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Verweis auf die Spot-Repair-Methode bei Kleinstschäden

Landgericht Wuppertal – Az: 9 S 134/14 – Urteil vom 18.12.2014

Zusammenfassung:

Bei der Spot-Repair-Methode handelt es sich um eine Möglichkeit der Lackierung eines kleinen Bereichs eines Fahrzeuges ohne dass eine Lackierung des gesamten Blechs erforderlich wäre. Im vorliegenden Rechtsstreit, der vor dem Landgericht Wuppertal in zweiter Instanz ausgetragen wurde, war fraglich, ob der Kläger sich auf diese günstige Möglichkeit der Reparatur bei fiktiver Abrechnung verweisen lassen muss oder ob er das beschädigte Fahrzeugteil „klassisch“ lackieren lassen kann.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Remscheid vom 16.05.2014 (Az. 20 C 64/13) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

LackierungDer Kläger macht Schadensersatzansprüche aufgrund eines Ereignisses in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai 2012 geltend. Die Beklagte war in dieser Nacht Beifahrerin im PKW des Klägers, einem VW Polo. Als der Kläger an der Bushaltestelle „Xxx“ in S anhielt und die Beklagte aussteigen wollte, geriet die Unterkante der Beifahrertür mit dem Bordstein in Kontakt und es entstand eine Lackbeschädigung. Der Kläger macht in der Hauptsache diesbezügliche Reparaturkosten i.H.v. 897,53 EUR (netto) sowie eine Auslagenpauschale von 25 EUR geltend. Die Beklagte hat den Anspruch in Höhe von 303,06 EUR anerkannt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage in der Hauptsache abgewiesen, soweit sie nicht anerkannt wurde. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte durch Öffnen der Tür das Fahrzeug des Klägers fahrlässig beschädigt habe. Der am Fahrzeug eingetretene Schaden belaufe sich jedoch auf lediglich 303,06 EUR zuzüglich der Auslagenpauschale von 25 EUR, wobei der Schaden um 20 % zu kürzen sei (womit der Schadensersatzanspruch unter dem anerkannten Betrag liege). Nach den Ausführungen des Sachverständigen M könne der Schaden fachgerecht in einer S VW-Vertragswerkstatt für den genannten (Netto-) Betrag repariert werden. Bei der vom Sachverständigen hierzu benannten Spot-Repair-Methode handele es sich um eine den Herstellervorgaben entsprechende Reparaturmethode. Dem Antrag des Klägers, den Zeugen N dazu zu vernehmen, dass zur Schadensbeseitigung der geltend gemachte Betrag aufzubringen sei, sei nicht nachzugehen gewesen. Die Frage, in welcher Höhe am klägerischen Fahrzeug Schäden eingetreten sind, müsse aufgrund sachkundiger Bewertung erfolgen. Die Kürzung des Schadensersatzanspruchs um 20 % ergebe sich daraus, dass der Kläger sich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anrechnen lassen müsse.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Hauptsache Zahlung von weiteren 619,47 EUR verlangt. Eine Mithaftung aus Betriebsgefahr bestehe nicht, da das Fahrzeug bereits gestanden habe und der Motor ausgeschaltet gewesen sei, als der Schaden verursacht worden sei. Zudem habe sich nicht die vom Fahrzeug selbst ausgehende Gefahr verwirklicht. Zur Schadenshöhe habe das Amtsgericht versäumt, den Zweifeln an dem eingeholten Sachverständigengutachten nachzugehen. Es hätte den Zeugen N zum Beweis der Tatsache vernehmen müssen, dass die vom Sachverständigen vorgeschlagene Spot-Repair-Methode durch eine markengebundenen Fachwerkstatt nicht durchgeführt werde, da sie nicht den Herstellervorgaben entspreche. Der Kläger müsse sich nicht auf eine freie Werkstatt und auch nicht auf eine Werkstatt außerhalb von S verweisen lassen. Zudem habe der Zeuge N, auf den sich auch der Sachverständige bezogen hatte, gegenüber dem Zeugen Q mitgeteilt, dass das Fahrzeug im günstigsten Fall für den geltend gemachten Betrag repariert werden könne. Der Zeuge N habe mitgeteilt, entgegen den Angaben des Sachverständigen nicht mit diesem gesprochen zu haben.

Von einer weiteren Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht höhere Schadensersatzansprüche zurückgewiesen.

Soweit das Amtsgericht den Zeugen N nicht zur Schadenshöhe vernommen hat, so hat es zutreffend darauf abgestellt, dass deren Bewertung dem Gericht obliegt, und zwar auf Basis des Gutachtens des Sachverständigen M.

Dessen Feststellungen, dass vorliegend eine Spot-Reparatur möglich ist und diese zu den angegebenen Kosten durchgeführt werden kann, begegnen keinen Bedenken. Zwar war der Zeuge N nicht nur für die vom Kläger geltend gemachte Schadenshöhe benannt worden, sondern gerade auch dafür, dass der Sachverständige M, der sich ausdrücklich auf ihn bezogen hat, gar nicht mit dem Zeugen über das klägerische Fahrzeug gesprochen habe und er entgegen den Angaben des Sachverständigen keine Spot-Reparatur durchführen würde. Insoweit ist es grundsätzlich Aufgabe des Gerichts, Zweifel an den vom Sachverständigen ermittelten und zugrundegelegten Befundtatsachen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 402, Rn. 5d) aufzuklären. Allerdings waren vorliegend die Feststellungen des Sachverständigen im Ergebnis auch dann überzeugend, wenn der Sachverständige tatsächlich nicht mit dem Zeugen N gesprochen haben sollte und dieser ihm nicht zugesagt haben sollte, dass eine Spot-Reparatur bei der VW-Vertragswerkstatt O in T durchgeführt werden könne. Denn nach den Ausführungen des Sachverständigen im Ergänzungsgutachten vom 08.01.2014 handelt es sich bei der Spot-Reparatur um eine sach- und fachgerechte Instandsetzung auf kleinem Bereich. Es handelt sich also um eine „normale“ Lackierung, die lediglich auf lokal sehr eng begrenztem Raum stattfindet. Diese kann nach Mitteilung des Sachverständigen nicht nur bei der Firma O in T durchgeführt werden, sondern auch bei den Firmen E und F in S. Es ist nicht ersichtlich, dass auch diese Feststellung des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen wäre.

Nach den insoweit überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen wäre die Reparatur also jedenfalls bei zwei konkret benannten Fachwerkstätten in S möglich. Dass es sich hierbei offenbar nicht um VW-Vertragswerkstätten handelt, ist unerheblich. Zur Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht i.S. des § 254 Abs. 2 BGB bei der (fiktiven) Schadensabrechnung zumutbar ist, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, ist eine differenzierte Betrachtungsweise geboten, die sowohl dem Interesse des Geschädigten an einer Totalreparation als auch dem Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens angemessen Rechnung trägt (vgl. BGH, NJW 2010, 606). Daraus folgt, dass sich der Geschädigte bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen (bis zum Alter von drei Jahren) im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen muss, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten (BGH, aaO). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger auch vorliegend ein Anspruch auf eine Durchführung der Reparatur in einer VW-Vertragswerkstatt hätte. Denn vorliegend handelt es sich um einen Kleinst-Schaden, der mit minimalem Reparaturaufwand – wie vom Sachverständigen festgestellt – behoben werden kann. Die Beklagte darauf zu verweisen, dass der Kläger einen Anspruch habe, diesen Kleinst-Schaden in einer VW-Vertragswerkstatt zu (angeblich) deutlich höheren Kosten beseitigen zu lassen, würde der vorgenannten Interessenabwägung nicht gerecht. Denn dass dem Kläger deswegen bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten entstehen könnten, hat dieser nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Zur Behebung des Schadens ist lediglich eine oberflächliche Lackierung erforderlich, die selbst dann, wenn sie nicht fachgerecht (etwa mit einem Lackstift) durchgeführt würde, nicht geeignet erscheint, irgendwelche Probleme hervorzurufen.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht dem Kläger ein Mitverschulden in Höhe von 20 % auferlegt hat. Tatsächlich dürfte das Mitverschulden des Klägers noch (deutlich) höher anzusetzen sein, als vom Amtsgericht angenommen. Die Annahme einer höheren Mitverschuldensquote ist, solange sich daraus keine für den Rechtsmittelkläger nachteilige Änderung der Gesamtsumme ergibt, im Berufungsverfahren möglich, auch wenn keine Anschlussberufung eingelegt wurde. Denn in einer Änderung der Begründung ist kein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (Verbot der reformatio in peius) zu sehen (BGH, VersR 1961, 374; vgl. auch Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 528, Rn. 33 „Änderung der Entscheidungsgründe“). Die Annahme einer höheren Mitverschuldensquote erscheint vorliegend deswegen angezeigt, weil den Kläger gerade nicht nur Betriebsgefahr seines Fahrzeuges trifft. Vielmehr war er es, der eigenverantwortlich diejenige Stelle bestimmt hat, an welcher er das Fahrzeug anhalten wollte und die Beklagte aussteigen sollte. Dabei oblag es ihm als Fahrer, hierfür eine Stelle zu wählen, bei der ein gefahrloses Aussteigen (für Fahrzeug und Mensch) möglich ist. Die Beklagte konnte als Beifahrerin diese Entscheidung nur sehr bedingt überprüfen. Insbesondere widerspricht es jeder Lebenserfahrung, von einem Beifahrer zu verlangen, die Tür jeweils so langsam zu öffnen, dass ein Anstoß mit dem Bordstein nicht zu einer (minimalen) Beschädigung führt. Denn üblicherweise besteht beim Aussteigen allenfalls die Gefahr, dass die Tür gegen ein seitlich des Fahrzeugs befindliches Hindernis (z.B. andere Fahrzeuge oder Poller) stößt, während der Luftraum zum Bordstein in aller Regel ausreichend ist. Hält der Fahrer – wie hier an einer Bushaltestelle mit erhöhtem Bordstein – an einer Stelle an, bei der dies nicht der Fall ist, so trifft das Verschulden für eine Beschädigung in erster Linie ihn wegen einer fehlerhaften Auswahl der Anhaltestelle bzw. wegen eines unterlassenen Hinweises auf die besonderen beim Öffnen der Tür bestehenden Gefahren.

Würde man insoweit – was angemessen erscheint – die Verursachungsbeiträge der Parteien mit 30:70 zu Lasten des Klägers bemessen, so bestünde auch bei Zugrundelegung der vom Kläger geltend gemachten Schadenshöhe kein Anspruch mehr auf weitere Zahlungen. Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, da der Kläger sich bereits nicht auf einen höheren Schaden, als vom Amtsgericht zugebilligt, berufen kann.

Mangels weiter gehender Ansprüche in der Hauptforderung kann der Kläger auch keine Abänderung des Urteils hinsichtlich der Nebenforderung (Anwaltskosten) verlangen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 619,47 EUR


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