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Sportzentrum – Verkehrssicherungspflicht des Betreibers

OLG Saarbrücken

Az: 4 UH 711/04

Urteil vom 15.05.2006


1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 24. November 2004 – 4 O 206/04 – wie folgt abgeändert:

a. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR zu zahlen.

b. Es wird festgestellt, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin jeden materiellen und immateriellen Folgeschaden aus dem Unfallereignis vom 3.2003 im Sportzentrum … Weg in S. zu ersetzen, soweit nicht der materielle Anspruch auf Dritte übergegangen ist.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

I. Die im Jahr 1995 geborene Klägerin nimmt die Beklagte unter dem rechtlichen Aspekt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht in Anspruch.

Am …3.2003 veranstaltete die Streitverkündete in der Sporthalle der Beklagten ein Fußballturnier. Jeder Verein, der das von der Beklagten unterhaltene Sportzentrum nutzt, muss zuvor eine Haftungserklärung (Bl. 22 d. A.) abgeben, die auszugsweise folgenden Inhalt hat:

Die Haftung für Personen- und Sachschäden, die im Zusammenhang mit der Benutzung eintreten, obliegt dem Benutzer.

In der Sporthalle waren am fraglichen Tag Tribüneneinrichtungen in Richtung des Spielfeldes ausgezogen, deren stählerne Unterkonstruktion seitlich begehbar war. Die Eigenarten dieser Tribünenkonstruktion und die örtlichen Gegebenheiten werden auf den Lichtbildern Bl. 29, 30 d. A. wiedergegeben.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei anlässlich des Turnieres zusammen mit anderen Kindern im Bereich der Zuschauertribüne herumgelaufen und sei hierbei auch unter die Tribüne gelangt, an deren Gestänge sich Kinder festhalten, schaukeln und auch klettern könnten. Hierbei sei sie schließlich zu Fall gekommen und habe sich schwer verletzt.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin am3.2003 im Klinikum S1 mit der im Arztbericht vom 18.6.2003 (Bl. 7 d. A.) aufgeführten Diagnose eingeliefert wurde. Sie musste sich einer Serie von operativen Eingriffen unterziehen und befand sich bis zum 2.5.2003 in stationärer Behandlung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Nach der Lebenserfahrung habe sie damit rechnen müssen, dass spielende, kleinere Kinder sich unter die Tribüne begeben und dort spielen würden. In Anbetracht dessen hätte die gefährliche Tribüne nicht ungesichert, unbeaufsichtigt und frei zugänglich in den Verkehr gebracht werden dürfen. Es sei Aufgabe der Beklagten gewesen, die seitlichen Öffnungen der Tribüne zu verschließen, da das Geflecht von Stangen in verschiedenen Höhen und der Höhlencharakter des Bauwerks geradezu eine Einladung zum Spielen dargestellt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Mindestbetrag die Klägerin mit 10.000 EUR beziffert,

2. festzustellen, dass die Beklagte für jeden materiellen und immaterielle Folgeschaden aus dem Unfallereignis vom3.2003 im Sportzentrum, … Weg in S., einstandspflichtig ist.

Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Die Beklagte hat den Unfall und den Unfallhergang mit Nichtwissen bestritten. Nach Ansicht der Beklagten sei eine verkehrsicherungspflichtige Gemeinde nur gehalten, solche nicht unerheblichen Gefahrenstellen zu vermeiden, die nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die sich der Verkehr nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. Für jeden, der sich unter die Stufen der dargestellten Tribüne begebe, sei es vorhersehbar, dass er aufpassen müsse. Die Stolpergefahr sei offensichtlich. Von einem siebenjährigen Kind könne erwartet werden, dass es die dargestellten Hindernisse als gefährlich erkenne. Darüber hinaus habe die Mutter der Klägerin nicht vorgetragen, was sie selbst unternommen habe, um den behaupteten Unfall zu vermeiden. Offenbar habe die gesetzliche Vertreterin trotz Kenntnis der Situation die Klägerin unter der Tribüne spielen lassen. Am fraglichen Tag habe der Hausmeister keine spielenden Kinder unter der Tribüne gesehen, weshalb auch keine Veranlassung bestanden habe einzuschreiten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt, eine Haftung der Beklagten scheide jedenfalls deshalb aus, weil der Beklagten in der konkreten Ausgestaltung der Halle und insbesondere in der Ausgestaltung der Tribüne eine Verletzung ihrer Verkehrsicherungspflicht nicht vorgeworfen werden könne. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Die Klägerin behauptet, seitens des Veranstalters habe es keinerlei Aufsicht im Bereich der Zuschauertribüne gegeben. Die Beklagte habe nicht einmal vorgetragen, dass sie den Veranstalter auf seine Aufsichtspflicht hingewiesen habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es durchaus möglich, seitliche Blenden an der Tribüne anzubringen. Auch sei in Betracht zu ziehen, Kunststoffbänder seitlich zu befestigen. Die Unterkonstruktion der Tribüne stelle eine um ein Vielfaches gefährlichere Anlage als ein Treppengeländer dar. Auch der vom Landgericht gezogene Vergleich mit Turngeräten sei nicht stichhaltig: An Turngeräte würden ganz erhebliche Sicherheitsanforderungen gestellt.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach Maßgabe ihrer erstinstanzlichen Anträge zu erkennen

2. ihr hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe auch am …3.2003 in der Person des Hausmeisters H. Leute abgestellt, um für Sicherheit und Ordnung in der Halle zu sorgen. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Berufungsbegründung der Klägerin (Bl. 118 ff. d. A.) auf die Berufungserwiderung der Beklagten (Bl. 125 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägervertreterin vom 31.4.2001 (Bl. 130 ff. d. A.) verwiesen.

Der Senat hat der Klägerin mit Beschluss vom 31.1.2006 (Bl. 139 d. A.) gegen die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Der Senat hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 7.3.2006 (Bl. 145 f. d. A.) durch die Vernehmung von Zeugen Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.4.2006 (Bl. 150 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II. A. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage hat Erfolg. Die Beklagte ist unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zur Erstattung aller materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet. Es kann dahinstehen, ob die Verkehrssicherung der Beklagten für die öffentliche Einrichtung als echte Amtspflicht oblag (in diesem Fall finden die Ansprüche ihre Rechtsgrundlage in § 839, § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 34 GG) oder ob die Beklagte nach allgemeinen deliktsrechtlichen Grundsätzen gem. § 823 Abs. 1 BGB für den verkehrssicheren Zustand haftet. Denn im vorliegenden Fall sind die der Beklagten als Eigentümerin obliegenden Verkehrssicherungspflichten mit etwaigen öffentlich-rechtlichen Amtspflichten zur Gewährleistung einer verkehrssicheren Benutung der öffentlichen Einrichtung deckungsgleich.

1. Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflichten in einer den Fahrlässigkeitsvorwurf begründenden Form verletzt. Die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts beruht auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1 ZPO), da die Erwägungen zu Inhalt und Umfang der geschuldeten Verkehrssicherung den Umständen der konkreten Unfallsituation nicht hinreichend Rechnung tragen.

a) Zwar hat das Landgericht den zureffenden rechtlichen Ausgangspunkt gewählt: Neben dem Veranstalter des in der Turnhalle durchgeführten Sportereignisses ist auch der Eigentümer und Betreiber einer Turnhalle, der den Verkehr durch die Bereitstellung der Einrichtung eröffnet und fördert, verpflichtet, einen gefahrlosen Zustand der Halle und deren Einrichtungen zu gewährleisten (OLGR Nürnberg 2001, 175; vgl. OLG Bamberg VersR 1977, 477). Hierbei besteht die Verkehrssicherungspflicht nur in den Grenzen des Zumutbaren: Es ist keine absolute Gefahrlosigkeit herzustellen. Der Benutzer bzw. Besucher einer Turnhalle muss sich den Gegebenheiten anpassen und die Einrichtung so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Demgegenüber ist es Sache des Verkehrssicherungspflichtigen, alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (vgl. BGHZ 108, 273, 274 f.; BGH, Urt. v. 21.6.1979 – III ZR 58/78, VersR 1979, 1055, vgl. Urt. v. 11.12.1984 – VI ZR 218/83, NJW 1985, 1076; Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., § 823 Rdn. E 74; MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rdn. 416 ff.; Palandt/Thomas, BGB, 63. Aufl., § 823 Rdn. 221; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 823 Rdn. 319). Weiterhin ist für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen in Betracht zu ziehen, dass insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten; daher muss die Verkehrssicherungspflicht je nach Lage des konkreten Einzelfalls auch die Vorbeugung gegenüber solchem missbräuchlichen Verhalten umfassen (BGH, Urt. v. 3.2.2004 – VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449; Urt. v. 4.5.1999 – VI ZR 379/98, NJW 1999, 2364; Urt. v. 19.2.1991 – VI ZR 171/90, VersR 1991, 559; Urt. v. 21.2.1978 – VI ZR 202/76 – VersR 1978, 561 f.). Lediglich ein gänzlich unvernünftiges, äußerst leichtfertiges Verhalten von Kindern und Jugendlichen muss der Verkehrssicherungspflichtige in seine Überlegungen zur Gefahrenabwehr nicht einbeziehen (OLG Saarbrücken, MDR 2006, 517; OLG Rostock, MDR 2000, 764; OLG Köln, VersR 1992, 1241 f.).

b) Nach diesen Maßstäben wurde die Beklagte ihrer Verkehrssicherung nicht gerecht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte in der Person des Hausmeisters – des Zeugen H. – am fraglichen Unfalltag keinerlei Maßnahmen traf, um den Spielbetrieb des Turniers und das Verhalten der Zuschauer zu kontrollieren. Vielmehr beschränkte sie sich darauf, dem Veranstalter des Turniers die Unterzeichnung der Haftungserklärung abzuverlangen. Obwohl die Erfahrungen der Vergangenheit erhebliche Zweifel aufwarfen, ob der jeweilige Veranstalter der ihm obliegenden Verkehrssicherung in ausreichendem Maße nachkommen werde, nahm die Beklagte zumindest am Unfalltag von einer eigenständigen Kontrolle Abstand. Dazu sind im Einzelnen folgende Erwägungen maßgeblich:

aa) Das stählerne Gestänge der Tribüne stellt eine objektive Gefahrenstelle für alle diejenigen dar, die sich unter der Tribüne aufhalten. Die Fotokopien der Lichtbilder zeigen eine aus zahlreichen waagerechten und senkrechten Vierkantrohren verschiedener Länge bestehende Stahlkonstruktion, die nicht nur Stolpergefahren, sondern auch die Gefahr, sich beim Sturz durch den harten Aufprall ernsthaft zu verletzen, in sich birgt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts übersteigt die von der Tribüne ausgehende Gefahr das allgemeine Risiko bei weitem, welchem sich Kinder bei körperlichen Aktivitäten, insbesondere beim Spielen im Bereich von Treppen unvermeidbar aussetzen: Eine Treppe lädt nicht zum Klettern ein. Darüber hinaus sind die Gefahren einer Treppe selbst für kleine Kinder eher beherrschbar, weil Treppenanlagen im öffentlichen und privaten Umfeld gewissermaßen allgegenwärtig angetroffen werden. Mithin haben Kinder von Beginn ihrer ersten Gehversuche an Gelegenheit, sich mit den Gefahren einer Treppe intuitiv vertraut zu machen. Auch der Vergleich mit Spielgeräten auf einem Spielplatz trifft nicht den Kern, da die bestimmungsgemäß zum Klettern und Spielen aufgestellten Einrichtungen spezifischen Sicherheitsanforderungen genügen müssen.

bb) Aus Sicht eines Kindes erweckt das Gestänge der Tribüne einen ausgesprochenen Anreiz zum Spielen: Der Senat teilt die Auffassung der Berufung, wonach der Unterbau der Tribüne aus der Sicht eines Kindes die Merkmale eines Klettergerüstes erfüllt und einen Höhleneffekt vermittelt.

cc) Für die richtige Bestimmung der am konkreten Unfalltag geschuldeten Verkehrssicherung ist weiterhin von Bedeutung, dass die Halle dem Veranstalter zum Zwecke eines Jugendfußballturniers überlassen wurde. Nach der glaubhaften Aussage der Zeugin S. nahmen vier bis sechs Mannschaften mit fünf bis acht Kindern im Alter zwischen vier und sechs Jahren teil. Es befanden sich – ohne Berücksichtigung der Kinder, die wie die Klägerin nur zum Zuschauen in der Halle waren – nach vorsichtiger Einschätzung zumindest 20 unmittelbar am Turnier teilnehmende Kinder in der Halle, von denen jeweils allenfalls die Hälfte zeitgleich in das Spielgeschehen eingebunden war. Die Kinder mussten die spielfreien Intervalle im Innenraum der Halle überbrücken. Angesichts dieser Situation hat die Auffassung des Landgerichts keinen Bestand, die verkehrssicherungspflichtige Beklagte habe darauf vertrauen dürfen, dass zumindest die in der Halle anwesenden Aufsichtspflichtigen die Kinder von einem Betreten der Tribünenunterkonstruktion abhalten würden: Es widerspricht der Lebenserfahrung, dass vor allem Kinder der vorgenannten Altersstufe längere Zeit ruhig auf einer Bank am Spielfeldrand sitzen bleiben. Auch konnte die Beklagte vernünftigerweise nicht erwarten, dass alle in der Halle anwesenden Kinder in der Begleitung einer Aufsichtsperson erschienen.

dd) Entgegen der Auffassung des Landgerichts waren die Anforderungen an eine ausreichende Verkehrssicherung nicht mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden. Bereits die tatsächliche Prämisse des Landgerichts trifft nicht zu: In der konkreten Situation war die gebotene Verkehrssicherung nicht allein durch aufwändige, technische Umbaumaßnahmen an den Tribünen selbst zu erreichen. Auch eine hinreichende Aufsicht im Hallenraum hätte den Gefahren wirksam begegnet. Letztlich kann die fehlende Finanzkraft der öffentlichen Hand ebenso wenig wie das Interesse, öffentliche Einrichtungen bestimmungsgemäß zu benutzen, eine Rechtfertigung dafür sein, Kinder erheblichen Gefahren auszusetzen.

c) Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, sie habe sich zu Lasten der Streitverkündeten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflichten freigezeichnet:

aa) Die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht auf einen anderen bedarf der klaren Absprache, die die Sicherung der Gefahrenquelle zuverlässig garantiert; auch nach der Delegation der Verkehrssicherung bleibt der Eigentümer zur Kontrolle und Überwachung verpflichtet (BGHZ 142, 233; 110, 114, 121 f.; Urt. v. 17.1.1989 – VI ZR 186/88, NJW-RR 1989, 394; OLG Nürnberg, VersR 1996, 900; Palandt/Sprau, § 823 Rdnr. 50, 52). Zwar sind die Anforderungen an die Kontrollpflicht nicht zu überspannen: Ohne konkrete Anhaltspunkte auf bestehende Sicherheitsrisiken darf sich der Eigentümer auf eine Überprüfung der wesentlichen Aspekte beschränken.

bb) Bereits das erste Kriterium einer wirksamen Freizeichnung ist nicht hinreichend dargetan: Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Wahrnehmung ihrer Verkehrssicherungspflichten zu Lasten der Streitverkündeten explizit freigezeichnet hat. Die Haftungserklärung (Bl. 22 f. d. A.) enthält an keiner Stelle einen Hinweis darauf, dass die Beklagte von den jeweiligen Hallenbenutzern eine Übernahme der dem Hallenbetreiber obliegenden Verkehrssicherungspflichten erwartet. Die Funktion der Haftungserklärung besteht ausschließlich darin, sich in pauschaler Weise von der eigenen Haftung freizuzeichnen ohne aufzuzeigen, dass die Beklagte gewissermaßen als Gegenleistung für die Freizeichnung eine eigene Verkehrssicherung durch die Veranstalter erwartet. Erst recht fehlt es an einer Beschreibung, welche konkreten Sicherungsmaßnahmen ein Hallenbetreiber ergreifen muss.

c) Letztlich steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Beklagte zumindest am fraglichen Unfalltag – eine wirksame Delegation der Verkehrssicherungspflichten unterstellt – ihren verbleibenden eigenen Kontroll- und Überwachungspflichten nicht nachkam: Die Zeugin S. hat glaubhaft ausgesagt, sie habe den Hausmeister noch nie, insbesondere nicht am Unfalltag in der Halle gesehen. Diejenigen Kinder, die gerade nicht gespielt hätten, seien in der Halle umhergerannt. Niemand habe den Kindern gesagt, dass sie nicht unter die Tribüne laufen sollten. Die Aussage steht mit der ebenfalls glaubhaften Aussage des Zeugen H. im Einklang. Auch dieser Zeuge hat bestätigt, dass in der Sporthalle regelmäßig beim Kindersport ein reges Treiben herrschte, welches die Gefahr von Verletzungen manifest heraufbeschwor („ich kann gar nicht sagen, was alles passiert, insbesondere was die Kinder veranstalten, wenn jeweils die andere Mannschaft spielt“). Offensichtlich war selbst der Zeuge – obwohl er sich nach Kräften bemühte – außer Stande, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Diesen Schluss legt die Aussage des Zeugen nahe, wonach er sich gedacht habe, „was müssen die Kinder einen guten Schutzengel haben“. Schließlich konnte sich der Zeuge nicht mehr erinnern, ob er am Unfalltag überhaupt in der Halle war.

Zusammenfassend zeigt das Ergebnis der Beweisaufnahme erhebliche Defizite in der Verkehrssicherung der Sporthalle auf: Zum Schutz der Kinder ist es nicht hinzunehmen, dass sich die Beklagte auf eine förmliche Übertragung der Verkehrssicherungspflicht zurückzieht, obwohl für alle Verantwortlichen mit Händen zu greifen war, dass vor allem Veranstalter von Jugendturnieren ihrer Pflicht zur Verkehrssicherung nicht hinreichend nachkamen. Der letzte Aspekt begründet zugleich den Fahrlässigkeitsvorwurf i. S. des §§ 839 Abs. 1, 823 Abs. 1 276 Abs. 2 BGB.

4. Weiterhin ist die Haftung der Beklagten nicht deshalb zu mindern, weil sich die gesetzliche Vertreterin der Klägerin eine Verletzung der ihr selbst obliegenden Aufsichtspflicht vorwerfen lassen müsste. Da § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Rechtsgrundverweisung enthält, kommt eine Zurechnung einer elterlichen Pflichtverletzung im Regelfalle nur dann in Betracht, wenn zwischen dem Aussichtsbedürftigen und dem Schuldner der Verkehrssicherungspflicht eine Sonderverbindung besteht (MünchKomm(BGB)/Wagner, 4. Aufl., § 832 Rdnr. 7). Daran fehlt es hier: Ein Schuldverhältnis zwischen der Beklagten und der Mutter der Klägerin, welches die Erfüllung von Aufsichtspflichten zum Gegenstand hat, ist nicht ersichtlich.

5. Schließlich ist der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Gesundheitsbeeinträchtigung und Verkehrspflichtverletzung nachgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass sich die Klägerin die im Krankenhaus diagnostizierten erheblichen Verletzungen beim Spielen im Bereich der Tribüne zuzog.

a) Die Überzeugung des Senats beruht zum einen auf der Aussage der Klägerin. Diese hat glaubhaft bestätigt, sie habe in der Halle Fangen gespielt und sei unter der Bühne durch gelaufen. Dabei sei die auf eine Stange gefallen und habe an der Brust und auf der linken Seite Schmerzen verspürt. Sie habe keine Luft mehr bekommen, sei danach bis zur Tür gekrabbelt und dort ruhig sitzen geblieben. Die Zeugin S. habe die Klägerin schon von der Halle aus ins Krankenhaus fahren wollen, was die Klägerin jedoch abgelehnt habe. Zuhause angekommen habe die Klägerin sich weiter krank gefühlt. Dann sei ins Krankenhaus gefahren.

b) Die Aussage steht in Einklang mit der gleichfalls glaubhaften Aussage der Zeugin S.. Zwar hat diese Zeugin den Sturz der Klägerin nicht mit eigenen Augen gesehen. Dennoch hat sie das auffällige Verhalten der Klägerin in der Sporthalle bestätigt und bekundet, zusammen mit der Mutter der Klägerin noch am gleichen Tag ins Krankenhaus gefahren zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass die im Krankenhaus diagnostizierten Verletzungen auf einer anderen Ursache beruhen könnten, sind bei dieser Beweislage nicht ersichtlich.

6. Zum Ausgleich der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen erachtet der Senat ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR für erforderlich, aber auch für ausreichend:

a) Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist von folgenden Grundsätzen auszugehen. Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Daneben trägt die Anerkennung eines Schmerzensgeldes dem Gedanken Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat (vgl. BGHZ 18, 149 (154 ff); Geigel-Pardey, Der Haftpflichtprozess, 24. Auflage, Kap. 7, Rdnr. 35; Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 22. Auflage, S. 10 f; Slizyk, Beck’sche Schmerzensgeld-Tabelle, 4. Auflage, S. 5).

Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien (vgl. BGHZ 18, 149 (154); Slizyk, aaO., S. 7). Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit (vgl. Slizyk, aaO., S. 7) ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren (Hacks/Ring/Böhm, aaO., S. 10 f; Geigel-Pardey, aaO., Kap. 7, Rdnr. 37 ff).

Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. Slizyk, aaO., S. 7; Geigel-Pardey, aaO., Kap. 7, Rdnr. 37 ff). Hierbei kommt es naturgemäß auch auf das Alter des Geschädigten an: Die Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden (vgl. Slizyk, aaO., S. 8 – 11). Wegen der Genugtuungsfunktion sind ferner das Maß des Verschuldens des Schädigers, die Höhe eines Mitverschuldens des Verletzten sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten heranzuziehen (vgl. Hacks/Ring/Böhm, aaO., S. 11 u. 12 f; Slizyk, aaO., S. 14 – 28).

Bei der Schmerzensgeldbemessung verbietet sich eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten „richtigen“ Schmerzensgeldhöhe zu führen (vgl. BGH, VersR 1976, 967; VersR 1986, 59; Slizyk, aaO., S. 7; Geigel-Pardey, aaO., Kap. 7, Rdnr. 54).

b) Im Einzelnen sind im vorliegend zu beurteilenden Fall folgende Aspekte maßgeblich:

Nach den ärztlichen Feststellungen, deren Richtigkeit nicht in Zweifel gezogen wird, zog sich die Klägerin bei ihrem Sturz an drei Stellen eine Nierenruptur sowie eine Ruptur des Harnleiters zu. Sie musste sich vom Unfalltag an ca. anderthalb Monate in stationäre Behandlung begeben. Im Klinikum S1 wurde eine Reihe von Operationen erforderlich. Gerade im kindlichen Alter wird ein Krankenhausaufenthalt, der notwendigerweise mit einer Trennung von der Familie und der vertrauten Umgebung verbunden ist, als besonders belastend empfunden. Denn einem Kind fehlt regelmäßig die Einsicht, dass der Krankenhausaufenthalt vernünftig und im Dienste der Wiederherstellung der Gesundheit einem positiven, erstrebenswerten Ziel dient. Noch bis Anfang Mai 2003 litt die Klägerin unter erheblichen Fieberattacken, die eine wochenlange Medikation mit Antibiotika erforderlich werden ließ. Nach der glaubhaften Aussage der Mutter der Klägerin befindet sich die Klägerin noch heute – drei Jahre nach dem Unfall – wegen der Verletzungsfolgen in ärztlicher Behandlung. All dies rechtfertigt ein Schmerzensgeld, welches das in der Rechtsprechung zum Ausgleich etwa vollständig ausgeheilter Verletzungen, insbesondere Knochenbrüchen zuerkannte deutlich übersteigt. Ein höheres Schmerzensgeld kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in Betracht, da nicht abzuschätzen ist, ob die Klägerin Dauerschäden davontragen wird. Auch ist nicht bewiesen – und demnach bei der Schmerzensgeldsberechnung nicht berücksichtigungsfähig – ob die in der mündlichen Verhandlung angesprochene starke Gewichtszunahme der Klägerin auf eine unfallursächliche Schädigung der Nebennieren zurückzuführen ist (zur Kasuistik wurden folgende Entscheidungen herangezogen: Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 23. Aufl., Nr. 1977, Nr. 2028, Nr. 2086, Nr. 2093; OLGR Celle 2005, 2006; OLG Hamm NZV 2006, 35).

7. Auch die auf Feststellung gerichtete Klage ist begründet: Das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin leitet sich aus der verjährungshemmenden Wirkung einer auf Feststellung gerichteten Klage her (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). An den Nachweis künftiger, der Verjährung unterliegender Ansprüche sind keine strengen Anforderungen zu stellen. So genügt es, wenn dem Kläger aus der Verletzung eines absoluten Rechtsgutes künftig auch nur entfernt ein wie auch immer gearteter Schaden droht (BGH, Urt. v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431 f.; Zöller/Greger, aaO., § 256 Rdnr. 8a). Diese Schwelle wird im vorliegenden Fall überschritten.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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