Beschluss vom 6. September 2001 – 5 StR 318/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 22). Bei der Sportwette, einer Unterform des wesentlich durch Zufall bestimmten Glücksspiels (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 – 4 StR 260/02, BGHR StGB § 284 Abs. 1 Glücksspiel 4; Hofmann/Mosbacher, NStZ 2006, 249, 251 mwN), ist Gegenstand des Vertrags das in der Zukunft stattfindende und von den Sportwettenteilnehmern nicht beeinflussbare (vgl. Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, 1994, S. 471) Sportereignis. Auf diesen Vertragsgegenstand nimmt jede der Parteien bei Abgabe und Annahme des Wettscheins Bezug (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1979 und vom 15. Dezember 2006, jew. aaO).

bb) So liegt der Fall hier jedoch nicht: Das Landgericht hat nicht festzustellen vermocht, ob das Spiel überhaupt manipuliert worden war. Der Angeklagte hatte jedenfalls an einer etwaigen Beeinflussung des Spielergebnisses nicht mitgewirkt. Ihm war lediglich von unbekannter Seite ein „Tipp“ im „Cafe    „, in dem ein an Fußball- und sonstigen Sportwetten interessiertes Publikum verkehrte, zugetragen worden. Er ging bei seinem Wettverhalten nicht von einer mit Sicherheit zutreffenden Information aus. Das Verhalten des Angeklagten ist daher lediglich als der Versuch einer straflosen Ausnutzung eines – wirklichen oder vermeintlichen – Informationsvorsprungs zu bewerten. Dies ist kein Eingriff in das Wettereignis selbst, in dessen Geschäftsgrundlage; vielmehr gehört die Nutzung solcher Informationsvorsprünge zum allgemeinen und daher straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten (Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 364; Radtke, Jura 2007, 445, 450 f.). Der Angeklagte akzeptierte bei seinem Vorgehen die für Wetten typische Unsicherheit und überschritt nicht die identitätswesentlichen Merkmale einer Wette (Kubiciel, HRRS 2007, 68, 70 f.; a.A. Krack, ZIS 2007, 103, 105). Wie es sich verhält, wenn der Wettende die sichere Information erhält, dass das Spiel manipuliert ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

Dieser Begründung steht das Urteil des 5. Strafsenats vom 15. Dezember 2006 (5 StR 181/06, BGHSt 51, 165, 172) nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof die straffreie Nutzung von Informationsvorsprüngen nicht auf solche aus allgemein zugänglichen Quellen beschränkt (missverständlich insoweit Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361, 364).

cc) Mangels einer Garantenstellung hat sich der Angeklagte auch nicht wegen versuchten Betrugs durch Unterlassen strafbar gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1961 – 5 StR 184/61, BGHSt 16, 120, 122; Schlösser, NStZ 2005, 423, 426 f.).

3. Da in einer neuen tatrichterlichen Hauptverhandlung keine weiter gehenden Feststellungen zu erwarten sind, hat der Senat den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen und die auf den in Fall II. 2 der Urteilsgründe erzielten Erlös gestützte Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO entfallen lassen (§ 354 Abs. 1 StPO).

Er hat die verbleibende Verurteilung des Angeklagten im Tenor klargestellt.

4. Ob hinsichtlich der die Freiheitsstrafe von vier Monaten übersteigenden Dauer der Untersuchungshaft eine Entscheidung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG erforderlich ist (vgl. hierzu BeckOK-StPO/Cornelius, § 8 StrEG Rn. 6 mwN), wird das Landgericht zu entscheiden haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Juli 1998 – 4 StR 261/98).


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