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Stadionverbot – Hausfriedensbruch


Hausfriedensbruch

Zusammenfassung:

Unter welchen Voraussetzungen kann ein Fußballverein ein Stadionverbot gegen einzelne Fans verhängen? Wann kann das Stadionverbot mit Erfolg zum Anlass genommen werden bei einem erneuten Besuch des Fußballstadions einen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch zu stellen? Ist es für die Wirksamkeit des Stadionverbots erforderlich, dass sicher feststeht, dass der Fußballfan an Ausschreitungen direkt beteiligt war?


Oberlandesgericht Dresden

Az: 2 OLG 21 Ss 506/15

Urteil vom 11.03.2016


Tenor

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 24. März 2015 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Berufungskammer des Landgerichts zurückverwiesen.


Gründe

I.

Das Amtsgericht Leipzig hatte den Angeklagten am 18. Juni 2014 wegen Hausfriedensbruchs zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 33,- € verurteilt, weil er am 05. Juli 2013 das Leipziger Bruno-Plache-Stadion betreten hatte, obwohl ihm der Hausrechtsinhaber, der Fußballverein „1. FC Lokomotive Leipzig e.V.“, am 21. Februar 2007 durch seinen Vorstand ein entsprechendes Hausverbot ausgesprochen hatte. Der Vereinsvorstand hatte Strafantrag gestellt.

Am 24. März 2015 hat das Landgericht den Angeklagten in der Berufungsinstanz unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils freigesprochen. Das 2007 individuell erteilte Hausverbot gegen ihn sei unwirksam gewesen, weil es an einem sachlichen Grund für seinen Ausschluss aus dem Bruno-Plache-Stadion gefehlt habe.

Nach den Feststellungen der Berufungskammer war der Fußballverein 1. FC Lok Leipzig im Vorfeld der Auseinandersetzungen vom 10. Februar 2007 in der Öffentlichkeit immer mehr mit der „rechten Szene“ in Verbindung gebracht worden, wozu auch der Angeklagte als ehemaliges Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins mit seinem Auftreten als NPD-Mitglied erheblich beigetragen habe. Am 10. Februar 2007 kam es im Zusammenhang mit einem Fußballspiel zwischen dem 1. FC Lokomotive Leipzig und dem FC Erzgebirge Aue durch „Fans“ des 1. FC Lok Leipzig, welche dem politisch extrem rechten Spektrum zuzuordnen waren, zunächst innerhalb des Rudolf-Plache-Stadions, später im Leipziger Stadtgebiet zu gewalttätigen Ausschreitungen. Dabei attackierten Lok-Leipzig-Fans unter Einsatz von Pyrotechnik und Steinwürfen nicht nur die Fans der gegnerischen Mannschaft, sondern auch die zur Veranstaltungssicherung eingesetzten Polizeikräfte.

Um den Ruf des Vereins zu retten und sich von dieser Szene zu distanzieren, nahm der Vereinsvorstand die Ausschreitungen vom 10. Februar 2007 zum Anlass, gegen Lok-Fans, die nach seiner Einschätzung „der rechten Szene“ zuzuordnen waren, ein Hausverbot für das Rudolf-Plache-Stadion auszusprechen. Das Hausverbot gegen den Angeklagten sei – so die Berufungskammer – indes unwirksam gewesen, weil es voraussetze, dass konkret vom Angeklagten sicherheitsrelevante Störungen bei künftigen Fußballspielen zu erwarten seien, wofür es in Ermangelung von Nachweisen auf dessen individuelle Teilnahme an den Ausschreitungen vom 10. Februar 2007 jedoch keine Anhaltspunkte gegeben habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. Zu Unrecht geht das Landgericht von einer Unwirksamkeit des seinerzeit durch den Vereinsvorstand gegen den Angeklagten verhängten Hausverbots für das Rudolf-Plache-Stadion aus.

Dem Verein, vertreten durch seinen Vorstand, als Inhaber des Hausrechts steht bei dessen Ausübung ein eigenständiger Ermessenspielraum zu, wenngleich unter Beachtung der Drittwirkung der Grundrechte eines vom Verbot Betroffenen.

Bei Fußballspielen gewährt nämlich der Veranstalter in Ausübung der in Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Vertragsfreiheit grundsätzlich jedermann (gegen Bezahlung) den Zutritt zum Stadion. Will er bestimmte Personen davon ausschließen, so muss er deren mittelbar in das Zivilrecht einwirkende Grundrechte beachten; das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eines Betroffenen und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gleichbehandlung lassen es nicht zu, einen einzelnen Zuschauer willkürlich auszuschließen (BGH VersR 2010, 825, zum bundesweiten Stadionverbot). Ein derartiges Willkürverbot gilt ganz allgemein bei Hausverboten, wenn eine zuvor erfolgte Publikumsöffnung die Privatautonomie des Hausrechtsinhabers beschränkt (so für ein Hotel BGH MDR 2012, 570 f.).

Das dem Angeklagten erteilte Hausverbot war unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe aber weder willkürlich noch unwirksam.

1. Wie das Landgericht zutreffend unter Bezugnahme auf das vorstehend genannte Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH VersR 2010, 825) ausgeführt hat, setzt die Verhängung eines Hausverbots, das seine Grundlage in einem Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB hat, voraus, dass eine künftige Störung zu besorgen ist. Konkret geht es darum, potentielle Störer auszuschließen, welche die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf von Großveranstaltungen wie einem Liga-Fußballspiel gefährden können. Daran hat der Veranstalter ein schützenswertes Interesse, weil ihn gegenüber allen Besuchern Schutzpflichten treffen, sie vor Übergriffen randalierender und gewaltbereiter „Fans“ zu bewahren. Solche Schutzpflichten bestehen entweder aufgrund Vertrages mit den Besuchern der Veranstaltung oder unter dem Gesichtspunkt allgemeiner Verkehrssicherungspflichten. Ein sachlicher Grund für ein Stadionverbot besteht daher, wenn aufgrund von objektiven Tatsachen, nicht aufgrund bloßer subjektiver Befürchtungen, die Gefahr besteht, dass künftige Störungen durch die betreffenden Personen zu besorgen sind.

Die nachfolgenden Erwägungen der Berufungskammer aber greifen zu kurz, wenn sie die Wirksamkeit des Verbots allein daran anknüpfen will, dass der Angeklagte an den Ausschreitungen hätte nachweisbar individuell beteiligt gewesen sein müssen, weil anderenfalls belastbare Anhaltspunkte für eine von ihm ausgehende Gefahr künftiger sicherheitsrelevanter Störungen nicht gegeben seien. Anknüpfungspunkt für das Stadionverbot ist nämlich nicht die Verwirklichung eines Straftatbestandes (hier: Landfriedensbruch), vielmehr wird eine derartige Gefahr schon regelmäßig bei vorangegangenen rechtswidrigen Beeinträchtigungen vermutet (BGH a.a.O.). Das ergibt sich aus den Besonderheiten sportlicher Großveranstaltungen, insbesondere von Fußballgroßereignissen. Diese werden häufig zum Anlass für Ausschreitungen genommen. Dabei sind an die Annahme einer Gefahr von Störungen keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Insofern sind andere Maßstäbe anzuwenden als bei der strafrechtlichen Sanktionierung von Störungen bei früheren Spielen. Denn Stadionverbote können eine nennenswerte präventive Wirkung nur dann erzielen, wenn sie auch gegen solche Besucher ausgesprochen werden, die zwar nicht wegen einer Straftat belangt werden, deren bisheriges Verhalten aber besorgen lässt, dass sie bei künftigen Spielen sicherheitsrelevante Störungen verursachen werden (BGH a.a.O.).

So lag der Fall hier.

Der Verein suchte sich im Rahmen seiner Privatautonomie von den Fußball“fans“ aus der „rechten“ Szene, aus deren Gruppe heraus wiederholt massive Gewalttaten verübt worden waren, zu distanzieren, weil diese Übergriffe zu einem Problem für das Ansehen des Vereins in der Öffentlichkeit geworden waren. Dabei war der Angeklagte auch nicht zufällig zu dieser Gruppe gerechnet worden; vielmehr war Anknüpfungspunkt für die Verhängung des Stadionverbots gegen ihn der Umstand, dass er der Vereinsführung als (aktiver) NPD-Funktionär bekannt und damit die Annahme gerechtfertigt war, dass er sich bei Fußballveranstaltungen in einem zu Gewalttätigkeiten neigenden Umfeld bewegte und von ihm deshalb künftige, Dritte gefährdende Störungen zu besorgen sind. Auf den Nachweis, er habe sich an den aus der Gruppe heraus begangenen Gewalttätigkeiten beteiligt, kommt es nicht an. Das stadionbezogene Hausverbot war als ansehensfördernde Maßnahme des Vereinsvorstands sachlich begründet und auch gegenüber dem Angeklagten vom Übermaßverbot nicht berührt.

2. Einer möglichen Strafbarkeit des verfahrensgegenständlichen Verstoßes vom 03. Juli 2013 gegen das 2007 wirksam verhängte Verbot steht im Hinblick auf sein zeitliches Ausmaß auch unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung der Umstand nicht entgegen, dass nach den seinerzeit geltenden Richtlinien des Deutschen Fußballbundes zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten eine zeitliche Obergrenze von fünf Jahren bestand. Zum einen haben diese Richtlinien, in denen sich die Vereine bzw. Tochtergesellschaften der Fußballbundes- und -regionalligen gegenseitig zum Ausspruch des Verbots bevollmächtigt haben, im Verhältnis zum Angeklagten keine unmittelbare Geltung. Zum anderen sind sie auch für die Gerichte nicht verbindlich.

Das stadionbezogene Hausverbot beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 BGB) und ermöglicht seinem Inhaber, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt zu der Örtlichkeit gestattet und wem er ihn verwehrt (BGH NJW 2006, 1054 m.w.N.; zu Stadionverboten LG Duisburg vom 22. Juli 2005 – Az.: 7 S 63/05 – juris Rdnr. 50). Das gilt auch, wenn – wie bei dem Besuch eines Fußballspiels – der Zutritt aufgrund eines Vertragsverhältnisses mit dem Hausrechtsinhaber gewährt wird. Entscheidend sind damit nicht die Richtlinien, sondern die konkreten Umstände. Solange das vom Hausrecht getragene Verbot nicht aufgehoben ist, hat es der Angeklagte zu respektieren; Verstöße können geahndet werden.

Im Hinblick darauf, dass die Berufungskammer – aus ihrer Sicht folgerichtig – eine weitere Sachaufklärung, insbesondere auch zum vom Angeklagten bestrittenen Erhalt des schriftlichen Verbotes, unterlassen hat, war die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.


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