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Kündigung wegen Stellenstreichung

BUNDESARBEITSGERICHT

Az.: 2 AZR 326/02

Urteil vom 22.05.2003


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30. April 2002 – 5 Sa 538/01 – aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin macht die Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung geltend.

Sie ist Erzieherin von Beruf. Sie war zunächst in einer Kindereinrichtung in Glashütte beschäftigt und trat 1992 in die Dienste der beklagten Stadt A. Ihre monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 2.705,00 DM bei einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden.

Die Beklagte unterhält fünf Kindertagesstätten und beschäftigte dort Anfang des Jahres 2000 25 Erzieherinnen, davon 23 mit 30, eine mit 40 und eine mit 19 Wochenstunden. Weiterhin waren drei Aushilfskräfte (sog. Pauschalkräfte) eingesetzt, die organisatorische Aufgaben im Zusammenhang mit der Wäschereinigung wahrnehmen und vertretungsweise Kinder betreuen.

Entsprechend den im Februar 2000 vorliegenden Anmeldungen sollten ab September 2000 im Bereich Krippe 15 Kinder, im Bereich Kindergarten 116 Kinder und im Bereich Hort 82 Kinder betreut werden. Für 45 Hortkinder war eine Betreuungszeit von sechs Stunden und für 37 Hortkinder von fünf Stunden vorgesehen. Unter Berücksichtigung von zehn freien Plätzen im Kindergartenbereich sowie der im Bereich Kindergarten nur halbtags zu betreuenden Kinder errechnete die Beklagte auf Grundlage des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen vom 24. August 1996 (SächsGVBl. S. 386 – SäKitaG) einen Bedarf von 16,6 vollzeitbeschäftigten Fachkräften (Vollzeit-Äquivalente – VzÄ). Nach ihrer Berechnung beschäftigte sie 18,73 VzÄ, so daß sich eine Differenz von 2,13 VzÄ ergab. In seiner Sitzung vom 28. Februar 2000 beschloß der Stadtrat der Beklagten, die Verwaltung zu beauftragen, die Kündigung von zwei Erzieherinnen nach dem Sozialplan vorzubereiten, da unter Berücksichtigung des SäKitaG ein Überhang von 2,13 VzÄ bestehe.

Am 14. März 2000 schloß die Beklagte mit einer Erzieherin einen Aufhebungsvertrag. Der Klägerin wurde eine freie Stelle als Erzieherin im Internat sowie eine befristete Stelle im Fremdenverkehrsamt angeboten. Die Klägerin lehnte beides ab. Daraufhin teilte die Beklagte dem Personalrat mit Schreiben vom 26. Mai 2000 ihre Absicht mit, der Klägerin ordentlich betriebsbedingt zu kündigen, da Erzieherinnen im Umfang von 2,13 VzÄ abgebaut werden müßten und nach durchgeführter Sozialauswahl zwischen allen Erzieherinnen der Klägerin, für die eine Punktzahl von 35 ermittelt worden sei, gekündigt werden müsse. Mit Schreiben vom 7. Juni 2000 erklärte der Personalrat, es würden keine Einwände erhoben.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 20. Juni 2000 zum 31. Dezember 2000.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beschluß des Stadtrates rechtfertige die Kündigung nicht. Er befasse sich weder mit ihrer Stelle, noch lege er einen konkreten Zeitpunkt für den Personalabbau fest und beinhalte er, daß der Personalbedarf sich künftig nach dem SäKitaG richte. Außerdem habe sich der Bedarf an Mitarbeitern in der Kinderbetreuung nicht verringert. Die Berechnung nach dem SäKitaG berücksichtige nur eine Betreuungszeit von neun Stunden, während die Öffnungszeit der Einrichtungen elf Stunden betrage. Eine ausreichende Versorgung sei schon in der Vergangenheit nicht gewährleistet gewesen, weshalb die Pauschalkräfte regelmäßig auch Kinder hätten betreuen müssen. Der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß gehört worden, weil ihm die Liste mit den in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmern nicht vorgelegen habe. Außerdem enthalte die Liste 28 Namen, obwohl nach dem Inhalt des Anhörungsschreibens nur 24 Arbeitnehmer in die Auswahl einzubeziehen gewesen seien.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 2000 nicht beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Der Entscheidung des Stadtrates komme dieselbe Bedeutung zu wie einer Stellenstreichung in Form eines „kw-Vermerks“. Es gehe nicht an, von einer Stadtgemeinde wie der Beklagten zu fordern, die Personalanpassung in dem durch schnelle Fluktuationen gekennzeichneten Bereich der Kinderbetreuung durch jeweilige Änderung des Stellenplans vorzunehmen. Der Stellenüberhang sei nach dem SäKitaG zutreffend berechnet. Die Beschäftigung von Pauschalkräften diene dem Zweck, auf kurzfristige Personalengpässe reagieren zu können. Wegen der unterschiedlichen Aufgabenbereiche seien die Pauschalkräfte weder bei der Bedarfsberechnung noch in der Sozialauswahl zu berücksichtigen. Die Liste der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer habe dem Personalrat vorgelegen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Ob der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt worden sei, könne offenbleiben. Die Kündigung sei jedenfalls nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Zwar stellten im öffentlichen Dienst Stellenstreichungen und das Anbringen eines kw-Vermerks grundsätzlich Entscheidungen dar, die eine Kündigung betriebsbedingt begründen könnten. Der Beschluß des Stadtrates vom 28. Februar 2000 reiche dazu jedoch nicht aus, weil er den Stellenplan nicht ändere, der Stelle der Klägerin nicht zugeordnet werden könne und den Zeitpunkt des Wegfalls der Stelle nicht erkennen lasse. Die Beklagte habe auch nicht dargelegt, daß der Rückgang der Kinderzahlen unmittelbar einen Rückgang des Betreuungsbedarfs nach sich ziehe. Die bloße Entscheidung, die Anzahl der Fachkräfte an den Personalschlüssel des SäKitaG anzupassen, reiche nicht aus. Zwar bestehe bei Anwendung des Personalschlüssels nach dem SäKitaG tatsächlich ein Beschäftigungsüberhang von mindestens 1,79 Vollzeitkräften. Damit sei aber noch offen, wie im einzelnen die organisatorische Umsetzung erfolge, insbesondere, welcher Personalbedarf in den einzelnen Einrichtungen bestehe und wie er gedeckt werden könne. Dazu habe die Beklagte nichts vorgetragen. Ein dringendes betriebliches Erfordernis könne sich deshalb nur aus einer Kostenersparnis ergeben, zu der die Beklagte aber ebenfalls nicht vorgetragen habe. Die Sozialauswahl sei nicht zu beanstanden.

B. Dem folgt der Senat nur in Teilen der Begründung.

I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei nicht aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt, verletzt § 1 Abs. 2 KSchG. Das rügt die Revision zu Recht.

1. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt ist, weil dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, geht es um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Diese kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil die Rechtsbegriffe selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. vgl. zB BAG 12. April 2002 – 2 AZR 256/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118). Diesem Maßstab wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht.

2. Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken.

a) In der Regel entsteht das betriebliche Erfordernis nicht unmittelbar und allein durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktionsrückgang usf.), sondern auf Grund einer durch wirtschaftliche Entwicklungen oder fiskalische Überlegungen veranlaßten Entscheidung des Arbeitgebers (unternehmerische Entscheidung). Im öffentlichen Dienst kann eine vergleichbare Entscheidung zB darin liegen, daß in einem Haushaltsplan eine Stelle gestrichen (BAG 28. November 1956 – GS 3/56 – BAGE 3, 245; 3. Mai 1978 – 4 AZR 698/76 – BAGE 30, 272; 21. Januar 1993 – 2 AZR 330/92 – AP MitbestG Schleswig-Holstein § 52 Nr. 1 = EzA KSchG § 2 Nr. 18), ein sog. kw-Vermerk angebracht (BAG 6. September 1978 – 4 AZR 84/77 – AP KSchG 1969 § 1 Nr. 4) oder aus einem Personalbedarfsplan der Wegfall einer Stelle ersichtlich wird (BAG 18. November 1999 – 2 AZR 77/99 – AP KSchG 1969 § 2 Nr. 55 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 104). Die Zweckmäßigkeit dieser Entscheidungen ist von den Arbeitsgerichten nur begrenzt nachprüfbar, nämlich darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (st. Rspr. BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 141/99 – BAGE 92, 71). Zu diesem Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll (BAG 7. Mai 1998 – 2 AZR 536/97 – BAGE 88, 363; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61; KR-Etzel 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 561 mwN; insoweit zustimmend: Kühling AuR 2003, 92). Der Arbeitgeber kann grundsätzlich sowohl das Arbeitsvolumen (Menge der zu erledigenden Arbeit) als auch das diesem zugeordnete Arbeitskraftvolumen (Arbeitnehmer-Stunden) und damit auch das Verhältnis dieser beiden Größen zueinander festlegen.

b) Dagegen obliegt es den Arbeitsgerichten nachzuprüfen, ob eine unternehmerische Entscheidung überhaupt getroffen wurde und ob sie sich betrieblich dahingehend auswirkt, daß der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfallen ist. Zwar muß nicht ein bestimmter Arbeitsplatz entfallen sein (st. Rspr. BAG 30. Mai 1985 – 2 AZR 321/84 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 24 = EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 36, zu B II 1 der Gründe; 17. Februar 2000 – 2 AZR 109/99 -). Voraussetzung ist aber, daß die Organisationsentscheidung ursächlich für den vom Arbeitgeber behaupteten Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Entscheidung sich auf eine nach sachlichen Merkmalen genauer bestimmte Stelle bezieht. Der allgemeine Beschluß, Personalkosten zu senken, erfüllt diese Anforderungen nicht (vgl. Rost in Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83, 102).

c) Erschöpft sich die Entscheidung des Arbeitgebers im wesentlichen darin, Personal einzusparen, so rückt sie nahe an den Kündigungsentschluß heran. Da die Kündigungsentscheidung selbst nach dem Gesetz nicht frei, sondern an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, muß der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit („Dauer“) verdeutlichen, damit das Gericht prüfen kann, ob sie im Sinne der oben gekennzeichneten Rechtsprechung offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich, also mißbräuchlich ausgesprochen worden ist (BAG 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61).

3. Die Anwendung dieser Grundsätze führt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zu dem Ergebnis, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

a) Die Beklagte hat außerbetriebliche Ursachen, nämlich den auf Grund der rückläufigen Anmeldungen prognostizierten Rückgang der Anzahl der zu betreuenden Kinder zum Anlaß für den Beschluß des Stadtrates genommen, die Anzahl der in ihren Kindertagesstätten zu beschäftigenden Fachkräfte um zwei zu reduzieren, weil bei Anwendung des Personalschlüssels nach dem SäKitaG ein Überhang von 2,13 Vollzeitstellen (VzÄ) bestehe.

b) Diese Entscheidung führt zum Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin. Der Ratsbeschluß bezieht sich zwar nicht auf einzelne Arbeitsplätze, also auch nicht explizit auf denjenigen der Klägerin. Gleichwohl handelt es sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht um einen nur allgemeinen Beschluß zur Personalreduzierung, der den Beschäftigungsbedarf für die Klägerin unberührt ließe. Maßgeblich für die Abgrenzung ist, ob die Entscheidung den Beschäftigungsbereich des Arbeitnehmers so betrifft, daß die Frage, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, allein noch eine solche der sozialen Auswahl ist. Vermindert die Entscheidung des Arbeitgebers das so eingegrenzte Beschäftigungsvolumen, dann betrifft dies den Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer dieses Bereichs. Welches Arbeitsverhältnis dann gekündigt werden darf, ist lediglich noch eine Frage der sozialen Auswahl. So liegt der Fall hier. Der Ratsbeschluß reduzierte unmittelbar das Beschäftigungsvolumen im Bereich der erzieherischen Fachkräfte, die – wovon beide Parteien ausgehen – in allen Kindertagesstätten einsetzbar waren. Zu diesen Fachkräften gehört die Klägerin. Daß der Ratsbeschluß keinen konkreten Zeitpunkt angibt, ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unerheblich. Der Ratsbeschluß vom 28. Februar 2000 enthielt einen Auftrag an die Verwaltung, zwei Kündigungen vorzubereiten. Irgendwelche Geltungsbeschränkungen sieht er nicht vor. Damit war deutlich, daß die Verwaltung den Beschluß sofort ausführen sollte.

c) Die Entscheidung ist nicht offenkundig unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, daß die Beklagte bei Zugrundelegung des Personalschlüssels des SäKitaG einen Überhang an erzieherischem Fachpersonal von höchstens 2,13, mindestens jedoch 1,79 Vollzeitstellen hat. Da der Ratsbeschluß dahin geht, zwei 30-Stunden-Stellen abzubauen, hält er sich in diesem Rahmen. Zwar ist richtig, daß, wie das Landesarbeitsgericht ausführt, der Rückgang der Anzahl zu betreuender Kinder nicht „automatisch“ zu einem Rückgang des Betreuungsbedarfs führt. Indes ist der Revision darin zu folgen, daß die Organisationsentscheidung der Beklagten beinhaltete, jedenfalls für die Zukunft die Zahl der erzieherischen Fachkräfte in etwa nach dem Personalschlüssel des SäKitaG zu bemessen. Da es – wie ausgeführt – grundsätzlich Sache des Arbeitgebers ist, das Verhältnis zwischen Arbeitsvolumen und Arbeitskräftevolumen festzulegen, da ferner die grundsätzliche Entscheidung, die Personalstärke an das erwartete Arbeitsvolumen anzupassen, offenkundig vernünftig ist und die Anwendung des Personalschlüssels nach dem SäKitaG der Beklagten aus finanziellen Gründen angelegen sein mußte – denn nur für die sich bei Anwendung des Personalschlüssels ergebenden Personalkosten erhält die Beklagte Zuschüsse -, ist der Ratsbeschluß vom 28. Februar 2000 seinem Inhalt nach plausibel und jedenfalls auch nicht offenkundig unsachlich.

d) Die Beklagte hat ihre Entscheidung auch hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit hinreichend dargelegt.

(1) Daß der Arbeitgeber zur organisatorischen Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung vortragen muß, ist weder Selbstzweck, noch darf es dazu dienen, daß die Gerichte in die betrieblichen Organisationsabläufe eingreifen. Der Sinn besteht darin, einen Mißbrauch des Kündigungsrechts auszuschließen. Vermieden werden sollen betriebsbedingte Kündigungen, die zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führen (Rost in Jahrbuch des Arbeitsrechts Bd. 39 S. 83). Vermieden werden soll außerdem, daß die unternehmerische Entscheidung lediglich als Vorwand benutzt wird, um Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeit fortbestehen und lediglich die Arbeitsvertragsinhalte und die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen als zu belastend angesehen werden (BAG 26. September 2002 – 2 AZR 636/01 – NZA 2003, 549, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Für eine solche mißbräuchliche Ausübung des Kündigungsrechts sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

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(2) Es ist eine Zweckmäßigkeitsfrage, welchen Schlüssel zur Berechnung des Personalbedarfs der Arbeitgeber zugrunde legt. Die Beantwortung dieser Frage fällt in den Bereich der Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers. Hier hat die Beklagte nicht etwa einen willkürlich gegriffenen Personalbedarfsschlüssel angewandt, sondern sich an gesetzlichen Maßstäben orientiert. Es ist nichts dafür ersichtlich, daß ein solcher gesetzlicher Personalbedarfsschlüssel nur bei gleichzeitiger Überforderung des Personals anwendbar wäre. Soweit die Klägerin geltend macht, die Öffnungszeiten der Beklagten beliefen sich auf elf Stunden, das SäKitaG gehe jedoch von neun Stunden Betreuungszeit aus, verkennt sie, daß der Beschäftigungsbedarf für Erzieherinnen in erster Linie durch die Betreuungszeit, nicht aber durch die Öffnungszeiten bestimmt ist.

(3) Wenn das Landesarbeitsgericht von der Beklagten ein „Konzept“ zur Umsetzung des Personalschlüssels fordert, verkennt dies die Gegebenheiten des Falls. Die Beklagte ist eine kleine Stadtgemeinde. Sie muß das Angebot an Kindereinrichtungen im Interesse ihrer Bürger ausreichend, aber auch finanzierbar halten. Wenn sie sich – wie ersichtlich – an dem Grundsatz orientiert, ihren Personalbestand an gesetzlichen Bedarfsschlüsseln und der damit verbundenen Finanzierbarkeit zu orientieren, so ist dies „Konzept“ genug, weil damit zugleich der organisatorische Rahmen bestimmt wird. Dementsprechend müssen sich Gruppeneinteilungen, Dienstpläne usf. an der auf den gesetzlichen und damit verbundenen finanziellen Vorgaben aufbauenden Personalausstattung ausrichten (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 16. Mai 2000 – 8 (5) Sa 981/99 -). Daß dies nicht möglich wäre, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

(4) Daß die Beklagte keine Angaben zu der Entwicklung der Kinderzahlen in den einzelnen Einrichtungen vorgetragen hat, ist unerheblich. Die Vortragslast des Arbeitgebers korrespondiert mit der von ihm vorgegebenen betrieblichen Organisation. Organisiert er, wie hier, einen Bereich (Kindereinrichtungen) als Einheit und hält für diese Einheit Arbeitskräfte vor, so ist es ausreichend, wenn er den Rückgang des Beschäftigungsbedarfs für diese Einheit darlegt. Der Arbeitgeber muß den Beschäftigungsbedarf nicht zur Führung des Kündigungsschutzprozesses auf kleinere Untereinheiten herunterbrechen, als er selbst bei der Organisation und Planung zugrunde legt. Andernfalls würde das Gericht in organisatorische Zweckmäßigkeitsüberlegungen des Arbeitgebers eingreifen. Dementsprechend durfte das Landesarbeitsgericht von der Beklagten auch keine ins einzelne gehenden Dienstpläne verlangen. Die Organisationsentscheidung beruhte auf einer Bedarfsprognose nach dem Stand der Anmeldungen im Februar 2000. Sie bezog sich auf alle fünf von der Beklagten unterhaltenen Einrichtungen. Im einzelnen konnten sich Änderungen ergeben. Es lag daher fern, bereits im Februar Einzeldienstpläne aufzustellen. Die Klägerin selbst hat im übrigen zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, es sei ohne rechtswidrige Überforderung der verbliebenen Kräfte nicht möglich, die Öffnungszeiten der Kindereinrichtungen abzudecken und die Kinder zu betreuen.

(5) Daß die Beklagte weiterhin Pauschalkräfte beschäftigt, macht die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Personalbedarfs nicht willkürlich oder unsachgemäß. Das SäKitaG gibt lediglich einen Personalschlüssel für das erzieherische Fachpersonal an. Damit ist nicht ausgeschlossen, daß in den Einrichtungen andere Arbeitskräfte beschäftigt werden, auf die sich der Bedarfsschlüssel nicht bezieht. Außerdem ist die Anzahl der Pauschalkräfte gleich geblieben. Sie können also nicht zu dem Zweck eingesetzt werden, etwa den Ausfall der Klägerin und der durch Aufhebungsvertrag ausgeschiedenen erzieherischen Fachkraft auszugleichen.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Die Kündigung ist schon deshalb nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam, weil die Klägerin ihre erstinstanzlich erhobene Rüge im Berufungsrechtszug nicht mehr weiter verfolgt hat (vgl. BAG 17. Februar 2000 – 2 AZR 109/99 -).

2. Zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daß die Anhörung des Personalrats nicht allein deshalb fehlerhaft ist, weil die Beklagte dem Personalrat nach ihrer Behauptung die Sozialdaten von 28 Arbeitnehmern mitgeteilt hat. Die Beklagte hat diejenigen Mitarbeiter berücksichtigt, die sie in die Auswahl einbeziehen wollte. Das ist nicht zu beanstanden. Die Arbeitnehmervertretung ist immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Gründe mitgeteilt hat (st. Rspr. zB BAG 17. Februar 2000 – 2 AZR 913/98 – BAGE 93, 366 mwN).

III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgehalten hat, steht bisher noch nicht fest, ob die Kündigung wegen Verletzung des Mitwirkungsrechts des Personalrats (§§ 76, 78 SächsPersVG) unwirksam ist. Hat die Beklagte nämlich nicht, wie sie behauptet und die Klägerin bestreitet, dem Personalrat die Liste mit den Sozialdaten übergeben und waren dem Personalrat die Daten nicht anderweit bekannt, so wurde der Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet. Denn bei sozialen Auswahlentscheidungen muß der Arbeitgeber die maßgeblichen Sozialdaten der Personalvertretung mitteilen (vgl. BAG 29. März 1984 – 2 AZR 429/83 (A) – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 31 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 55; 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – BAGE 81, 199). Von seinem Standpunkt aus folgerichtig hat das Landesarbeitsgericht den von der Beklagten insoweit angebotenen Beweis nicht erhoben. Das wird nachzuholen sein.

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