Bundesgerichtshof
Az: 5 StR 72/07
Beschluss vom 24.05.2007
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Mai 2007 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 10. Juni 2006 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten Sch. hat es wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verhängt und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
I.
Zur Revision des Angeklagten L.
1. Die Verurteilung des Angeklagten L. wegen jeweils tateinheitlich begangener Körperschaft- und Gewerbesteuerhinterziehung in fünf Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Urteilsfeststellungen belegen, dass der Angeklagte im Rahmen der Körperschaft- und Gewerbesteuererklärungen für die L. S. GmbH (im Folgenden: S. GmbH) zu Unrecht Aufwandsbuchungen für Lizenzgebühren gewinnmindernd berücksichtigte und hierdurch zu niedrige Steuerfestsetzungen bewirkte.
a) Zutreffend hat das Landgericht die an die Firma Sh. Patents Limited mit Sitz in Irland (im Folgenden: Sh. Limited) gezahlten Lizenzgebühren, die bei der S. GmbH als Aufwand gebucht wurden, als verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG gewertet, die den Gewinn der Gesellschaft nicht minderten. Denn bei den geleisteten Zahlungen handelte es sich nicht um Leistungen aufgrund eines wirksamen Lizenzvertrages, sondern um Zahlungen, die durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen der S. GmbH und dem Angeklagten L. veranlasst waren.
aa) Der Bundesfinanzhof definiert die verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in ständiger Rechtsprechung als Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens (d. h. des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. nur BFHE 199, 144, 145; 183, 94, 95; 156, 155, 156). Dabei muss die Minderung des Unterschiedsbetrages geeignet sein, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen (vgl. BFHE 200, 197, 198 f.).
Wurden Zuwendungen an einen Gesellschafter gewährt, ist zur Abgrenzung, ob sie aus betrieblichen Gründen erfolgten oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurden, ein Fremdvergleich vorzunehmen (vgl. nur BFHE 199, 144, 145). Danach ist eine Zuwendung dann nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn die Gesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vorteil auch einer Person, die nicht Gesellschafter ist, gewährt hätte.
Ein strengerer Maßstab gilt bei Zuwendungen an einen beherrschenden Gesellschafter. Hier ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis bereits dann anzunehmen, wenn die Leistung der Gesellschaft an den Gesellschafter nicht auf einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung beruht (vgl. BFHE 183, 94, 95; 172, 51, 54; 156, 155, 156). Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, so liegt regelmäßig eine verdeckte Gewinnausschüttung vor (vgl. BGHSt 39, 146, 151; 36, 21, 24).
Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Kapitalgesellschaft an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahe stehende Person leistet, sofern und soweit die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Dabei kann die Beziehung zwischen dem beherrschenden Gesellschafter und dem Dritten auch gesellschaftsrechtlicher Art sein (st. Rspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. BFH BStBl II 1997, 301, 302 m.w.N.).
bb) Nach diesen Maßstäben stellen hier die Zahlungen der S. GmbH an die Sh. Limited, die von dem Angeklagten K. H. L. und seinem Sohn T. L. als „directors“ geleitet wurde und deren Anteile von T. L. gehalten wurden, verdeckte Gewinnausschüttungen im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG dar.
Das Landgericht hat sich aufgrund einer tragfähigen Beweiswürdigung die Überzeugung gebildet, dass die gezahlten „Lizenzgebühren“ allein durch das Gesellschaftsverhältnis zwischen der S. GmbH und dem Angeklagten L. veranlasst waren. Der auf den 1. Juli 1995 rückdatierte Lizenzvertrag (vgl. UA S. 38, 83) war, jedenfalls soweit er unter Artikel 3 Zahlungsverpflichtungen als Gegenleistungen für Patentnutzungen vorsah, nicht ernstlich gewollt (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) und diente nur der Verschleierung von „Entschädigungszahlungen“ an den Angeklagten L. , der zu dieser Zeit faktischer Geschäftsführer und – über die von seiner Ehefrau für ihn gehaltenen Geschäftsanteile – Alleingesellschafter der S. GmbH war. Diese vom Tatgericht gezogene Schlussfolgerung ist möglich und vom Revisionsgericht hinzunehmen, da sie erkennbar auf einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen für und gegen ein Scheingeschäft sprechenden Umstände beruht (vgl. BGH wistra 2007, 112, 115; BGHR AO § 41 Abs. 2 Scheinhandlung 3 = wistra 2002, 221, 223; vgl. auch FG Baden-Württemberg EFG 2000, 148 f., dazu BFH/NV 2001, 639). Den ebenfalls möglichen, aber nicht zwingenden Schluss, dass die Zahlungen wenigstens zum Teil als Gegenleistung für die Nutzung des Neupatents gedacht waren (dazu UA S. 43; vgl. BGHSt 36, 21, 24 f.; BFH HFR 1977, 539, 540), wollte das Landgericht nicht ziehen (siehe insbesondere UA S. 96, 110 f.). Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und ist angesichts des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
Es hält rechtlicher Nachprüfung stand, dass das Landgericht dem Schreiben des Angeklagten Sch. vom 5. Dezember 1994 und dessen Aktenvermerk über ein Telefongespräch vom 7. Dezember 1994 besondere Bedeutung beigemessen hat. Hinzu kommt, dass die erste und höchste Einzelauszahlung in Höhe von 670.795,35 DM bereits zu einem Zeitpunkt geleistet wurde, als der Lizenzvertrag nur als Entwurf vorlag, es mithin an einem klaren und von vornherein abgeschlossenen wirksamen Lizenzvertrag fehlte (UA S. 38, 83). Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht zudem seine Schlussfolgerung, dass die Vereinbarung von Lizenzgebühren nicht ernstlich gewollt war, auch auf folgende Umstände gestützt (vgl. insbesondere UA S. 96 und 113):
(1) Maßstab für die Berechnung der Lizenzgebühren war nicht der vom Angeklagten L. angenommene Verkehrs- oder Ertragswert des Patents P 44 42 803.0. Die Höhe der Gebühren bestimmte sich vielmehr nach denjenigen Beträgen, die ihm sein vormaliger Geschäftspartner I. in den Jahren 1993 und 1994 – entgegen einer mündlichen Abrede – vorenthalten hatte. So sollte insbesondere die erste Zahlung in Höhe von 670.795,35 DM eine „Entschädigung“ für ein zu geringes Gehalt und die damals nicht erfolgte Beteiligung an Lizenzgebühren sowie an Betriebsgewinnen sein (vgl. UA S. 26 f.). Die auf der Grundlage des neuen Patents hergestellten Produkte Multi-Quick 100, 110 und 130, die vorgeblicher Gegenstand der Lizenzvereinbarung waren, wurden erst ab 1997 vertrieben (UA S. 40). Zudem war die Sh. Limited allein unter der Kanzleianschrift des Wirtschaftsprüfers Schn. in Dublin zu erreichen (UA S. 30) und hatte keine Patententwicklungskosten, für die sie mit den im Vertrag vorgesehenen Pauschalzahlungen hätte entschädigt werden müssen.
(2) Nach Artikel 3.1 (a) des Lizenzvertrags fielen Gebühren auch für die Altprodukte Multi-Quick 60 und Multi-Quick 70 an, obwohl diese nach wie vor nicht unter Nutzung des Neupatents P 44 42 803.0 hergestellt wurden. Inhaberin der insoweit genutzten Schutzrechte G 890 4096.1 und G 891 0814.0 war aber im Tatzeitraum (UA S. 33 f.) das Produktionsunternehmen L. Sp. GmbH (im Folgenden: Sp. GmbH) und nicht die Sh. Limited.
(3) Schließlich war Inhaber des Rechts auf das Neupatent (§ 6 PatG) entweder der Angeklagte oder, sofern es sich – was näher liegt – um eine gebundene Arbeitnehmererfindung handelte, die Sp. GmbH (§ 4 Abs. 2 Nr. 1, §§ 6, 7 Abs. 1, Abs. 3 ArbnErfG). Von dem Vindikationsrecht nach § 8 PatG wurde kein Gebrauch gemacht. Damit wurde an die Sh. Limited geleistet, obwohl sie die Erfindung als Nichtberechtigte angemeldet hatte. Auch diesem Umstand durfte das Landgericht in der Gesamtwürdigung Bedeutung beimessen.
b) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch die Buchungen, mit denen bei der S. GmbH weitere Zahlungsverpflichtungen aus dem Lizenzvertrag erfasst wurden, als den Gewinn der Gesellschaft nicht mindernd gewertet. Diese Buchungen waren nicht betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG), da die ihnen zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen, wie ausgeführt, als Scheingeschäfte im Sinne des § 41 Abs. 2 AO für die Besteuerung unerheblich waren.
c) Schließlich lässt auch der Umstand, dass die S. GmbH ab dem Jahr 1997 Spannwerkzeuge, die unter Nutzung des Patents P 44 42 803.0 hergestellt worden waren, vertrieben und damit das Neupatent im Sinne des § 9 PatG genutzt hatte, den Umfang der vom Landgericht rechtsfehlerfrei berechneten Steuerverkürzung unberührt. Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
aa) Die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen lagen insoweit auch für die Veranlagungszeiträume nach 1996 nicht vor. Weder die Sp. GmbH noch der Angeklagte L. konnten mangels Patentanmeldung auf ihren Namen die Rechte aus § 9 PatG wahrnehmen. Zudem hatten sie weder Ansprüche wegen einer etwaigen Rechtsverletzung geltend gemacht noch sollte eine solche Inanspruchnahme erfolgen. Denn nach den Urteilsfeststellungen wollte der Angeklagte L. weder persönlich noch über die Sp. GmbH als inländische Produktionsgesellschaft von der S. GmbH als Vertriebsunternehmen Lizenzgebühren verlangen. Vielmehr erfolgte die Lieferung der von der Sp. GmbH hergestellten und an die S. GmbH gelieferten Spannwerkzeuge gerade mit Zustimmung sowohl der formellen Patentinhaberin, der Sh. Limited, als auch des materiell Berechtigten. Daher handelte die S. GmbH beim Vertrieb der Spannwerkzeuge nicht rechtswidrig. Die für den Erwerb der von der Sp. GmbH gelieferten Spannwerkzeuge geschuldeten Kaufpreiszahlungen (UA S. 33) wurden, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, bei der S. GmbH ordnungsgemäß gebucht.
bb) Auch mit ihrem Vorbringen, das Landgericht hätte sich mit der Möglichkeit einer „verdeckten Einlage“ auseinandersetzen müssen, deckt die Revision keinen Rechtsfehler auf. Eine Einlage des Rechts auf das Patent in die S. GmbH liegt schon deshalb äußerst fern, weil die Sp. GmbH die Erfindung bei der Herstellung der Spannwerkzeuge selbst nutzen musste. Auch hatten weder die Sp. GmbH noch der Angeklagte L. mangels eigener Patentanmeldung Zahlungsansprüche als Ausfluss der Rechte aus § 9 i.V.m. § 139 PatG gegen die S. GmbH, die sie im Wege des Verzichts verdeckt bei der S. GmbH hätten einlegen können. Der bloße geldwerte Vorteil, ein unter Nutzung eines Patents hergestelltes Produkt vertreiben zu können, begründet für sich noch kein bilanzierungs- und damit einlagefähiges Wirtschaftsgut (vgl. BFHE 151, 523, 532 ff., 539 ff.).
cc) Ob die S. GmbH schon deswegen keine Lizenzgebühren schuldete, weil das Patent P 44 42 803.0 mit Auslieferung der Spannwerkzeuge durch die produzierende Sp. GmbH erschöpft war (vgl. dazu BGHZ 81, 282, 288 ff.; BGH NJW-RR 1997, 421 m.w.N.), kann der Senat nach alledem offenlassen. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die von der Revision geltend gemachten Ermäßigungsgründe „andere Gründe“ im Sinne des in § 370 Abs. 4 Satz 3 AO normierten Kompensationsverbots wären. Anzeichen dafür, dass das Landgericht bei der Strafzumessung verkannt hätte, dass der S. GmbH bei legaler Gestaltung naheliegend anderweitige gewinnmindernde Auslagen für die Nutzung des Patents entstanden wären (vgl. auch BGH NStZ 2004, 575, 576), bestehen nicht. Bei der vollständig verschleiernden Scheinvertragsgestaltung war solches kein bestimmender, ausdrücklich erörterungsbedürftiger Strafzumessungsgrund.
2. Die Verurteilung des Angeklagten L. wegen Einkommensteuerhinterziehung in drei Fällen hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Die als „Lizenzgebühren“ auf Konten der Sh. Limited geleiteten Beträge sind dem Angeklagten L. als verdeckte Gewinnausschüttungen zuzurechnen.
a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, die auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und die Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (st. Rspr.; vgl. nur BFH DStRE 2005, 764, 765 m.w.N.). Allerdings bedarf es grundsätzlich eines Zuflusses beim Gesellschafter im Sinne von § 11 EStG (vgl. nur BGH wistra 2004, 109 m.w.N.). Es genügt jedoch, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Sofern die Zuwendung allein auf dem Näheverhältnis des Empfängers zum Gesellschafter beruht, ist die Zuwendung so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter selbst den Vorteil erhalten und diesen an die nahe stehende Person (als steuerlich unbeachtliche Einkommensverwendung) weitergegeben (vgl. BFH aaO; BMF-Schreiben vom 8. März 1999 – IV C 6 – S 2252 – 2/99 -, BStBl I 1999, 514; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl. § 20 Rdn. 75).
b) So verhält es sich hier. Die Lizenzgebühren wurden allein deswegen an die Sh. Limited gezahlt, weil der Angeklagte L. dies als Alleingesellschafter der S. GmbH wegen seines privaten Geldbedarfs bestimmte und die Gesellschaftsanteile der Sh. Limited vom Sohn des Angeklagten, T. L. , gehalten wurden. Nach den Urteilsfeststellungen war T. L. in den Tatplan eingeweiht. Er hatte zudem seinem Vater, dem Angeklagten K. H. L. , auf dessen Veranlassung eine Generalvollmacht und ein unbefristetes notarielles Angebot auf jederzeitige unentgeltliche Übertragung der Geschäftsanteile an der Sh. Limited erteilt (UA S. 32, 41).
II.
Zur Revision des Angeklagten Sch.
Die Verurteilung des Angeklagten Sch. wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand. Nach den auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen wirkte der Angeklagte Sch. in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände an der Umsetzung des Tatplans des Angeklagten L. mit. Hierbei arbeitete er u. a. die Bestimmungen des Lizenzvertrages aus und bereitete inhaltlich unrichtige Steuererklärungen vor.