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Stellenbewerber – Entschädigungsklage wegen Diskriminierung

Landesarbeitsgericht Hamburg

Az: H 3 Sa 102/07

Urteil vom 09.11.2007


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. April 2007 – 12 Ca 512/06 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung bei einer Stellenbewerbung.

Die Klägerin ist Softwareentwicklerin und hat sich bei der Beklagten am 5. Oktober 2006 aufgrund einer Stellenanzeige beworben. Wegen des Inhaltes der Anzeige wird auf die Klagschrift (Bl. 1 f. d. A.) verwiesen.

Am 11. Oktober 2006 bekam die Klägerin eine Absage von der Beklagten mit folgendem Wortlaut:

„Sehr geehrte Frau M.,

vielen Dank für Ihre Bewerbung und Ihr Interesse. Die Auswahl aufgrund der Vielzahl der Bewerbungen fiel nicht leicht. Leider sind Sie nicht in die engere Auswahl gekommen. Beim nächsten Mal werden Sie bestimmt das kleine Quäntchen mehr Glück haben. Wir drücken Ihnen für Ihre weitere berufliche Neuorientierung ganz fest die Daumen und wünschen Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen…“

Auf eine inhaltsgleiche Stellenanzeige im Internet schrieb die Klägerin die Beklagte erneut an. Wegen des Wortlauts dieser erneuten Bewerbung wird auf Seite 4 der Klagschrift verwiesen.

Am 20. Oktober 2006 erhielt die Klägerin eine Absage der Beklagten:

„Sehr geehrte Frau M.,

unsere Absage war weder voreilig noch unüberlegt. Wir haben eine Auswahl an Bewerbern getroffen, die wir zum Vorstellungsgespräch einladen. Aus diesem Kreis werden wir eine Auswahl treffen. Die Stellenanzeige ist von uns nicht wieder veröffentlicht worden. Wir haben eine Laufzeit von drei Monaten eingekauft, als wir diese geschaltet haben.

Vielen Dank nochmals für Ihr Interesse. Wir wünschen Ihnen für Ihre weitere Suche alles Gute und viel Erfolg!

Mit freundlichen Grüßen“

Die Klägerin hat vorgetragen, ihre berufliche Situation werde von der Beklagten völlig falsch als „Neuorientierung“ bezeichnet. Das bedeute, dass die Bewerbung von der Beklagten fahrlässig oder bewusst benachteiligend bearbeitet worden sei. Sie entspreche ideal den Anforderungen der Beklagten, es gebe objektiv keine geeigneteren Bewerber. Da die Beklagte dieser Behauptung nicht widerspreche, liege eine Benachteiligung gemäß eines der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Gründe vor. Die Beklagte müsse ihr sechs Monatsgehälter als Entschädigung für diese Benachteiligung zahlen. Ein angemessenes Monatsgehalt für einen Softwareentwickler betrage ca. 3.000,00 EUR. Daher müsse die Entschädigung 18.000,00 EUR betragen.

Weiter hat die Klägerin verlangt, die Beklagte zu verpflichten, ihr und dem Gericht die Bewerbungsunterlagen des von ihr aufgrund der Stellenanzeige im Oktober 2006 als Softwareentwickler eingestellten Bewerbers vorzulegen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 18.000,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem der Klägerin am 10. Mai 2007 zugestellten Urteil vom 11. April 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, eine Benachteiligung im Sinne von § 2 AGG sei aufgrund der Ausführungen der Klägerin nicht zu erkennen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Vorlage der übrigen Bewerbungsunterlagen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 6. Juni 2007 eingelegten und am 9. Juli 2007 begründeten Berufung.

Die Klägerin trägt vor, dass zumindest ein Anspruch auf Vorlage der Bewerbungsunterlagen des an ihrer Stelle ausgewählten Bewerbers bestehe. Sie habe nämlich zahlreiche Indizien benannt, die ihre Benachteiligung im Bewerbungsverfahren zeigten, so dass nunmehr die Beklagte die Beweislast dafür treffe, dass tatsächlich keine Benachteiligung vorgelegen habe. Sie sei bestens für die ausgeschriebene Stelle qualifiziert gewesen. Trotzdem sei sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Die Benachteiligung sei besonders offenkundig, weil in ihrer Person drei typische Diskriminierungsmerkmale vereint seien: Sie sei eine Frau, sie sei über 45 Jahre alt und nichtdeutscher Herkunft. Die Vorlage der Bewerbungsunterlagen des ausgewählten Bewerbers hätte veranschaulicht, dass dieser nicht besser qualifiziert sei als sie. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht es unterlassen, den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des am 11. April 2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg – 12 Ca 512/06 – die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 18.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Sachvortrag der Klägerin in erster Instanz sei nicht schlüssig gewesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie ist zudem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit auch im Übrigen zulässig.

II.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist, dass der Arbeitgeber gegen das sich aus § 7 Abs. 1 i. V. m. § 1 AGG ergebende Benachteiligungsverbot verstößt. Erforderlich ist also eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Die Klägerin hat nicht schlüssig vorgetragen, dass eine Benachteiligung aus einem dieser Gründe erfolgt wäre oder dies jedenfalls vermutet werden könnte.

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Indizien, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt gemäß § 22 AGG diejenige Partei, die sich auf eine solche Benachteiligung beruft. § 22 AGG sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Auf der ersten Stufe steht der Nachweis einer Diskriminierungsvermutung durch den Arbeitnehmer. Gelingt dieser Nachweis, so trifft auf der zweiten Stufe den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Benachteiligung gerechtfertigt ist. § 22 AGG enthält keine vollständige Beweislastumkehr i.S. von § 292 ZPO. Vielmehr gewährt die Norm dem Arbeitnehmer „nur“ eine Beweiserleichterung hinsichtlich der Kausalität zwischen Arbeitgeberverhalten und Benachteiligung bzw. spezifischer Benachteiligungstendenz (§ 3 Abs. 2 AGG) in Form einer Absenkung des Beweismaßes (vgl. Grobys, Die Beweislast im Anti-Diskriminierungsprozess, NZA 2006, 898, 900).

Indizien, die eine unzulässige Benachteiligung vermuten ließen, hat die Klägerin weder schlüssig vorgetragen noch unter Beweis gestellt.

Insoweit gelten folgende Rechtsgrundsätze: Indizien, auf die sich der Anspruchsteller beruft, müssen substanziiert dargelegt und in vollem Umfang bewiesen werden. Behauptungen „ins Blaue hinein“ stellen keinen ausreichenden Tatsachenvortrag dar und sind deshalb nicht geeignet, die Vermutung einer verbotenen Benachteiligung zu begründen (Bauer u.a., AGG, § 22 Rn. 11). Allein die Behauptung der Zugehörigkeit zu einer durch das AGG geschützten Gruppe, sei es u.a. – wie vorliegend – hinsichtlich des Alters oder des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft reichen nicht aus, um die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Würde man eine solche Behauptung ausreichen lassen, könnte jeder, der zu der durch das Gesetz geschützten Personengruppe gehört und ein Merkmal, das nicht in die Entscheidung einfließen darf, erfüllt, ohne jeden weiteren Anhaltspunkt versuchen, seine angeblichen Rechte durchzusetzen (Bertzbach in Däubler/Bertzbach, AGG, § 22 Rn. 30).

Übertragen auf den vorliegenden Rechtsstreit bedeutet dies folgendes:

Weder in den Stellenausschreibungen noch in den Absageschreiben der Beklagten sind Anhaltspunkte enthalten, aus denen sich eine Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung ergeben könnte. Der Vortrag, dass die Klägerin als über 45 Jahre alte Frau nichtdeutscher Herkunft nicht zu einen Bewerbungsgespräch geladen wurde, reicht danach nicht aus, denn es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass Bewerber mit den persönlichen Merkmalen der Klägerin nur wegen dieser Merkmale nicht zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden. Dies gilt auch dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die Klägerin die für die ausgeschriebene Stelle erforderliche Qualifikation aufweist. Die Entscheidung eines Arbeitgebers, welche oder welchen Bewerber er zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, hängt nicht nur davon ab, ob die in einer Stellenausschreibung genannten Qualifikationen vorhanden sind. Maßgebend ist vielmehr auch, wie viele geeignete Bewerber vorhanden sind, welche dieser Bewerber möglicherweise über zusätzliche Qualifikationen verfügen und wie der Arbeitgeber anhand der ihm vorliegenden Bewerbungsunterlagen die Qualifikation einschätzt. Alle diese Umstände haben für sich mit den in § 1 AGG genannten Merkmalen nichts zu tun.

Die Behauptung der Klägerin, es gebe keinen geeigneteren Bewerber, erfolgt ins Blaue hinein. Es gibt außer der persönlichen Überzeugung der Klägerin von ihrer Qualifikation keinerlei Darlegungen der Klägerin dazu, warum es ausgeschlossen sein sollte, dass gleich oder besser geeignete Bewerber vorhanden gewesen sein sollten. Im Übrigen bestand auch keine besondere Veranlassung für die Beklagte, gerade die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Das von der Klägerin vorgelegte Arbeitszeugnis enthält keinesfalls eine überdurchschnittlich gute Beurteilung. Vielmehr ist die Leistungsbeurteilung der Firma S. GmbH nach der im Arbeitsleben üblichen Zeugnissprache lediglich im befriedigenden Bereich angesiedelt („zur vollen Zufriedenheit“).

Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagte ihr in ihrem Schreiben vom 11. Oktober 2006 für ihre berufliche „Neuorientierung“ alles Gute wünscht. Einen Bezug auf irgendein Merkmal im Sinne des § 1 AGG enthält diese Formulierung nicht. Wer sich auf eine ausgeschriebene Stelle bewirbt, will sich „neu orientieren“, denn in der Regel ist er entweder derzeit arbeitslos und sucht deswegen eine neue Stelle oder er bewirbt sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus und will sich also beruflich verändern. Das Wort „Neuorientierung“ im Absageschreiben der Beklagten stellt insofern nichts anderes dar als den höflich formulierten Wunsch der Beklagten, die Klägerin möge bei ihrer Suche Erfolg haben.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung gibt es auch keinen generellen Anspruch für Bewerber bzw. Bewerberinnen darauf, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Anderes folgt auch nicht aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 28.03.2000 (Rs. C-158/97 – NJW 2000, 1549). Zwar führt der EuGH unter Ziffer 62 folgendes aus: „Es handelt sich folglich um eine Bestimmung, die dadurch, dass sie bei gleicher Qualifikation sicherstellt, dass qualifizierte Frauen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden, die Chancengleichheit von Männern und Frauen im Sinne von Artikel 2 Absatz IV Richtlinie 76/207/EWGfördern soll.“ Diese Entscheidung betraf jedoch Einstellungsrichtlinien für den öffentlichen Dienst, über deren Vereinbarkeit mit der Richtlinie der EuGH zu befinden hatte. Ein Anspruch, generell zu Bewerbungsgesprächen nach einer Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle, deren Qualifikationsmerkmale erfüllt werden, geladen zu werden, besteht nicht und folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH.

Schließlich kommen der Klägerin auch keine Beweiserleichterungen im Sinne eines gegen die Beklagte gerichteten Auskunftsanspruches zu Gute. Von daher kann dahinstehen, ob ein derartiger Auskunftsanspruch durch gesonderte Klage geltend zu machen wäre oder ob – das Bestehen eines solchen Auskunftsanspruches unterstellt – sich hieraus lediglich eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast im Rahmen einer Entschädigungsklage nach § 15 AGG ergäbe.

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In der Literatur wird ein Auskunftsanspruch im Zusammenhang mit § 22 AGG überwiegend abgelehnt (Bauer a.a.O., § 22 Rn. 11; Falke in: Rust/Falke, AGG, § 22 Rn. 107 ff; Grobys a.a.O. S. 903). Zur Begründung wird ausgeführt, der Gesetzgeber habe bewusst keinen Auskunftsanspruch geregelt, sondern mit der Beweiserleichterung in § 22 AGG einen anderen Weg zur Durchsetzung von Ansprüchen bei „unklaren“ Sachverhalten vorgesehen. Ein nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladener Bewerber, der keine Kenntnis über die Person des eingestellten Bewerbers besitze, müsse sich auf andere Weise die benötigten Informationen beschaffen, etwa durch „Tipp“ des Betriebsrates (Bauer a.a.O.). Falke (a.a.O., Rn. 109) weist darauf hin, dass nach § 311 Abs. 2 BGB ein Schuldverhältnis auch durch Aufnahme von Vertragsverhandlungen entstehe. Daraus entstünden zwar Ansprüche auf vertrauliche Behandlung der personenbezogenen Informationen und auch ein Anspruch darauf, dass ausdrücklich als aussichtsreich eingestufte Verhandlungen nicht einfach abgebrochen werden dürften, ein Anspruch auf Information über den tatsächlich realisierten Vertrag lasse sich daraus jedoch nicht ableiten. Grobys (a.a.O.) vertritt die Auffassung, gegenüber außenstehenden Personen (z.B. abgelehnten Bewerbern) scheitere eine Auskunftspflicht unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Der Arbeitgeber könne schwerlich verpflichtet sein, sich ohne jeden Anhaltspunkt für ein unzulässiges Handeln möglicherweise gegenüber hunderten von Bewerbern bis ins Detail für eine getroffene Auswahlentscheidung rechtfertigen zu müssen. Dies käme einer Ausforschung durch Behauptung „ins Blaue hinein“ gleich, die mit der Regelung in § 22 AGG gerade verhindert werden solle. Außerdem bestünden Bedenken im Hinblick auf schutzwürdige (Persönlichkeits-) Interessen der Mitbewerber. § 22 AGG stelle eine in sich abgeschlossene und ausgewogene Regelung dar. Die zu Grunde liegenden Richtlinien, insbesondere die Beweislastrichtlinie, hätten sich offenkundig gegen einen allgemeinen Auskunftsanspruch entschieden. Dem Umstand, dass Arbeitnehmer nur eingeschränkten Einblick in bestimmte Verhältnisse hätten, werde in ausreichendem Maße mit der gesetzlichen Beweislastregel Rechnung getragen.

Demgegenüber vertritt Bertzbach (a.a.O., Rn. 28 f) die Auffassung, ein Auskunftsanspruch sei als Nebenpflicht aus dem Anbahnungsverhältnis zu bejahen, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Abgelehnte Bewerber würden häufig in Beweisnot kommen, weil sie oft noch nicht einmal wüssten, ob ein Bewerber des anderen Geschlechts, einer anderen Ethnie etc. eingestellt worden sei. Bedenken wegen des Datenschutzes ließen sich verringern, wenn man den Auskunftsanspruch nicht auf alle Bewerber, sondern nur auf den Eingestellten oder Beförderten beziehe, auf bestimmte Grunddaten beschränke und zusätzlich den Nachweis verlange, dass der klagende Bewerber selbst die aus der Ausschreibung oder sonst ersichtliche Mindestqualifikation für die Stelle erfülle (im Ergebnis ebenso, allerdings lediglich als rechtspolitische Forderung, Hanau in: Arbeit und Recht. Festschrift für Albert Gnade, S. 351, 361f).

Ein Auskunftsanspruch im Zusammenhang mit Klagen wegen einer behaupteten Diskriminierung bei Einstellungen wird zu Recht abgelehnt.

Eine allgemeine, nicht aus besonderen Rechtsgründen abgeleitete Pflicht zur Auskunftserteilung besteht nicht. Auch die Zivilprozessordnung kennt keine – über die anerkannten Fälle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende – Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei. Weder die Aufgabe der Wahrheitsfindung noch das Rechtsstaatsprinzip hindert den Gesetzgeber daran, den Zivilprozess der Verhandlungsmaxime zu unterstellen und es in erster Linie den Parteien zu überlassen, die notwendigen Tatsachenbehauptungen aufzustellen und die Beweismittel zu benennen. Darauf beruht die Regelung der Behauptungs- und Beweislast im Zivilprozess. Im Grundsatz gilt, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner das Material für dessen Prozesssieg zu verschaffen (BAG vom 1.12.2004 – 5 AZR 664/03 – AP Nr. 38 zu § 242 BGB Auskunftspflicht m.w.N.).

Gewohnheitsrechtlich ist anerkannt, dass Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben bestehen können, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Ein Ungleichgewicht kann etwa aus einer wirtschaftlichen Übermacht oder aus einem erheblichen Informationsgefälle resultieren. Eine solche Situation kann es erfordern, Auskunftsansprüche zu statuieren, die eine Vertragspartei zur Wahrnehmung ihrer materiellen Rechte aus dem Vertrag benötigt. Im Regelfall setzt das einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch voraus. Innerhalb vertraglicher Beziehungen, insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen, kann der Auskunftsanspruch darüber hinaus die Funktion haben, dem Berechtigten Informationen auch schon über das Bestehen des Anspruchs dem Grunde nach zu verschaffen. Im Arbeitsverhältnis wird der Inhalt dieser Nebenpflicht durch eine besondere persönliche Bindung der Vertragspartner geprägt. Aus dem Arbeitsverhältnis ergeben sich spezifische Pflichten zur Rücksichtnahme. Besteht ein billigenswertes Interesse an einer Auskunft, zB weil sie zur Geltendmachung eines Leistungsanspruchs erforderlich ist, kann sie verlangt werden, soweit die Verpflichtung keine übermäßige Belastung des Vertragspartners darstellt und die gesetzliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Prozess berücksichtigt bleibt. Die Darlegungs- und Beweissituation darf nicht durch die Gewährung materiellrechtlicher Auskunftsansprüche unzulässig verändert werden (BAG a.a.O. m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Kammer folgt, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, abgelehnten Stellenbewerbern Auskunft über die Person des- oder derjenigen zu erteilen, der bzw. die eingestellt wurde. Es fehlt in derartigen Fällen zum einen an einem feststehenden Anspruch. Darüber hinaus fehlt es auch an den besonderen Bindungen, wie sie sich bei Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis ergeben. Die Situation bei der erfolglosen Stellenbewerbung ist insofern eine gänzlich andere als im bestehenden Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber, der eine Stelle ausschreibt, richtet das Stellenangebot in der Regel an eine unbekannte, möglicherweise sehr große Zahl von Bewerbern. Darauf, wer sich dann letztlich auf diese Stellenausschreibung bewirbt und wie viele Bewerber auftreten, hat er keinen Einfluss. Schon von daher würde es eine übermäßige Belastung in organisatorischer Hinsicht darstellen, wenn der Arbeitgeber verpflichtet wäre, jedem ablehnten Bewerber Auskunft im Zusammenhang mit der tatsächlich vorgenommenen Einstellung zu erteilen. Hinzu kommt, dass bei Klagen wegen vermeintlicher Benachteiligung im Sinne des § 7 AGG der Arbeitgeber bei Bejahung eines Auskunftsanspruches auch dann, wenn keinerlei Anhaltspunkte für ein unzulässiges Handeln vorlägen, gehalten wäre, klagebereiten Personen letztlich die zur Schlüssigkeit ihres Begehrens möglicherweise erst noch erforderlichen Informationen erteilen müsste. Grobys (a.a.O.) weist zu Recht darauf hin, dass dies unzumutbar wäre. Die Regelungen der Behauptungs- und Beweislast, wie sie sich aus § 22 AGG ergeben, würden damit vollkommen negiert. Dies zeigt sich auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat – wie ausgeführt – keinerlei Tatsachen vorgetragen, die auch nur entfernt Anlass zu der Annahme gäben, die Beklagte habe sie bei der Bewerbung um den ausgeschriebenen Arbeitsplatz unzulässig benachteiligt. Wollte man gleichwohl die Beklagte verpflichten, der Klägerin Auskunft über die Person des eingestellten Bewerbers bzw. der eingestellten Bewerberin zu erteilen, so würde damit die Beklagte gezwungen, trotz einer unter Berücksichtigung der Beweislastregelung des § 22 AGG vollständig unschlüssigen Klage dazu beizutragen, das Klagebegehren weiter verfolgen zu können. Dies ist unzumutbar. Das gilt erst recht angesichts dessen, dass die Klägerin – wie gerichtsbekannt ist – nicht nur im vorliegenden Verfahren, sondern in einer Vielzahl von Fällen Ansprüche wegen behaupteter Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG gegen verschiedene Arbeitgeber geltend macht.

Ein Auskunftsanspruch folgt schließlich auch nicht unter Berücksichtigung der Vorgaben des europäischen Rechts. Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert halten und bei einem Gericht bzw. einer anderen zuständigen Stelle Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Eine entsprechende Beweislastregelung fordern Artikel 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und Artikel 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diesen Anforderungen trägt § 22 AGG Rechnung, indem er den Beweis von Indiztatsachen genügen lässt, wobei hier dahinstehen kann, ob insofern eine richtlinienkonforme Auslegung des § 22 AGG des Inhalts geboten ist, dass die Beweiserleichterung nicht nur für die Kausalität zwischen Benachteiligung und einem der in § 1 AGG genannten Merkmale, sondern auch für die Vorliegen einer Benachteiligung als solcher gilt (vgl. dazu Bertzbach a.a.O., § 22 Rn. 17 ff m.w.N.). Jedenfalls statuieren die genannten Richtlinien keinen Auskunftsanspruch, sondern fordern lediglich Beweiserleichterungen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S.1 ArbGG.

IV.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Die Frage, ob ein abgelehnter Bewerber Anspruch auf Auskunft über die Person des eingestellten Bewerbers hat, ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden. Diese Frage kann für eine Vielzahl von Verfahren nach § 15 AGG entscheidungserheblich sein, so dass die Klärung der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat.

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